Dan Swanö kehrt endlich als Songwriter und Performer zurück. Nach einigen Jahren, in denen er sich auf seine Mixing- und Mastering-Tätigkeit konzentriert hatte, veröffentlicht er nun gemeinsam mit Gitarrist Ragnar Widerberg unter dem Namen WITHERSCAPE das Konzeptalbum "The Inheritance". Wir unterhielten uns mit dem schwedischen Ausnahmetalent und Multi-Instrumentalisten.

Herzlichen Glückwunsch, Dan, mir gefällt das WITHERSCAPE-Debüt richtig gut, tolles Album! Obwohl es ja eine Zusammenarbeit zwischen Ragnar Widerberg und Dir ist, fühlt es sich doch fast wie ein "Best-Of Swanö"-Album an. Wieviel von Dir steckt denn in den Songs, und wie gestaltete sich eure Zusammenarbeit genau?

Danke! Es ist immer toll, weitere musikalische Seelenverwandte zu finden :) Natürlich findet man meine Spuren in allen Songs, ich war schließlich an allen beteiligt! Aber im Gegensatz zu einem Soloalbum wollte ich dem Material noch einen zusätzlichen Dreh geben. Deshalb habe ich nach einem passenden Co-Piloten gesucht, und ich habe mehr als das in Ragnar gefunden. Das Album ist eine Mischung aus Parts, die wir getrennt voneinander geschrieben haben, und dem Zeug,  dass gemeinsam im Proberaum wie aus dem Nichts entstand. Wir schwitzten die Ideen förmlich heraus, laut und intensiv!

Wie bist Du auf Deinen Partner gestoßen?

Ragz arbeitete in dem gleichen Laden wie ich, bevor wir beide innerhalb weniger Monate dort aufhörten. Wir redeten die ganze Zeit über ein gemeinsames Projekt, und schafften es dann tatsächlich auch etwas auf die Beine zu stellen, anstatt nur von Konzepten, Namen, Logos und Titeln zu träumen :)

War er bereits in anderen Bands aktiv?

Ragnar hat über viele Jahre in einer Menge Bands gespielt, aber keine davon hatte jemals einen Plattenvertrag. Er hat auch vielen anderen Musikern als Co-Writer ausgeholfen, weil sie, genau wie ich, seinen Wert zu schätzen wissen :)

Er spielt einige herausragende Gitarrenparts, ich mag besonders seine singenden, fließenden Leads.

Sein Spiel ist exzellent, und darum habe ich ihn alle Gitarren- und Bass-Parts auf dem Album einspielen lassen.

Das Material auf "The Inheritance" ist sehr abwechslungsreich und vermischt nahtlos verschiedene Stile. Allerdings gibt es musikalisch gesehen keinen Death Metal zu hören.

Es gab eine strikte Regel für dieses Album: keine klischeehaften Death-Metal-Rhythmen oder -Riffs. Und zwar deshalb, damit das Material mehr nach Heavy Metal klingt.

Und doch hast Du Deine Death-Metal-Stimme wieder aktiviert, auf "Crimson II" (2003) musstest Du Dir noch einige Gäste hierfür einladen.

Diesmal hatte ich mehr Zeit für das Growling. Ich konnte also die stimmliche Belastung und die Schmerzen auf 20 bis 25 kurze Sessions verteilen und meine Kehle zwischendurch wieder ausheilen lassen.

Für mich ist "Dead For A Day" einer der herausragenden Tracks: Er klingt fast wie die Weiterentwicklung von EDGE OF SANITY und sehr eingängig, ein Riesen-Hit! Der Rest ist des Materials klingt ein wenig progressiver. Könnte es demnächst mehr in die eine oder andere Richtung gehen?

Ich bin mir nicht wirklich sicher, was auf dem nächsten WITHERSCAPE-Album musikalisch passieren wird. Es gab keine Intention, dieses Projekt in Richtung EDGE OF SANITY zu bringen. Wir werden also sehen, was passiert, wenn wir Material für das nächste Album sammeln!

Auch wenn ich das neue Album sehr schätze, ich persönlich hätte nichts dagegen, endlich wieder Hits der Kategorie "The Masque", "Twilight" oder "Uncreation" zu hören.

Ich habe auch bereits ein Death-Metal-Album in Arbeit, ohne Klargesang, und das wird "catchy as fuck". Liebhaber des alten EDGE-OF-SANITY-Stils werden darauf stehen.

Ich muss Dir noch einmal gratulieren, und zwar zur Produktion und dem Mix des Albums, der Sound ist fast perfekt!

Vielen, vielen Dank! Da mein Hauptberuf Mixing Engineer und nicht Musiker ist, erwärmt das mein Herz sehr! Ich habe eine Billion Lichtjahre damit verbracht, jedes Detail dieses Albums genau für mich und meinen Geschmack hinzubekommen. Und es ist großartig zu hören, dass jemand anderes all die Handarbeit zu schätzen weiß. Ich muss 50 verschiedene Sounds auf allen Instrumenten gehabt haben, während der acht bis neun Monate, in denen das Album bereits "fast fertig" war. Aber am Ende habe ich mich für einen trockenen. zeitlosen und direkten Sound entschieden, wie ich ihn z.B. auf "Nothingface" von VOIVOD oder "Moving Pictures" von RUSH liebe.

Obwohl Du großartige Produktionen und Mixe für andere Künstler ablieferst, hattest Du manchmal Schwierigkeiten mit Deinem eigenen Material. Was war diesmal anders?

Dieses Mal habe ich mir selbst zugestanden, 100 % Musiker und 100 % Tontechniker zu sein. Früher hatte ich nie die Zeit, mich auf beides gleichermaßen zu konzentrieren. Und ein Album mit großartigen Songs und einem komischen Sound ist mir lieber als eines mit komischen Songs und einem Kick-Ass-Sound (wovon es einige gibt!).

Du bist ja unter anderem bekannt für Deinen markanten Klargesang, entspannt und gefühlvoll, im Gegensatz zum Growling. Unheimlich viele Sänger wurden dadurch beeinflusst, es gibt fast eine Art "Swanö-Stil". Jeder zweite Death-Metal-Sänger, der sich an melodischen Vocals versucht, klingt irgendwie nach Dir.

Haha, ja, ich bin über einige Bands gestolpert, bei denen mich der Klargesang ein wenig an mich selbst erinnert hat. Obwohl es dann manchmal tatsächlich mein Gesang war :D Bei WITHERSCAPE habe ich eine etwas "bösere" Klarstimme, und das ist das erste Album, bei dem ich fühle, dass ich 101 % bei jedem Gesangsstil gegeben habe: klar, dreckig und Growling!

Stimmt, Dein melodischer Gesang klingt mittlerweile oft kraftvoller und rauer, fast wie ein Hard-Rock-Sänger. Woher kommt diese Stimmfarbe?

Ich wollte schon immer so singen, hatte aber nie die passende Band. Es hat sich in gewisser Weise über die Jahre entwickelt. Es gab einige Gastbeiträge von mir auf anderen Alben, bei denen ich mit etwas mehr "metal edge" gesungen habe, und langsam habe ich das nötige Selbstvertrauen aufgebaut. Ich habe es dann teilweise bei NIGHTINGALE verwendet (das Ende von "Stalingrad" beispielsweise), und auf der letzten STAR ONE hat es wirklich funktioniert. In meinem Duett mit Russel Allen klinge ich also nicht mehr wie ein verängstigter Schuljunge :)

WITHERSCAPE ist jetzt die erste Veröffentlichung Deiner Zusammenarbeit mit Century Media, wie kam es dazu?

Century Media haben mich in gewisser Weise ausgewählt und von Zeit zu Zeit nachgehakt, ob ich an einer Zusammenarbeit interessiert sei. Vor fünf Jahren wäre es fast dazu gekommen, aber dann starb mein Vater, und all die Aufregung über eine neue Recording-Zukunft war mit einem Anruf verflogen… Erst als ich auf Ragz gestoßen bin, wurde das Feuer wieder entfacht!

In der Vergangenheit war es oftmals enttäuschend mit anzusehen, was mit Deinen Veröffentlichungen auf Black Mark passierte (oder auch nicht passierte). Das letzte NIGHTINGALE-Album "White Darkness" war sogar nicht einmal überall problemlos zu bekommen. Warum hast Du Dich nicht schon früher für einen größeren Partner entschieden?

Um ehrlich zu sein, ich war auch sehr enttäuscht, dass nichts passierte, aber andererseits ist Black Mark ein Metal-Label und NIGHTINGALE irgendwie eine Art Pomp Rock Band. Das ist ein wenig wie Kettensägen in der Apotheke zu verkaufen… Wenn wir versucht hätten, aus dem Deal herauszukommen und bei einem Label unterzukommen, welches uns versteht, hätten wir vielleicht ein paar mehr Alben verkauft. Andererseits, obwohl NIGHTINGALE für alle Mitglieder cool ist, hat doch jeder auch andere Bands und Projekte, bzw. sein Privatleben. Deshalb könnten wir nie auf die verrückte Art touren, wie es heutzutage nötig ist, also schien Black Mark die richtige Wahl zu sein. Die Platten wurden gepresst, und Du konntest sie direkt beim Label bestellen, besser als sie selbst herzustellen :) Aber das nächste NIGHTINGALE-Album (die Band ist gerade im Studio - d. Verf.) wird hoffentlich in irgendeiner Form über Century Media erscheinen. Ich tue alles, was ich kann, um das bestmögliche Album zu machen, und hoffentlich werdet ihr es alle mögen!

Gilt der Deal mit Century Media denn für alle Deine Projekte?

Es gibt nichts schriftlich. Dan Swanö hat einen Deal mit Century Media. Was immer ich als nächstes veröffentlichen möchte, wird ihnen präsentiert, und sie können "Ja" oder "Nein" sagen. Für SECOND SKY habe ich bereits einen Deal mit The End Records, das wird also nicht über Century Media erscheinen. 

(bei SECOND SKY handelt es sich um das seit vielen Jahren in Arbeit befindliche Post-Prog/AOR-Album, eine echte Herzensangelegenheit, Dan Swanö selbst nennt es sein wertvollstes Projekt - d. Verf.)

Du hast im Zusammenhang mit WITHERSCAPE von einem "Comeback" gesprochen. Wirklich weg warst Du ja nie, wie ist das genau gemeint?

Ich habe seit 2004 und "Better Safe Than Sorry" keinen vernünftigen Track mehr geschrieben, deshalb ist es für mich ein Comeback als Songwriter. Ich hatte musikalisch gesehen praktisch fast nichts mit "White Darkness" zu tun, und bei ODYSSEY waren es nur Cover-Versionen. Natürlich saß ich 24 Stunden am Tag hier in meinem Studio und habe mir den Arsch für andere Bands abgearbeitet, Mixing/Mastering-Zeug. Aber als kreativer Musiker war ich für eine ganze Zeit in einem Koma. So gesehen ist es für mich ein Comeback als schreibender Musiker!

Was sind die nächsten Pläne für WITHERSCAPE?

Wir reden momentan über eine Vinyl/Download-EP, die innerhalb von einem Jahr oder so veröffentlicht werden soll… Darauf werden zwei bis drei Cover im WITHERSCAPE-Stil sein, ein neuer Track und vielleicht eine Akustikversion von "Dead For A Day". Wir werden sehen! Momentan muss ich erst einmal meine Promotion-Verpflichtungen erfüllen, danach stelle ich die neue NIGHTINGALE fertig, und dann werden wir sehen, was passiert!

Könntest Du Dir such vorstellen, WITHERSCAPE eines Tages auf die Bühne zu bringen? Und welche Rolle würdest Du dabei übernehmen?

Das würde ich liebend gerne. In meiner Vorstellung haben wir bereits einige Male live gespielt… Ich bin der Drummer und mache den Klargesang. Ragz kümmert sich um die Gitarren, und wir holen uns einen Bassisten/Growler (ich habe bereits einen im Auge). Und einen Keyboarder, der auch ab und zu die Rhythmusgitarre übernehmen kann. Ich bin sicher, das würde großartig klingen. Und es wäre komplett ohne Backing Tracks oder Klick, richtig schön organisch! Ich hoffe, dass uns ein Promoter etwas Geld anbieten wird, um die Sache ins Rollen zu bringen, denn leider sind gute Mietmusiker nicht billig!

Vielen Dank, Dan!

Danke für das Interview!