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Interview mit IZZY B. PHILLIPS von BLACK HONEY (19.03.2021)
Bands wie BLACK HONEY aus Brighton gab es früher ja öfter. Heutzutage stellt der schrille Mix aus Glam-Rock, Power-Pop, Psychedelia und Punk-Attitüde, für den IZZY B. PHILLIPS und ihre Jungs stehen, ja schon eine erfreuliche Ausnahmeerscheinung dar. Zumal BLACK HONEY ein ausgesprochenes Faible für eine filmreife stylische, kunterbunte Selbstdarstellung im Breitwand-Format haben, die deutlich größer ist, als das Leben in unseren aktuellen, durch eher gedämpfte Farben gekennzeichneten Stillstandswelt. Seit das Quartett 2014 mit einer ersten EP aus dem musikalischen Ei kroch und 2018 das selbstbetitelte Debütalbum herausbrachte, haben sich IZZY & Co. an die Spitze einer eigenen Bewegung aus Empowerment, Drag-Ästhetik und filmreifem Rock-Entertainment gesetzt – was dann auch den Titel des neuen Albums „Written & Directed“ erklärt, das – wie gewohnt – von einer ganzen Reihe von Video-Clips begleitet wird, in denen BLACK HONEY mit zahlreichen Film-Referenzen auch ihre Liebe zum Kino-Medium zum Ausdruck bringen.
Izzy: Wie geht eigentlich eine Band wie BLACK HONEY, die sich ja vor allen Dingen als Live-Band versteht, mit einer Situation wie der Pandemie um?
Nun, die Scheibe hatten wir ja vor dem Lockdown schon fertig. Was ganz schön war, weil wir so viel Spaß bei den Aufnahmen hatten. Mit dem Gefühl, meine beste Arbeit gemacht zu haben, in den Lockdown zu gehen, war dann schon irre. Ich fühlte mich dann aber zunächst überhaupt nicht gut. Da gab es Tage, an denen ich gar nicht aus dem Bett wollte, denn wir konnten ja nicht proben, keine Freunde einladen, keine Stunden geben. Auf der anderen Seite fühlte sich diese Phase aber auch an wie eine wohlverdiente Pause von dem ganzen üblichen Rauf und Runter, in der man Zeit zum Nachdenken hatte. Wir haben es schließlich im September geschafft, zumindest mal einen Social-Distance-Gig zu spielen – was ganz cool war.
Und wie sieht es jetzt gerade aus?
Also geplant ist jetzt für Juni ein bestuhlter Gig mit Social-Distance-Regeln. Wir haben da zwar eine Option, das Ganze mit 50% Auslastung fahren zu können, aber ich glaube nicht, dass das klappt, weil mit schon klar ist, wie schlecht wir den Lockdown gehandhabt haben und es schwer ist, den Fakten zu vertrauen, die Boris Johnson zur Zeit verbreitet.
Und wie seht ihr die nächste Zukunft? Seid ihr schon geimpft?
Wir sind noch nicht geimpft – worüber ich mir aber keine großen Sorgen mache, da wir ja jung und nicht so verwundbar sind, aber ich denke, wir werden warten müssen, bis alle geimpft sind, bevor wir wieder richtige Konzerte spielen können. Momentan treffen wir uns einmal die Woche, um Video-Spiele zu spielen. Was ich aber als stabilisierenden Faktor in meinem Leben vermisse, ist, mindestens einmal pro Woche auch proben zu können. Das habe ich schließlich gemacht, seit ich 18 bin. Ich vermisse auch das Touren sehr. Es ist also stressig, deinen Plan auf diese Weise vernichtet zu bekommen – aber ich weiß auch, dass wir das Beste aus der Situation machen müssen.
Da gibt es auf dem neuen Album ja den Song „Disinfect“, für den ihr und Regisseur CRAIG HEMMING ja gerade auch ein neues Video gefertigt habt, das aus zusammengeschnittenen Nachrichtenbildern und Filmschnipseln besteht und alle aktuellen Krisen-Szenarien anzusprechen scheint, der ja vor der Pandemie entstand. Was hat es denn damit auf sich?
Das ist schon etwas seltsam. Ich sehe das mittlerweile als eine Art Vorahnung. Ich habe das Lied im Sommer 2019 geschrieben. Es war schon eigenartig, dass ich da diese Texte über einen Virus hatte, der zur Gewalt führt. In dem Song geht es eher darum, dass da irgendeine Art von Scheiße auf uns zukommt. Ich wusste natürlich nicht, dass das in der Form von Covid 19 passieren würde, aber ich ahnte, dass da was kommen würde. Ich denke, ich hatte da eher die Sache mit dem Klimawandel im Kopf – und dieser ganzen jungen Generation, die das Gefühl hat, dass alles gleich die Toilette runtergespült werden könnte. Als wir dann das Video machten, wurde uns aber klar, dass der Songs in einer Art sozialem Kommentar relevant für alles steht, was wir zur Zeit erleben: Trump, Rassenunruhen, Kapitalismus vs. Konsum – das sind ja alles Elemente unserer Kultur und Teil der Welt, in der wir leben. Es geht auch um Fragen, die ich mir während des Lockdowns dann gestellt habe: Warum brauche ich einen angesagten Kaffee? Warum muss ich eigentlich so viel Zeug kaufen? Warum verbringen wir eigentlich nicht viel mehr Zeit mit Freunden?
Wenn Du schon Vorahnungen erwähnst: Gehörst Du auch zu jenen, die generell Vorahnungen haben – wie z.B. in Träumen?
Du hast Vorahnungen in Träumen? Das ist ja cool – aber so ist das bei mir nicht. Ich habe nämlich so extreme Alpträume, von denen ich nicht denke, dass es hier um echte Vorahnungen gehen kann, denn diese Träume sind immer so dramatisch, dass jede Vorahnung automatisch eine Apokalypse bedeuten würde. In meinen Träumen verarbeite ich also wohl eher meine inneren Querelen.
Und welche Art von Vorahnungen bevorzugst Du dann?
Florence Welch von Florence + The Machine sagte einmal, dass jeder Song, den man schreibe, eine Art Ausblick auf dein Ich in der Zukunft sei. Das würde ich auch so sehen. Mein Unterbewusstsein teilt mir Sachen mit, bevor ich selbst herausfinden kann, worum es geht. Ich schaue schon manchmal auf meine Songs zurück und denke mir: 'Oh wow – da warst Du aber ganz schön deprimiert' oder 'da hast Du aber ganz schön zu kämpfen gehabt'. Das hängt damit zusammen, dass ich Musik benutze, um meine Erfahrungen zu verarbeiten. Und das liegt wieder daran, dass ich alles immer gleich so überwältigend empfinde. Daher kommt auch meine Aufrichtigkeit als Songwriterin. Man muss das aber handwerklich auch ernst nehmen.
Das Song-Schreiben betrachtest Du also als Handwerk?
Am Ende des Tages ist es wie ein Muskel, der trainiert werden will. Manche Songwriter können ja lange Pausen machen und dann einen Hit schreiben. Ich denke aber nicht, dass ich jemals eine solche Person sein könnte, obwohl ich es gerne wäre.
Warum sind eure Videos – und letztlich auch eure Scheiben und natürlich eure Live-Shows – so überbordend schrill, bunt, laut, frech und lebendig? Steht da vielleicht auch so eine Art von Protesthaltung hinter?
Ja, denn ich denke, dass wir im Allgemeinen heutzutage eher unterdrückt werden. Damit meine ich, dass uns vorgeschrieben wird, was wir zur Arbeit anzuziehen haben, auf welchem Bahnsteig wir uns anzustellen haben und dass wir zu allen Arten von Konformität ermutigt werden, damit man sich irgendwie sicher fühlen kann. Vielleicht ist die neue Revolution dann die, aus diesen Zwängen auszubrechen – und das ist der Grund, warum ich denke, dass mir 'Drag' (Travestie) dabei so wichtig ist, denn das ist wirklich befreiend. Denn zum 'Drag' gehört eine willkommene Akzeptanz von Vielfalt. Beispielsweise geht es darum, Menschen verschiedener Herkunft und verschiedener Subkulturen zu inkludieren. Wir bewegen uns dadurch also in einer toleranteren Art von Kultur.
Es geht Dir also darum, Dich den Konventionen zu verweigern?
Ja - zumindest geht es darum, sich selbst treu zu bleiben. Jeder ist ja einzigartig und schön und eigentlich weiß man ja auch, wohin man genau im Leben gehört. Du solltest niemals diese Art von Feuer verlöschen lassen. Verwirkliche Dich so laut, wie Dein Geist es erlaubt. Du hast ja schließlich nur ein verdammtes Leben – wenn Du weißt, was ich meine?
Im Prinzip geht es ja genau darum auch in der Ermächtigungs-Hymne „Fire“, richtig?
Ja, das ist ein guter Punkt.
Eure Videos sind ja angelegt, wie Kurzfilme, die mit Referenzen auf Spielfilme aller Art angereichert sind. Schreibst Du eure Songs dann auch gleich mit einer Filmszene?
Ja, das schon. Einen fertigen Film habe ich dabei aber noch gar nicht im Kopf. Was ich aber immer schon weiß, ist, dass ich Bilder in meinem Kopf sehe, während ich einen Song schreibe. Ich habe zum Beispiel gestern erst einen Song geschrieben und hatte dabei dieses Bild von einer Go-Go-Tänzerin und Stripperin im Kopf. Sowas passiert mir dauernd. Manchmal verwende ich diese Bilder dann aber gar nicht für die Videos, weil es mitunter spannender ist, wenn die beteiligten visuellen Künstler ihre eigenen Vorstellungen ins Spiel bringen können. Ich bin grundsätzlich eine sehr visuelle Person. Ich sehe ständig Geschichten und Szenen in meinem Kopf. Das ist einfach ein Teil des Prozesses.
Warum bist Du eigentlich dann nicht gleich Schauspielerin geworden?
Also, ich habe schon als Kind angefangen, mich für Schauspielerei zu interessieren. Aber ich kann diesem ganzen akademischen Scheiß nichts abgewinnen und wollte das nicht auf diese Weise machen. Ich bin auch nicht gut darin, mir Texte zu merken, die ich dann aufsagen soll – aber ich mag es grundsätzlich schon zu schauspielern.
Was interessiert dich an diesem Aspekt besonders? Vielleicht die Möglichkeit, in verschiedene Rollen schlüpfen zu können?
Nein, denn dafür müsste man schon ein richtiger Schauspieler sein. Wenn ich BLACK HONEY-Charaktere spiele, dann sind das alles Teile meines eigenen Charakters, weißt Du?
Den Song „Run For Cover“ singst Du aber doch aus einer männlichen Perspektive, oder?
Nein, nicht ganz. Den Song haben wir mit MIKE KERR und BEN THATCHER von ROYAL BLOOD zusammen geschrieben. Eigentlich wollten sie den Song verwenden – das ging dann aber hin und her, bis wir ihn schließlich selber aufgenommen haben. Es ist dabei mehr so, dass dadurch, dass ich als Frau diesen Song singe, mehr Dynamik ins Spiel kommt. Ich fühle mich dabei aber nicht so, als übernähme ich die Position eines Mannes, sondern vielmehr dass ich als Frau ähnliche Perspektiven wie ein Mann einnehmen kann. Ich spiele also keinen Mann – darum geht es nicht.
Was zeichnet einen guten Song für Dich – bzw. Euch - aus?
Aufrichtigkeit. Man kann einen bestimmten Gitarrensound mögen, so gerne man möchte – aber was alles andere überstrahlt, ist der Umstand, wenn da jemand seine Seele bloßlegt. Das ist meine Meinung. Natürlich gibt es viele wirklich schlechte Songs, die aber von vielen geliebt werden. Musik kann auf so viele verschiedene Arten genossen werden. Es kann auch ganz einfach sein. Für mich ist ganz wichtig, dass unsere neue Scheibe einzigartig und typisch für uns ist und niemand sie so gemacht haben könnte, wie wir selbst.
Fühlst Du Dich denn als Leitfigur oder Idol für eure Fans?
Nein. Ich glaube einfach, dass Songs Gefühle vermitteln können. Was ich optimalerweise erreichen möchte, ist vielleicht, dass jemand, der gemobbt wird im Schulbus 'I Like The Way You Die' hört und dann aufsteht und für die eigenen Belange einsteht, weißt Du? Wie bei einem Dammbruch. Vielleicht vermitteln wir so so ein bisschen Zuversicht und Mut, das eigene Leben auf bestmögliche Art zu leben. Es geht nicht um die Botschaft, sondern das gemeinsame Gefühl.