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Interview mit Nachtgeschrei (08.04.2009)

Nachtgeschrei

NACHTGESCHREI waren schon einige Zeit vor ihrem Debüt "Hoffnungsschimmer" regelmäßig für gute Stimmung auf diversen Festivals verantwortlich. Mit ihrem zweiten Studioalbum "Am Rande der Welt" steuern sie weiterhin auf die Spitze ihres Genres zu. Mit uns sprachen sie unter anderem über Mittelaltermärkte und die Leidenschaft für Musik.

Wie hat eure Band sich zusammengefunden?

Sane: Die treibenden Kräfte für die Idee zu solch einer Band waren Joe und Nik. Sie  haben zum Ende ihrer Irish Folk Zeit beschlossen sich Leute zu suchen, die mit ihnen Mittelalterrock machen wollen. Da es sich um zwei recht entschlossene Burschen handelt, hat es gar nicht lang gedauert bis der Rest eintrudelte. Wir haben damals keine Zeit verloren, denn wir wollten noch im selben Sommer unbedingt ein paar Gigs spielen!

Nachtgeschrei - SaneWie seid ihr darauf gekommen Mittelalterrock zu machen? Gibt es irgendwelche Vorbelastungen bezüglich Mittelaltermärkten oder Schaukämpfen?

Sane: Die gibt es Tatsächlich. Ich denke, Nik und ich waren die Aktivsten in dem Bereich  und ich muss zugeben, dass mir der Schaukampf schon ein bisschen fehlt, hat echt Spaß gemacht! Aber wirklich betrieben haben wir unser Hobby damals nicht, vielleicht alle paar Monate mal. Hinzu kommt, dass ein paar von uns sich schon damals gerne die CDs der großen Bands angehört haben, wir also mit diesem Sound sowieso stark sympathisiert haben. Die Idee, Musik mit diesen Elementen auf unsere Art und aus unserer Sicht zu machen, hat uns im Sturm erobert.

"Am Rande der Welt" ist ja euer zweites Album. Wie sehr habt ihr euch nach eigener Meinung zu eurem Debüt "Hoffnungsschimmer" weiterentwickelt?

Sane: Da wir zu "Hoffnungsschimmer"-Zeiten ja noch halb in einer musikalischen  Selbstfindungsphase steckten und diese Phase zu "Am Rande der Welt"-Zeiten "überwunden" war, geschah der Weiterentwicklungsprozess quasi automatisch. Wir hatten bei den jeweiligen Liedern die Vorstellung, wo wir mit den Songs hinwollten, wie sie klingen sollten, viel klarer vor Augen. Dadurch kamen wir sehr gut voran und fanden Zeit, unsere Ideen weiter reifen zu lassen und unsere Vorstellungen von geiler Musik auf unsere eigenen Songs zu übertragen. Das alles hat dazu geführt, dass "Am Rande der Welt" deutlich mehr Energie und Heavyness mitbringt.

Wie läuft bei euch das Songwriting ab?

Sane: Das Schöne bei uns ist, dass so gut wie alle ab und an mal von der Muse abgeschleckt  werden und mit guten Songideen zur Probe, zu nem Bandkollegen nach Haus oder wohin auch immer gehen. Irgendwie gelangt das Lied dann doch zu jedem einzelnen. Nik ist eine Art Texte-Bastler, der ein unheimlich gutes Händchen für bildgewaltige Darstellung hat.

Manchmal macht er mir Angst damit. Er ist meistens so ruhig und wirkt so gelassen und im nächsten Moment hat er den Text zu "Windfahrt" oder "Muspilli" geschrieben! Joe und Oli sind reine Kompositions-Cracks. Sie hören sich an, was in ihren Köpfen gerade so Schönes läuft und schreibens Nachtgeschrei - Am Rande der Weltauf. So hat Oli "Fiur" gebastelt und die Musik zu "Glut in euren Augen". Joe wirft geile Melodien auf Knopfdruck aus! Wenn er nen guten Tag hat, kann ihm wirklich alles einfallen! Hotti und ich haben zueinander ähnliche Vorgehensweisen, wir sind wie Singer/Songwriter, nur dass ich besser nicht singen sollte. Wir schreiben Texte und machen Musik dazu – das läuft bei uns parallel ab. Ich denke so gehts am besten für Leute wie ihn und mich. Da werden Akkorde auseinandergenommen und zusammengestückelt und der Text wird direkt auf eine Gesangslinie aufgebaut, ohne Umwege aus dem Bauch heraus. Melodien schreiben wir ab und an dazu, ich denke der Hotti mehr als ich. Bei "Lauf" hab ich z.B. keinen Ton gemacht, den die Melodieinstrumente spielen, während ich bei "Fernweh" noch die weiteren Gitarrenstimmen ausbaldowert hab und das ist, was so Spaß macht bei NACHTEGESCHREI – dass mit deinem Lied wirklich alles noch passieren kann! Und wenn du denkst, dass es jetzt fertig ist, kommt der Tilman und verändert auch noch mal Stimmen und Akkorde und bastelt Melodien rein wo er sie zu hören glaubt. Echt irre! Richtig geil gemacht wird so ein NG-Song dann in der Endphase wenn das Schlagzeugpotential genutzt wird! Da werden Betonungen eingebaut, Breaks und Übergänge gebastelt und Bassist und Drummer gucken sich beim proben wie ein frisch verliebtes Pärchen ununterbrochen an, um auch ja zu wissen, wo der andere was macht, damit sie zusammen den vollen Wums erzeugen!
So sind unsere beiden Alben entstanden und ich denke so wirds auch weitergehen.

Zwei der Songs auf dem aktuellen Album tragen althochdeutsche Wörter als Titel. Woher habt ihr diese Begriffe und wie seid ihr darauf gekommen, sie zu benutzen?

Hotti: Sie sind uns eigentlich direkt in den Schoss gefallen. Ich hatte irgendwann aus  unerklärlichen Gründen das Muspilli vor meiner Nase und war sofort fasziniert von dieser alten Sage.

Sane: "Fiur" hat Oli selbst benannt. Das althochdeutsche Wort für Feuer ist aber auch ein zweifelsohne guter Name für das Intro zu "Am Rande der Welt".

Gab es irgendwelche Probleme oder besondere Erlebnisse während der Studioaufnahmen?

Sane: Klar, das ein oder andere technische Problem gibt es immer wieder mal, aber sie waren nie ernst zu nehmen. Wir haben echt mit Top-Leuten zusammengearbeitet, für die das immer ein Klacks war, da kam nie ein ‚das geht so leider nicht’.

In der langen Zeit gab es natürlich auch viele sehr lustige Erlebnisse. Für viele von uns, war das auch eine nagelneue Erfahrung in einem richtigen, voll ausgestatteten Studio aufzunehmen, sodass sich die Eindrücke überschlagen haben. Auf jeden Fall haben wir auf viel Komfort verzichtet, da wir da quasi gewohnt haben. Sehr suspekt waren uns die Abende, so ganz allein in einem relativ großen Raum ohne Musik oder Gesellschaft, wir waren ja nie alle zusammen aufnehmen sondern maximal zu dritt. Kurz gesagt: Ja es gab jede Menge Situationen, in denen wir unsagbar viel Scheiße gelabert und blöde Witze gerissen haben, zu viele um damit erst anzufangen. Aber einen kleinen Eindruck davon bekommt man in unserem Studio-Video, das wir bei YouTube hochgestellt haben.

In dem euch heimischen Genre müsst ihr euch bestimmt andauernd mit bekannten Größen wie IN EXTREMO oder SCHANDMAUL vergleichen lassen. Wie geht ihr damit um und habt ihr Kontakt zu diesen Bands?

Hotti: Ich bin zwar schon einigen begegnet, aber man möchte sich ja nicht aufdrängen oder stören. Ich hätte sowieso nur Smalltalk anzubieten und erspare meist allen Anwesenden diese Zeitverschwendung.

Sane: Die Vergleiche mit diesen Bands haben wir von Anfang an erwartet, das ist nun mal so. Als die allerersten Reviews kamen wars dann trotzdem irgendwie überraschend, dass es so schnell ging! Ich glaube schon im ersten Review über unsere damalige Promo-CD mussten die Szene-Größen herhalten. Ein bisschen merkwürdig wirkt das dann schon auf dich, weil du beim Schreiben der Musik nicht eine Sekunde auch nur irgendetwas von den großen Bands im Kopf hattest. Wir waren da schon immer frei von musikalischen Vorbildern, einfach weil unsere eigenen Ideen uns schon beinahe erschlagen. Aber wie gesagt, der Vergleich war trotzdem abzusehen, einfach weil wir in demselben Genre auftauchen.

NachtgeschreiNun zu ein paar persönlicheren Fragen. Als Band seid ihr ja recht häufig zusammen und könnt euch oft nicht aus dem Weg gehen. Verbringt ihr auch außerhalb von Proben und Auftritten eure Zeit miteinander oder geht da eher jeder seine eigenen Wege?

Sane: Wir nutzen eigentlich jede Gelegenheit, uns gegenseitig auf die Nerven zu fallen. Wir gehen feiern, machen auch mal Sport, treffen uns immer wieder um Musik zu machen, das volle Programm. Im Moment sind nur alle sehr eingespannt und keiner hat wirklich viel Freizeit übrig, aber das wird auch wieder besser. Wir wollen mal nicht jammern, ne!?

Liegen eure musikalischen Interessen ausschließlich im Mittelalter oder hört ihr auch andere Musik?

Hotti: Ich höre sehr gerne LETZTE INSTANZ, wobei man da auch nicht unbedingt von Mittelalterrock reden kann. Ansonsten bewegt sich mein Musikgeschmack äußerst behände durch alle Genres.

Sane: Wir hören allesamt hauptsächlich andere Musik. Oli und Tilman sind schließlich Metaller wie sie im Buche stehen, da ist ja klar was die hauptsächlich hören. Wenn ich für alle sprechen muss, kann ich sicher behaupten, dass jeder von uns gern guten, handgemachten Rock/Metal hört. Dass darunter auch die ein oder andere Folk-Metal-Band fällt, versteht sich von selbst.

Seht ihr eure Affinität zum Mittelalter als einen spaßigen Zeitvertreib oder ist das für euch eine Lebenseinstellung?

Sane: Wenn überhaupt dann als spaßigen Zeitvertreib. Wir sitzen auf Mittelalter-Festivals immer gern nachts mit solchen Gruppen am Feuer und spielen mit ein paar Akustikgitarren gern einige Lieder und trinken einen mit. Aber außerhalb des Bandgeschehens kommen wir selten in Kontakt zu Mittelalter-Gruppen etc.

Danke für eure Zeit und viel Erfolg mit "Am Rande der Welt"!

Henning Seidt (Info)
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