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Interview mit CARL CARLTON And The SONGDOGS (14.09.2019)
CARL CARLTON!
Seine Band sind die SONGDOGS und er ist einer der weltweit gefragtesten Gitarristen, der sogar seiner Kinder wegen, BRUCE SPRINGSTEEN eine Absage erteilte. Dafür aber spielt(e) er, der seinen ersten Nummer-1-Hit in Holland mit LONG TALL ERNIE & THE SHAKERS hatte, seine einzigartigen Carlton-Gitarren-Riffs bei ROBERT PALMER, MANFRED MANN, RON WOOD, HERMAN BROOD, UDO LINDENBERG, WESTERNHAGEN, MAFFAY, NINA HAGEN, NIEDECKEN und, und, und...
Nun veröffentlicht er eine noble, luxuriöse und sehr liebevoll gestaltete LP-CD-Single-Box mit seiner Band SONGDOGS: „Lifelong Guarantee - The Best Of Carl Carlton & The Songdogs“ (4LP+2CD+7” Vinyl-Single-Box oder 2CDs oder 7“ Vinyl-Single oder digitaler Download)” ist die erste Retrospektive des deutschen Ausnahmemusikers CARL CARLTON und seiner Band SONGDOGS!
Dafür bekamen wir noch dazu ein exklusives Interview von ihm, das am Ende, sehr, sehr lang wurde, denn was CARL CARLTON nicht nur über die Musik, seine Band oder die Absage bei Springsteen, sondern auch darüber, wie er den Mauerfall nach einem Besuch bei GEORGE HARRISON erlebte oder wie er mit seinem Freund STEPHAN REMMLER auch mal in Bordellen Konzerte gab, aber auch sein „Entjungferung“ und seinen Sohn MAX BUSKOHL, der für den ersten faustdicken Eklat bei DSDS sorgte, als er Musik-Titte (Äh, wer spricht eigentlich immer von Titan?) Bohlen das Mikro vor die Füße warf, weil er dessen Scheiß zu singen ablehnte, ist einfach so spannend, dass wir sehr dankbar sind, euch all das und vieles mehr rund um CARL CARLTON, der nicht einer einzigen Frage von uns auswich, hier in Kürze offenbaren zu dürfen!
Grüß dich, Carl oder Karl!?
Für viel ältere Jahrgänge bist du eine Legende, den Jüngeren aber – von denen wir auch so einige Leser haben – wird dein Name, deine musikalische Mission dahinter und dein Werdegang als Musiker nicht ganz so geläufig sein. Kannst du uns mit ein paar wenigen Worten erzählen, wie aus dem Karl Walter Buskohl der CARL CARLTON wurde?
Ja, das war im Jahr 1977 und ich war als Jungsporn damals in Holland in der schon etwas älteren Band LONG TALL ERNIE & THE SHAKERS eingestiegen und hatte das große Glück, dass wir gleich im ersten Jahr einen großen Nummer-1-Hit „Do You Remember“ hatten und ich dann auch bei den ganzen legendären Shows in England vom „Old Grow Whistle Test“ bis „Top Of The Pops“ spielen konnte.
Aber darum geht’s ja nicht hauptsächlich, sondern darum, wie es zu meinem Künstlernamen kam...
Zumindest kam erstmal bei dem Erfolg ein Scheck und ich hatte damals ja kaum für etwas Verantwortung, schlief noch bei meinem Roadie Cockie und mit meinem Hund zusammen. Von der Kohle habe ich mir einen riesigen Chrysler New Yorker, ein 8-Zylinder-Schlachtschiff, aus zweiter Hand gekauft und bin dann im Sommer mit dem Hund und zwei dicken Lautsprechern auf dem Rücksitz nach Südfrankreich gefahren. Teilweise habe ich im Auto geschlafen und teilweise sogar draußen in der Pampas, direkt neben dem Auto, gepennt.
Bis ich dann eines Tages in Cannes das „Carlton“-Hotel entdeckte. Und da ich schon immer so ein Faible für alte Windjammern, viktorianisch, Jahrhundertwende, die Architektur usw. hatte, hat mir genau das Hotel es komplett angetan und ich musste es unbedingt ausprobieren.
Da ich so ein ‚guter Wirtschafter‘ bin, war auch schon nach einer Woche die ganze Kohle aufgebraucht und es wurde finanziell so eng, dass ich auf dem Rückweg von Paris tatsächlich noch meine Karre verkaufen musste. Per Anhalter bin ich dann weiter erst zu unserem Manager nach Brüssel und dann zurück nach Holland.
Mir war klar, dass deshalb so einige Fragen auf mich zukamen. Schließlich war ich ja der Benjamin bei diesen Rockern – und LONG TALL ERNIE & THE SHAKERS waren wirklich echte Rocker, die alle doch so im Schnitt zehn Jahre älter als ich waren, noch dazu war ich auch noch der einzige Deutsche – was natürlich für gehörige Lacher gesorgt hat.
Aus diesem Grunde habe ich mich prompt für eine Flucht nach vorn entschieden und den Jungs bei jeder Gelegenheit erzählt, wie fantastisch es doch im Carlton Hotel gewesen war. Carlton Hotel: geilstes Kasino, geilstes Essen, Carlton, Carlton, Carlton...
Und bereits nach ein paar Tagen wurde ich begrüßt mit: „Hello, hello Carlton – how are you, man?“ Schon hatte ich meinen Namen Carlton weg und als es dann im Herbst die ersten Goldenen Schallplatten vom Album und der Single gab, hatte die Plattenfirma so einiges wohl völlig missverstanden. Da ich ja der Neue war, wussten die nur, dass ich Karl mit Vornamen hieß. Tatsächlich stand dann auf den Goldenen Schallplatten KARL CARLTON, aber „Carl“ noch mit „K“.
Ja – und so kommt man zu seinem Künstlernamen. Ganz ungezwungen und unerwartet.
Dein aktuelles Album ist eine Zusammenstellung deiner besten Songs mit dem programmatischen Titel „Lifelong Guarantee“. War es schwierig für dich, aus deinem Repertoire genau die Songs herauszupicken, für die du eine „lebenslange Musikgarantie“ geben kannst und unter welchem Aspekt sowie welchem Blickwinkel bist du bei der Zusammenstellung besonders der opulenten Box, die aus 4 LP‘s, 2CD‘s und einer 7“-Vinyl-Single besteht, herangegangen?
Die Zusammenstellung war gar nicht so einfach, aber es geht ja um CARL CARLTON & THE SONGDOGS.
„Lifelong Guarantee“ – der Titel sprang mich irgendwie an, weil ja auch ein echt guter Song von uns so heißt. Das Repertoire jedenfalls ist relativ übersichtlich, weil wir ja in dieser Bandbesetzung nur drei Studio-Alben eingespielt haben. [Anmerkung T.K.: „Revolution Avenue“ (2001) / „Love & Respect“ (2003) / „Songs For The Lost & Brave“ (2008)] Mit wirklich fantastischen Musikern von LEVON HELM bis IAN McLAGAN, WHITE TRASH HORNS und natürlich der Kernbesetzung [Anmerkung T.K.: WIZARD, BERTRAM ENGEL, PASCAL KRAVETZ, MOSES MO]. Mein Gott – und wer noch so alles dabei war. Der Wahnsinn!
Die Song-Auswahl war natürlich tierisch schwer.
Die meisten Songs – so etwa 95 Prozent – habe ich geschrieben. Und das sind alles meine Babys. Aber es waren auch ein paar Songs dabei, die ich in naher Zukunft ganz gerne noch einmal neu aufnehmen würde, weil die noch nicht ganz so umgesetzt wurden, wie ich es mir vorgestellt habe.
Mehr als 4 LP‘s sollten es ja nicht werden. Das ist schon ein fettes Pfund und alle 180g schwer. Und damit es auch wirklich gut klingt, hast du ja nur eine bestimmte Spielzeit pro Seite. Also landeten pro Seite, je nach Länger der Songs, so ca. vier bis fünf auf jeder Seite. So war das alles recht limitiert und am Ende waren es dann 35 Songs, welche auf die LP‘s passten. Außerdem erfolgte die Anordnung chronologisch – die ersten Aufnahmen aus New Orleans, Lafayette, Louisiana, in den Dockside Studios in den Sümpfen. Auch das zweite Album haben wir dort aufgenommen, weil es die perfekte Umgebung für meine Huckleberry-Finn- [Anmerkung T.K.: Neben Tom Sawyer ein Romanheld in zwei Büchern von Mark Twain] und Blues-Südstaaten-Faszination war. Übrigens hatte uns SONNY LANDRETH das Studio empfohlen.
Vom ersten Album jedenfalls habe ich neun Titel rausgesucht und dann alle weiteren chronologisch fortgesetzt.
Besonders wichtig waren mir auch die Aussagen in den Texten. Sonderlich viele Love-Songs habe ich ja nicht. Dafür viel Gesellschaftskritisches. Die Texte waren echt wichtig, sie mussten von der lyrischen Wirkung überzeugen, aber auch von der Aussage. Das sollte unbedingt alles passen.
Übrigens fallen mir momentan einige Wortwendungen auf Deutsch regelrecht schwer – ich glaube, außer für dieses Interview oder mal am Telefon habe ich die letzten zwei Wochen gar kein Deutsch mehr gesprochen.
Für den Titel „Lebenslange Musikgarantie“ habe ich mich entschieden, weil die Songs tatsächlich wie meine Babys und unglaublich wichtig sind. Auf die CD-Ausgabe habe ich dann noch ein paar weitere Songs gepackt, die aus Kapazitätsgründen einfach nicht mehr auf die LP‘s gepasst haben.
Die 7“-Inch-Vinyl ist natürlich „Toast To Freedom“!
Ein wichtiger Song, den ich als „Director International“ – oh, wie sich das anhört – zum 50. Jubiläum von Amnesty International geschrieben habe.
Fantastische Leute dabei: DONALD FAGAN, KEB MO, TAJ MAHAL, WARREN HAYNES, MARIANNE FAITHFULL und, und, und, und...
Auf der Single-B-Seite ist übrigens eine spezielle Version von dem STEPHEN STILLS & BUFFALO SPRINGFIELD-Klassiker „For What It‘s Worth“. Ein Song der noch verdammt relevant ist – und ich würde sagen noch relevanter als diese komische Maffay-Single, die da jetzt gerade rausgekommen ist... mit dem... Ja, ich sag da jetzt mal besser nichts dazu [Anmerkung T.K.: Gemeint ist sicher die aktuelle, gehörig polarisierende Single „Morgen“!]!
Die Auswahl auf „Lifelong Guarantee“ ist jedenfalls riesig. Bitte lass sie uns noch ein wenig einschränken. Da ja bekanntlich aller guten Dinge drei sein sollen, wollen wir uns einfach einmal darauf beschränken. Müsstest du aus dem Album deine Top 3 wählen – welche wären das und warum sind diese Stücke dir am wichtigsten?
Oh ja, die Auswahl ist riesig – aber meine Top 3?
Im Grunde gibt es die einfach nicht.
Frag mal KEITH RICHARDS oder TAJ MAHAL, welches ihre drei Lieblingssongs sind. Aus dem eigenen Repertoire... Das geht einfach nicht, wenn du die Songs selber schreibst.
Aber, wenn du‘s so gerne willst, werfe ich einfach mal was in den Raum: „God‘s Gift To Man“!
Skurril entstanden mit TOM PETTY und seinem Schlagzeuger STEVE FERRONE [Anmerkung T.K.: erlangte große Bekanntheit durch seine AVERAGE WHITE BAND], der mir dabei half, mit Petty zusammenzukommen.
Vom Text her würde ich unbedingt „Starcrossed“ erwähnen und natürlich „Lifelong Guarantee“. Aber, wie gesagt, das sind zwar drei Songs, aber echte Lieblingstitel gibt es wirklich nicht. Die sind alle super.
Wenn du‘s aber aus politischer Sicht siehst, dann ist der wichtigste Song – Aber was ist eigentlich wichtig? Nichts ist wichtig! – wohl „Toast To Freedom“ für Amnesty International. Obwohl andere Songs dann vielleicht musikalisch wieder mehr hergeben. I don‘t know!
Und wenn wir nunmehr eine Auswahl der besten Songs deiner Musikerkarriere präsentiert bekommen, dann lass uns auch eine kleine Reise in deine ereignisreiche Vergangenheit unternehmen, die mit einem Ereignis beginnt, bei dem sich damals wie heutzutage viele Teenager garantiert in die Hose machen, weil deren Eltern wutschäumend auf sie – hoffentlich nur verbal – eindreschen würden...
Hast du jemals bereut, das Gymnasium abgebrochen zu haben. Was waren die Gründe dafür?
Gymnasium abgebrochen!?
Oh, nein, warum soll ich das in drei Gottesnamen bereuen? Mein Leben habe ich von Anfang an im Sinne der Musik gelebt. Sie war mir das Wichtigste. Reue gibt‘s da in keiner Beziehung!
Was waren nun die Gründe dafür?
Ja, die waren die KINKS, die STONES, die METERS, RY COODER.
Ohne diese Musik konnte ich nicht leben. Es gab einfach gar keine andere Wahl für mich. Eine Zeitlang liefen Schule und Musik parallel, bis ich merkte: „Das geht nicht mehr!“
Recht schnell war ich bereits semiprofessionell und verdiente damit meinen Unterhalt. Das war auch die Bedingung seitens meines Vaters. Er hat mich unterstützt, auch mit der Kohle für die erste Anlage.
Meine Eltern sind allerdings sehr früh verstorben, dadurch, dass diese Bindung nicht mehr da war, stand mir die Tür zur weiten Welt offen.
Ich bin dann nach Holland gegangen, wo ich bereits einige Kontakte besaß, da wir ja in der Nähe von Holland wohnten. Und auch die Musik in Holland war für mich anfangs der 70er-Jahre interessanter und stand mir näher als der Krautrock, für den ich mich dann erst später intensiv interessierte und den ich dann auch langsam verstanden habe – besonders TANGERINE DREAM und CAN. Aber damals war das einfach nicht mein Ding, da ich schon sehr früh in einen „schwarzen Topf“ gefallen bin und viel... viel... – das Wort Soul gab‘s damals ja noch gar nicht, so um 1964/65 – habe ich jedenfalls sehr viel schwarze Musik gehört. Einem Bekannten und der Kneipe in dem Ort verdanke ich dann die Musik von RAY CHARLES, JOHN LEE HOOKER, LEE DAWSEY. Wahrscheinlich war ich daher früher auch nur Stones-Fan, weil die vom Rhythm‘n‘Blues herkamen. Außerdem hatten die Bands in Holland den echten Groove und waren nicht übertrieben experimentierfreudig. Außerdem mischte Holland musikalisch schon deutlich mehr mit England oder Amerika mit.
Ja, das alles fing eben auch damit an und wurde nur möglich, weil ich das Gymnasium abgebrochen habe.
Als ehemaliges Mitglied von WILD ROMANCE standest du einem sehr ungewöhnlichen und charismatischen Musiker näher als alle Anderen: HERMAN BROOD, der am 11. Juli 2001 nach der x-ten Drogen- und Alkohol-Entziehungskur sich angeblich mit den Worten: „Ich habe keine Lust mehr. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“ , seinem 54-jährigen Leben ein Ende setzte und vom Dach des Amsterdamer Hilton-Hotels sprang. Welchen Einfluss hatte und hat Brood auf dich als Musiker sowie Mensch und wie bist du mit der Nachricht von seinem Tod umgegangen? Spiegelt sich auch etwas aus dieser Zeit auf deiner opulenten neuen Box „Lifelong Guarantee - The Best Of Carl Carlton & The Songdogs“ wider?
Ich war kein Mitglied von WILD ROMANCE, die Geschichte ist eine andere.
Als ich meine erste Band in Holland hatte, war mein Manager auch der, der Herman in den Ruhm begleitete. Und als Herman CUBY AND THE BLIZZARDS verlassen hatte, suchte er eine Band und mein Manager „Coach“ Van Dyke hat uns quasi verkuppelt und wir – alles Jungs aus der Groninger Szene – haben vor seinem ersten Album „Street“ (1977) zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit mit diesem wahnsinnig charismatischen Typen bot sich echt an. Ich weiß noch, wie er mit drei LP‘s in den Proberaum kam – die LP‘s waren „Greatest Hits Of ISLEY BROTHERS“, M PEOPLES „I Can‘t Stand The Rain“ und ROBERT PALMERs erstes Album – und zu uns sagte: „Hört euch das hier an, dann wisst ihr, wohin ich will!“
Vor Herman hatte ich großen Respekt. Schließlich war ich ja ein Land-Ei, kam von `nem Bauernhof, während Herman diese Großstadt-Künstler-Aura besaß. Ich habe immer Kontakt zu ihm gehalten, auch in der Zeit, während der ich in anderen Bands aktiv war. Herman hat dann auch eine Zeitlang bei mir gewohnt. Er wohnte immer dort, wo er gerade Bock hatte. Dann klopfte er einfach an und fragte, ob er mal eine Nacht bei mir pennen könnte. Ja, und dann blieb er gleich mal ein halbes Jahr.
Sein Tod war schon ein Schock, auch wenn ich Herman bestimmt schon dreimal vorher tot gesehen habe. Wir hatten mit ihm schon diverse Wiederbelebungserfahrungen, wenn er overdoased war und nach irgendeinem Gig in irgendeiner Toilette lag. Wir wussten, dass er mit dem Feuer spielt.
So sehr uns dann auch sein Tod und die Art und Weise, wie es dazu kam, schockte, aber irgendwie passte das auch zu ihm – selbst wenn das jetzt ziemlich zynisch... wobei, zynisch doch nicht das richtige Wort ist, eher seltsam... – klingen mag.
Und selbstverständlich spiegelt sich so einiges von Brood auch bei mir wider. Die Musikerziehung, die mir Herman mit den drei Alben, die er damals in unseren Proberaum mitbrachte, mit auf den Weg gegeben hat. Allein dass ich später dann über zehn Jahre in ROBERT PALMERs Band spielte, mit ihm zusammengearbeitet habe, eine ganz enge, familiäre Freundschaft daraus entstand. Palmer wurde für mich später so eine Art größerer Bruder, den ich nie hatte.
Das verbindet einen schon: von Herman Brood zu Robert Palmer!
Für mich war damals Roberts erstes Album [Anmerkung T.K.: „Sneakin‘ Sally Through The Alley“ aus dem Jahr 1974], das ich durch Herman kennenlernte, ja auch der Hammer. Seine Begleitband waren größtenteils THE METERS aus New Orleans und LITTLE FEET von meinem ganz großen Hero LOWELL GEORGE! Beide Bands haben mich jedenfalls in ihrer ersten Zeit sehr, sehr geprägt. Noch dazu kam RY COODER und diese Einflüsse findest du überall auf meinem Best-Of-Album wieder.
Nach Herman Brood trafst du 1979 gleich auf den nächsten Musik-Charismatiker, diesmal aber nicht in Holland, sondern in New York: MINK DeVILLE, in dessen Band du spieltest. Es folgen NINA HAGEN, MANFRED MANN, ROBERT PALMER und dann natürlich UDO LINDENBERG, aber auch WOLFGANG NIEDECKEN, PETER MAFFAY usw. Musiker, die immer im Rampenlicht stehen, die – mal abgesehen von MANFRED MANN und ROBERT PALMER – für gehöriges Aufsehen sorgen, bei denen immer ihr Ego – aber nicht unbedingt das ihrer sie begleitenden Musiker – eine extrem wichtige Rolle spielt. Und du? Du stehst meist dahinter. Wie groß war dein Einfluss auf die hier benannten Musiker und deren Musik – und wie sah‘s umgekehrt aus?
MINK DeVILLE habe ich in Holland getroffen, als er eine Band für einen Live-Fernsehauftritt suchte. Ich wurde ihm empfohlen und wir verstanden uns gleich. Und schneller als ich denken konnte, war ich auch schon in New York.
NINA HAGEN war aus dem Umfeld von HERMAN BROOD. Sie hatte ja ihre Band aufgegeben, aus der dann SPLIFF wurde. Nina habe ich in Amsterdam kennengelernt.
MANFRED MANN habe ich in New York über CHRIS THOMPSON und NICKI HOPKINS kennengelernt. Ja, hinter jedem Namen steckt wirklich eine Geschichte.
Ach – und damit sind wir auch schon bei der Frage nach dem Ego. Ego! Ego? Aber klar doch. Die großen Stars ganz vorne – und die sind allesamt verdammt unterschiedlich. Einen PETER MAFFAY mit einem ROBERT PALMER zu vergleichen. Na, das sind zwei extrem unterschiedliche Paar Schuhe!
Aber auch ich war jemand, der sich nie nur als Session-Spieler verstand. Überall, wo ich gespielt habe, nahm ich auch Einfluss auf die Musik, durch Songs, die ich für die Musiker schreibe oder meinen Anteil an der Produktion. Auch wenn ich über die Jahre als einsamer Wolf über die Länder reiste und mit den ganzen Namen spielte, habe ich immer meinen eigenen Stil entwickelt und geprägt, aber nie verleugnet. Nie war ich der Typ, der einfach was nachgespielt hat. Wenn mir wer sagte: „Spiel den Part mal wie GEORGE HARRISON!“, dann habe ich ihm geantwortet: „Du kannst mich gerne darum bitten, dass mich der Stil von ihm inspiriert, aber ich spiele nicht wie GEORGE HARRISON oder ERIC CLAPTON. Ich spiele wie CARL CARLTON!“
Das war immer mein Credo. Und gerade solche Musiker wie ROBERT PALMER oder JIMMY BARNES fanden das superklasse, dass dadurch auch ein neuer Wind reinkam, statt irgendwelcher Copy-Cats.
Bei all den Musikern war ich eben immer an den Aufnahmen auch im Studio beteiligt. Das stärkte natürlich auch mein Ego, denn ein Session-Musiker war ich nie. Dadurch eggte ich aber auch hier und da mal an, wodurch ich bei „den großen Chefs“ auch mal Ärger bekam, deren Manager kam dann auf mich zu und sagte sowas wie: „Sag mal, Carl, stell dich mal ein bisschen weiter hinten auf die Bühne!“ Aber das ist mir eigentlich nur bei zwei großen deutschen Namen passiert, aber nie bei einem ERIC BURDON, PAUL YOUNG oder ROBERT PALMER.
Du hast als CARL CARLTON all das erlebt und lässt nun endlich mit der “Lifelong Guarantee - The Best Of Carl Carlton & The Songdogs“-Box dein arg bewegtes Musikerleben Revue passieren. In diesem Falle mit deiner Band THE SONGDOGS, zu der die Creme da la Creme der internationalen Rockmusik gehört. Kannst du bitte die wichtigsten SONGDOGS-Musiker kurz vorstellen. Besonders natürlich auch diejenigen, mit denen du dann ab Oktober 2019 auf große Konzert-Tournee durch Deutschland gehst, mit ein paar Zwischenstationen in Holland und Österreich.
Also – das ist ja keine Retrospektive von CARL CARLTON, da müsste man ja ganz früh anfangen, schon bei den EMSLAND HILLBILLIES. Oder bei einer Band, die ich tatsächlich mal gehabt habe und die ROXETTE hieß. Das war meine erste holländische Band. Und dann noch die ganzen Sachen, die ich in Holland gemacht habe: die Filmmusiken, die Songs, die ich für andere geschrieben habe, z.B. einen Nummer-1-Hit für JIMMY BARNES und was weiß ich noch alles.
Okay, es geht aber um die SONGDOGS. Und das ist mir ganz wichtig, denn mit der Band, ja, das bin wirklich ich. 1 zu 1! Mit der Band und den Songs identifiziere ich mich. It‘s my identification!
Fangen wir erst einmal mit der Originalbesetzung an, mit der ich jetzt auch im Herbst auf Tour bin:
*Der einzig echte Wyzard, the one and only – ach, merkste wieder mein Deutsch – the one and only JERRY ‚WYZARD‘ SEAY von MOTHERS FINEST Wyzard hat auch mit JOE WALSH gespielt und STEVIE NICKS und wem nicht noch alles. Bei meinem Rock‘n‘Roll brauche ich eben unbedingt einen schwarzen Bassisten. Das muss einer sein, der afrikanische Roots hat. Dann rollt der Rock‘n‘Roll erst richtig. Ich mochte sowieso den Roll immer lieber als den Rock;
**Zweite Gitarre, mein little brother MOSES MO – Gary James Moore – auch von MOTHERS FINEST. Selten habe ich mich mit jemandem so gut, regelrecht blind, verstanden. Ich glaube, wir haben nie über Arrangements gesprochen. Das hat sich alles ergeben, genauso wie‘s KEITH RICHARDS immer sagt: „The art of guitar weaving!“ Mo vermisse ich immer, wenn er mal nicht mittourt;
***An den Keyboards den begnadeten PASCAL KRAVETZ, der Sohn von JEAN-JACQUES KRAVETZ [Anmerkung T.K.: der übrigens als Kind auch bei uns in der DDR einen gewissen Ruhm erlangte, da er 1981 die Kinderstimme in UDO LINDENBERGs Anti-Kriegs-Song „Wozu sind Kriege da?“ sang!];
****Am Schlagzeug dann gleich noch einmal einen one and only BERTRAM ENGEL. Bertram musst dann nach der zweiten Platte wegen privater Ereignisse, aber auch durch diverse dramatische Schicksalsschläge aussteigen. Ihn ersetzte WAYNE P. SHEEHY. Damals lebte ich in Irland und habe über meinen Nachbarn RONNY WOOD Wayne kennengelernt, der damals in RONNY WOODs Band spielte und bei den HOTHOUSE FLOWERS. Später hat er dann auch auf meinem Solo-Album „Lights Out In Wonderland“ (2014) getrommelt.
Auf dem ersten Album hatten wir sogar – und das hat sich nie über Finanzielles, sondern über unsere Kontakte und Freundschaften untereinander ergeben – SONNY LANDRETH, der begnadete, einzigartige Slide-Gitarrist. Er kommt aus Breaux Bridge, Louisiana. Mit Sony hatte ich vorher schon an diversen Projekten gearbeitet. Er hat auch das Studio vorgeschlagen und über ihn habe ich JOHN SNYDER kennengelernt, den Produzenten von B.B. KING, der mich wiederum mit LEVON HELM von THE BAND in Kontakt gebracht hat, der begeistert davon war, mit uns zusammen zu spielen und von THE BAND gleich noch den Keyboarder GARTH HUDSON mitbrachte.
Von EDGAR WINTERs WHITE TRASH hatten wir die WHITE TRASH HORNS (JON SMITH am Saxophon und STEVE HOWARD an der Trompete) und von den ROLLING STONES den Saxofonisten BOBBY KEYS, der uns auch live begleitete.
Noch dazu kam der Keyboarder IAN McLAGAN, der auf allen drei Alben mitspielte. Ich war in den Sechzigern ja so ein riesiger SMALL FACES- und dann ROD STEWART & THE FACES-Fan, von denen er kam und später spielte er dann auch bei den ROLLING STONES.
Ian, Bobby und Levon sind leider schon verstorben. Und natürlich ROBERT PALMER. Er war auch der Grund, warum ich die SONGDOGS gegründet habe. Robert hat mich nämlich in den späten Neunzigern immer damit genervt, dass er mir sagte: „Carl, du brauchst eine eigene Band. Nun mach schon!“
Und wenn ich ihm dann erwiderte, dass ich doch viel zu alt wäre, um eine Band zu gründen, dann antwortete er darauf: „Willst du ein Pop-Star sein? Oder bist du ein Künstler!?“
Das hat gesessen und damit hatte er mich. Robert hat dann auch an vielen Songs mitgearbeitet. Ich hab „Lucky“ mit ihm zusammen geschrieben und „Love Understanding & Respect“.
Ähmm – und ein ganz kleines Cameo hatte XAVIER NAIDOO auf dem zweiten Album.
Wichtig zu erwähnen ist noch der begnadete deutsche Pedal-Steel-Spieler MARTIN HUCH, auch Marten Hutch genannt, ein begnadeter Allround-Musiker aus Hannover, der zwar nicht auf den Alben mitspielt, uns aber bei den Touren begleitete.
Das war‘s dann zur Basis, aber es gab auch mal Gäste wie KEB MO oder DONALD FAGEN und ERIC BURDON, um nur einige zu nennen.
Ganz ehrlich gesagt war die Wiedervereinigung der Band gar nicht so geplant. Das war eher telepathisch, weil wir alle unbedingt die SONGDOGS wieder zusammenbringen wollten. Genauso wie die BLUES BROTHERS. Ausgerechnet BERTRAM ENGEL rief mich im Januar an und meinte: „Mensch, wäre das geil, mit den SONGDOGS wieder auf Tour zu gehen.“
Und das war der Stein, der alles ins Rollen gebracht hat.
Auf Tour sind wir nun mit MOSES MO, WYZARD, PASCAL KRAVETZ, BERTAM ENGEL and myself.
Stimmt es eigentlich, dass du in der Begleitband von STEPHAN REMMLER als DIE STEHER auch durch diverse Etablissements der horizontalen Lage getourt bist? Und was hältst du eigentlich von der Scheinheiligkeit mit der wir gutdeutschen Saubermänner immer wieder verächtlich mit dem ältesten Gewerbe der Welt umgehen? Wäre das nicht auch mal einen guten Song wert – selbst wenn UDO LINDENBERG diesbezüglich ja schon sehr deutlich geworden ist. Allerdings ist er bei dieser Thematik fast der einzige, der nicht verächtlich, sondern achtungsvoll, mit diesem Thema umgeht.
HaHa – witzige Frage, diese Stephan-Remmler-Frage!
Das war eine Super-Zeit! Stephan habe ich geliebt. Ich bin sogar wegen Stephan damals mit Kind und Kegel nach Lanzarote gezogen. Wir haben uns viel gegenseitig gegeben, echt ergänzt. Stephan kommt ja auch aus Bremerhaven und ich kannte ihn schon lange vor seiner Zeit bei TRIO. Seine allerersten Gehversuche als deutscher Neil-Young-Verschnitt.
Ohhh – und nun zu den Etablissements.
Das hat‘s eigentlich immer gegeben. Ich glaube, ich bin entjungfert worden mit LANG TALL ERNIE & THE SHAKERS. Diese alten Herren, die dann auf der Rückfahrt von Nord-Holland nach Arnheim immer einen Zwischenstopp in Amsterdam gemacht haben. Und ich traute mich nicht, sondern blieb auf der Brücke immer im Auto sitzen, weil ich auch meistens fuhr, da ich immer der Nüchternste – wenn auch nicht ganz nüchtern – von allen war. Aber irgendwann wurde ich dann doch dort mal „eingeführt“ [Anmerkung T.K.: „Das Verb, das in diesem Falle an Doppeldeutigkeit kaum zu übertreffen ist, verwendete Carl im Interview tatsächlich genau in diesem Wortlaut!“].
Aber auch mit HERMAN BROOD und VITESSE.
Eigentlich die ganze Rock‘n‘Roll-Garde und die ganze Zeit. Man hat sich viel in diesen Etablissements getroffen. Nicht nur um, um...
Ja, was weiß ich, sich zu erleichtern, zu poppen, Liebe zu bekommen. Manchmal saß man einfach nur an der Bar, auch kannte man schon diverse Damen. Das hatte alles etwas Freundschaftliches. Noch dazu fühlte man sich als Rebell von der Straße durchaus auch verwandt mit dem Gewerbe. Außerdem war‘s in den 70ern und 80ern noch nicht so versaut, wie es mittlerweile ist. Unfassbar, dass das jetzt mitunter pure Sklaverei ist. Unter diesem Aspekt sehe ich heute die ganze Geschichte auch anders. Für uns jedenfalls war es damals selbstverständlich, sich in diesen Etablissements aufzuhalten. Und das in aller Welt. Irgendwann kannte man sich dann auch und viele der Damen freuten sich sogar, wenn wir dort wieder auftauchten.
Aber was ich dir nicht erzählen kann, ist wen ich da alles aus der Politik, dem Film und der Musik noch so getroffen habe. Dabei wäre das auch echt interessant (Lautes Lachen).
Gerade diese Erfahrungen sind nicht nur einen Song wert, sondern ich habe auch einen Song darüber geschrieben. Der ist auf der CD definitiv drauf. Bei der LP weiß ich es jetzt nicht so genau [Hinweis T.K.: Leider ist der Song nur auf der CD-Ausgabe enthalten!]. Er heißt „Queen Of Attitude“. Der Text steht im Booklet oder ist beigelegt, glaube ich. Aber auch so ist der Song relativ gut verständlich. Und im Booklet habe ich auch eine Erklärung zu dem Song beigefügt. Das habe ich im Booklet wirklich zu jedem Song gemacht und quasi dazu eine Anekdote oder eine Geschichte über die Hintergründe der Entstehung geschrieben.
Und da du dich noch speziell auf UDO LINDENBERG beziehst. Klar war ich mit dem auch in jeder Menge solcher Etablissements und wir haben auch so einige zu unseren Gigs eingeladen.
So, das sollte jetzt aber reichen, darum als Zusammenfassung.
Angefangen hat das alles mit LONG TALL ERNIE & THE SHAKERS und dann doch irgendwann aufgehört, weil vieles sich leider zum Negativen gewandelt hat – aber das wäre schon wieder eine ganz neue Abhandlung...
Dir liegen besonders Kinder und soziale Projekte am Herzen. Du warst bei Maffays „Tabaluga und Lilli“ musikalischer Leiter, du schlugst ein Konzertangebot von BRUCE SPRINGSTEEN aus, weil du deinen Kindern genau während dieser Zeit einen gemeinsamen Urlaub versprochen hattest.
Ja, Kinder!
Was soll man dazu sagen, besonders wenn man selber Familie hat?
Kinder, Enkelkinder!
Kinder sind das größte Geschenk, das wir überhaupt haben können.
Die gesellschaftliche Situation aber, in der wir uns derzeit befinden – besonders das Verhältnis von arm und reich, aber auch grundsätzliche Erziehungsfragen, na ja…
Ich jedenfalls versuche, alles für Kinder zu tun, was mir möglich ist. Auch Songs schreibe ich dazu und mache immer das Maul auf. Das war mir immer sehr wichtig.
Und meine Kinder waren mir damals in der Tat wirklich wichtiger als BRUCE SPRINGSTEEN.
Dein Sohn Max, ebenfalls Musiker, schrieb als freiwilliger Aussteiger DSDS-Geschichte und bewies so in gewisser Weise die Absurdität einer Musik-Castingshow, in der ein Dieter Bohlen die jungen Musiker am Ende zu Marionetten seines Musik-Kasperletheaters macht mit einer musikalischen Sternschnuppen-Haltbarkeitszeit von einem Jahr bzw. bis zur nächsten Staffel. Wie hast du als Musiker und Vater eigentlich 2007 auf Max‘ Entscheidung, aus der damals gerade 4. DSDS-Staffel auszusteigen, reagiert? Ist Max, der heute selber Vater einer Tochter ist, auch an deiner Musik mit beteiligt?
Max und seinen Einstieg bei Deutschland sucht den Superstar (DSDS), ach herrje.
Max ist damals dort eingestiegen, weil er eine Wette mit seiner Freundin am Laufen hatte, dass er versucht, dort hineinzukommen, dann in einem ganz anderen Genre seine Songs zu singen und dadurch ganz sicher wieder rauszufliegen.
Doch genau das Gegenteil war der Fall.
Gerade das mit dem anderen Genre – NIRVANA, KILLERS, ZZ TOP – und was er noch so gemacht hat, um Bohlen zu ärgern, führte dazu, dass er sich gehörig mit Dieter Bohlen anlegte und Bohlen einfach dagegen nicht wirklich ankam, da ihm noch nie einer seiner Kandidaten so Paroli geboten hatte.
Dann aber hat man Max, als es um die Verträge ging, weil er bereits unter den Top Ten der Staffel war, unter Druck gesetzt. Denn eigentlich wollte er da schon aussteigen.
Und auch ich habe ihm gesagt: „Max, du musst aufpassen, was du da machst. Willst du ein Stigma bekommen? Du willst doch Künstler werden und kein Pop-Star! [Anmerkung T.K.: Da sprechen doch tatsächlich auch die Worte eines ROBERT PALMER aus dem Munde des besorgten Vaters!] Wenn du das Ding durchziehst, dann verpasst man dir ein Stigma, das du nicht mehr los wirst. Sieh zu, dass du da rauskommst.“
Dann wollte Max auch raus, weil er inzwischen unter den bereits letzten Fünf eine Wirtschaftsmacht geworden war. Er bekam eine Unmenge von Anrufen. Mitunter beliefen sich die Angebote schon bis in den Millionen-Euro-Bereich für irgendwelche Sendungen. Sogar aus New York sind Leute eingeflogen, um ihn zu überzeugen.
Ich war zu der Zeit gerade auf Tour in Amerika und konnte leider nicht mehr direkt eingreifen, um ihn noch einmal zu warnen. Denn er hatte außer Versprechungen, die man ihm mündlich gemacht hatte, nichts Schriftliches in der Hand. Max wollte nämlich mit seiner Band EMPTY TRASH damals einen Deal machen und man hatte ihm zugesagt, deswegen eine Ausnahme zu machen, dass, wenn er gewinnt, nicht mit Bohlen was zusammen machen muss, sondern seinen eigenen Weg gehen darf.
„Alles Lüge!“, hätte RIO REISER gesagt und gesungen.
Als Max dann bei der vorletzten Sendung dahinterkam und darauf bestand, die mündlichen Zusagen nun auch schriftlich zu bekommen, schienen die versprochenen Zusagen plötzlich vergessen. Daraufhin hat er den sensationellen Ausstieg durchgezogen. Quasi Dieter Bohlen den Finger gezeigt und das Mikro vor die Füße geworfen und den Fans gesagt: „Ich komme wieder und mache ein tolles Album für euch. Euer Einsatz war nicht umsonst.“
Ja, die ganze Sache war ein Fehler.
Lange hatte Max mit dem Stigma zu kämpfen. Obwohl er danach ein Super-Album gemacht hatte, was allerdings zwischen alle Stühle fiel. Die DSDS-Fans, besonders die Mädchen, waren inzwischen 20 und hörten ganz andere Musik. Der Rolling Stone und das Feuilleton, also die progressivere Seite unseres Business, wollte nichts mit ihm zu tun haben, weil er den DSDS-Stempel hatte, den natürlich die Scheiß-Plattenfirma immer wieder auch mit auf das Produkt gestempelt hat.
Da hat er sich erst nach Jahren langsam und authentisch mit seinen eigenen Sachen herauskämpfen können. Und natürlich ist Max an meiner Musik mit beteiligt.
Max und Jessi haben auf meinem ersten Album schon fleißig mitgesungen im Chor. Wenn du genau hinhörst zum Beispiel bei „I Can Feel The Fire“, also bei dem Song von RON WOOD, den Ronny extra beigesteuert hatte. Da singen die beiden.
Aber als Max ein respektabler Songwriter und ein wirklich sehr guter Texter wurde, setze ich mich viel mit ihm auseinander. Oft ist er als Gast bei uns, wenn er gerade in der Nähe ist.
„For What It‘s Worth“ hat er mit mir und ERIC BURDON zum Beispiel auf meiner dritten Platte gesungen.
Klar, mein Sohn und ich wir sehen uns oft, besuchen uns oft – auch mit seiner Tochter. Und immer tauschen wir uns dabei auch musikalisch aus.
Welches ist dein schönstes, beeindruckendstes Erlebnis deiner Musikerlaufbahn gewesen – und welches dein schrecklichstes, erschütterndstes? Du kannst gerne auch mehrere nennen!
Mmmmh, da gibt‘s vielleicht zwei.
Einmal Christ Church in Neuseeland, als ich auf Tour war mit JIMMY BARNES, JOE COCKER, während Barnes parallel dazu mit TINA TURNER unterwegs war – und ich an dem Abend mit allen Dreien auf der Bühne gestanden habe. Da waren bestimmt so 30.000 bis 40.000 Leute vor der Bühne bei dem Open Air. Der absolute Hammer.
Dann war natürlich noch beeindruckender für mich, weil er seit seinem ersten Album ein absolutes Vorbild und ein großer Einfluss für mich ist, die Audition für ROBERT PALMER und dass er mich dann auch tatsächlich genommen hat. Und eben auch in diesem Falle unter der Prämisse, dass ich großen Respekt for Robert hatte, aber seine Musik eben auf meine Art gespielt und interpretiert habe. Ich habe damals also nicht den Gitarristen, der zuvor die ganzen Songs, wie man sie von Palmer kannte, eingespielt hatte, zu kopieren versucht, sondern nur das Wesentliche übernommen und es auf meine Art gespielt. Das hat Robert sehr beeindruckt und ich weiß noch ganz genau, wie ich nachts erst von London und dann einen Tag später in Köln habe ich dann die halbe Musikerwelt angerufen und gesagt: „Ihr glaubt jetzt nicht, bei wem ich in der Band spiele!“ Sowas vergisst du nie!
Erschütterndstes oder schrecklichstes Erlebnis?
Och, ja, eigentlich keins.
Nun ja – mit LONG TALL ERNIE & THE SHAKERS hat bei einem Festival das Publikum die Bühne gestürmt und sie abgebrannt, aber nicht etwam, weil wir schlecht gespielt hätten, sondern überraschend die Hauptacts abgesagt hatten. Das war schon, ja, „beeindruckend“, aber wirklich schrecklich oder erschütternd war‘s nicht.
Dagegen war schon eher erschütternd, als ich mit JIMMY BARNES und JOE COCKER in Melbourne spielte, war meine Aufgabe auch das Konzert mit einer DAVID LINDLEY-Melodie aus „Driving Wheels“ zu eröffnen. Ganz alleine im Spotlight. Und dann kam die Band so nach und nach einzeln auf die Bühne dabei, während ich noch ganz vorne stand. Zu dem Zeitpunkt strotzte ich nur so vor Selbstbewusstsein. Aber das half mir in einem bestimmt Moment gar nichts...
Ich musste also auf der Slide-Gitarre vor fast 60.000 Leuten allein mit der Gitarre eröffnen und Peter, mein Gitarrentechniker, gab mir kurz vorher die Gitarre. Ja, die Gitarre also, die ich in dem Moment bekam... Die war nicht etwa verstimmt. Nein, sie war falsch gestimmt. Ich spielte den Song nämlich im offenen G open D-Tuning, aber ich hatte plötzlich ein „Regular“ oder „Open D“. Ich konnte es kaum begreifen – das war ein Schock-Moment und ich konnte gar nicht so schnell begreifen, was da passiert war. Am liebsten wäre ich im Boden versunken und wusste gar nicht, wie ich mich im Rampenlicht vor den zigtausend Zuschauern retten sollte. ganz schnell entschied ich mich für‘s Improvisieren und als dann die Band einsetzte, war alles wieder super!
So, dann lass mich noch mal nachdenken, ob‘s noch was in der Art gab.
Nö, sonst gab‘s nur mal so seltsame Fauxpas, als ich mal über einen Hund, der plötzlich quer über die Bühne lief, gestürzt bin. Zwar habe ich mir dabei nicht den Hals gebrochen, aber meine Gitarre. Aber das war zu einer Zeit, als ich noch verdammt jung war – und wenn man noch so jung ist, dann ist sowas einem doch verdammt peinlich. Inzwischen steckt man das weg.
Und noch eins, was mich als ehemaliger DDR-Bürger, der dieses Land besonders wegen seiner allmächtigen Zensur und Verbotskultur von allem, was ihm nicht geheuer schien – unter Anderem auch von Musik bei der du mitwirktest (Lindenberg, BAP) – interessiert. Kannst du dich noch erinnern, wie du am 9. November 1989 den Fall der Mauer erlebt hast?
An den Fall der Mauer? Aber klar, an den kann ich mich ganz genau erinnern! Ich war bei Freunden in Los Angeles, besser gesagt in Orange County. Warte, warte – ja, genau in New Port Beach bei Musikerfreunden. Gerade hatte ich Urlaub mit Max, der genau ein Jahr alt war. Zuvor waren wir in Hawaii, wovon wir gerade zurückkehrten.
Natürlich kann ich dir auch sagen, wen ich gerade besucht habe, nämlich GEORGE HARRISON und KRIS KRISTOFFERSEN. Der kleine Max mit seinem einen Jahr wusste natürlich nicht wer das war (Carl lacht herzlich). Zurück in Kalifornien bei Dr. Ed Abrahams, einem guten Freund, lief ein riesiger Fernseher, so ein riesiges Teil, das mich schwer beeindruckte. Der lief jedenfalls den ganzen Tag. Plötzlich sah man bei CNN die Mauer und lauter Leute darauf. Ich arbeitete in dem Raum gerade am Schreibtisch und fand das zuerst etwas seltsam, was ich da mitten in Amerika sah, weil sich auch das Bild gar nicht änderte. Selbst Kommentare kamen keine. Es war tatsächlich eine Live-Übertragung. Es ging über Stunden, ganz ähnlich wie später auch Nine Eleven, dieses schreckliche Erlebnis in New York mit den Twin Towers.
Zumindest lief und lief das mit der Mauer und ich dachte mir: „Was ist denn da nur los?“, bis ich dann begriff, als dann die News kamen, dass tatsächlich die Mauer gefallen war. Und das war aus der Entfernung enorm abstrakt. Natürlich haben wir das dann gleich gefeiert, denn schließlich kannte ich ja auch die DDR schon seit meiner Holland-Zeit. Wir haben ja sogar mit LONG TALL ERNIE in dieser TV-Show „Ein Kessel Buntes“ mitgemacht.
Ich empfand es immer sehr, sehr exotisch, in die DDR einzureisen. Du wurdest da immer gesondert und besonders behandelt – als Musiker oder als Promi oder was auch immer. Du kriegtest immer gleich zwei, drei Stasi-Leute (Anmerkung T.K.: Offizielle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, die unter Erich Mielke mit Gestapo-ähnlichen Methoden die DDR angeblich schützten und deshalb alle ihre sog. Feinde bespitzelten und schwer zu bestrafen oder vernichten versuchten!), die Tag und Nacht wie ein Schatten hinter dir her waren. Ich kann mich jedenfalls an alles noch ganz genau erinnern, was da am 9. November 1989 mit mir in New Port Beach während des Falls der Mauer geschah. Und natürlich haben dort auch alle meine Kumpels ordentlich mitgefeiert!
Im Netz gibt es eine offizielle Fanseite zu dir. Wie hältst du mit deinen Fans bzw. auch der Seite den Kontakt aufrecht?
Ich bin ja noch immer ein ziemlich analoger Mensch. Man muss mich regelrecht dazu zwingen, digital zu arbeiten. Der Kontakt ist leider nur sporadisch. Ich fühle mich in dieser Beziehung meinen Fans gegenüber regelrecht ein bisschen schuldig. Im Netz werde ich eigentlich immer dann etwas aktiver, wenn wieder ein neues Album am Start ist oder Konzerte angesagt sind. Meine verstaubte Website wird auch gerade wieder neu aufgearbeitet.
Am liebsten erlebe ich die Fans live beim Konzert und wenn wir uns dann im Konzertsaal treffen. Dieser direkte Kontakt ist mir wirklich lieber als all die Schreiberei im Netz.
Am aktivsten bin ich selber im Grunde auf meiner Facebook-Seite, wenn ich gerade mal einen ruhigen Abend habe. Ich lebe ja schon seit 1976 nicht mehr in Deutschland. Sporadisch verbrachte ich aber dann auch ein, zwei Jahre mal in Berlin. Aber das war‘s dann auch schon.
Am Ende des Interviews wäre es schön, wenn du noch einen Blick über den eigenen musikalischen Tellerrand werfen würdest. In unserem erst vor kurzem veröffentlichten Interview mit Clem Clempson fragten wir ihn nach seinen drei „Insel-Platten“, worauf er antwortete, dass das wohl jeden Tag andere sein würden. Auch wies er uns darauf hin, dass es in England eine Sendung, die „Desert Island Discs“ heißt, gibt, in der prominente Persönlichkeiten ihre 10 Lieblingsalben vorstellen. Clempson liebt diese Sendung, da Musik ja bekanntlich viel über den Menschen dahinter, aussagt. Welche Alben würden mit dir gemeinsam die Reise auf die einsame Insel antreten?
Müssen‘s drei sein? Ah, nein! Gut so. Okay, dann fange ich mal an:
*Das erste CHUCK BERRY-Album („After School Session“ aus dem Jahr 1957);
**Das erste MUDDY WATERS-Album („The Best Of“ aus dem Jahr 1957 mit Aufnahmen der Jahre 1948-54);
***RY COODER „Into The Purple Valley“ (1972), ein Album ohne das ich nicht leben könnte;
****TAJ MAHA „Giant Step“(1969);
*****ROLLING STONES „Exile On Main Street“ (1972);
******MILES DAVIS „Sketches Of Spain“ (1960);
*******THE BAND, das zweite Album, auch „The Brown Album“ (1969) genannt, weil es keinen Titel hat;
********LOS LOBOS ein „Speaking Sally To The Alley – Greatest Hits“-Album;
*********TOM PETTY & THE HEARTBREAKER „An American Treasure“ (1976);
Gibt es noch eine letzte Weisheit, die du uns gerne mit auf den Weg geben würdest?
Meine ganz große Weisheit ist: „Keep on swinging, keep swinging!“
Ganz wichtig und vielleicht noch die letzten Worte, die ich in meinem Vorwort im Booklet geschrieben habe, nachdem ich erzähle, wie das Album zustande gekommen ist: „The most important part to me as a musician is a live audience...“ Und ich glaube daran, dass wenn Liebe und Musik in einem Fluss sind, das regelrecht heilsam sein kann und sogar Krankheiten überwinden hilft, wenn du nur richtig daran glaubst. Denn das ist die Essenz unseres Lebens. Oder noch ein Satz von LEVON HELM, den ich mir immer zu Herzen nehme: „The crowd is justin but as important is the group and the songs. Takes everything to make it work. Keep on swinging!“
Vielen Dank, Carl – und „Keep on swinging!“
Alle Bildrechte liegen bei J. Russick Smith und Martin Huch sowie Gabriella Mills!
- Carl Carlton And The Songdogs - Lifelong Guarantee – Limited Box-Edition (2019)