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GHOST: Prequelle - Massen-Review

08.06.2018

Manchmal müssen einen die Geister besuchen, damit man endlich wieder als Musikseite die Tradition unserer Massenreview wecken kann. Und das neue Album von GHOST hat unsere Kritiker-Geister wieder geweckt und gefangengenommen. 

Doch lest am besten selbst, wie gefährlich nah „Prequelle“ dem Spitzenplatz unserer Massenreview-Hitliste gekommen wäre, wenn nicht...

 

Review von: ANDREAS SCHIFFMANN (Profil)

 Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist "Prequelle" wieder ein wenig direkter ausgefallen, doch natürlich verändern sich GHOST nicht grundlegend. Im Rahmen ihrer aktuellen Schwerpunktverlagerung legen die Schweden allerdings ein Album vor, das so viele potenzielle Hits aufweist wie keiner seiner Vorgänger.

 Nach dem Intro 'Ashes' mit morbidem Kinder-Abzählvers ist gleich das mittlerweile hinlänglich bekannte 'Rats' ein Über-Ohrwurm vor dem unheiligen Herrn, sein Text ebenso hintersinnig wie jener des darauffolgenden Doom-Stampfers 'Faith' mit seinem einschmeichelndem Refrain samt heimtückischer Pointe. Dementsprechend wirkt 'See The Light' danach nur auf den ersten Hör wie ein Liebeslied und lässt mit seiner bittersüßen Anmutung schlucken - düsteres wie doppelbödiges Entertainment auf höchstem Niveau.

Eine verhältnismäßige Überraschung stellt das Symphonic-Rock-Instrumental 'Miasma' dar, eine cineastische Leistungsschau mit Saxofon und einigen treibenden Parts. Mehr Eighties geht nicht … oder doch? Der fieseste Ausbund an Eingängigkeit auf dem Album ist 'Dance Macabre', extrem abgefeimter Pop Rock Marke Boston oder Foreigner zu "4"-Zeiten, woraufhin einem das gehässige 'Pro Memoria' im Hals steckenbleiben kann, wirkt es doch als epische Power-Ballade mit Klavier letzten Endes nur indirekt so romantisch wie sein "Memento Mori"-Textmotiv.

Im Anschluss gönnen sich GHOST Kreativität auf Sparflamme, was bei ihnen aber immer noch für hochkarätiges Songwriting reichte. Das etwas zu offensichtlich auf die Masse zugeschnittene 'Witch Image' besticht mit zarten Strophen, und 'Helvetesfönster' (na, was heißt's auf Deutsch?), ein weiteres Instrumental, diesmal mit Flöten-Synth als Reprise auf die Melodie von 'Pro Memoria' im einstweiligen Walzer-Takt nebst Klaviertrillern sowie allen Prog-Schikanen hätte sich hervorragend als Finale geeignet; stattdessen folgt mit dem melancholischen 'Life Eternal' ein nahezu entbehrliches, längeres Outro, der einzige Schönheitsfehler eines beinahe perfekten Albums.

 FAZIT: GHOST am kompositorischen Zenit, eingebettet in einer nahezu vollkommenen Pop-Metal-Produktion. In ihrem einzigartigen stilistischen Bereich hat die Band ihren Schwerpunkt geringfügig verlagert, verhaltene Neuerungen in ihren Sound eingebunden und sich ihre Frische abermals bewahrt. "Prequelle" enthält mehrere Songs für die Ewigkeit und ist wie zu erwarten ein unantastbares Bollwerk. "Haters gonna hate", wie der Brite so treffend sagt - dem echten Papst sind Kritiker schließlich auch egal.

13 von 15 Punkten

 

Review von: NORMAN R. (Profil)

Tobias Forge ist gierig. Als ihn seine ehemaligen Mitstreiter vergangenes Jahr im Streit um Tantiemen vor Gericht zogen, gab sich der Schwede als Mastermind hinter GHOST zu erkennen, nein, er beharrte sogar auf seiner Rolle als maskierter Einzelkämpfer. Die Illusion ist also in mehrfacher Hinsicht dahin, was bleibt, ist die Gier. Hier ist die Beweislage jedoch eindeutig: GHOST gieren – in fast durchweg positiver Hinsicht - nach den Sternen.

Forge und seine immer noch ungeouteten, höchst professionellen Ghouls setzen mit „Prequelle“ zum gutvorbereiteten Sprung an die Spitze an. Auf den bereits im Vergleich zu seinen Vorgängern agileren Papa Emeritus III folgt der junge Cardinal Copia, der in die Rolle des Frontpredigers eine gute Portion Exzentrik legt („The Young Pope“ lässt grüßen). Es ist kein frisches Blut, das der Kardinal seinen Mitmusikern einimpft, er scheint da eher ein paar Konserven aus den 1980ern abgegriffen zu haben.

Ganz im Sinne des Albumtitels frönen GHOST noch offensiver und schamloser ihren Wurzeln, segeln dabei hart am Wind und werden letztendlich für ihren Mut belohnt. Nach dem neuen Intro in der Horror-Tradition von KING DIAMOND startet Album Nummer vier mit der Vorabsingle „Rats“, die seit Veröffentlichung schon diverse Millionen Male abgespielt worden ist. Nicht zu Unrecht, der Song beißt sich fest und lässt auch Traditionalisten weich werden, obwohl der Refrain nur aus dem gerollt ausgestoßenen Titel und einem „Woah!“-Mitsingpart besteht, während es dem Musikvideo in bester Prolog-Manier gelingt, den Ton für das gesamte Album zu setzen

Anhänger der härteren Schule werden GHOST wahrscheinlich bei „Faith“ auf den Leim gehen. Der stampfende, von spielerisch komplexen Melodien durchzogene und von einem bitterbösen Ohrwurmriff im Refrain veredelte Song vereint Kopfkreisen mit Mitsingharmonien und dürfte sich neben den offensichtlichen Hits des Albums mindestens zum Fanliebling mausern. „See The Light“ ist wiederum „nur“ ein guter Song, der sich aber eben aufgrund des hohen Qualitätsniveaus des restlichen Materials seine Position erst noch finden muss. Der gewagte Balanceakt zwischen Pop, Rock und Metal will hier nicht ganz so filigran gelingen, zudem ergeht sich der Kardinal in allzu bekannten Referenzen.

Mutig ist in jedem Fall auch „Miasma“, das erste Instrumental auf „Prequelle“. GHOST nähern sich ihrem Zweitwerk „Infestissumam“ und finden genug Wendungen, um fünf Minuten ohne Gesang zu rechtfertigen. Das überraschende Finale deutet dann auch an, dass der Band momentan eine Menge gelingt. „Dance Macabre“ setzt unter diese Vermutung ein fettes, neonbuntes Ausrufezeichen: Vielleicht ist der AOR-Smasher die Essenz aus dem GHOST’schen Treiben, schafft er es doch ein schlecht gealtertes Genre in heimsuchender Weise zu reanimieren, Headbanger (inklusive Subversion im Refrain) zu Jüngern des Pops zu bekehren und schlussendlich auch noch zum Tanzen zu bringen. Wenn da mal nicht die unwiderstehlichen, dämonischen Kräfte des Leibhaftigen höchstselbst sind…

Scheiden werden sich die Geister (höhö…) dann spätestens beim theatralischen „Pro Memoria“, mit dem Cardinal Copia seinen Schwarzen Schäfchen ins Gewissen zu reden versucht. Doch der Track brennt sich ein und ist vor dem Hintergrund der Bühnenshow und der vielleicht versteckten Musical-Aufmachung des Albums ein logisches wie gelungenes Experiment. „Witch Image“ möchte das auch sein, doch es ergeht ihm ähnlich wie „See The Light“: Das Stück hat seine Momente, dreht ein wenig zu stark am Poprad und ist eben nicht so einprägsam wie die genannten Hits, wobei Letzteres nun wirklich die Königsdisziplin darstellt. 

Im zweiten Instrumental „Helvetesfönster“ spielen sich die Schweden mit einem willkommenen Farbsprengsel nach den ganz großen Vorbildern in einen Rausch. Mit fast sechs Minuten Pop, schwedischer Folklore, Jan Johansson-Jazz und Carpenter-Horror qualifizieren sich GHOST endgültig für die Nachfolge der Melodic und Hard Rock-Helden, die schon vor 40 Jahren wussten, dass sich Massenwirksamkeit und Anspruch nicht auszuschließen brauchen. „Prequelle“ schließt mit „Life Eternal“, das den Ball aufnimmt, den die Band schon auf dem Vorgänger gespielt hat. Bei all der Diskussion um den Popanteil von „He Is“, darf nicht vergessen werden, dass sich die Ballade zu einem der meistgeklickten GHOST-Stücke gemausert hat.  Wer GHOST schon jetzt Ausverkauf vorwirft, hat ohnehin nicht verstanden, dass Pop von Beginn in die Band-DNA eingeschrieben ist. „Life Eternal“ kommt allerdings mit weniger Ironie aus, drückt auf schaurig-schöne Weise auf die Tränendrüse, kann letztendlich aber nicht durchweg überzeugen.

Auch wenn auf „Prequelle“ nicht alles funktioniert, fällt das Album im Erfolgsfall umso bombastischer aus. Experimente mit der Stimme und dem Sound geben dem typischen GHOST-Sound neue Impulse und sorgen dafür, dass sich das antichristliche Bandkonzept kaum abnutzt und der Spagat zur Wiedererkennbarkeit durch Alleinstellungsmerkmale vorbildlich gelingt. Ob nun „Prequelle“ das beste GHOST-Album ist, sei mal dahingestellt, schließlich kann „Meliora“ zwar nicht ganz in Sachen Hitdichte mithalten, hat bei dem Qualitätslevel aber die Nase etwas vorn. 

Aber allein die Diskussion um diesen umfangreiche wie diverse Fundus unterscheidet Tobias Forges Projekt von denen der meisten Kollegen seiner Generation und dementsprechend ist die selbstbewusste Gier mehr als angebracht. Nach „Meliora“ hatte man mit „Square Hammer“ bereits eine fantastische Hitsingle nachgeschoben und schon vor Albumrelease wurden ausgewählte „Prequelle“-Stücke dem US-Publikum präsentiert. GHOST sind auf dem Sprung nach ganz oben und werden im August eine entscheidende Stufe nehmen: In der Headlinerzeile des Wacken werden sie sich beweisen müssen, aber mit dem bisherigen Katalog und der erspielten Professionalität wird das mühelos gelingen. Man darf weiterhin gespannt sein, wo die Reise hingeht, ob GHOST weitere Wege der Verfeinerung finden und geschmackssicher bleiben. Eins haben sie aber schon geschafft: Auch die Zuhörerschaft haben sie gierig gemacht – gierig auf mehr.

FAZIT: GHOST erweitern ihre ohnehin schon überzeugende Songauswahl um einige beeindruckende Kaliber und unterstreichen damit ihren Anspruch auf den Spitze im Rock- und Metal-Kosmos. „Ashes“, „Faith“ und „Dance Macabre“ sind die offensichtlichen Highlights auf „Prequelle“, mit denen sich GHOST für ihren mutigen Schritt gen Pop belohnen. Angereichert durch gelungene Experiment ergibt sich für die nächsten Jahre eine Live-Show, mit der Tobias Forge & co. ihren Marktwert in Zeiten sterbender Großbands weiter erhöhen. Dafür müssen einige „nur“ gute Songs in Kauf genommen werden, die es auf dem Vorgänger „Meliora“ so nicht gab, das ändert aber nicht an der Rolle von „Prequelle“ als ein willkommenes Ausrufezeichen in einer aktuell von vielen Fragezeichen geprägten Szene.

12 von 15 Punkten

 

Review von: DANIEL KLUGER (Profil)

Für GHOST bricht mit „Prequelle“ mal wieder eine neue Epoche an, Sänger Tobias Forge agiert auf dem aktuellen Release zum ersten Mal als sein alter ego „Cardinal Copia“. Die Band bleibt sich musikalisch weitestgehend treu, sind aber – das vorab – mit dem vierten Album am unzweifelhaften Höhepunkt ihres Schaffens angekommen. 

Zu ernst haben sich die Schweden tatsächlich noch nie genommen, mit „Prequelle“ treiben sie den Kontrast aus okkult-todesmetallischer Optik und stadiontauglichen Rockhymnen dennoch endgültig auf die Spitze. Textlich makaber-ironisch wie eh und je halten GHOST allen Sortierungsversuchen in Genreschubladen den Spiegel vor und werfen einmal mehr die Frage auf, was eigentlich eine „ordentliche“ Metalband ausmacht. Saxophonsoli? Michael-Jackson-Gedächtnisvideos? GHOST dürfen all das und servieren sauber produzierte, eingängigste PopRock-Kost mit einer unglaublichen Hit-Dichte, die so kaum wieder zu erreichen sein wird. Während die erste Single „Rats“ spätestens aufgrund der großartigen Thriller-Referenz seit Wochen rauf und runter lief, gesellte sich kurze Zeit später mit „Dance Macabre“ der Prototyp der neuen alten Bandausrichtung dazu: stampfende Rhythmen, 80er Rockgitarren und ein fast aufdringlich poppiger Chorus werden zu einem reinrassigen guilty-pleasure-Song, der unweigerlich zündet.

Schwachpunkte sucht der scheuklappenbefreite Hörer auf „Prequelle“ vergebens. „Faith“ entwickelt sich nach doppelläufiger Intro zu einem hymnischen Midtempo-Rocker mit Platz für Solistisches, während „See the Light“ unter dem anfänglichen Deckmantel balladesken Kitschs einen der abstruseren Texte zum Besten gibt. „Pro Memoria“ wird in erster Linie von meatloafigem Powerpiano getragen und erinnert eindringlich an unser aller Vergänglichkeit, woraufhin mit „Witch Image“ eine weitere textliche Hommage an das Teuflische im Pop folgt, die kompositorisch ansonsten leicht abfällt.

Mit gleich zwei Instrumentals („Miasma“, „Helvetesfönster“) beweisen die Schweden abseits jedweden Hitkalküls durchaus ein gerüttelt Maß Mut. Es bleibt zu hoffen, dass insbesondere letztgenannter Song den Weg ins Live-Repertoire findet – lyrisch geflöteter Einstieg, angeproggte Einschübe und thematische Motivarbeit machen den Quasi-Longtrack zum heimlichen „ernsten“ Highlight des Albums. Dass danach mit „Life Eternal“ ein fast verzichtbarer Zugabesong das Album beschließt – geschenkt, schön war‘s. 

FAZIT: GHOST haben ihr Meisterstück geliefert, an dem sich kommende Releases düsterer PopRock-Metalbands namenloser Ghouls werden messen lassen müssen. Musikfreunde aller Anspruchsniveaus werden an diesem Blick durch’s Höllenfenster über den Sommer hinaus ihre wahre Freude haben. 

14 von 15 Punkten

 

Review von: SEBASTIAN TRIESCH (Profil)

Nachdem es einige Aufregung um Rechtsstreitigkeiten, Besetzungswechsel und die jetzt auch offizielle Demaskierung von TOBIAS FORGE als den „Papa Emeritus“ gab, wollen mit einem neuen Album GHOST jetzt wieder musikalisch von sich reden machen. Und das ist ihnen gelungen, denn „Prequelle“ bietet Anlass zur kontroversen Diskussion. 

Der aufregende Newcomer, der die Band am Anfang des Jahrzehnts war, füllt mittlerweile große Hallen und spielt bei IRON MAIDEN im Vorprogramm. Bisher blieb die musikalische DNA dabei weitestgehend erhalten und die poppige Seite lebte die Band, beziehungsweise TOBIAS FORGE - denn eine Band im klassischen Sinne waren Ghost nie, vor allen in Covern aus. Das hat sich mittlerweile geändert. Forge, der jetzt als Cardinal Copia auftritt, äußerte kürzlich in einem Interview, dass er als Songwriter sehr „Hit-driven“ vorgehe und er „catchy music“ bevorzuge.

Auf dem neuen Album hat er diesen Ansatz zum Äußersten getrieben. Vieles auf „Prequelle“ ist eingängig und melodisch. Damit einhergegangen ist aber ein Verlust an Tiefe. Auch „Elizabeth“ oder „Ritual“ vom Debütalbum waren Hits und sehr eingängig. Dabei waren sie immer noch hart und abgründig genug, um als Subkultur durchzugehen. 

Auf den späteren Alben gab es dann den Trend zur Opulenz mit Bombast und orchestralen Chören. Auch das ist jetzt verschwunden. Stattdessen gibt es eine kitschige Ballade wie „See The Light“ oder den an OZZY OSBOURNE angelehnten Hardrock der ersten Single „Rats“. 

Glattgeschliffen wurde aber nicht nur die Musik, sondern auch die Ästhetik. Der natürlich aufgesetzte, aber trotzdem stilprägende Satanismus ist verschwunden. Zeilen wie „Lucifer, we are here for your praise“ oder „Hear our Satan Prayer“ wird man von den „neuen“ GHOST nicht mehr hören. Auch das sieht so aus, als wolle man sich, gerade in den USA, neue Hörerschaften erschließen, denen die ganze Sache bisher zu unheimlich war. 

Das heißt nicht, dass hier alles schlecht ist. Es ist in erster Linie vor allem anders. Ohne die Bandgeschichte zu kennen, würde dieser Text wahrscheinlich freundlicher ausfallen. So bleibt der Eindruck eines groß angelegten Ausverkaufs. In dem neu gesteckten Rahmen funktionieren die Songs auf „Prequelle“ natürlich gut. 

Dance Macabre“ hat einen eingängigen Rhythmus, garniert mit einem betörenden, zuckrigen Refrain und ist eine Art poppiges „Satan Prayer“. 

Bei der Powerballade „Pro Memoria“ trieft der Kitsch aus jedem Ton und hat zumindest ein wenig morbiden Charme. Das wird alles seine Hörer finden. Nur werden das womöglich andere sein, als diejenigen, welche Band schon länger begleiten.

FAZIT: Im Hause GHOST gibt es mit dem neuen Album große Veränderungen. „Prequelle“ klingt glatter und poppiger als die bisherigen Werke und stellt erst einmal eine Herausforderung dar. Durch TOBIAS FORGES Gespür für einprägsame Melodien und Refrains sind so radiotaugliche Songs versammelt, denen das Okkulte aber nahezu komplett abgeht. Fans der ersten Alben dürften sich mit „Prequelle“ deshalb schwer tun. 

8 von 15 Punkten

 

Review von: STEFAN HAARMAN (Profil)

Ja, lebt denn der alte Pop(e)anz noch? Ja, er lebt noch! möchte man mit Blick auf die durch weltliche Prozesse gegen ehemalige Ghouls teilweise erzwungene Demaskierung TOBIAS FORGEs ausrufen. Zum Kardinal degradiert, hört er nun auf den Namen CARDINAL COPIA. Dass sich in der Vergangenheit hinter den drei emeritierten Papas ein- und derselbe Hohepriester versteckte, raunten die Geister der unheiligen Dreifaltigkeit seit je her denen zu, die sich abseits der ausgetretenen Pfade in den verfallenden Gemäuern okkulten Mummenschanzes heimisch fühlten.

Auf ihrem mittlerweile vierten Studioalbum „Prequelle“ entledigen sich TOBIAS FORGE und seine Schergen ungeniert der letzten Überbleibsel ihrer bisherigen Vergangenheit, denn wo auf „Meliora“ noch dunkele Riffs und eckige Passagen dafür sorgten, dass auch etliche Metaller der Scheibe Anbetung und Wertschätzung erweisen konnten, wird mit dem neuesten Werk der Schweden die bisher durchaus vorhandene Einzigartigkeit auf dem Altar des Mammon geopfert, denn es geht unverhohlen in diabolisch-metallischer Kutte noch stärker Richtung Pop-Rock als bisher.

Die erste Single „Rats“, die schon seit ein paar Wochen als Teaser erhältlich ist, zählt neben „Faith“ zu den wenigen Tracks, die nicht vollständig unter den Mainstream-Hammer gekommen sind. Mit „See The Light“ schlagen GHOST dann endgültig den Weg Richtung Airtime und Pop-Rock ein. Wären da nicht die Texte, die von Luzifer, dem Tod naher Verwandter und dem Vater, der in der Hölle wartet, handeln, würde die Scheibe locker als hervorragend gemachter Melodic Hardrock durchgehen.

Denn eines ist „Prequelle“ auf jeden Fall: hervorragend gemacht, sowohl was das Songwriting, als auch die Produktion anbelangt. Nie zuvor gab es auf einer GHOST-Scheibe eine vergleichbare Hitdichte der Tracks, die aber mit Blick auf frühere Großtaten der Band, sichtlich kommerzieller und massenkompatibler geworden sind. Des einen Freud ist auch hier des anderen Leid, denn sicherlich wird es Stimmen geben, denen „Prequelle“ zu arg Anleihen in Sachen Pop macht.

Witch Image“ beispielsweise zitiert in den Strophen THE ALAN PARSONS PROJEKT in den Soloparts BOSTON mit gedoppelten Leads der Stromgitarren und schert sich keinen Deut darum, dass der Refrain klebriger im Ohr haften bleibt als Kaugummi unter den ausgelatschten Sandalen der GHOST-Jünger.

Mit „Helvetesfönster“ gibt es neben „Miasma“, der vor dem Saxofon-Solo (!) doch wahrhaftig den „Beat It“-Riff MICHEAL JACKSONs einstreut, den zweiten Instrumentaltitel mit Flötenspiel und Streichern vom Keyboard, dem anfangs ein Mittelalter-Touch anhaftet um nach ein paar nach SUPERTRAMP klingenden Durchführungen später mit einem Walzertakt zu überraschen. Ein wirklich starker Titel, der einem Parforceritt durch verschieden Epochen und Genres gleichkommt. 

Dance Macabre“ erinnert ein wenig an LOVERBOY zu besten Zeiten und zum Abschluss gibt es dann mit „Life Eternal“ eine grandiose Ballade, die mit allen Zutaten aufwartet, die vergleichbaren Power-Ballads in der Vergangenheit schon Unsterblichkeit verliehen haben.

FAZIT: GHOST lassen mit „Prequelle“ die Masken fallen. Als Großmeister des Pop-Rock mit Einflüssen der 70er und 80er, spielt die Band musikalisch ungeniert mit genau den Klischees, die besagte Jahrzehnte prägten. In einem Interview sagte FORGE, GHOST sollten so klingen wie eine Band aus den 70ern, die man noch nie gehört hat. Das ist nur teilweise gelungen, denn oftmals werden Klangkaskaden (nach)erschaffen, deren Vorreiter das Gesicht jener Epoche bereits nachhaltig geprägt haben. Ohne Zweifel ist „Prequelle“ das bisher konsistenteste Werk der Schweden um Mastermind FORGE, die Frage aber, ob der alte Pop(e)anz damit sein Genie nicht verschleudert und unter Wert verkauft, sei erlaubt.

12 von 15 Punkten

 

Durchschnittspunktzahl: 11,8 von 15 Punkten. 

Damit Einstieg auf Platz 11 in den Massen-Review-Charts.

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Thoralf Koß - Chefredakteur (Info)