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Interview mit Tristwood (06.04.2011)
Gerade DIY-Bands überraschen in letzter Zeit zunehmend mit richtig edlen kreativen Ergüssen. TRISTWOOD hatten zwar vor einigen Jahren noch Label und Promoter im Rücken, doch nach der Trennung von jener Plattenfirma und einer langen Pause probiert es die besonders seit dem neuen Album wahrlich niveauvolle, avantgardistische Extremmetalband mehr oder weniger wieder auf eigene Faust. Bandkopf J nimmt in unserem Interview kein Blatt vor den Mund und sagt, was er denkt. Respekt vor so viel Ehrlichkeit, die inmitten der Pseudodiplomatie vieler Musiker einfach gut tut.
Servus J! Ach je, ich hab ja fast gedacht, ihr seid komplett in der Versenkung verschwunden. Umso überraschter war ich, als ich bei meinen gelegentlichen Besuchen auf der Homepage Eures neuen Labels Asiluum über Euer neues Album gestoßen bin. Aber bevor wir darauf eingehen, lass uns doch mal etwas in die (ungeliebte) Vergangenheit zurückreisen. 2006 habt ihr „The Delphic Doctrine“ rausgebracht, und in der Presse kam das Teil ziemlich gut weg. Hat Euch das als Band eigentlich etwas gebracht?
Hi! Zuerst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Du bei uns immer ein Ohr riskierst und an sich an uns interessiert bist. Da erkennt man den Unterschied zwischen nichtssagendem Journalismus und purem Interesse an der Musik. So viel dazu. Das muss auch einmal erwähnt werden. An dieser Stelle soll auch gleich angemerkt werden, dass wir keine Anfragen von Schmierenkomödianten beantworten, die glauben, dass es mal eine coole Sache wäre, ‘ne richtig krasse Band zu interviewen. Tut mir leid, da habt ihr das Konzept nicht verstanden. Bitte wendet euch in diesem Fall an norwegische Waldschrate.
Um auf Deine Frage zurückzukommen: Die hervorragenden Reviews haben uns natürlich sehr weitergeholfen, weil dadurch einfach über uns diskutiert wurde. Letztlich war es ja unser Ziel, bekannter zu werden. Rein finanziell hat uns dieser Umstand natürlich nichts gebracht, weil unser Label in dieser Hinsicht nicht gerade gute Arbeit geleistet hat. Aber im Prinzip ist das kein Problem gewesen. Wir sind und waren immer eine Non-Profit-Band, und aus diesem Grund steht sowieso die Musik im Vordergrund. Gerade deshalb sind wir mit „The Delphic Doctrine“ und den Pressereaktionen sehr zufrieden.
Ich frage auch deshalb, weil der Deal mit Eurem damaligen Label Soundriot ja mächtig in die Hose ging. Bereits in unserem damaligen Review für BloodDawn.de (seit 2007 ist jene Seite leider offline) hast Du diese Plattenfirma massiv kritisiert. Was war da los?
Ich will da gar nicht zu sehr in die Tiefe gehen. Soundriot Records waren halt finanziell angeschlagen und konnten uns den versprochenen Vorschuss nicht zum vereinbarten Termin überweisen. Des Weiteren war es einfach so, dass sie beim Signen von Bands den fatalen Fehler begingen, eine polnische Band namens INFERNUM unter Vertrag zu nehmen, die gelinde gesagt den Ruf hat, äußerst rechtsorientiert zu sein. Scheinbar sind als Folge einige Vertriebspartner daraufhin unsicher geworden und haben die Zusammenarbeit mit Soundriot Records beendet. Für uns war die Situation irgendwie unangenehm, denn wir mussten unseren Hörern und Hörerinnen erklären, warum die Platte so schwer erhältlich ist. Das war im Nachhinein für alle eine schwierige Zeit. Aber hey, warum sollten wir meckern? „The Delphic Doctrine“ ist trotzdem ein recht gutes Album und bereitet sehr vielen Menschen Freude. Und das ist und bleibt das Einzige, was zählt.
Zwischen den Veröffentlichungen „The Delphic Doctrine“ und „Dystopia Et Disturbia“ liegen ja nun fast sechs Jahre. War der Reinfall mit dem Label ein Grund dieser langen Pause? Hat Euch diese Geschichte nach hinten geworfen? Oder waren TRISTWOOD in dieser Zeit sowieso eher weniger bis gar nicht aktiv?
Nun, die Geschichte mit der Plattenfirma hat uns schon einen argen Dämpfer versetzt. Es war einfach eine unangenehme Situation, um ehrlich zu sein. Die Hintergründe für die lange Wartezeit waren aber andere. Die einen waren privater, die anderen beruflicher Natur. Ich werde mich hierzu aber nicht äußern. Vor dem her ist es auch nicht richtig, von einem Nach-hinten-Werfen zu sprechen, weil wir ja als Menschen gewachsen sind. Wir haben eher die Zeit für uns arbeiten lassen. Früher haben wir uns die Beine ausgerissen und sinnlose Interviews beantwortet, um bekannter zu werden. Seit wir uns weder um Promotion noch darum kümmern, was die Presse oder selbsternannte Musikpäpste von uns halten, sind wir beliebter denn je. Aber eins muss ich schon sagen, nur weil wir uns nicht durch sinnlose Internetaktionen in den Vordergrund schoben, wie das so viele Metalbands machen, sind wir nicht inaktiv gewesen. Wir haben uns auf andere Weise mit Musik beschäftigt.
Wie schaut es denn mit dem Erwerben der Sachen aus Eurem Backkatalog aus? Sind die noch einfach zu bekommen oder schon vergriffen? Und falls sie vergriffen sind: Wollt ihr die Sachen nicht auch irgendwann mal als Download bereitstellen?
Der Backkatalog ist und bleibt vergriffen. Alle, die sich für unsere Band interessieren, können sich die Scheiben auf anderem Wege zulegen. Fürs erste gibt es aber keine Pläne, die alten Alben und Songs neu aufzulegen. Wir würden uns die Plattenfirma auch wirklich sehr genau aussuchen, denn wir sind als Musikhörer und als Musiker einfach sehr wählerisch geworden. Aber Du hast recht, es könnte darauf hinauslaufen, dass wir die Alben irgendwann vielleicht als Download anbieten. Ich für meinen Teil würde aber LP-Veröffentlichungen bevorzugen. Aber wie so oft wird auch dies die Zukunft weisen. Vielleicht trabt ja eines Tages eine Plattenfirma an, bei der wir uns sicher sind, dass die Typen, die sie betreiben, einfach undergroundinteressiert sind und ein Faible für andersartige Musik haben. Wenn wir merken, dass es um die Liebe zur Musik geht, sind wir sehr kooperativ.
Asiluum ist ja ein reines Netlabel, das die Werke seiner Künstler zum kostenlosen Download für jedermann, ohne Registrierung oder irgendwelchen Quark, anbietet. Wie ist es zum Kontakt mit Asiluum gekommen?
Die Kontaktaufnahme erfolgte über mich. Ich wollte für TRISTWOOD das richtige Forum finden. Und ich wollte auch, dass Asiluum durch TRISTWOOD ein wenig bekannter werden. Diese Jungs beweisen einfach Mut, und gerade das fehlt der Metalwelt heutzutage zum Teil. Allein schon die Tatsache, dass eine Band wie CELTIC FROST wieder auferstehen muss, um jungen Metallern zu zeigen, was Avantgarde bedeutet, ist eigentlich ein Armutszeugnis für die ganze Subkultur. Wenn man sich aber solche Musiker wie jene aus dem Asiluum-Umfeld ansieht, dann hegt man Hoffnung.
Habt ihr denn schon von der neuen Art der Musikverbreitung profitiert? Klar, finanziell geht da nichts, aber wie schaut es mit dem Erreichen von alten und neuen Fans aus?
Ja, wir haben davon profitiert. Wir sind da angekommen, wo wir von Journalisten eingeordnet werden wollen. Wir werden auch von den Hörerinnen und Hörern in die Stile eingeordnet, die landläufig als Avantgarde oder Post Metal bezeichnet werden. Da gehören wir gefühlsmäßig auch hin. Obwohl wir es uns früher niemals eingestanden hätten, waren und sind wir einfach anders. Das ist auch völlig in Ordnung. Ich weiß aber nicht, inwieweit alte und neue Fans erreicht werden. Wir haben völlig auf die Promotion verzichtet, also wird es vermutlich eine gewisse Zeit brauchen, bis das Album einen passablen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Auf Asiluum sind wir aber schon jetzt der Top-Artist mit den meisten Downloads. Wir sind also völlig zufrieden.
Mittlerweile hat sich der ganze Facebook-, MySpace- und Hastenichtgesehen-Kram ja in die Musikszene gebohrt wie die Schnabel und Krallen gieriger Geier in Aas. Wird das jemals wieder anders sein? Was würde denn passieren, wenn das Netz von heute auf morgen offline wäre?
Ich weiß nicht, wovon Du sprichst. Ich habe da eine völlig andere Meinung: Ich glaube, dass die sozialen Netzwerke ihren Sinn haben. Außerdem nutzt sie ja nicht jeder gleich. Ich für meinen Teil bin eher selektiver geworden. Früher hab ich auf eine CHILDREN OF BODOM-Veröffentlichung allen Ernstes „gewartet“. Heute kann ich täglich neue Bands entdecken und diese durch Plattenkäufe unterstützen. Der einzige Nachteil, den ich sehe, ist, dass sich Musikstile nicht mehr so gut entwickeln können. Viele Musiker scheinen geradezu darauf erpicht zu sein, mit einem Stil zu brechen. Der Black Metal ist an sich das beste Beispiel. In seinem Fall wird ständig versucht, die Genregrenze zu durchbrechen, weil man sich in diesem Korsett ach so eingeengt fühlt. Dabei wird oft vergessen, dass es der Black Metal war und ist, der einen solchen Konventionenbruch überhaupt ermöglicht. Da beißt sich die Katze einfach in den eigenen Schwanz, ohne es zu bemerken. Naja, ich schweife ab. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn das Netz offline wäre. Ich glaube, dass schlechte Bands einfach wieder größere Chancen hätten, weil man nicht mehr die Möglichkeit hätte, im Internet nach qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen zu suchen. Auch würden wahrscheinlich das Rock Hard und der Metal Hammer wieder meinungsbildender werden. Versteh mich nicht falsch, aber die beiden Magazine sind sicherlich maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich ganze Stile im Underground gebildet haben. Das ist auf der einen Seite gut, auf der anderen ist es auch so, dass sie oftmals unnötige Kriterien aufgestellt haben. Bis heute hab ich nicht meine Freude, wenn beim Thrash-Revival mit den gleichen Trueness-Kategorien herumhantiert wird wie im Black Metal. Ich mag auch das neue Modewort „Oldschool“ überhaupt nicht.
Eure ursprüngliche Seite (tristwood.com) ist ja auch schon seit Ewigkeiten offline, stattdessen seid ihr auf den genannten Portalen vertreten. Reicht das wirklich aus? Oder wäre es nicht doch schöner, statt dieser Cyber-Uniformiertheit mit Individualismus in Form einer „echten“ Website zu glänzen?
Ja, es reicht aus. Das Web 2.0 hat Möglichkeiten eröffnet, die zeigen, dass eine Webseite eigentlich unnötig ist. Wir brauchen keine „echte“ oder ‚trve‘ Webseite. Verstehst Du, worauf ich hinaus will? Vielleicht wird es uns eines Tages wieder packen und wir „glänzen“ dann auch wieder mit einer Webseite. Wir haben momentan aber eher eine andere Einstellung. Viele in unserer Band tendieren dazu, sich zurückzuziehen und es muss Musikern einfach zugebilligt werden, dass sie selbst entscheiden, inwieweit sie sich der Welt öffnen. Bei TRISTWOOD ist nicht einmal sicher, wie viele Interviews wir in Zukunft noch führen werden. Das ist eben ein Teil des Bandkonzepts. Wir suchen uns diejenigen aus, mit denen wir kommunizieren. Mit anderen Worten: Ein Journalist, der nicht die nötige Klasse besitzt, braucht gar nicht mit einem Interview antanzen. Das ist nicht einmal als hochmütig zu verstehen. Ich bin einfach der Ansicht, dass wir der Leserschaft ein wenig Qualität bieten wollen und aus diesem Grunde auch nicht auf jeden Schmarren antworten. Also, was da in letzter Zeit so als Interview oder gar als Review durchgeht, ist einfach nicht mehr tragbar. Leider sind von diesem Qualitätsschwund vor allem auch an sich hochwertige Formate betroffen. Näher will ich darauf nicht eingehen, aber man kann‘s ja vermuten…
Absolut nachvollziehbar, da ich persönlich auch sehr selektiv vorgehe, was die Interviewpartner angeht. Was bringt es denn, sich selbst, den Interviewpartner und letztendlich auch den Leser mit sacködem Blabla zu langweilen? Aber nun bin ich derjenige, der abschweift. Also zurück zu Eurer Band beziehungsweise Eurem neuen Album. „Dystopia Et Disturbia“ erscheint mir ein wenig „reduzierter“ geworden zu sein. Die elektronischen Elemente sind nicht mehr ganz so präsent. Dafür gibt es mehr auf die Zwölf, und insgesamt wirkt alles etwas homogener (mir manchmal fast ZU homogen). Frickeliger ist es manchmal auch – gerade bei den knüppelnden Passagen, was anfangs noch gar nicht so auffällt. Kamen diese Entwicklungen bewusst oder ist alles einfach so passiert?
Ja, das hat sich einfach so ergeben. Wir sind natürlich als Gitarristen ordentlich gewachsen. Früher wäre ein Riff im Stile von CANNIBAL CORPSE, HATE, BEHEMOTH oder auch TRAUMA für uns einfach nicht machbar gewesen. Heute können wir‘s, aber wir setzen solche Riffs so ein, dass sie wie Flächen wirken. Extremes Gefrickel soll bei uns nicht zu einem Selbstdarstellung-Overkill mutieren, sondern an sich der Idee des Songs dienlich sein. Hmm, ob‘s aber zu homogen ist, kann ich schwer beurteilen. Wir sind immer eine Band gewesen, die Breaks verabscheut hat. Das können Ami-Deather machen, aber wir sind von der Tradition her recht stark an Europa gebunden. Man hört ganz klar heraus, dass wir metaphorisch gesprochen die gleiche Schulbank drückten wie die Typen von RED HARVEST, ANAAL NATHRAKH, PANZERCHRIST oder von mir aus auch ZYKLON. Wir waren aber darauf bedacht, dass die Songs ein Gefühl von Liquidität vermitteln.
Während die Musik metallischer geworden ist, sind Logo, Plattencover et cetera um einiges nonmetallischer ausgefallen. Kannst du uns hierüber etwas sagen?
Hmm, ja, kann ich. Wir sind und bleiben zwar Metaller, aber wir sind eben Menschen, die auch an anderen künstlerischen Stilen interessiert sind. Für dieses Album ging es uns darum, uns bewusst weiter freizuschwimmen. Ein Metalcover hätte keinen Sinn gemacht, weil das Album musikalisch - unserer Ansicht nach - nach etwas anderem verlangte. Wir haben einen außerordentlich begabten Avantgarde-Künstler mit der Konzeption beauftragt, der jedoch namentlich nicht erwähnt werden will. Nur so viel: Er hat bereits mit einigen bekannteren Metalbands zusammengearbeitet und uns einen Freundschaftsdienst erwiesen. Das Cover wurde allerdings mehrere Male umgearbeitet, bis es im Einklang mit der Musik stand. Für mich war es beeindruckend, mit welchem Feingefühl dieser Künstler zu Werke ging. Schade, dass er so introvertiert ist. Er wäre vermutlich für Bands wie MASTODON, VOID, ENSLAVED, CULT OF LUNA oder auch SÓLSTAFIR der perfekte Partner in Crime.
Texte zu Eurem neuen Album gibt es - zumindest meiner Kenntnis nach - nirgendwo zu lesen. Auch die Songtitel des neuen Albums muten gelegentlich kryptisch an. Erzähl uns doch mal ein wenig über die textlichen Inhalte des Albums – und wieso es „Dystopia Et Disturbia“ betitelt wurde.
Nun, es geht auf dem Album um die verschiedenen Facetten des urbanen und suburbanen Lebens. Konkret handelt die Platte von den dunklen oder auch schattigen Seiten des Daseins. An sich ist das nichts Besonderes: Wir haben Städte, ihre dunklen Gassen, das Ekelhafte und Grausame genau beobachtet. Wir waren nachfolgend eher offen im Umgang mit den Eindrücken und haben mehr mit Gedankenfetzen gearbeitet als mit durchstrukturierten Texten. Die Platte ist gewissermaßen ein impulsiver Ausbruch. Es soll so wirken, als ob einem Großstadtmoloch eine Stimme gegeben wurde und er die dunklen Eindrücke, die er über die Jahre aufsog, nun aus sich herauswürgt. Der Titel selbst vermittelt, absichtlich kryptisch ausgedrückt, zwei Nuancen einer an sich dunklen Facette einer Stadt.
Eure Pseudonyme Jegger, Axumis, Deimon und so weiter haben sich mittlerweile auf A, D, Y, J, N und HMG verkürzt. Ein weiterer Schritt in die Anonymität?
Ja, es ist ein weiterer Schritt in die Anonymität. Wir benützen die anderen Namen aber immer noch in privaterem Rahmen.
Wobei... äh... Y und HMG sind aber neu in eurem Line-Up, oder?
Ja, das stimmt. Das sind die Neuen. Recht kompetente Kerle, um ehrlich zu sein. Sie haben den nötigen Teil zur Platte beigesteuert.
Immer noch bekommt ihr die Frage gestellt, ob da nun ein Drummer aus Fleisch und Blut sitzt oder ob die Drums programmiert werden. Auf der Promoversion von „The Delphic Doctrine“ stand auch noch etwas von einem Schlagzeuger auf dem Backcover, und Du sagtest damals, das sei ein Fehler seitens des Labels beziehungsweise der Promoter gewesen. Ulkig, dass auf eurer MySpace-Seite nun zu lesen ist: „HMG – Drums and Percussion“. Jetzt lese ich gerade in einem anderen Interview, dass da nun doch ein Drummer euer Bandgefüge ziert. Ihr Schlawiner verwirrt die Fans aber ganz schön...
Hahaha, ja, das ist schon ein wenig verwirrend. Aber wir haben nun einen Drummer, das ist entscheidend, auch wenn ich diesen Schritt nie so ganz befürwortet habe. Allerdings hat er bis jetzt nichts falsch gemacht, also bleibt er. Mir persönlich ist allerdings die neue Platte ein wenig zu weich und zu langsam geraten, von dem her wäre mir lieber, wenn er vielleicht Drums programmieren würde. Aber das ist eine andere Geschichte.
Liveerfahrung. Habt ihr welche sammeln können, beziehungsweise habt ihr das im Nein-Fall vor?
Nein, wir werden in den nächsten drei bis vier Jahren nicht auftreten. TRISTWOOD ist und bleibt eine Band, die sich nicht selbstdarstellen wird. Und wenn, dann nur in einem exklusiven Rahmen.
Schon damals hab ich Euch gelöchert, was Seitenprojekte und Zweit-, Dritt- und Öchzehnt-Bands angeht. Wo und womit seid und wart ihr seit 2006 denn sonst noch musikalisch aktiv?
Unser Sänger ist der einzig wirklich Aktive bei TRISTWOOD. Er spielt sonst noch bei MASTIC SCUM, einer wirklich ausgezeichneten Grindcore-/Death Metal-Band aus Österreich. Ansonsten sind wir erstaunlich inaktiv.
Na dann gleich mal zurück zum Album. Unterscheidet sich der Aufnahmeprozess bei „Dystopia Et Disturbia“ von den früheren Aufnahmeprozessen? Wenn ja, was habt ihr anders gemacht?
Hmm, eigentlich nicht sonderlich viel. Wir haben in einem anderen Studio aufgenommen. Dieses Mal wurde das Volcano-Studio von Deimon für die Aufnahmen genutzt. Wir sind aber mit „Dystopia Et Disturbia“ eindeutig vom Death- und Black Metal abgerückt und haben uns mehr dem Grindcore und Post Metal angenähert. Der einzige große Unterschied war, dass wir das Album in relativ kurzer Zeit eingetütet hatten. Dadurch wurde das Album einfach impulsiver und eruptiver.
Wie siehst Du Eure älteren Werke retrospektiv? Bist Du zufrieden oder stolz, wenn du auf Eure frühere Arbeit zurückschaust oder gibt es da durchaus das ein oder andere, bei dem Du oder Deine Bandkollegen sich sagen: „Mein Gott, was haben wir uns dabei gedacht!“...?
Jegger: Ich bin eigentlich mit allen Alben sehr zufrieden. Mir persönlich ist „The Delphic Doctrine“ fast zu poppig ausgefallen, aber ich jammere hier auf hohem Niveau, denn schließlich ist das Album wirklich klasse und sticht aus der Masse an Veröffentlichungen deutlich heraus. Nein, alle Platten sind wirklich empfehlenswert. Von Scham kann hier keine Rede sein.
Futuristisches Industrialgeknüppel zu performen, ist ja eine relativ brotlose Kunst. Womit verdient ihr denn eigentlich so Eure Brötchen?
Definitiv. Das sollte bei jedem Musiker oder jeder Band der Fall sein - jeder soll sich so präsentieren oder eben auch nicht präsentieren, wie er es selbst will. Nun, in letzter Zeit haben sich ja wieder einige Musiker als geistige Tiefflieger (vor allem im politischen Sinne) geoutet. Der frühere AMORPHIS-Sänger Pasi zum Beispiel hat ja nun seine recht erfolgreiche Band AJATTARA seit einigen Jahren am Start, und auf den neuen Promofotos sieht man ihn, blutbesudelt, mit einem Mengele-T-Shirt. Andere Musiker malen sich auf Gigs Hakenkreuze auf die Brust, manche Bands werden abgefeiert, obwohl Musiker dieser Bands gleichzeitig in eindeutig braun gefärbten aktiv sind. Woher kommt die Gleichgültigkeit der Fans?
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn man von einer Gleichgültigkeit der Fans spricht. Viele in dieser Subkultur halten ein solches Verhalten für untragbar. Man sollte sich also vor Pauschalurteilen hüten. Ich glaube aber auch, dass man von einem Otto-Normal-Metaller nicht erwarten kann, dass er sich ständig mit jeder Facette der Metalkultur beschäftigt. Black Metal ist und bleibt ein Randphänomen, von dem her kann man von einem Whitesnake- oder Opeth-Fan nicht erwarten, dass er zu solch einem Thema ständig Stellung bezieht.
Ich für meinen Teil würde ein Mengele-Bild sofort erkennen, aber andere hätten da sicherlich ihre Probleme. Und ja, auch ich halte das Verhalten von Hoest und Koskinen für untragbar. Ich frage mich, ob ihnen eigentlich jegliche Form von Einfühlungsvermögen beziehungsweise Respekt gegenüber den Opfern fehlt… Ich muss zugeben, ich bin im Speziellen von Pasi Koskinen maßlos enttäuscht.
Wo wir gerade über Fanverhalten sprechen: Zumindest mir kommt es so vor, als ob die meisten Fans sich irgendwie alles vorsetzen lassen – sei es durch ganzseitige Anzeigen in Hochglanzmagazinen oder die in Foren übliche Gruppendynamik der Marke: Der eher weniger etablierte User „Blargh666“ empfiehlt eine Band und kein Schwein interessiert's. Ein halbes Jahr später kommt dann der allseits bekannte User „chainsandleatherforever“ mit genau der gleichen Band an und alle gehen steil. Hat sich das nur in die Medien verlagert oder ist das tatsächlich ausgeprägter geworden?
Hmm, ja das könnte damit zusammenhängen, dass bestimmte Begriffe einfach das Wir-Gefühl der Metaller anspricht, während Blargh666 eher auf NIDINGR verweist und Telochs Band eben nur wenige Menschen kennen. Ansonsten ist es allerdings wirklich so, dass die Macht von Plattenfirmen wie Nuclear Blast, Century Media, Season of Mist oder auch Napalm Records sehr groß ist. Sie bestimmen zu großen Teilen die Trends. Aber hey, als vor Jahren die Majorlabels das Sagen hatten, hat es uns auch nicht gepasst. Und schließlich waren es auch diese Plattenfirmen, die durch ihre Labelpolitik die ganzen Mags am Leben erhielten. Man sollte also nicht zu undankbar sein.
Steckt ihr eigentlich viel Arbeit in Promotion? Sind Asiluum da irgendwie aktiv und treten mit Musikmagazinen in Kontakt, übernehmt ihr vielleicht auch selbst die Aufgabe? Oder lasst ihr die, die tatsächlich an Euch interessiert sind, einfach auf Euch zukommen. Ich hab von Eurem Album erst etwas mitbekommen, als ich auf einem Metal-Onlinemagazin eine Rezension zur neuen Scheibe entdeckt habe.
Wir sind praktisch inaktiv. Wir haben ein paar wichtige Szenegrößen um ein wenig Hilfe gebeten. Aber zum Großteil haben wir unsere „Fans“ gebeten, uns weiterzuempfehlen. Das ging wie geschmiert. Aber ansonsten haben wir gar keine Promotion gemacht. In unserem Fall macht das keinen Sinn. Wir haben auch keine Promos ausgesendet. Ich finde, dass die Tatsache, dass die Platte umsonst ist, einfach ausreichen sollte. Asiluum betreiben ein wenig Promotion in Rumänien, Bulgarien und Russland. Außerdem haben sie ihre Netzwerke aktiviert. Das war‘s aber auch schon. Reicht doch, oder?
Hm, etwas Werbung kann doch nie schaden, oder? Was sind Euch Pressereaktionen eigentlich wert? Beeinflusst Euch das irgendwie in dem, was ihr musikalisch tut? Sind Rezensionen überhaupt relevant für Euch oder ist Euch das egal, ob nun Magazine über Euch schreiben oder gar keiner?
Die Reaktionen zur neuen Platte sind uns viel wert, weil die Platte nur von Interessierten rezensiert wird. Also von Menschen, denen an Musik was liegt und die keine leeren Hülsen sind. Aber zu Zeiten von „The Delphic Doctrine“ waren uns die Reviews dann irgendwie egal. Da haben einfach zu viele das Album besprochen, ohne auch nur im Geringsten zu kapieren, worum es im Industrial Metal, im Black Metal, Grindcore oder im Extreme Metal an sich geht und von dem her waren diese Besprechungen einfach nicht ernstzunehmen.
J, ich bedanke mich für das geduldige Beantworten meiner Fragen. Die letzten Worte gehören Dir.
Ja, vielen Dank für das Interview. Mich hat es gefreut. Deutschsprachige Interviews sind immer eine feine Sache. Vor allem dann, wenn man merkt, dass sich das Gegenüber mit der Materie beschäftigt hat. Und ich danke allen, die sich das Interview bis hierher durchgelesen haben. Noch was: Kauft euch unser Album zum Nulltarif. In diesem Sinne, hoch die Hacken und gerade bleiben.