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Interview mit URISK (01.05.2025)

URISK

Mit seinem Drei-Song-Debüt-Demo "Oidhche" hat mich das Black-Metal-Duo URISK aus Bonn vom Fleck weg sowas von begeistert, dass ich mir trotz einem gequälten Aufjaulen meines inneren Schweinehunds am Ende einer harschen Arbeitswoche selbst in den Hintern trat, um im Kölner Valhalla dem ersten Konzert der Band beizuwohnen. Da der Gig meinen Enthusiasmus noch verstärkte, sandte ich Marleen (Stimmgewalt) und Bene (Gitarre, Bass & Produktion) kurz darauf einige Fragen mit der Bitte um Beantwortung zu – und siehe da: Die beiden trumpfen nicht nur musikalisch auf, sondern haben auch einiges zu erzählen…!

Hallo und herzlichen Glückwunsch zu einem Einstand, der sich gewaschen hat, wie spätestens seit Eurem ersten Konzert am Nikolausabend klar sein dürfte! Nicht nur habt Ihr mit "Oidhche" das seit geraumer Weile spannendste Demo aus hiesigen Gefilden vorgelegt, sondern die Musik nun auch ziemlich famos auf die Bühne gebracht. Seid Ihr zufrieden mit Eurem Einstand?

Bene: Erstmal moin und danke für die netten Worte zur Einleitung. Wir sind mehr als zufrieden, eher überrascht, dass das Demo solche Wellen geschlagen hat. Wir mussten unser Live-Debut ja leider krankheitsbedingt verschieben – ja, Corona existiert immer noch – und als kleine Entschädigung wollten wir unseren Freunden wenigstens einen kleinen Einblick in unsere Musik bieten. Wir haben letztes Jahr intensiv an unserem ersten Album gearbeitet und dabei sind natürlich auch Songs entstanden, für die es am Ende keinen Platz mehr gab, die aber unserer Meinung nach zu gut waren, um sie unreleased zu lassen. Zwei davon und ein Song, der nochmal mit frischem Mixing und Mastering auf dem Album zu hören sein wird, kamen dann aufs Demo, wurden einmal von mir in einer sprichwörtlichen Nacht- und Nebelaktion gemixed und einige Stunden später veröffentlicht. Ich bin normalerweise wirklich kritisch mit allem, was ich produziere und mit Releases noch mehr, aber die Demo höre ich selber immer noch sehr gerne – trotz oder grade wegen der, ich sag mal, sehr authentischen Produktion. Zum Trost haben uns dann unsere Freunde bei Tougani eingeladen, sie bei ihrem Gig zu supporten, sodass wir unser Live-Debut nur um einen Monat nach hinten schieben mussten. Und shit, das hat Bock gemacht! Dass dann die Resonanz aus dem Publikum so unglaublich warm war, hat es für uns alle zu einem ganz besonderen Abend gemacht. Wir haben jedenfalls (Kunst-)Blut geleckt und haben für 2025 schon den ein oder anderen weiteren Gig geplant! Der Anfang als Band ist normalerweise schmerzlich ruhig, mit URISK dürfen wir aber im März schon die großartigen Steorrah in unserer Heimat supporten und für Mai läuft im Moment die Planung für einen gewaltigen Wumms. Hoffentlich können wir dazu bald mehr auf unseren Social Media-Kanälen berichten!

Marleen: Auch von mir ein großes Dankeschön für die lieben Worte! Der Einstand war für mich persönlich eine Mischung aus purem Enthusiasmus und dem wohl obligatorischen Nervenkitzel. Als Vocalistin war es mein erster Auftritt überhaupt, und da ist man natürlich ein bisschen nervös - aber als es losging, war ich direkt im Flow und konnte mich ganz von der Musik tragen lassen. Zum Glück hat der Rest der Band ja auch einen super Job gemacht und man hat gleich gemerkt, dass wahnsinnig viel Energie beim Publikum ankam - und die fließt dann ja auch wieder zur Bühne zurück. Es war ein super Zusammenspiel. Besonders gefreut hat mich auch, dass unsere Demo anscheinend so gut aufgenommen wurde. Es ist nur der Anfang, aber es fühlt sich jetzt schon so an, als hätten wir eine kleine, aber feine Community um uns herum, und dafür sind wir unendlich dankbar.

Meine Bezeichnung Eurer Musik als "progressiver Black Metal" kommt über eine Annäherung kaum hinaus, und seit Eurem Konzert hat meine Faszination für all das, was da in Euren Kompositionen anklingt, keineswegs nachgelassen. Müsste ich mich auf zwei Worte festlegen, wären das finster und abgründig – wie antwortet Ihr auf die Frage, wie URISK klingt?

Bene: Ach, Black Metal gibt Nährboden für so viele unterschiedliche interessante musikalische Konzepte, dass es mir immer schwerfiel, mich für einen davon zu entscheiden. Viel aus dem Genre hat mit mir resoniert, obwohl ich eher aus dem Progressive Rock und Metal stamme: Der Fokus auf eine bestimmende Atmosphäre, ohne sich an Regeln halten zu müssen. Keine Songstrukturen nach Schema F. Experimentellere Harmoniefolgen und Sounds. So richtig reingefunden in das Genre hab ich mit Bands wie Enslaved und Emperor. Die schreiben Musik, die komplex ist, aber dadurch nichts von ihrer Explosivität einbüßt. Nach einem Rabbit Hole mit dem Who is Who der 2nd Wave bis zu modernen Black Metal Bands ist dann auch nachvollziehbarer, wie Songs wie z.B. "Shadow Of My Lunacy" entstehen, der als Doom-Metal-Track startet und mit einer cleanen Bridge im Lingua-Ignota-Stil wieder zu klassischeren Black-Metal-Passagen führt, mit ständigen sich beißenden Rhythmuswechseln hantiert, aber trotzdem nach vorne geht. Die Grenzen zwischen Genres wie Black, Doom, Death und anderem Metal sind meiner Meinung nach sowieso schon fließender als häufig suggeriert wird, da macht es die Musik einfach interessanter, mit verschiedenen "Genre-fernen" Elementen zu experimentieren und Abwechslung ins Songwriting zu bringen. Ich denke also schon, dass URISK das Label "Progressive Black Metal" tragen kann, auch wenn wir mit modernem Progressive Metal wenig bis nichts zu tun haben. Bisher sind häufige Wechsel in den Time Signatures und andere progressive Sperenzchen zumindest noch gut versteckt!

Wer von Euch hat im Schottland-Urlaub Zeit an einem Gewässer in den Highlands verbracht und ist dort einem "ùruisg" begegnet – oder wie seid Ihr auf Euren der Sage nach so unheimlichen wie freundlichen Namensgeber gestoßen?

Marleen: Das war ich! Seit ich elf bin, reise ich – mit wenigen Ausnahmen – jedes Jahr nach Schottland und habe auch damals begonnen, Schottisch-Gälisch zu lernen. Schottland ist für mich seit jeher eine große Inspirationsquelle, und in meinen Jugendjahren habe ich all die Bücher über die Mythen und Sagen der Highlands gelesen, die ich in sämtlichen Gift- und Bookshops aufstöbern konnte. Irgendwann bin ich dabei auf den Urisk gestoßen. Die Geschichte dieses Wesens, das zwischen der Natur und der menschlichen Gesellschaft steht, aber in beiden keinen Platz findet, hat mich sofort angesprochen. Er verbindet Themen der Sehnsucht und Melancholie und zeigt dadurch auf, dass ein naturnahes Leben seinen Preis hat – oft ist das die Einsamkeit. Der Name war schnell entschieden: Er spiegelt unsere musikalische Vision wider, die sich zwischen Kontrasten bewegt – zwischen surrealen Sagen und rauher Realität, Fremdheit und Vertrautheit. Darüber hinaus ist er einfach auszusprechen! Ob ich jemals einem Urisk begegnet bin? Vielleicht. Es gab einen Moment, an Samhain, am Loch Awe, als ich mein Spiegelbild im Wasser betrachtete. Da glaubte ich die Züge des Urisks in meinen eigenen zu erkennen. Seit jeher frage ich mich, ob die Gestalt nicht vielmehr eine Verkörperung menschlicher Empfindungen ist, die drohen unser Erleben - oder gar unser "Sein" - zu verzerren.

In Sagengestalten spiegeln sich menschliche Facetten, und nachdem ich ein bisschen über dieses Wesen gelesen hatte, festigte sich der Eindruck, dass ein Urisk eine ziemlich zeitgemäße Erscheinung sein könnte, da heutzutage zunehmend mehr Menschen Einsamkeit erleben. Ist das eine Facette, die Euch anspricht?

Marleen: Absolut. Die Isolation des Urisk ist ein zentraler Aspekt, der sich auch in unserer Musik widerspiegelt. Besonders prägend dahingehend war für mich die Schulzeit, in der ich mich sehr isoliert gefühlt habe. Im Nachhinein denke ich, dass ich mich vielleicht mehr hätte integrieren können, wenn ich gewollt hätte - auf der anderen Seite weiß ich, dass mir meist schlicht die Energie fehlte. Die meisten Stunden fühlten sich an, als müsste ich eine Gefängnisstrafe absitzen - die Pausen mit Literatur und Musik zu verbringen war meine Flucht. Ein solcher Konflikt ist zentral, wenn wir auf die verschiedenen Facetten blicken, die Einsamkeit beschreiben kann. Menschen sind verschieden und jeder hat andere Bedürfnisse, die allerdings selten Gehör finden, in einer Gesellschaft, in der ein bestimmtes Ideal favorisiert wird und die darüber hinaus Leistung zunehmend über Moral stellt und mit intrinsischem Wert vermischt. Das Gefühl sich unverstanden oder ausgeschlossen zu fühlen, und die eigenen Werte nicht repräsentiert zu sehen, bringt, denke ich, viele Menschen zum Metal. Viele erleben sich dadurch zum ersten Mal als wesentlichen Teil von einer Gruppe. Ich denke das ist etwas sehr Wertvolles und dass - je mehr das "Anders-Sein" angenommen wird, sich das "Normal" Stück für Stück als Mythos enttarnen darf. Es ist wichtig anzuerkennen, dass wohl jeder mit seinen eigenen Schatten zu kämpfen hat. Je mehr wir jedoch unsere eigene Dunkelheit zu erforschen verstehen - desto mehr Raum entsteht für ein einfühlsameres miteinander. So zumindest die Idee. Kunst kann da anknüpfen, aber die Brücken muss das Publikum selbst bauen. Viele Texte verarbeiten den Versuch, einen Ort zu finden, an dem man sich zugehörig fühlt. Scham über die eigene (empfundene) Andersartigkeit ist dabei ein ebenso tragendes Element wie Wut sowie die Frustration über die Entfremdung zur Natur, zueinander und oftmals zu sich selbst. Wenn man als privilegiert gilt, fühlt man sich manchmal schuldig dafür, dass es einem trotz allem nicht gelingt, Zufriedenheit oder "seinen Platz in der Welt" zu finden - als hätte man keinen echten Grund und dadurch kein Recht wütend zu sein, geschweige denn sich "unfrei" zu fühlen. Viel Leiden findet daher unter der Oberfläche statt. Der Urisk taucht hinab in eben solche Gewässer und bringt hervor, was sonst verdrängt bleibt.

"Oidhche" kann wohl "Nacht", "dunkel" oder "blind" bedeuten, und die Songtitel Eures Demos knüpfen daran scheinbar an. Worum geht es in den Stücken?

Marleen: Das stimmt, uns hat die Ambigiuität von "Oidhche" gefallen und es passt gut als Titel für die Songs, deren Texte teils fiktiv sind, teils von persönlichen Gefühlen inspiriert wurden. Lange war das Schreiben mein Ventil, sowie auch das Malen und Singen. Aber Songs auf eigene Weise mitzugestalten, das mache ich noch nicht so lange. Das Schreien habe ich von einem sehr guten Lehrer gelernt und es bereichert meinen "kreativen Wortschatz" ungemein. Ich kann dadurch Dinge ausdrücken, die auf Papier vermutlich nicht die gleiche Durchsetzungskraft hätten. Die Texte verarbeiten Erinnerungen, vermischt mit Szenarien und Charakteren, die Fantasien von nebelverhangenen Naturszenerien entspringen. Manches davon bleibt abstrakt und im sprichwörtlichen Nebel. Die Texte sind introspektiv und verlaufen daher nur zu einem gewissen Grad linear. Manche Gedanken drehen sich im Kreis und finden kein zufriedenstellendes Ergebnis, aus manchen folgt eine grimmige Akzeptanz. Wässer und Wälder verdunkeln sich. Fragen werden zum Himmel geschrien. Scham höhlt ein namenloses Herz aus. Der Mond verlässt, der Wind verhöhnt und Antworten bleiben aus. Die Erinnerung an einen Traum brennt in den Händen wie zaghaft schmelzendes Eis. Ich selbst habe manchmal geglaubt, dass Musik meine dunklen Gedanken verstärken könnte, aber heute schätze ich sie als Raum, in dem Gefühle einfach erstmal sein dürfen - und dass das fürs erste kein schlechter Ansatz ist sagt soweit ich weiß auch die Wissenschaft - vorausgesetzt natürlich man findet die richtige Balance. Aber ich denke das klappt mit URISK ganz gut - ich hoffe auf jeden Fall, dass unsere Zuhörer, die Gefühle der Einsamkeit nachvollziehen können, sich durch unsere Musik selbst ein wenig gehört und vielleicht, trotz des offensichtlichen Paradoxes, ein bisschen mehr verbunden fühlen können. Wenn die Songs aber einfach nur gute Laune machen oder Energie geben, ist das natürlich ebenso wertvoll.

Der Vorwurf, noch etwas unentschlossen oder zaghaft zu Werke zu gehen, kann Euch kaum gemacht werden kann: Marleen, Du grollst und geiferst, als gelte es Heerscharen von Orks (oder wen auch immer) in die Flucht zu schlagen, und die Musik ist insgesamt sehr grimmig und dicht geraten, so dass Eure Songs wie unerbittliche Wellen über die Hörerschaft hinwegrollen. Auch beim x-ten Hören mag meine Begeisterung nicht nachlassen, und ich bin baff, wie mächtig Ihr auftrumpft – wie lange treibt Ihr als URISK Euer Unwesen, und wo wollt Ihr mit dieser Musik noch hin…?

Marleen: URISK ist zwar ein noch junges Projekt, aber wir sind ja alle schon länger mit dem Genre vertraut und Bene ist ein sehr geübter Musiker. Wir hatten davor schon musikalische Projekte zusammen, die aber sich aber leider vorerst im Sande verlaufen haben. Mit URISK sollte das diesmal nicht passieren - deswegen sind wir sehr intuitiv und pragmatisch an die Sache rangegangen. Das hat dem Projekt bis hierhin eine gewisse Leichtigkeit verliehen die ich sehr schätze. Ich hoffe, dass wir uns die bisherige Spontanität auch in Zukunft bewahren können, aber natürlich haben wir den Anspruch, auch noch ein bisschen was draufzulegen. Örtlich gesehen verschlägt es uns hoffentlich mal nach Schottland. Nächstes Jahr wird aber erstmal ein bisschen in Deutschland getourt - dann schauen wir, welche Türen sich vielleicht noch öffnen.

Als ich vor 32 Jahren begann, über Demo-Kassetten einen mir bis dahin unbekannten Underground zu entdecken, war es für deutsche Bands kaum eine Option, die Drum-Spuren "mal eben" von einem Typen in Finnland einspielen zu lassen. Dass Filip Gäddnäs genau sein Drum Kit für "Oidhche" verprügelt hat, ist eine Paradebeispiel dafür, dass technischer Fortschritt auch sein Gutes haben kann. Wie seid Ihr auf diesen bemerkenswerten Jungspund aufmerksam geworden und wie hat sich die Zusammenarbeit mit ihm gestaltet?

Bene: Das ist ein Thema, was mich persönlich sehr begeistert. Wie sehr uns die aktuellen technischen Möglichkeiten bei allem rund um URISK schon geholfen haben, ist kaum in Worte zu fassen. Nicht nur, dass wir nun ein ganzes Album plus Demo zu Hause produzieren konnten – dass uns Filip die Drums dazu einspielen würde, damit hätte ich vor einem Jahr auch noch nicht gerechnet. Ich muss dazu erst mal die Umstände erklären, auch wenn ich da sicher nichts Neues berichte: Drummer-Suche im Extreme Metal ist wirklich ein leidiges Thema. Technisch gesehen müssen Drummer in dieser Musik (teils auch mit Abstand) am meisten leisten und grade der semi-professionelle Bereich ist in ständiger Drummer-Not. Wir haben das komplette Jahr 2023 damit verbracht, verschiedenste Drummer anzuhauen. Der Großteil war schon in zu vielen Projekten aktiv, dem Rest war die Musik teils zu schnell, teils zu progressiv. Da wir mit dem Songwriting Ende 2023 bereits durch waren, habe ich mich dann nach Session-Drummern umgeschaut. Filip war da tatsächlich schon der erste Name, den ich im Kopf hatte: Wir folgten uns schon mit einem anderen Musikprojekt von mir auf Instagram und ich hatte immer wieder seine Videos auf der Timeline, in denen er neben gottlos schnellen Blasts auch immer mal progressivere Drum-Arrangements zeigte und regelmäßig daran erinnerte, dass er offen für Session Works ist. Also – rein in seine DMs, zwei Songs als Hörprobe und er hat sofort zugestimmt. Einen Monat später hatte er mir eine Stunde an Material zurückgeschickt, aufgenommen in ein, zwei Tagen. Was für ein Tier! Darüber hinaus ein unglaublich netter Mensch: Als ich ihm die "Oidhche I" zugeschickt habe, hat er sich sofort ans Drumset gesetzt und ein One-Take-Playthrough von "Where Something Once Was" durchgeknallt. Einfach geil!

Für Euren ersten Gig habt Ihr Filip nicht einfliegen lassen, und seid dennoch als Quintett auf die Bühne gegangen. Handelt es sich dabei um das Live-Line-Up und wird URISK bis auf Weiteres ein Duo bleiben?

Bene: Wir sind unglaublich froh, mittlerweile absolute Instanzen ihrer jeweiligen Instrumente als Live-Unterstützung gewinnen zu können. Shoutout hierbei auch an Fabian Mader, der sich die Arbeit gemacht hat, unser komplettes Set für nur einen Gig zu lernen. Mit seiner Performance er einen sehr hohen Standard gesetzt! Schade, dass es vorerst bei dem einen Gig bleiben muss. Danke dir vielmals!
Um auf die Frage zurückzukommen – URISK ist und bleibt ein Duo, das ergibt für unsere Art des Songwritings einfach am meisten Sinn. Im Normalfall schreibe ich einen Song am Stück in einer Session, um eine gewisse Spontanität beizubehalten. Danach setzen wir uns zu zweit zusammen, strukturieren den Song noch ein wenig um und überlegen uns schon mal, wo wir die Vocals platzieren wollen, bevor Marleen ihre Magie wirkt. Klar, dazu gehört auch, dass wir beide recht ähnliche Vorstellungen davon haben, was wir hören wollen. Und da ist einfach wenig Platz für mehr Mitentscheidende. Ich bin da etwas Corona-geschädigt, die Pandemie-Jahre habe ich musikalisch die meiste Zeit allein vor Reaper, meinem Recording-Programm, verbracht. Meine beiden damaligen Bands haben sich in der Zeit aufgelöst, teils aus der Unregelmäßigkeit der möglichen Proben, teils aus anderen Gründen. Was jetzt erst mal nach einer frustrierenden Zeit klingt (gut, war sie auch) – mir hat es sehr viel Erfahrung im Recording und Mixing, Songwriting und an meinen Instrumenten eingebracht. Dadurch kann ich mich darauf verlassen, dass in 90% der Fälle bei so einer Session auch was Verwertbares rumkommt. Gitarren und Bass eingespielt, Drums programmiert. Sicher hatte das auch den Effekt, dass ich erst mal wieder lernen musste, im Team Songs zu schreiben, sprich, nicht einfach vorzusprinten und Songs zu finalisieren, bevor irgendjemand anders seinen Input geben kann. Nichtsdestotrotz macht es einfach einen gigantischen Spaß, nach Feierabend meine Gitarre in die Hand zu nehmen und der Kreativität ihren Lauf zu lassen, dann nach ner gesunden Runde Schlaf und mit frischen Ohren das Ergebnis mit Marleen zusammen zu feiern. Und dann noch mal, wenn sie die Songs mit ihren Vocals auf ein ganz anderes Level gehievt hat.

Ist Euch eigentlich klar, dass Ihr mit "Where Something Once Was" einen der stärksten Songs des Jahres 2024 aufgenommen habt, und dass die Messlatte für die nächsten Aufnahmen somit ziemlich hoch liegt?

Bene: Hahaha hey, danke! Tatsächlich ist das der mit Abstand älteste Song von allen aktuellen und kommenden Aufnahmen. Ich hatte den ursprünglich 2019 für meine Death-Metal-Band Geocide geschrieben. Für die war der Song allerdings, wer hätte es gedacht, viel zu black’ig. Im Verlauf der Jahre hab ich den Song dann x mal angepasst und re-recordet, um ihn in anderen Projekten unterzubringen… Bis er letztendlich bei URISK auf der Matte stand. Auch da fand ich ihn noch deplatziert genug, ihn nicht aufs Album zu packen. Aber immerhin passend genug, ihn mit "Hollowing Hours" für eine mögliche Demo oder Split zusätzlich zum Album von Filip aufnehmen lassen. Übrigens: Ich sagte ja bereits, unsere Demo war 'ne recht spontane Geschichte. Genauso spontan war das Vocal-Recording: Am Tag vorm Release der Demo hat Marleen einfach in wenigen Takes den ganzen Song eingeschrien und shit, klingen die Vocals gut! Das hatte dann den Effekt, dass ich mir den Song so richtig fertig erst beim Rausrendern angehört habe. Mittlerweile hab ich ihn richtig lieben gelernt, live macht er sogar noch mehr Bock! Im Übrigen mache ich mir wenig Gedanken darüber, wie die Demo im Vergleich zum Album wirkt. Vom Stil her sind die kommenden Songs nun mal weniger straight forward als "Where Something Once Was" und das ist auch gut so. Dafür habe ich mir aber auch mehr Zeit für das Mixing des Albums gelassen und das Mastering an den wunderbaren Fabian von Sunsetter Studios abgegeben. Alles in allem kann ich sagen, je häufiger ich "Where Something Once Was" höre und spiele, desto mehr wünsche ich mir Nachfolger auf noch kommenden Releases!

Dass Ihr zum Lachen nicht nur in den Keller geht, wird angesichts der Promo-Photos auf Eurer Fratzenbuch-Seite deutlich. Kann der finstere Metal eigentlich ein bisschen mehr Humor vertragen?

Bene: Von allem, was ich so um mich herum gesehen habe: Definitiv. Ich muss da natürlich einwenden – es gibt Bands, bei denen das Gesamtpaket mitsamt der Ästhetik eine gewisse Ernsthaftigkeit voraussetzt, warum auch nicht. Es gibt ja genug Bands, die von ihrer Selbstmystifizierung leben, nur vermummt auf die Bühne kommen, als Mitgliedsnamen nur Anfangsbuchstaben oder – viel besser – Synonyme verwenden, die länger sind als so manche Grindcore Lyrics. Wir sind beide allerdings nicht schon mit Corpse Paint zur Welt gekommen und erst über viele Umwege in der Black-Metal-Szene angekommen, ich noch später als Marleen. Und vieles ist da erst mal befremdlich, deutlich befremdlicher als in anderen Szenen der extremen Musik. Dazu gehört sicher auch das ständige Gatekeeping und die eigene Selbstüberhöhung, weil man als Einziger das kleine 1x1 des Undground Black Metals aufsagen kann. Und natürlich kommt man da auch an der Politisierung der Szene nicht vorbei. Für mich als Prog-Liebhaber war es immer selbstverständlich, dass die Bands, die ich höre, auch progressive Meinungen vertreten und leben, die Konzerte haben sich immer wie Safe Spaces angefühlt. Jetzt muss ich mich mit Bands beschäftigen, die, keine Frage, teils gute und interessante Musik machen, aber menschlich so dermaßen daneben sind und wenig bis gar nicht versteckt ihren menschenverachtenden Mist raushauen. Das wird dann aber hinter Facetten wie "Provokation" oder "Unpolitik" versteckt. Mit dem Ergebnis, dass man auch hier in der Umgebung schon mit sehr unangenehmen Gestalten auf Konzerten konfrontiert wird. Darauf hätte ich wirklich verzichten können und für mich ist das eine ständige Erinnerung, bloß nicht alles in diesem Genre ernst zu nehmen – Pissbirne bleibt Pissbirne, egal ob für alle erkennbar oder ernst dreinblickend mit Corpse Paint und Nietenarmbändern. Wo wir schon dabei sind – in keinem anderen Genre hätte ich auch nur irgendwas Politisches in meinem ersten Band-Interview angesprochen. Beziehungsweise mit einem Paragrafen auf eine kleine Frage am Rande zu antworten! Aber so ist das halt und um doch noch die Kurve zu kriegen: So viel Ernsthaftigkeit es braucht, um qualitativ hochwertige Musik zu schreiben, zu produzieren und an den Menschen zu bringen, so wenig Ernsthaftigkeit ist mit allem verbunden, was mit einer Band zu tun hat: Musikmachen mit der Band ist ein Zelebrieren der gemeinsamen Musik, Abhängen mit Gleichgesinnten, dumm Rumposen auf kultigen Promo-Photos und – wenn man seine Hausaufgaben gut gemacht hat – gibt’s das auch noch in Form von regelmäßigen Klassenfahrten. Arschgeil, meine Meinung.

Danke für Eure Zeit und macht bloß so weiter!

Und wir danken dir!

Thor Joakimsson (Info)
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