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Interview mit UPRISING (26.07.2024)

UPRISING

Sein Black-Metal-Projekt UPRISING versteht Multiinstrumentalist Winterherz (Waldgeflüster) als dezidiert politisches Unterfangen, mit dem er unmissverständliche Botschaften transportiert. Während er auf den ersten beiden Alben eine im weiten Rund der Metal-Musik keineswegs unübliche Sozialkritik übte, wettert der Musiker auf dem dritten Langspieler u.a. gegen jene Ignoranten, die den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel leugnen - "(while) the world is burning", wie es im gleichnamigen Song heißt. "III" ist demnach stark geprägt von seiner Verzweiflung und Wut, jedoch auch von dem Willen, die Hörerschaft musikalisch zu bewegen, nicht um zu sagen: in den Allerwertesten zu treten. Zum gelungenen Endergebnis hat Schlagzeuger Austin Lunn (Panopticon) mit beherzter Performance beigetragen, die "III" über das Niveau zahlreicher Studioprojekte hebt. Zwei Ohrwürmer auf "III" packten mich dermaßen ungeniert am Schlafittchen, dass ich kaum umhinkam, den aufstrebenden Musiker mit Fragen zu behelligen…

Grüß Dich, Winterherz, und danke, dass Du Dir Zeit für meine Fragen nimmst! Früher war häufiger davon zu lesen, dass ein drittes Album die Entscheidung "make it or break it" besiegelt. Seitdem haben sich vielfältige Möglichkeiten von Eigenproduktionen und -veröffentlichungen eröffnet, und nun veröffentlichst Du das dritte UPRISING-Album über AOP und durch die damit verbundene Promo dürften deutlich mehr Menschen auf Dein Projekt neben Waldgeflüster aufmerksam werden. Wie nimmst Du das wahr: Stellt "III" für Dich einen besonderen Schritt nach vorne dar?

Grüße dich. Die Zusammenarbeit mit AOP ist natürlich schon ein Schritt nach vorne. Aber das war nie unbedingt das Ziel mit "III". Ich hatte einfach nur wieder den Drang, meinem Ärger Luft zu machen.

"III" ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie eine Zusammenarbeit von Musikern gelingen kann, die nicht ein einziges Mal zusammen im Proberaum oder im Studio an den Songs arbeiten. Ich gebe zu, dass ich diesbezüglich Vorbehalte hatte, und bin wirklich beeindruckt, wie kraftvoll, dicht und organisch das Endergebnis klingt. Ich schätze, dass eine solche Produktion trotzdem einige graue Haare wachsen lässt?

Um ehrlich zu sein, nicht wirklich. Wie ich schon mehrfach erzählt habe, habe ich bei UPRISING nicht unbedingt einen künstlerischen oder kreativen Anspruch an mich oder das Endprodukt. Im Vordergrund steht die möglichst direkte Übersetzung der Emotion - zumeist Wut - und dass die Songs - aus Mangel eines besseren Adjektivs - "rocken". Ich habe mir inzwischen ein kleines, beschauliches Home Recording Studio aufgebaut – und vor vier Wochen dank Klimawandel zum zweiten Mal Wasser drin gehabt – und so schreibe ich dort die Songs und nehme dann gleich alle Gitarren und Vocals auf. Austin hat die fertigen Stücke inklusive Drum Computer von mir bekommen und dann einfach mit der Vorlage sein eigenes Ding durchgezogen. Oftmals ist er nah drangeblieben, aber er hat den Songs insgesamt mehr Groove und auch noch eine ordentliche Schippe mehr Aggression verliehen. Mit Markus Stock habe ich jetzt auch zum dritten Mal für Mixing und Mastering zusammengearbeitet. Wir ticken ähnlich und er wusste genau, was die Platte brauchte. Du siehst also: Bei der Entstehung von "III" sind keine grauen Haare gewachsen. Sobald UPRISING in wirkliche Arbeit ausarten würde, würde ich das Projekt auch erstmal pausieren. Das würde allem seine Leichtigkeit und Spontanität nehmen; beides Merkmale, die für mich unbedingt gegeben sein müssen bei diesem Projekt. Es ist sozusagen mein musikalischer Urlaub von Waldgeflüster.

Mit "Uprise III" und "While The World Is Burning" habt Ihr zwei Songs aufgenommen, deren Klargesang-Passagen absolute Ohrwurm-Qualität haben und mich vom Fleck weg mitreißen. Hast Du in dieser Hinsicht "Vorbilder"?

Maynard James Keenan ist und bleibt vermutlich mein größtes gesangliches Vorbild. Ich hoffe zumindest, dass man das auch irgendwie raushören kann. Bei der ruhigen Passage am Ende von "While The World Is Burning" habe ich mich aber tatsächlich von Corey und Slipknot inspirieren lassen. Auch er ist für mich einer der großen Sänger unserer Zeit.

Nicht nur ist der Text von "A Message To The Hypocrites" sehr, sehr eingängig – und toll, dass Du darin selbstkritisch anmerkst "I know I simplify" – sondern auch der "nur" vierminütige Song selbst entpuppt sich als die viel zitierte "Faust in die Fresse", die mit schwarzmetallischem Grimm zuschlägt – die perfekte Nummer, um ein Konzert mit einer totalen Verausgabung zu beenden?

Ha, das wäre sogar eine Idee für den letzten Song. Noch habe ich aber nicht über eine mögliche Setlist für das nächste Konzert nachgedacht. Das mit dem "I know I simplify" war mir tatsächlich wichtig: Es ist einfach unmöglich, in ein paar Zeilen alle Themen gesamtheitlich und vollkommen fair zu betrachten und noch einen guten Song zu liefern. Deswegen kann Musik immer nur Anstoß für eine Diskussion geben, aber nie als "die" Wahrheit dienen. Das ändert aber nichts daran, dass mir Nazis und besorgte Bürger auf den Sack gehen.

Im Deaf-Forever-Forum machte mich kürzlich jemand auf politische Diskursverschiebungen im Metal aufmerksam, und angesichts aktueller sozialer Entwicklungen und medialer Reflektionen finde ich es angemessen, das Thema in den Blick zu nehmen. Mein Eindruck ist, dass UPRISING einerseits Diskurse gegen soziale Ungerechtigkeit aufgreift, wie sie im Metal vor Jahrzehnten schon bei vielen Bands typisch waren, und wie sie andererseits im Black-Metal-Underground bis vor wenigen Jahren doch eher untypisch waren. Wie siehst Du das, und welche Intention würdest Du Dir nachsagen lassen: Muss der Frust über bestimmte Themen einfach raus, oder verfolgst Du mit UPRISING sogar eine "politische Strategie", also zum Beispiel, möglichst viele Menschen aufzurütteln, weil mit weltabgewandtem Eskapismus im romantischen Black Metal nicht viel zu retten sein wird?

Ich hatte als Heranwachsender die Fantasie, dass Metal im Allgemeinen eher progressiv und voller Bedeutung ist. Je älter ich wurde, desto mehr musste ich anerkennen, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Die Metal-Szene insgesamt wirkt auf mich inzwischen ziemlich konservativ und viele Songs scheinen sich einfach nur um Fantasy oder die immer gleichen "bösen" Phrasen zu drehen. Für mich war es immer wichtig, dass Musik etwas zu sagen hat, sei es emotional oder sozialkritisch. Dabei geht es mir bei UPRISING aber nicht unbedingt um das Aufrütteln Anderer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein kleines Black-Metal-Projekt die Leute in ihren Überzeugungen umstimmen wird. Mir geht es hauptsächlich darum, die Wut, die ich im Bauch spüre, irgendwie rauszulassen und zumindest irgendwas zu tun. Ich bin ehrlich gesagt kein großer Demo-Geher. Wir waren zwar auf der Anti-AfD-Demo in München, aber für mich sind das einfach zu viele Menschen, ich pack‘ das nicht. Ich hoffe, wenigstens mit meiner Musik ein Statement geben zu können und vielleicht ein paar Leuten den Soundtrack für die nächste Demo zu geben.

Zur Vorbereitung auf dieses Interview habe ich auf der Fratzenbuch-Seite von UPRISING gesehen, dass Du dort auch auf Kommentare eingehst, die unverhohlen gegen die politischen Botschaften ätzen, die Du in Deinen Texten formulierst. Ich meine es ernst, wenn ich "Hut ab davor!" sage, denn unabhängig davon, ob ich Dir in jedem Detail beipflichte, besteht für mich rein gar kein Zweifel daran, dass die Inhalte von UPRISING mehr denn je relevanter und diskussionswürdiger sind als antichristliche Floskeln und ähnliche, längst ausgereizte Klischees. Woher nimmst Du Energie, Dich so zu engagieren, und wie oft gerätst Du derweil an Deine Grenzen? Was würdest Du Dir in dieser Hinsicht von der Metal-Szene wünschen?

Um ehrlich zu sein, habe ich die Diskussion nach zwei Tagen eingestellt und lösche alle Dummbeutel-Kommentare in Zukunft. Sachliche Kritik an meiner Musik oder eine ernstgemeinte und offene Diskussion bezüglich eines Themas sind natürlich nicht davon betroffen. Es wurde aber einfach zu anstrengend. Es gibt mehr Trolle als mich und ich habe Besseres zu tun, als den ganzen Tag auf Fratzenbuch zu diskutieren. Ich kann die Statements aber auch nicht unkommentiert stehen lassen, dann würde ich den Kollegen ja sozusagen eine Plattform bieten - und das will ich auf keinen Fall. Also bleibt mir leider nichts anderes übrig, als ab einer gewissen Grenze zu löschen.

Danke Dir für Deine Zeit und für ein Album, das nicht nur musikalisch wachrüttelt und beherzt Ärsche tritt. Ich wünsche Dir einen intensiven Widerhall, der neben wohl unvermeidlichem Driss auch Ermutigendes beinhaltet! Glück auf!

Danke!

Thor Joakimsson (Info)
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