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Interview mit Evergrey (27.10.2008)

Evergrey

EVERGREY haben gerade mit "Torn" das siebte Studioalbum veröffentlicht, doch es gibt noch mehr Neuigkeiten bei den Schweden: Man hat mit SPV eine neue Plattenfirma gefunden, und auch das Line-Up hat sich verändert. Wir durften mit Sänger Tom S. Englund sprechen.

Hi Tom, Gratulation zum neuen Album! Ich mag alle eure Arbeiten, aber diesmal habe ich mich etwas besser und schneller zurecht gefunden, verglichen mit den letzten Alben. Bei diesen schien es, als wolltet ihr etwas mehr ausprobieren, was das Ergebnis etwas vielfältiger machte, aber auch weniger eingängig. "Torn" dagegen scheint im Gesamten fokussierter zu sein, aber auch jeder einzelne Song kommt sehr schön auf den Punkt, ohne die typischen Wendungen und Überraschungen vermissen zu lassen. War dies eine bewusste Entscheidung, oder warum glaubst Du kam es zu diesem Ergebnis?

Wir wollen immer einige Dinge etwas anders machen, und kein EVERGREY-Album klingt wie das andere. Und wir sind bei jeder Aufnahme immer sehr darauf konzentriert, unsere Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Diesmal wollten wir kein Konzeptalbum machen, also haben wir versucht, jedem Song seine eigene Geschichte zu erhalten. Das war die Art Album, die uns vorschwebte, als wir an die Aufnahmen gingen, und wir hatten keine Angst, einfach loszulegen, verschiedene Dinge zu probieren und uns noch ein bisschen mehr zu pushen. Also würde ich sagen, dass es zunächst eine unbewusste Entscheidung war, aber je mehr Stücke wir schrieben, desto mehr wurde uns klar, in welche Richtung es gehen sollte.

Du wurdest zitiert mit der Aussage, das neue Album sei ein moderner Mix aus "In Search Of Truth" und "Recreation Day". Um ehrlich zu sein, zunächst klang das für mich nach einer Marketing-Strategie, da diese beiden wahrscheinlich die Lieblingsalben der Fans sind. Aber nach einigen Durchläufen muss ich sagen, dass etwas Wahrheit darin steckt: Oft erinnert die Atmosphäre, das Riffing und auch die Songstrukturen ein wenig an "In Search Of Truth", wogegen die Sounds, Arrangements und die Produktion etwas moderner sind, eher in Richtung "Recreation Day". Wie siehst Du das?

Als ich diesen Biographietext geschrieben habe, wurde ich dauernd gefragt, wie ich das Album beschreiben würde, ob ich denke, dass es unsere bisher beste Arbeit ist, u.s.w. Und natürlich ist es immer deine beste Arbeit, wenn du gerade ein Album aufgenommen hast, aber grundsätzlich wird Dir jeder Künstler diese Antwort geben. Ich bin einfach nur all diese "Fanboys" leid, die alles vergleichen, was wir tun. Es wäre ihnen egal, ob wir ein ruhiges oder sehr hartes Album machen würden, das erste wäre ihnen nicht ruhig genug, das zweite zu wenig heavy. Also habe ich einfach gesagt, es sei eine Mischung aus "In Search Of Truth" und "Recreation Day", weil ich ein wenig Ironie ins Spiel bringen wollte. Wenn es das ist, was die Fans hören wollen, dann sage ich es!

Einige Hörer schienen sich am "Stilwechsel" beim letzten Album "Monday Morning Apocalypse" zu stören, dabei waren die Songs eigentlich immer noch EVERGREY-typisch, nur die Produktion und einige Arrangements waren anders. Hat Dich diese Reaktion überrascht, und hatte dies eventuell Einfluss auf die Herangehensweise für "Torn"?

Nun ja, jedes unserer Alben war bisher anders, soundmäßig. Ich weiß nicht warum, aber wenn wir neue Songs schreiben, ist das immer auch eine Reflektion des Lebens, das wir gerade führen, und wie wir uns zu dieser Zeit fühlen. Als wir "Monday Morning Apocalypse" schrieben und aufnahmen, hatten wir sehr viel getourt und unsere alten Songs sehr oft live gespielt. Das hat hauptsächlich unser Songwriting, aber auch den Sound auf "Monday Morning Apocalypse" beeinflusst. Bei "Torn" hatten wir sehr schnell eine Idee davon, welchen Klang und welches Feeling wir wollten, und dann half uns Frederik Nordström, einen guten Sound einzustellen und den Mix zu erledigen. Ich weiß nicht, ob das Ergebnis von "Monday Morning Apocalypse" soundtechnisch einen Einfluss auf "Torn" hatte, aber wir haben viel gelernt, kleine Dinge und Tricks, die wir wieder verwendet haben.

Dinge, die ihr von der Arbeit mit außenstehenden Produzenten gelernt habt? Habt ihr andere vielleicht auch wieder verworfen?

Ja, sicher. Wie gesagt, es gab eine Menge nützliche Dinge, die wir von den Produzenten gelernt haben. Dann gab es wieder andere Sachen, die nicht zu unserer Musik gepasst haben, aber es ist immer gut, ein paar mehr Tricks zu kennen.

Diese Mal hast Du wieder die Produktion übernommen, zusammen mit Jonas Ekdahl. Es scheint, als würde er mit jedem Album mehr eingebunden, von der Schlagzeugarbeit, über das Songwriting, nun hin zum Produzieren. Wie würdest Du seinen Einfluss auf "Torn" beschreiben?

Ich und Jonas arbeiten sehr gut zusammen, und wir schrieben etwa 70 Prozent der Songs auf "Torn", deshalb war es nur logisch, dass wir das Album selbst produzierten.

Und was für eine Rolle spielte Henrik Danhage dieses Mal? Euer Gitarrist war in den letzten Jahren ja auch immer in die Produktion involviert.

Henrik hat auch eine Menge beigesteuert, ich würde sagen, dass er die restlichen 30 Prozent komponiert hat. Aber er hat seine Songs lieber zu Hause geschrieben, während ich und Jonas zusammen bei mir gearbeitet haben. Es hat sich also einfach während der Aufnahmen so ergeben, dass wir beide die Führung übernommen haben. Ich denke, Henrik hat sich damit wohlgefühlt, aber er war trotzdem stark beteiligt an den Aufnahmen.

Evergrey - Torn

Die Texte auf "Torn" scheinen sehr persönlich zu sein, oder zumindest jeweils aus sehr persönlichen Perspektiven geschrieben. Oft klingt es auch, als würdest Du direkt jemanden ansprechen.

Die Texte auf diesem Album behandeln so ziemlich die gleichen Themen wie jedes andere EVERGREY-Album, abgesehen von "In Search Of Truth", das auf einem Buch über Entführungen durch Außerirdische basierte. "Torn" handelt von der menschlichen Psyche, von Dingen, die ich entweder selbst erlebt habe, oder die mich tief berührt haben. Für mich sind meine Texte so, als ob ich mit meinem besten Freund über meine innersten Gefühle und Gedanken reden würde. Natürlich spreche ich auch mit Freunden, aber die Texte sind meine Art, alles zu erfassen und mich wirklich damit auseinander zu setzen. "Broken Wings", der erste Song auf dem Album, ist eine Art moderne "Cinderella"-Geschichte. Er handelt von einem adoptierten Kind, das in ein Haus kommt. Mehr werde ich nicht verraten... Ihr könnt es selbst herausfinden, schaut euch das Video auf Youtube an:

http://www.youtube.com/watch?v=4GKtE835hw8

Ihr habt einen neuen Bassisten, Jari Kainulainen. Eure Musik unterscheidet sich ziemlich von der seiner ehemaligen Band, STRATOVARIUS. Wie seid ihr auf ihn gekommen?

Wir hatten eine Audition und eine Art Wettbewerb auf unserer Homepage, jeder konnte sein Material einschicken. Wir hatten 400 Bewerber. Einige probierten wir aus, dann bekam ich einen Anruf von einem befreundeten Journalist, der meinte, er wüsste den richtigen Mann. Wir sagten ihm, er solle kommen und vorspielen, wie alle anderen. Das machte er, und nach weniger als fünf Minuten war unsere Entscheidung gefallen. Er ist einer der besten Bassisten, die ich je gehört habe. Zusammen mit all seiner Tourerfahrung macht ihn das so wertvoll. Und Jari passt einfach perfekt zur Band. Weil er so ein großartiger Musiker in allen Belangen ist, kann er sich mühelos unserem Stil anpassen.

Konnte er bereits etwas beisteuern oder Einfluss nehmen?

Während der Aufnahmen zu "Torn" wollten wir, dass er wirklich alles herauslässt. Dass er sein Können einsetzt, anstatt es zu verstecken. Das brachte die Songs auf ein neues Level.

Wie sieht das bei euch eigentlich aus, probt ihr noch regelmäßig gemeinsam? Immerhin kommt Jari aus Finnland.

Wir proben nur vor Auftritten, aber jetzt, wo wir ein neues Album veröffentlicht haben, müssen wir die neuen Songs einstudieren. Deshalb versuchen wir, etwas regelmäßiger zu proben. Und jeder übt auch für sich alleine. Aber ich denke, diese Herangehensweise ist ziemlich üblich, da wir so oft live spielen. Und wenn mal keine Gigs anstehen, will man auch nicht gleich proben, wenn man nach Hause kommt. Obwohl es schon sehr viel Spaß gemacht hat, die neuen Songs einzustudieren.

Ihr verwendet immer sehr viele Gitarrenharmonien, für Leads, aber auch bei den Riffs, und sie klingen wirklich fantastisch und sehr tight. Deshalb habe ich mich immer gefragt, wie ihr bei Aufnahmen vorgeht, nimmt jeder seine Parts doppelt auf, oder teilt ihr euch das auf wie in einer Live-Situation?

Wir haben bisher bei jedem Album Overdubs für die Rhythmusgitarre verwendet, vier, fünf, manchmal sogar sechs Spuren. Auf "Torn" haben wir nur zwei Rhythmusgitarren verwendet, was alles viel tighter und aggressiver klingen ließ. Es ist komisch, dass man das durch Weglassen und Aufnehmen von weniger Spuren erreicht. Aber weniger ist wohl mehr. Und noch etwas, da wir nur zwei Kanäle aufnahmen, mussten wir besonders genau mit unserem Spiel sein, da man jeden kleinen Fehler hört. Das war manchmal nervenaufreibend, aber das Resultat ist großartig, und das ist alles was zählt.

Die Harmonien haben wir danach aufgeteilt, wer welchen Song geschrieben hatte. Bei meinen Songs spielte ich alle Harmonien und Henrik bei seinen. Es ist einfach nur Zeitverschwendung, wenn ich oder Henrik die Harmonien des jeweils anderen für die Aufnahme lernen und spielen müssen. Uns ist es egal, wer letztendlich was spielt, so lange es gut klingt. Noch einmal, wichtig ist das Endresultat.

Wie sehen eure Tourpläne für "Torn" aus?

Bei diesem Album werden wir mit einer Menge Shows in Schweden starten, dann einige weitere im Rest Skandinaviens. Anstatt es so wie immer zu machen und zuerst nach Amerika zu gehen oder eine wirklich lange Europatour zu machen, haben wir uns diesmal anders entschieden und wollen es einmal so versuchen. Danach werden wir in Ländern auftreten, die wir auf einer regulären Europatour nicht besuchen, weil die Entfernungen zu groß sind, wie etwa Russland, Rumänien, Polen oder Griechenland. Dann werden wir entweder eine Amerika- oder eine große Europatour machen.

Wollt ihr lieber als Support auf eine Tour aufspringen, oder eure eigenen Konzerte durchziehen?

Es kommt alles auf die jeweilige Gelegenheit an, denn wir machen es nicht einfach nur um des Tourens Willen. Wir wollen sicherstellen, dass es die richtige Tour ist, die sich für uns lohnt, aber auch die richtigen Zuschauer erreicht.

Euer Vertrag mit SPV erstreckt sich nicht nur über neue Alben, sondern auch den ganzen Back-Katalog. Was können wir von dieser Zusammenarbeit erwarten, werdet ihr die alten Sachen neu auflegen und in welcher Form?

Wenn wir die Veröffentlichung des Back-Katalogs planen, werden wir natürlich Extra-Material auf die Alben packen. Wir haben einige coole Ideen, aber nichts ist bis jetzt spruchreif. Wir könnten eine Stunde DVD-Material für jeden Abschnitt der Bandhistorie hinzufügen, einige obskure Akustik-Auftritte oder Radio-Takes, oder was auch immer. Aber es muss sein Geld wert sein. Es kann nicht einfach nur ein neues Booklet mit einigen zusätzlichen Seiten und ein neuer Song sein. Damit würden wir nur den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, und das wollen wir auf keinen Fall.

Vielen Dank für dieses Interview!

Daniel Fischer (Info)
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