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Interview mit VRANI VOLOSA (12.12.2023)
Die bulgarische Band VRANI VOLOSA ("schwarzes Haar") wandelt seit rund zwei Jahrzehnten weitgehend unbemerkt auf eigenen Pfaden durch das Heavy-Metal-Hinterland. Die Einflüsse von Bathory, Primordial oder auch Solstice sind unverkennbar, gleichzeitig umweht die Band etwas Zeitloses, denn auch das neue Album "Woods Mountains Skies" lässt die Wucht moderner Produktionen nahezu vollständig vermissen, sondern wirkt handgemacht, geerdet, in sich ruhend – fürwahr keine Musik zur rustikalen Aggressionsabfuhr. Sänger Hristo zählt zur eher gemütlichen Sorte Mensch, und so lässt sich mit ihm trefflich – und auch kritisch! – über Musik, Bier und den auch in Bulgarien zu beklagenden Raubbau an der Natur schnacken.
Hallo, Hristo, Ihr habt mit VRANI VOLOSA zur Veröffentlichung von "Woods Mountains Skies" zwei Release-Shows gespielt, und zumindest die in Eurer Heimatstadt Burgas war ausverkauft, wenn ich mich nicht irre. Wie fühlst du dich, nachdem diese Shows absolviert sind und das neue Album endlich erschienen ist?
Hallo, Thor und vielen, vielen Dank für dein Interesse an "Woods Mountains Skies"! Die Shows in Burgas und Sofia waren großartig, denn die Leute sind gekommen, um Spaß mit uns auf der Bühne zu haben und das neue Album zu kaufen. Wir waren daher sehr dankbar und haben eine einzigartige Setlist mit einer Spielzeit von mehr als zwei Stunden gezockt. Alles in allem war es eine schöne Erfahrung und wir freuen uns auf die nächsten Konzerte in Bulgarien.
Das Cover von "Woods Mountains Skies" ist definitiv ein Hingucker. In meiner Wahrnehmung inspiriert es dazu, ins Grüne aufzubrechen, während es gleichzeitig die Frage aufwirft, wie lange bestimmte Landschaften in Zeiten fortschreitender Ausbeutung überhaupt noch bestehen werden. Was ist die Geschichte dahinter und inwieweit ist es ein Leitmotiv für das Album?
Wow, diese Frage könnte uns in ein endloses Gespräch verwickeln… Ich meine, die Ausbeutung von Naturgütern ist heute – trotz aller Einschränkungen in der EU – stärker denn je. In Bulgarien gibt es unzählige einzigartige Orte in der freien Wildbahn, und manchmal frage ich mich, wie lange sie noch unberührt von Industrialisierung, Bebauung, Verstädterung und so weiter bleiben werden. Gleichzeitig stelle ich mir die Natur als einen lebenden Organismus und die Menschheit als einen sich entwickelnden Virus vor – es gibt keine Symbiose mehr. Was wird geschehen? Was sollte dieser extrem große Organismus tun? Wahrscheinlich sollte er das Virus loswerden, um heilen zu können. Ragnarök scheint in diesem Fall eine ganz reale Vorstellung zu sein – die Reinigung der Erde und ein neues Kapitel für die Welt, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden und sich neu zu erheben. Das ist es, was wir mit dem Cover Artwork darstellen wollten. Unser Designer, Nicolas Petras, beschäftigte sich zunächst viel mit Bildern, Orten und natürlichen Materialien, und fertigte während des gesamten kreativen Prozesses so einige Bleistiftskizzen an. Schließlich kam er auf die endgültige Idee von Mutter Natur, die ihre Früchte in ihren Händen hält und vor uns Menschen verteidigt. Wie das vor sich geht, nun ja, das wird im Text erläutert. Bei der Arbeit an diesem Cover verbrachten wir eine schöne Zeit mit vielen angenehmen Gesprächen, garniert mit Geschichten, Abenteuern, Legenden und natürlich leckeren Bieren.
Nun, das klingt nach einer so spannenden wie bedeutungsvollen Geschichte hinter dem Artwork – und das ist ein Aspekt, den ich an manchen Alben liebe, nämlich dass so viel dahintersteckt! Wo wir gerade von Bieren sprechen: Wenn ich mich recht entsinne, bist Du bei diesem Thema ein Experte. Hast du schon mal über ein Bier für VRANI VOLOSA nachgedacht und wenn ja, um was für eines würde es sich wohl handeln?
In den vergangenen sieben Jahren meines Lebens habe ich mich voll und ganz dem Bier gewidmet: Ich habe einen kleinen Laden in Sofia, und darin biete ich dem interessierten Publikum Biere aus ganz Europa, sogar aus den USA, Kanada und Südamerika an. Vor zwei Jahren habe ich angefangen, in Zusammenarbeit mit einer lokalen Brauerei zu experimentieren, und wir haben gemeinsam ein Strawberry Milkshake IPA gebraut. Das war eine tolle Erfahrung, natürlich mit der Hilfe eines ausgebildeten professionellen Brauers. Also ja, diese Frage nach einem VRANI-VOLOSA-Bier hat mich schon immer beschäftigt. Angesichts all der guten Beispiele anderer Metal-Bands scheint es ganz naheliegend und attraktiv, endlich damit zu beginnen. Wahrscheinlich ist nun mit dem neuen Album in unseren Händen auch der richtige Zeitpunkt gekommen. Es ist eine Frage des Zeitplans: Du weißt ja, dass Brauereien ihre Chargen mindestens sechs bis sieben Monate im Voraus planen und all die heutzutage immer teurer werdenden Zutaten wie Malz, Hopfen und verschiedene Hefestämme geliefert werden müssen. Mir schwebt ein IPA vor, da ich Ales den Lagerbieren vorziehe. Etwas, das in den Aromen eher pikant und nach Zitrusfrucht schmeckt, gleichzeitig aber nicht so trocken und sehr gut trinkbar. Also etwas im Stil der amerikanischen Westküsten-IPAs. Dieses Projekt werde ich auf jeden Fall in Angriff nehmen!
Wie ich bereits erwähnt habe, schlagen zwei Herzen in meiner Brust, wenn ich "Woods Mountains Skies" höre: Einerseits freut es mich, dass es eine Band wie die Eure, die ihren Wurzeln treu bleibt und ihren Stil unabhängig weiterentwickelt, nach zwei Jahrzehnten immer noch gibt. Andererseits regen die in meiner bescheidenen Wahrnehmung starken Melodien und Passagen meine Phantasie an und werfen die Frage auf, wie das Album hätte klingen können, wenn Ihr das volle Potenzial der Songs ausgeschöpft hättet? Kannst du eine solche gespaltene emotionale/rationale Sichtweise nachvollziehen, vielleicht auch, weil es Dir mit einem Album einer anderen Band ähnlich erging?
Ich kann deine Meinung voll und ganz nachvollziehen, da ich auch ein Musik-Fan bin und natürlich hege ich ähnliche Gefühle gegenüber einigen meiner Lieblingsbands! Ich denke, ich kann zwei mögliche Gründe dafür nennen: Erstens wollten wir die Songstrukturen vereinfachen, aber gleichzeitig verschiedene Instrumentalpassagen ausbauen, um dem Hörer ein gewisses Gefühl davon zu vermitteln, sich draußen im Freien zu bewegen. Ich spiele auf die sich wiederholenden Passagen an, die vielleicht für einige Fans etwas langweilig klingen könnten. Doch wenn man den grimmigen Wind durch die Äste der Bäume pfeifen und das Knirschen der tief im Schnee versinkenden Schritte hört, nimmt man die Musik vielleicht anders wahr, wenn man ahnt, dass es darum geht, bei diesem Wetter endlich den Unterschlupf zu erreichen und ein Feuer zu entzünden. Mir vermitteln diese Geräusche jedenfalls ein Gefühl von Weite.
Zweitens wollten wir eine Produktion verwirklichen, die vermittelt, was wir im Proberaum hören, wenn wir die Songs live spielen. Der größte Teil des Albums besteht lediglich aus zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang. Es gibt keine Overdubs, und die Gesangsharmonien auf der CD entsprechen den von mir live gesungenen. Natürlich haben wir hier und da mit etwas Salz und Pfeffer nachgewürzt, doch grundsätzlich wollten wir, dass du das Gefühl bekommst, die Band spielt vor dir. Das Wichtigste dabei war das Erfassen des Augenblicks: Wo wir in diesem Moment des Schreibens und Aufnehmens sind. Das ist etwas, das wir in unserer gesamten Karriere bis heute bei Aufnahmen vermisst haben. Gleichzeitig kann ich dir zustimmen und das Gefühl, etwas verändern zu müssen, nachvollziehen. Vor kurzem haben wir mit den mächtigen Primordial aus Irland gespielt. Noch am selben Abend bekamen wir von den Jungs nette Komplimente für unsere Musik, wobei Alan mir persönlich gegenüber eher kritisch war und ich sicherlich seinen Ratschlägen folgend arbeiten werde. Kritik ist ja nichts Schlechtes, wenn man etwas Positives daraus ziehen kann.
Zweifelsohne, Hristo, und der gute alte Alan hat VRANI VOLOSA bereits anno dazumal unterstützt. Es sagt wahrscheinlich einiges über seine Integrität aus, dass er Euch auch weiterhin mit seinen kritischen Ratschlägen fördert. Übrigens, wenn ich gefragt würde, wie Eure Musik klingt, käme mir heutzutage Solstice (UK) als Erstes in den Sinn, früher hätte ich wahrscheinlich Primordial erwähnt. Allerdings könnte ich nicht sicher beantworten, inwieweit Eure Musik hier und da "typisch" bulgarisch klingt. Also, während Eure Einflüsse aus Großbritannien und Schweden offensichtlich sind, wie bulgarisch ist Eure Musik?
Wow, Solstice! Das ist eine tolle Band, um genau zu seine einer meiner Favoriten. Britischer Dark Metal und skandinavischer Metal spielten in den Tagen, als wir die Band gründeten, offensichtlich eine wichtige Rolle, und das scheint auch auf unserem neuesten Album durch. Etwas, das ich jedoch bisher noch nie in einem Interview erwähnt habe, ist der typisch bulgarische Einfluss in unserer Musik. Er ergibt sich aus zwei Quellen: Unserer heimischen Volksmusik sowie dem bulgarischen Rock'n'Roll der späten Siebziger und Achtziger Jahre. Mein Vater hat mir damals die Musik einer Band namens Shturtzite vorgespielt. Sie war in den Achtziger Jahren eine große Nummer. Ich mochte sie jedenfalls sehr, und ich glaube, dass mich ihre Riffs ziemlich beeinflusst haben. Außerdem hat es die Band geschafft, eine Art bulgarischen Folk in ihre Songs einfließen zu lassen, was damals sehr cool war. Wenn ich Songs von VRANI VOLOSA mit direktem Folk-Einfluss erwähnen sollte, dann müsste ich "We Are Not Alone In Our Universe", "Remember", "Duel", "Sun" und "It Means Revenge" aufzählen. Ich integriere gerne von der ursprünglichen Volksmusik inspirierte Riffs in unsere Songs, ohne dabei billigen Diebstahl zu begehen, denn wir sind schließlich eine Metal-Band. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Mittelteil von "Duel" nach dem Schlagzeug-Intro, bei dem das Riff auf ursprünglicher Volksmusik basiert und gleichzeitig sehr heavy klingt.
Was steht für VRANI VOLOSA in der Zukunft an, welche Träume wollt Ihr noch mit der Band verwirklichen?
Ich beantworte diese Frage mit Mitte 40. Der Traum, die Rockwelt zu erobern, in Stadien zu spielen und lange Touren um die Welt zu absolvieren, ist endgültig ausgeträumt, haha! Doch Spaß beiseite, wir alle in der Band wissen, wo wir stehen, und jetzt ist es sehr einfach, ein Ziel zu haben, das für jeden erreichbar scheint: Wir wollen als Freunde gerne für immer in der gleichen Besetzung bleiben, würden gerne mehr Alben mit neuer Musik aufnehmen, und uns weiterentwickeln während wir älter werden. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, internationale Konzerte zu spielen, dann machen wir das gerne. Ich denke, wir sind in einer sehr glücklichen Position und wir können es genießen, in einer Rock-/Metal-Band zu spielen und so viel wie möglich zusammen zu machen, ohne jeglichen Druck zu spüren. Das ist unbezahlbar!
Danke, Hristo, dass Du Dir mal wieder die Zeit genommen hast. Mögen deine Schutzgeister immer an Deiner Seite sein!
Danke, Thor! Du bist einer der wenigen Menschen rund um den Globus, die uns in den letzten 20 Jahren dabei geholfen haben, eine kleine bulgarische Band bekannter zu machen. Vielen Dank und dir und deinen Lesern alles Gute!