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Neurotic Deathfest 2010 Day 2 - 013, Tilburg - 01.05.2010

Neurotic Deathfest 2010 Day 2, 1. Mai 2010
Auch das Billing für Tag 2 in Tilburg versprach Unterhaltung der gehobenen Klasse, mit CARCASS standen gar die Großväter des Grindcore auf dem Programm, aber immer schön der Reihe nach.

Den täglichen Reigen eröffnete kurz nach Mittag PUTRID PILE, ein Brutal-Death Metal Einzelkämpferkommando mit Drummaschine. Das ist schon irgendwie unterhaltsam und nicht so schlimm, wie es sich im ersten Moment anhört, aber irgendwie fehlt auch was.
Auf der Main Stage waren dann ORIGIN zugange, ein Blick auf den Bassisten mit Instrument auf Brustkorbhöhe ließ erahnen, was dann auch tatsächlich folgte, Frickel-Death auf höchstem technischen Niveau, als Bassist war ich natürlich beeindruckt, als Mensch nicht, irgendwie ertrage ich diese Musik nur von NEURAXIS, wo ist da die Seele?


Während ich so auf DYING FETUS wartete, machte ich die Bekanntschaft von drei  Menschen aus Osnabrück, die mich aufgrund eines OX-Interviews erkannten und sich als sympathische Zeitgenossen herausstellten. Das angebotene Bier im Bus „um die Ecke“ lässt mich dann fast oben genannte verpassen, da die Ecke doch etwas weiter weg ist. Für die letzten Songs von DYING FETUS reicht es dann doch noch, deren Scheiben fristen in meiner Sammlung langfristig gesehen doch eher ein Schattendasein, sind zwar nicht schlecht, aber eben auch nicht die Burner. Irgendwie liegt mir der Ableger MISERY INDEX deutlich mehr. Der Eindruck der Konserven bestätigt sich, solide, ein paar gute Songs, allen voran mein privater Hit „One Shot, One Kill“, das war es.
Immolation Neurotic Deathfest 2010
BENEATH THE MASSACRE fallen dem zu kleinen Raum mit zu vielen stinkenden Langhaarigen zum Opfer, also zurück zu den Amis IMMOLATION, deren aktuelle Scheibe „Majesty And Decay“ ich auf diesen Seiten hier über den grünen Klee gelobt habe. Und wie sich herausstellt, absolut zu Recht. Fantastische Band sympathischer Metalheads, denen Arroganz fremd ist und die auf eine ganze Latte echter Old-School-Hits zurückgreifen können. Die Anzahl der Banger steigt wieder deutlich an, was die Band mit breitem Grinsen quittiert und einige Songs des aktuellen Werkes einstreut, was wiederum ich mit breitem Grinse quittiere und mich auf die für den Herbst angekündigte Tour freue.

Nach dem Abendbrot dann LOCK UP. Auf die Frage meiner neuen Begleiter, was das denn für Musik sei, kann ich nur lapidar mit: „Grindcore“ antworten. So gerne ich Tompa Lindberg als Sänger mag, so ungern gebe ich zu, dass seine Stimme nicht so perfekt zu diesem derben Grind passt, wie Tätgrens Organ auf LOCK UPs erster Scheibe. Aber was auf Silberling gilt, muss live nicht richtig sein und das All-Star-Projekt aktuell bestehend aus Shane Embury (NAPALM DEATH), Tompa Lindberg (Ex-Alle), Nick Barker (Ex-Alle-Und-Noch-Mehr),  und Anton Reisenegger (PENTAGRAM, CRIMINAL), der den verstorbenen Jesse Pintado ersetzt, gibt gleich ordentlich Gummi. Eine gewisse Ähnlichkeit zu NAPALM DEATH ist nicht ganz zu verschweigen, aber LOCK UP sind noch eher klassischer Grind, bei der Besetzung erwartungsgemäß auf technisch höchstem Niveau. Der Spaß an der Sache ist der Band anzumerken, rasend und unverkrampft metzelt man sich durchs Set, das eine ganze Reihe Perlen wie „Feeding On The Opiate“, „Hate Breeds Suffering“ und „The Jesus Virus“ enthält. Alles natürlich nicht ohne eine große Geste zu Ehren von Jesse Pintado, der spontan genauso viel Applaus erhält, wie seine lebenden Kollegen.lock up neurotic deathfest 2010

Kleine Abwechslung mit KICKBACK aus Paris, Hardcore mit Psychotouch, unter dem Aspekt, dass Franzosen keine Musik machen können (Ich liebe meine Vorurteile) eigentlich ganz gut, dieses Brutalo-Stage-Acting mit Hip-Hop-Einlagen ist aber nicht unbedingt mein Ding. Dasselbe gilt für PESTILENCE, „Hollands Pride“, wie Tompa Lindberg sie im LOCK UP-Set tituliert. Mag die Band auch wegweisend in der holländischen Szene gewesen sein, die aktuelle Besetzung um das einzige Originalmitglied Patrick Mameli und ohne Martin Van Drunen wirkt zwar technisch perfekt, aber seltsam leer und emotionslos. Zwei Songs, dann ist ein netter Plausch mit Tom vom deutschen Grindlabel Power It Up angesagt, um die Zeit bis zu CARCASS zu überbrücken.

carcass neurotic deathfest 2010CARCASS, Helden meiner Jugend, deren „Symphonies Of Sickness“ 1989 meine erste Begegnung mit Death Metal war, und die ich einem Punk-Kollegen mit den Worten: „Das ist die Musik der Zukunft“ vorspielte. Nach diversen Gigs im ersten CARCASS-Leben und der rückblickenden Feststellung, dass jede gottverdammte CARCASS-Scheibe ihrer Zeit und anderen Bands immer einen Schritt voraus war, betrachtete ich die Live-Reunion 2008 eher skeptisch, aber nach dem eher durchwachsenen Wacken-Auftritt überzeugte mich die Band schon letzten Sommer wieder auf dem Waldrock-Festival, da sie zu ihrem arschtighten Zusammenspiel und ihrer Power zurückgefunden hatte. Entsprechend hoch waren natürlich die Erwartungen im Rund, als der britische Vierer die Bühne erklomm. Was soll ich lange lamentieren, der Gig war nahezu perfekt, Songs aus allen Phasen vom rudimentären Pathologen-Grind der ersten Stunde bis hin zum letzten melodischen Werk „Swansong“ wurden zum Besten gegeben. Auch nach über zwanzig Jahren sind CARCASS frisch und unverbraucht, Jeff Walker ist zwar nicht körperlich gewachsen, gibt aber inzwischen den Unterhalter mit staubtrockenem britischen Humor zwischen den Songs, die durch die Bank Hits sind. Wenn sich eine Re-Union gelohnt hat, dann diese. Oder um es mit Toms Worten zu sagen: „CARCASS sind einfach das Original. Punkt.“ Dem ist nicht hinzuzufügen, besser konnte es nicht werden, Zeit fürs Bett und den beschwerlichen Heimweg am nächsten Morgen. Da waren noch die beiden Typen, die den Tankautomaten der Erdgastankstelle manipulieren wollten, aber das ist eine andere Geschichte und jeder Mensch muss ja irgendwie durchs Leben kommen.
Sincerely, yours Dr. O.

Dr. O. (Info)