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Knorkator - Hamburg, Große Freiheit 36 - 29.03.2014
KNORKATOR gehören zu den besten Live-Bands Deutschlands, und das haben sie einzig und allein ihrem Vorturner Stumpen zu verdanken. Der Mann mit dem Körperbau von Spongebob und der Energie eines Sechsjährigen unterhält eine Konzerthalle stundenlang, ohne zwischendurch auch nur Luft holen zu müssen. Stumpen hat sich selbst im Song „Die Narrenkappe“ am besten beschrieben: Er traut sich ganz viele Dinge, die andere nicht zustande bringen, er springt herum, pöbelt und schreit „Fotze-Pisse-Kacke-Arsch-ficken-scheißen“. Er macht das, was jeder von uns gerne mal machen würde und das ist vielleicht das Geheimnis dieser Band, deren Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad stetig zu steigen scheint.
An diesem Abend geben KNORKATOR sich in der Großen Freiheit 36 mitten auf dem Hamburger Kiez die Ehre. Die Halle ist prall gefüllt, auch oben an der Balustrade, die einmal um den Saal geht. Etwa 1000 Fans sind gekommen. Eine Vorband gibt es nicht, denn KNORKATOR müssen ihr Publikum nicht aufwärmen. Schon bei der eröffnenden „Hymne“ vom neuen Album kocht die Stimmung, bei „Schwanzlich Willkommen“ entstehen die ersten Mosh-Pits und beim Refrain von „Ding inne Schnauze“ drehen alle durch, die nicht zu cool dafür sind.
Neben den Urmitgliedern Stumpen, Alf Ator (Keyboard, Gesang) und Buzz Dee (Gitarre) gehören Drummer Sebhead Emm und Bassist Rajko Gohlke inzwischen zum festen Line-Up dieser Band, die in ihren Anfangstagen noch einen Drumcomputer die Rhythmusarbeit erledigen ließ. Es gibt auch eine neue Gitarristin, die ganz hübsch anzusehen ist, ansonsten aber im Hintergrund bleibt. Die Bühne gehört, wie bei jedem KNORKATOR-Konzert, sowieso nur einem: Stumpen, dem hyperaktiven Rumpelstilzchen mit der Falsettstimme.
Zu unserer Gruppe gehört an diesem Abend einer, der KNORKATOR nur vom Hörensagen kennt und sich zehn Minuten vor Konzertbeginn spontan eine überzählige Karte gekauft hat. Er kommt aus dem Lachen nicht mehr raus und singt mit, obwohl er die Songs nicht kennt. Das geht bei KNORKATOR ja auch kaum anders: Hier ist alles auf Eingängigkeit und Spaß ausgerichtet. Wehren kann sich keiner. Selbst, wenn die Mucke nicht dein Ding ist, bist du spätestens dann begeistert, wenn Stumpen das erste Mal sein Publikum beschimpft und die Fotografen, denen das sichtlich unangenehm ist, mit auf die Bühne holt.
KNORKATOR spielen fast zwei Stunden lang eine Best of-Show, die fast alle Hits enthält, von „Böse“ bis „Der ultimative Mann“, und dazu einige selten gespielte Perlen wie „Mich verfolgt meine eigene Scheiße“ und „Der Werwurm“. Bei letzterem Song steigt Stumpen in eine Plastikhülle, aus der dann die Luft gesogen wird, bis sie wie eine zweite Haut an ihm klebt. Beim zweiten Refrain befreit er sich, das sieht aus wie die „Geburt“ des ersten Uruk-Hais im „Herrn der Ringe“.
Es gibt noch weitere solcher Showeinlagen, für die KNORKATOR bekannt-berüchtigt sind, etwa ein Badminton-Spiel zwischen Stumpen und Bandleader Alf bei der KNORKATOR-Version von „Ma Baker“ oder Alfs fahrendes Keyboard-Gestell. Wer die Band seit längerem nicht mehr live gesehen hat, wird allerdings enttäuscht, denn früher ging da erheblich mehr. Bei meiner letzten KNORKATOR-Show vor elf Jahren passierte so viel, dass ich mich gar nicht an alles erinnern kann. Ich weiß noch, dass mit Brot und Laub geworfen wurde. Aber bei 27 (!) Songs muss die Band sich mehr auf das Wesentliche konzentrieren, und das ist die Musik. Stumpen liefert auch ohne Gimmicks eine fantastische Show ab.
Irgendwann wird die Spielzeit dann doch lang. Vor allem tun einem die Leute leid, die vorne im Circle-Pit gefangen sind, meilenweit von den Bars entfernt. Es spricht für KNORKATOR und die Qualität ihrer Songs, dass es ihnen gelingt, das ermüdete Publikum mit Highlights wie „Alter Mann“, „Konrad“ und „Du nich“ nochmal und immer wieder mitzureißen. Möglicherweise wäre es aber gar nicht erst zu jenen Ermüdungserscheinungen gekommen, wenn die Band auf mittelmäßige neue Nummern wie „Fortschritt“ und „Zoo“ verzichtet hätte. Die Live-Knaller sind auf dem aktuellen Album „We Want Mohr“ leider rar gesät. Dennoch: Auch im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens sind KNORKATOR eine sichere Bank. Die Mischung aus Anarcho-Comedy und Neuer Deutscher Härte bleibt einmalig, die Stimmgewalt und die Entertainer-Qualitäten des Frontmannes sowieso.
[Fotos: Hannah Breitenfeld, Hamburg]