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Iced Earth - Plagues Of Babylon - Massen-Review
Überraschend schnell stehen ICED EARTH mit dem elften Studioalbum "Plagues Of Babylon" auf der Matte - das ist zumindest der Eindruck. Dabei ist "Dystopia" auch schon wieder über zwei Jahre alt. Inzwischen ist die Band um Jon Schaffer mit dem nicht mehr ganz neuen Frontmann Stu Block ausgiebig getourt und Jon und Stu sind Brüder geworden, um es mit den Worten des Bandleaders zu sagen. Zwischendurch hat man auch neue Songs geschrieben und herausgekommen ist dieses Album, das bei den Kollegen vom Rock Hard etwas überraschend sogar Album des Monats wurde. Überraschend? Oder doch völlig verdient? Eine gute Frage, auf die es bei uns keine echte Antwort gibt, denn selten fiel das Votum im Massen-Review so unterschiedlich aus, wie in diesem Fall.
Review von: Andreas Schiffmann (Profil)
Seinen Zenit in künstlerischer Hinsicht hatte Mr. Schaffer mit "Burnt Offerings", bevor "The Dark Saga" den stilistischen Weg für alles weitere in Sachen ICED EARTH bereitete. Gleichzeitig war mit diesem Klassiker gesagt, was der Mann als Musiker zu sagen hatte und danach noch mit "Something Wicked This Way Comes" perfektionierte. "Horror Show" markierte den Beginn einer konstanten Abwärtskurve mit leichten Schwankungen, an deren Ende immer das jeweils aktuelle Album stand.
Der Vorgänger zu "Plagues Of Babylon" unterbrach die Talfahrt einstweilen, doch mit den neuen Songs geht es weiter bergab. ICED EARTH beginnen dröge und setzen dies mit einer Reihe weiterer Stücke so regelmäßig fort, dass der Band die mittleren Tempo-Gefilde zum Verhängnis werden: "The Culling", "Parasite", "Spirit Of The Times" (auch inhaltlich reaktionäres Valium) und "Resistance" - sie alle prägen die Scheibe als unflexibel behäbiges und vor allem latent an mangelnden Ideen krankendes Werk. Das letztgenannte Stück schrammt genauso wie "If I Could See", dem zigsten Aufguss von "I Died For You" und "Melancholy", nüchtern betrachtet an Schlager mit verzerrter Gitarre vorbei.
"Highwayman" klingt mit Nullsänger Poulsen nachgerade albern, vom "Outro" ganz zu schweigen, wohingegen "The End" und "Cthulhu" (Schaffer schafft es, selbst Lovecrafts Schauer auf Yankee-Format einzudampfen) programmatisch an die "Something Wicked"-Trilogie gemahnen. "Democide", eine Art "Pure Evil" mit typischem Pathos-Refrain, wie sie schon seit Jahren bei ICED EARTH üblich sind, lässt sich als einziger Track durchgehend ertragen, und wenn die Band melodisch ausnahmsweise etwas Anderes probiert, geht es einmal ins Auge ("Among The Living Dead") und einmal ziemlich glatt ("Peacemaker").
Übrig bleibt am Ende sehr wenig: die Feststellung, dass der ewige Endzeit-Prophet Schaffer wie fast immer in seiner Karriere einen tollen Sänger hat und in Deutschland einen klasse Sound (die Drums!) gestrickt bekam; vor künstlerischen Offenbarungseiden wie diesem Longplayer wappnet ihn dies alles aber nicht. Wem nichts mehr einfällt, der dankt bitte ab, denn gerade im Heavy Metal gibt es zu viele Selbstdarsteller, die von ihrem einst ruhmvollen Namen zehren.
FAZIT: "Plagues Of Babylon" ist weitgehend unbeweglicher Midtempo-Metal, vorhersehbar und impulslos, eine Ansammlung abgedroschener lyrischer und melodischer Phrasen, nicht zu vergessen die Stakkato-Riffs von Einzelkämpfer Schaffer, der ICED EARTH zusehends den kreativen Hungertod sterben lässt.
5 von 15 Punkten
Review von: Andreas Schulz (Profil)
Zugegeben, die Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Qualität von "Plagues Of Babylon" war ein kleines Auf und Ab. Beim ersten Hördurchgang hob man positiv überrascht die Augenbraue und dachte sich, dass Herr Schaffer es ja doch noch draufhabe. Ein paar Tage später macht sich erste Ernüchterung breit, als man feststellt, dass irgendwie doch nicht viel hängengeblieben ist. War der wirklich gute Ersteindruck also nur ein Strohfeuerchen? Nein, war er nicht, denn auch wenn auch "Plagues Of Babylon" an die Bandklassiker nicht heranreicht, so entpuppt es sich letztlich doch als wirklich gute ICED EARTH-Scheibe.
Klar, Überraschungen muss man nicht mehr erwarten. War "Dystopia" ein gutes, aber letztlich zu sehr auf Nummer sicher gehendes Album, so erweist sich "Plagues Of Babylon" als die interessantere und somit auch bessere Platte. Die ersten sechs Songs sind die Fortsetzung der "Something Wicked"-Geschichte und bilden somit ein kleines "Album im Album". Weil in vier dieser sechs Songs Hansi Kürsch von BLIND GUARDIAN recht viele Backing Vocals übernommen hat (was möglich war, weil das Album in Deutschland aufgenommen wurde), erinnert so einiges an das DEMONS & WIZARDS-Projekt von Schaffer und Kürsch.
Eröffnet wird das Album vom Titeltrack, einer düster losmarschierenden, zackig werdenen Midtempo-Nummer von beinahe acht Minuten Länge, einem Refrain, der sich schnell festzusetzen weiß und ruhigem Zwischenstück mit Spoken-Word-Passage. Riffing und Harmonien sind hier genauso urtypisch, wie im folgenden, flotteren "Democide", auch hier setzt man – wie im Grunde genommen bei allen Songs – auf einen einprägsamen Refrain. Das düstere Hauptriff und die schleppenden Strophen von "The Culling" münden in einen epischen Kehrvers und auch im wieder flotteren "Among The Living Dead" zieht Schaffer ein ungewöhnliches Riff aus dem Ärmel, das an die Frühwerke erinnert. In "Resistance" beeindruckt Stu Block mit einer ganz starken Gesangsleistung, das Maiden-lastige, das Tempo variierende "The End?" beendet den in sich schlüssigen Konzeptpart.
Teil zwei startet dann mit der obligatorischen Ballade, "If I Could See You" ist dabei aber näher an "Watching Over Me" (auch thematisch), als an "I Died For You" bzw. "Melancholy (Holy Martyr)". Zu den Höhepunkten des Albums gehört "Cthulu", eine auch im Aufbau typische IE-Nummer mit tollem Refrain. Das melancholische "Peacemaker" bleibt vergleichsweise hardrockig, das folgende "Parasite" dagegen eher unauffällig. "Spirit Of The Times" startet wiederum balladesk und bedient im Refrain alle Pathos-Freunde. Ein Bonbon gibt es mit dem abschließenden "Highwayman", der Coverversion einer Country-Allstarband namens THE HIGHWAYMEN. Die bestand aus Waylon Jennings, Willie Nelson, Johnny Cash und Kris Kristofferson, in der ICED EARTH-Version kommen zu Schaffer und Block die Herren Michael Poulsen (VOLBEAT) und Russel Allen (SYMPHONY X) gesanglich hinzu. Die Nummer macht Spaß und ist der gelungene Abschluss eines starken ICED EARTH-Albums.
FAZIT: Die mitunter vernichtenden Kritiken der Kollegen sind für mich nicht nachvollziehbar. Dass "Plagues Of Babylon" nicht an die Großtaten der 90er heranreichen würde, war zu erwarten, mit "The Dark Saga" und "Something Wicked This Way Comes" hatte Schaffer klar seinen Kreativhöhepunkt erreicht. Mit ihrem elften Album macht die Band aber klar, dass immer noch und wieder verstärkt mit ihr zu rechnen ist. Wer sich heute noch als ICED EARTH-Fan bezeichnet, wird von diesem Album begeistert sein.
12 von 15 Punkten
Review von: Lothar Hausfeld (Profil)
Warum? Warum nur? Warum erhofft man sich von ICED EARTH im Jahre 2013 noch ein wirklich relevantes Album? Die Antwort ist einfach: Weil die Band einmal für höchst eigenständigen und mitreißenden Power Metal stand, der weltweit nahezu konkurrenzlos war. Freilich muss man zugeben: Einen Meilenstein zu erwarten, immerhin 15 Jahre nach dem letzten wirklich überzeugenden Album, das kann nur der, der einen restlos verklärten Blick auf die Vergangenheit hat. Und selbst der mit Fanbrille und naiver Hoffnung ausgestatte Optimist kann nicht wirklich überrascht sein, dass "Plagues Of Babylon" alles ist – nur kein Klassiker.
Vieles, um nicht zu sagen, das meiste, bewegt sich in altbekannten Schemata. Die üblichen Riffs, die üblichen Songstrukturen, die üblichen Refrains – wer spekuliert hatte, dass Bandboss Jon Schaffer auch nur einen Zentimeter über den eigenen Tellerrand hinaus schauen würde, sieht sich ge- und enttäuscht. Die 08/15-Standard-Powerballade "If I Could See You" ist sogar so dreist bei der eigenen Vergangenheit geklaut, dass man schon von einer bodenlosen Frechheit sprechen kann. Auch darüber hinaus gibt es nur wenig Erbauliches. Viel zu viel des Songmaterials auf "Plagues Of Babylon" klingt furchtbar uninspiriert, plätschert höhepunktarm vor sich hin. Warum beispielsweise der albumeröffnende Titeltrack auf annähernd acht Minuten ausgerollt werden muss, wird nur Jon Schaffer verstehen. Was im Übrigens auch für den Sound gilt, der mit seinem unangenehm nach vorne gestellten Drumsound auch ein kleines Ärgernis ist.
Ja, es gibt sie, die guten Songs. "Among The Living Dead" etwa, oder "The End?". Dann, wenn die Band mal den Fuß von der Bremse nimmt, wenn sie mal ein wenig mehr Pfeffer in die angerührte Suppe streut. Was aber leider viel zu selten der Fall ist. Viel zu oft schleppen sich die Songs im Mitdtempo über die Runden, und auch das von Jon Schaffer so gerühmte "Highwayman" – ein Country-Coversong, bei dem Russell Allen (SYMPHONY X), Michael Poulsen (VOLBEAT) und Stammsänger Stu Block neben Jon Schaffer ein paar Takte singen – bleibt in den Startblöcken hängen, dämmert im Wachkoma dem Ende entgehen. Was übrigens nicht an den Sängern liegt – überhaupt muss Stu Block attestieren, dass sich der Nachfolger von Matt Barlow so langsam aus dem langen Schatten des übermächtigen Vorgängers lösen kann. Allerdings reicht seine voluminöse Stimme nicht aus, um die Songs von der lähmenden Langeweile zu befreien.
FAZIT: Lieber mal wieder eines der ersten fünf Alben auflegen. Einen der Klassiker eben.
7 von 15 Punkten
Review von: Philipp Walter (Profil)
Der letzte Track auf "Plagues of Babylon" ist ein Cover-Song, "Highwayman", ursprünglich von der Country-Supergroup THE HIGHWAYMEN (JOHNNY CASH, WILLIE NELSON u. a.) aufgenommen. Auf der ICED EARTH-Version singt Jon Schaffer mit Russell Allen (SYMPHONY X), Michael Poulsen (VOLBEAT) und natürlich Stu Block. Das Ergebnis ist harmlose Bowlingbahn-Beschallung, uninteressant und eines der Highlights dieses Albums. Traurig, aber wahr.
Schmalzigen Semi-Pop bauen ICED EARTH nun schon länger in ihren Sound ein und verkaufen das als Power Metal. Auf dem Vorgänger "Dystopia" gab es aber noch ausreichend auf die Schnauze, um dem Übermaß an Pathos entgegenzuwirken. Mit "Plagues of Babylon" kehrt die Band nun zurück in den Sumpf der Billiggefühl-Belanglosigkeit, wobei sie immerhin noch die Chance hätte, den nächsten Superbowl zu eröffnen: Einfach den Metal-Anteil ganz rausnehmen und ein Quäntchen mehr von diesem klebrigen Freiheitskämpfer-Gesülze über den Sound schmieren.
Stellenweise ist auf "Plagues of Babylon" noch Thrash zu hören, aber der klingt meistens zu uninspiriert, um zu zünden. Dabei geht es ganz ordentlich los. Die ersten sechs Tracks des Albums bilden ein halbes Konzeptalbum (für ein ganzes fehlten offensichtlich die Ideen) mit einigen annehmbaren Songs. Der Titeltrack gerät eher mittelmäßig, weil das Gejammer im Refrain das Bisschen bis dahin aufgebaute Power zersetzt. Dafür sind "Democide" und "Among the Living Dead" ziemlich starke Thrasher, "Democide" hat sogar Ohrwurmcharakter. Die einzigen Songs, die das solide Mittelmaß des abschließenden Coversongs übertreffen.
"The Culling" geht auch noch durch, "Resistance" ist dagegen ziemlich kraftlos und wird zu allem Überfluss auch noch von diesem schrecklichen Chorgesang dominiert, der sich im weiteren Verlauf der Scheibe ausbreitet wie eine Schuppenflechte. Allzu weit von FOREIGNERs "I Want to know What Love Is" ist das nicht entfernt. "The End" schließt die Konzepthälfte ab und ist völliger Murks, aber das Ärgste kommt noch, in Form der lieblos zusammengeschusterten Restesammlung auf Teil 2 des Albums.
"If I Could See You One More Time" kommt als grauenhafte Pickup-Truck-Powerballade daher, und eine wäre ja noch zu verkraften, aber mit "Spirit of the Times" wird kurz darauf nochmal nachgelegt: "You’ll never break my will, my soul is not for sale", man fragt sich, von wem diese armen Amis immer unterdrückt werden. "Cthulhu" steigert sich von uninteressant zu unerträglich, "Peacemaker" ist BON JOVI mit Restspuren von Thrash, "Parasite" ein halbherziger, an dieser Stelle im Album deplatziert wirkender Versuch, doch noch einen Metal-Song einzustreuen.
Natürlich muss es nicht immer und unbedingt Metal sein, aber die Rock-Bereiche, in die ICED EARTH vordringen, sind die Grusel-Höhlen, in denen CREED, NICKELBACK und andere Schreckgestalten hausen. Muss ein amerikanisches Ding sein. Das größte Problem von "Plagues of Babylon" ist allerdings, dass es nicht einmal als "Heavy" Rock-Album funktioniert. Es weiß einfach nicht, was es sein will.
FAZIT: Zu früh das Studio verlassen? "Plagues of Babylon" ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Einige große Momente, viel Gähn und eine Menge Autsch.
8 von 15 Punkten
Review von: Daniel Fischer (Profil)
ICED EARTH waren wohl noch nie so aktiv wie seit dem Einstieg von Sänger Stu Block und der Veröffentlichung von "Dystopia", weshalb der Nachfolger in einem engen Zeitrahmen zwischen diversen Konzertverpflichtungen eingespielt werden musste. Diese Aufnahmen und auch das Mixing erfolgten zudem erstmals nicht im vertrauten Rahmen, sondern in diversen deutschen Studios, da sich die Band aufgrund der Festivalsaison sowieso dort aufhielt und die neuen Songs zwischen Live-Auftritten proben konnte. Diese gänzlich gegensätzliche Vorgehensweise im Vergleich zu den Vorgängern hat deutliche Spuren auf "Plaques Of Babylon" hinterlassen: Nicht nur wirkt der Sound an sich wuchtiger, roher und lebendiger als zuletzt, sondern offensichtlich wurde die eigentliche Band diesmal stärker mit eingebunden (sicherlich nicht zuletzt der Situation und dem Zeitdruck geschuldet). Erstmals seit langem hat man nicht den Eindruck, einem am Schreibtisch ausgetüftelten und bis ins Detail von hauptsächlich einer Person produzierten Album zu lauschen, sondern einer Bandperformance. So können sich Bass und Schlagzeug immer wieder mit interessanten Details in den Vordergrund spielen und die Songs regelrecht "pushen". Und wo es auf den letzten Veröffentlichungen hauptsächlich nur Gitarrenharmonien und vereinzelte Soli gab (weil Mastermind Jon Schaffer eben keine Soli spielt), darf die Leadgitarre hier endlich wieder freier agieren.
Das Album beginnt mit einem aus sechs Songs bestehenden Konzept, das auch kompositorisch eine Steigerung zu den letzten Alben aufzeigt. ICED EARTH klingen hier wieder düsterer, teilweise auch Thrash-lastiger und weniger vorhersehbar. Gleichzeitig wird die dezente Epik und der Hang zu dramatischen Refrains der inhaltlich verbundenen "Something Wicked"-Phase wieder aufgegriffen. Trotzdem verliert die Band nie an Durchschlagskraft und klingt eher brachialer als zuletzt und keineswegs überproduziert. Diese sechs Songs wirken beim ersten Hören zunächst nicht so zugänglich, direkt und "leicht" wie das "Dystopia"-Material, wachsen jedoch unheimlich, wenn man ihnen einige Durchläufe gönnt. Atmosphärisch klingt hier alles wie aus einem Guss, verschwunden ist die positiv-rockige Ausrichtung des Vorgängers. Mit dem Titeltrack und "The Culling" gibt es zwei wuchtige, epische Nummern mit großen Melodien zu hören, und das ruppige "Democide" erinnert fast an die Frühphase der Band. "Among The Living Dead" wirkt zunächst ein wenig sperrig, aber eben auch nicht nach Schema F komponiert, wie so mancher Song der Vergangenheit. Stu Block kann sich noch weiter freischwimmen und wirkt oft gelöster und natürlicher als auf seinem Einstieg, wo einige Passagen etwas aufgesetzt und gezwungen wirkten. Besonders auf "Resistance" überzeugt er mit einer sehr eindringlichen Performance.
Den Druck des knappen Zeitplans haben ICED EARTH also tatsächlich positiv umgesetzt und sich in vielen Belangen gesteigert, zumindest was die erste Albumhälfte angeht. Leider entstand dabei im wahrsten Sinne des Wortes auch eine "B-Seite". Offensichtlich blieb zum Schluss nicht genug Zeit für das restliche Songwriting. Nachdem das Konzept mit dem sechsten Song, dem dramatischen "The End?", seinen passenden Abschluss gefunden hat (was immerhin einem 35-Minuten-Werk entspricht), wird das Album etwas lieb- und wahllos mit diversen, voneinander unabhängigen Tracks aufgefüllt. Dabei ist nicht einmal der fehlende lyrische Zusammenhang das Problem, sondern vor allem der atmosphärische Bruch und die mangelnde Qualität und Intensität im Vergleich zur ersten Hälfte. Fast hat man das Gefühl, hier seien zwei unabhängige EPs auf einer CD zusammengefasst worden: eine tolle Konzept-EP aus dem "Something Wicked"-Universum und eine zweite EP, die diverse B-Seiten, halbherzig ausgearbeitete Bonustracks und Cover-Versionen vereint. Es beginnt mit "If I Could See You", einer erneuten Auflage der typischen ICED-EARTH-Halbballade, der es jedoch an Dramatik, Tiefgang und Abwechslung mangelt. Die düstere, intensive Atmosphäre, die bis dahin das Album beherrscht, ist schon mit den ersten, eher bluesigen Akkorden dahin. Das folgende "Cthulhu" passt dann wiederum stilistisch noch am ehesten auf das Album und wirkt mit seinen IRON-MAIDEN-Einflüssen und einer etwas leichteren, direkteren Gangweise wie das Bindeglied zu "Dystopia". Dann kommt allerdings wieder sofort der Bruch mit dem bluesigen, rockigen "Peacemaker" und dem stumpfen "Parasite". Beide Nummern versuchen mit extrem simplen Riffs und wenig Dynamik zu überzeugen und klingen damit eher nach Cover-Versionen irgendwelcher Siebziger-Rock-Songs als nach ICED-EARTH-Eigenkompositionen. Passenderweise liefert man dann zum Abschluss tatsächlich noch zwei Cover: "Spirit Of The Times" stammt ursprünglich von Jon Schaffers Soloprojekt SONS OF LIBERTY, und mit "Highwayman" gibt es eine verrockte Country-Nummer mit prominenter Unterstützung (Russell Allen, Michael Poulsen). Beide Aufnahmen sind für sich genommen gar nicht schlecht (wenn auch relativ harmlos), haben aber als offizielle Albumtracks keine wirkliche Berechtigung.
FAZIT: Schade, ICED EARTH haben die Chance vertan, die überzeugenden ersten sechs Tracks auf "Plagues Of Babylon" zu einem vollständigen, stimmigen Album zu ergänzen. Das Potential war vorhanden, mindestens die letzten beiden Studiowerke locker zu übertreffen, wenn nicht noch mehr. Stattdessen wurden aufgrund von Zeitmangel Abstriche gemacht und unnötige Kompromisse eingegangen und die CD mit zweitklassigem und unpassendem Material aufgefüllt. Eine Bewertung fällt schwer: Ist es nun ein starkes, sehr kurzes Konzeptwerk mit mehr oder weniger überflüssigen Bonustracks oder ein zerrissenes Album? Für mich überwiegt trotzdem der positive Eindruck von etwa 41 Minuten neuer, packender ICED-EARTH-Musik (wenn man "Cthulhu" zum Sechs-Song-Konzept hinzurechnet). So reicht es noch zu 10 Punkten, obwohl eine einzelne Note natürlich in keiner Weise die zwei Seiten des Albums darstellen kann. Es wäre viel mehr möglich gewesen.
10 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl: 8,4 von 15 Punkten.
Damit Einstieg auf Platz 52 in den Massen-Review-Charts.