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Sólstafir - Svartir Sandar - Massen-Review
Sie sind selten, diese Alben, die einen nahezu sprachlos zurück lassen. Alben, die kaum in Worte zu fassen sind, aber denen man sofort anhört, dass sie etwas Besonderes sind. Weil sie anders sind, weil sie Musik beinhalten, die völlig eigenständig, un- und außergewöhnlich ist und die dafür sorgen, dass ein Album und die Band dahinter aus der Masse an gesichtsloser Fließbandware herausstechen. "Svartir Sandar", das vierte Album der Isländer SÓLSTAFIR ist ein solches Album geworden.
Review von: Andreas Schulz (Profil)
SÓLSTAFIR machen es einem mit ihrem neuen Album "Svartir Sandar" alles andere als einfach. Stilistische Kategorisierung? Eigentlich unnmöglich. Vergleiche mit anderen Bands? Nicht machbar, da es nichts vergleichbares gibt. Wie also füllt man ein Review zu einem Album, das einem schier die Worte raubt?
Man beginnt mit den Fakten. Die besagen, dass "Svartir Sandar" ein Doppelabum ist. Zwar würde das Material mit der Gesamtspielzeit von knapp 78 Minuten auch auf eine CD pressen, doch ist die Trennung auf zwei Scheiben konzeptioneller Art. Nicht, dass die beiden CDs völlig unterschiedliche Musik beinhalten würden, doch CD 1, die den Titel "Andvari" trägt, legt den Fokus etwas mehr auf die psychedelischen Momente, während CD 2 mit dem Namen "Gola" das etwas straightere, rockigere Material enthält. Fakt ist auch, dass "Svartir Sandar" einen sehr rauen, archaischen und organischen Sound hat, der nichts, aber auch gar nichts mit aktuellen Hochglanzproduktionen gemein hat. Ein bisschen mehr Politur hätte dem Sound zwar auch nicht unbedingt geschadet, das ist aber letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Die Musik selber ist vor allem eines: eigenständig. Zwar schimmern die extrem-metallischen Wurzeln hier und da noch durch, doch letztlich machen SÓLSTAFIR auf diesem Album Rockmusik, die düster, karg und melancholisch ist. Gleichzeitig jedoch ist sie von betörender Schönheit, die einen ganz und gar fesseln kann, wenn man in der Lage ist, sich darauf einzulassen. Man kann sich komplett in die Klanggebilde fallen lassen - nein, man muss es sogar - und vergisst dann alles, was um einen herum passiert. "Svartir Sandar" ist ein Trip, eine Reise in musikalische Welten, die man in dieser Form noch nicht kannte. Die Einflüsse, die man dabei beim Namen benennen kann, kommen aus dem Postrock, aus dem Jazz, aus dem Ambient, aber auch aus dem Viking Metal, aus dem die Band ursprünglich stammt. Kunstvoll verwoben zu etwas Neuem, Einzigartigem.
Obwohl die Musik oft wie aus einem Guss wirkt und im Fluss ist, hat sie Ecken und Kanten. Die macht man vor allem im Gesang aus, denn Aðalbjörn Tryggvason singt mit verschiedenen Stimmen. Die eine davon, die einem direkt im Opener "Ljós í Stormi" begegnet, ist klagend, ein- und aufdringlich, ja anfangs sogar beinahe schon nervig. Doch eben diese Ecken, an denen sich das Ohr zunächst stößt, machen Musik erst spannend und so gewöhnt man sich an diesen Gesang und nimmt ihn als das wahr, was er ist, nämlich auf den Song zugeschnitten. Es gibt auf "Svartir Sandar" noch andere Kanten, an denen man sich zunächst stößt, die aber als ein Teil des Kunstwerkes nicht negativ ins Gewicht fallen, sondern ein Detail des wunderbaren Ganzen sind.
"Svartir Sandar" ist auch vor allem eines nicht: ein Album, das man sich nebenbei anhören kann. Dafür ist es zu sperrig, zu vielfältig und in gewisser Weise auch zu langatmig. Aber genau dieser lange Atem ist es auch, der den Hörer fesselt und der ihm abverlangt wird. Denn erst mit der längeren Beschäftigung, mit dem Erarbeiten, mit dem Sich-befassen wird solche Musik zu dem, was Musik eigentlich sein sollte und heute viel zu selten wirklich ist: Kunst.
FAZIT: Kunst.
12 von 15 Punkten
Review von: Chris P. (Profil)
Das Quartett aus Reykjavík war in den siebzehn Jahren seiner Existenz noch nie eine Band des Stillstands. Daher überrascht es auch nicht, dass das vierte Langeisen "Svartir Sandar" erneut jungfräuliche Wege beschreitet. Das auf zwei CDs verteilte, fast 78 Minuten lange Werk ist albumübergreifend, wenngleich man ein paar typische Merkmale wie die Melodieläufe und natürlich Aðalbjörn Tryggvasons unverkennbare, sich gern in Schräglage befindenden Vocals, so weit vom Metal entfernt wie noch nie – stattdessen werden die Ambient-, Psychedelic- und vor allem die Postrock-Elemente noch stärker in den Vordergrund geschoben, und inmitten dieser gerne auch progressiv angehauchten Melange blitzen gar Splitter einer melancholischen Form des Stoner Rock hervor. "Djákninn" wiederum hat ein stark waviges und poppiges Flair, "Draumfari" hingegen ist ein Song, der fast schon tarantinoeske Züge hat – oder zumindest haben könnte, wenn es einen Film unter seiner Regie gäbe, der in Island spielt.
Sowieso ist der Vierer vor allem eines geworden: Noch isländischer. Vielerorts wird ja davon geredet, dass die vier Musiker die SIGUR RÓS des Metal seien, doch das wäre schon alleine anhand der Demetallisierung der Musik ein wenig zu kurzsichtig gedacht, denn letztendlich muss es schlichtweg an dem Wesen der Menschen aus diesem Inselstaat liegen, dass isländische Musik diese spezielle, erhabene, intensive Atmosphäre ausstrahlt, die eben nicht nur exklusiv den von Jón Þór Birgisson angeführten Postrockern vorbehalten ist. Von diesem Blödsinn sollte man sich demnach keineswegs irreführen lassen.
Die hochgradig eigenständige Tonkunst SÓLSTAFIRs wabert und wogt, umspült mit ihren Schallwellen des Hörers Körper und lässt selbst jene, die (wie ich selbst) nie diesen wohl wundervollen Erdenfleck heimgesucht haben, erahnen, wie Island sich anfühlen könnte. Hinsichtlich des Klimas. Hinsichtlich der Gefühle, die durch die visuellen Eindrücke entstehen. Hinsichtlich der verborgenen Wärme, die auch irgendwo tief in den Menschen dort stecken wird... öffne Dich selbst, und andere öffnen sich Dir.
Interessant ist ja, dass die Monotonie, die "Svartir Sandar" offensichtlich an den Tag legt, nur vordergründig präsent ist, denn wenngleich so mancher Song dieses Albums häufig auf nur einem musikalischen Hauptthema fußt, ranken so viele Details drumherum, dass man das Gefühl hat, jeder Song sei eine Zugfahrt, bei der man aus dem Fenster schaut: Die Fahrt selbst bleibt konstant und wird selbstverständlich, aber bei jeder Wiederholung derselben sieht man etwas, was vorher noch nicht dagewesen zu sein schien.
FAZIT: Zauberhaft.
12 von 15 Punkten
Review von: Dr.O. (Profil)
Meine erste Begegnung mit SÓLSTAFIR war ebenso überraschend wie überragend als sie zusammen mit den phantastischen <CODE> und SECRETS OF THE MOON 2009 für BORKNAGAR eröffneten. Skepsis machte sich damals bei mir breit, als die angeblichen Viking-Metaller die Bühne enterten und sich optisch als älteres Konglomerat aller denkbaren Jugendkulturen darboten, Drummer Guðmundur Óli Pálmason könnte mit seiner Dread-Mähne einer Punk-Band entsprungen sein, Bassist Svavar Austmann wäre mit seinen roten Zöpfen die Idealbesetzung für den Ober-Wikinger im neuen Wickie-Film, Gitarrist Sæþór M. Sæþórsson trägt verwirrenderweise Cowboyhut während der singende Gitarrist Aðalbjörn Tryggvason an die zwei Meter misst und wohl auch nachts nie ohne Sonnenbrille anzutreffen ist. Nach den ersten Tönen SÓLSTAFIRs war es aber um mich geschehen, brannten die Vier doch ein Feuerwerk an vollkommen eigenständiger Musik ab, die zwischen Verzweiflung, Melancholie und unheilvollem Ritual schwankte, immer wieder nach vorne getrieben wurde und innerhalb kürzester Zeit den Schweiß von der Decke tropfen ließ. Woher nimmt Tryggvason nur diese Energie und Emotionalität, die er zwischen Kippe und Whiskey allein durch seinen kraftvollen Gesang transportiert? Das Konzert ließ nicht nur mich schweißgebadet und sprachlos zurück.
Nun, dass phantastische Live-Bands oft keine guten Studio-Alben abliefern, ist ein offenes Geheimnis, SÓLSTAFIR sind und bleiben aber auch mit "Svartir Sandar" die Ausnahme dieser Gesetzmäßigkeit. War der Vorgänger "Köld" ziemlich genau das obige wilde und exzessive Geschehen auf Vinyl (was sonst?) gepresst, so lassen sie es jetzt etwas ruhiger und kontrollierter angehen. Nein, "Metal" im klassischem Sinne sind SÓLSTAFIR nicht mehr, falls sie es denn jemals waren, die aktuelle Spielwiese liegt vielmehr irgendwo zwischen Post-Rock und Rock, ist aber im Grunde vollkommen eigen und unvergleichbar. Bei jedem Ton hat man das Gefühl, dass hier Musiker am Werke sind, die auf alle Trends scheißen und nur ihr tiefstes Innere herauskehren und vertonen, egal, was Kritiker, Fans oder gar Manager erwarten.
Und SÓLSTAFIR lassen es auf "Svartir Sandar" langsam angehen, nicht unbedingt die Geschwindigkeit der Songs betreffend, aber deren gemächlichen Aufbau. So landen die meisten Stücke jenseits der Garzeit einer 5-Minuten-Terrine und beginnen oft ruhig und mit einzelnen verlorenen Gitarrentönen oder Piano-Klängen bevor das treibende Rhythmusfundament einsetzt und von melancholischen Gitarrenwällen überrannt und mitgerissen wird. SÓLSTAFIR klingen dabei immer organisch und echt, nichts wirkt erdacht oder künstlich dynamisiert. Kontrolle und Unkontrolliertheit, Wildheit und Zähmung, Wut und Liebe sind auf "Svartir Sandar" keine Gegensätze, sondern existieren in Gleichberechtigung und Ausprägung selbstverständlich nebeneinander, oft sogar in demselben Song. Wenn ich nun das Unmögliche möglich machen sollte, nämlich SÓLSTAFIRs aktuelles Werk wirklich in Worte zu fassen, dann muss ich passen. Wenn man aber zur Musik die Augen schließt, dann entwickelt sich vor dem inneren Auge wie von selbst die Landschaft Islands, schroffe Klippen, wenige Grünflächen, schwarzer Sand, heiße Geysire und nur wenige Menschen. Und genau das macht die Magie dieses Meisterwerkes aus, den Hörer gefangen zu nehmen und zu entführen, weg von dem täglichen Druck und Stress hin in die Einöde und Natur. "Svartir Sandar" heißt übersetzt "Schwarzer Sand", und diesen gibt es nicht nur in der Seele SÓLSTAFIRs sondern auch an der Südspitze Islands. Phantastisches Album einer phantastischen Band.
FAZIT: Kann man das Leben auf einer kargen Insel vertonen? Man kann. SÓLSTAFIR haben es mit "Svartir Sandar" geschafft und liefern damit das beste nicht-metallische Metal-Album des Jahres ab. Punkt.
14 von 15 Punkten
Review von: Lutz Koroleski (Oger) (Profil)
Ein ziemlicher Brocken ist das dritte Album dieser isländischen Formation geworden. 79 Minuten Musik, verteilt auf zwei CDs inklusive dreier Epen jenseits der 10 Minuten wollen erstmal verdaut werden. Insbesondere weil die Band zwar schon Songs im eigentlichen Sinne komponiert, sich dazwischen aber immer wieder lange Passagen und Songfragmente finden, die primär dazu dienen Atmosphäre zu schaffen. Vor allem auf der zweiten CD ("Gola") dominieren diese Elemente, während die erste ("Andvari") etwas leichter zugänglich ist. Hier finden sich sogar etliche Hits, die mit sehr eingängigen Melodien begeistern und Songs wie "Pale Rider" vom Vorgänger durchaus das Wasser reichen können. Allen voran das zunächst getragene und dann in einen Uptempo-Part mündende "Ljós í Stormi", welches ein bisschen an PRIMORDIAL erinnert. Weitere Highlights sind das durchgängige ruhige "Fjara", der groovige Rocker "Æra" oder das äußerst chillige "Kukl". Insgesamt fällt auf, dass SOLSTAFIR den Härtegrad reduziert haben. Die Gitarren klingen basischer und weniger nach Breitwand als noch auf "Köld". Gleichzeitig wurde der Anteil an ruhigen und melodischen Abschnitten erhöht. Manchmal fühlt man sich gar an eine derbere Ausgabe von Bands wie CRIPPLED BLACK PHOENIX erinnert.
Wie schon erwähnt, geben auf der zweiten CD eher atmosphärische Klänge den Ton an. So sind nach den beiden melodischen Eröffnungssongs "Melrakkablús" und "Draumfari" die anschließenden Stücke ("Stinningskaldi", "Stormfari") mit Aufnahmen isländischer Wetternachrichten unterlegt und auch bei den zwei abschließenden Longtracks dominieren ausgedehnte Instrumental-Passagen. Mir jedenfalls gefällt insgesamt der erste Teil des Albums deutlich besser. Wer mit weniger songorientierter Musik etwas anfangen kann, mag das vielleicht ein wenig anders sehen. Der raue und natürliche Sound setzt die musikalische Intention der Band übrigens erneut sehr gut um.
Einen Kritikpunkt stellt der stellenweise leicht schiefe Gesang von Aðalbjörn Tryggvason dar, der etwa bei "Sjúki Skugginn" besonders deutlich neben der Spur liegt. Solche Probleme hat der stimmlich ähnlich gelagerte A.A. Nemtheanga mittlerweile wesentlich souveräner im Griff.
FAZIT: Auch das dritte SOLSTAFIR-Album kann mit überwiegend tollen Songs und viel Atmosphäre überzeugen. Außer leichten Schwächen beim Gesang und der einen oder anderen Länge gibt es wenig zu beanstanden.
10 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl: 12 von 15 Punkten