Wir hatten euch ja im Rahmen des Interviews mit der hochschwangeren Darja Borowikowa, deren Mann ein Unterstützer von A. Nawalny ist und der unter fadenscheinigen Gründen, nur weil er vor mehreren Jahren das RAMMSTEIN-Video "Pussy" unter seinem Online-Profil teilte, wegen Verbreitung von Pornografie in Russland zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, versprochen, an der Sache dranzubleiben, gerade weil RAMMSTEIN trotz der intensiven Bitte der Borowikows bis auf dem Instagram-Profil von Paul Landers keine Hilfe bzw. Unterstützung signalisierten.
Also schrieben wir diesen Brief an das RAMMSTEIN-Management:
Liebe Rammstein(e),
gestattet, dass ich mich euch kurz vorstelle, was nur wichtig ist, um den Hintergrund für diesen Brief an euch zu klären.
Mein Name ist Thoralf Koß und ich leite in meiner Freizeit eine sehr große Online-Musikseite, die Musikreviews.de. Außerdem bin ich wie ein Großteil von euch in der DDR aufgewachsen, war aktiv im Widerstand, was mich auch meinen Beruf als Lehrer kostete und mir eine 270 Seiten starke Stasi-Akte (Viele weitere Seiten daraus wurden zuvor vernichtet!) unter dem Namen „Der Verbesserer“ einbrachte. Ähnlich wie ihr als FEELING B musikalisch gegen die Diktatur der DDR ankämpftet, versuchte ich dies im Bildungsbereich. Ein verhängnisvoller Versuch.
Doch darum soll es nicht gehen, sondern um ein Interview, das einer meiner Gast-Redakteure, ARDY BELD (Übersetzer für Russisch und Deutsch sowie freiberuflicher Journalist in Holland), heute für unsere Seite verfasst hat und in der es um ANDREI BOROWIKOW geht, der wegen eines Videos von euch („Pussy“), das er im Jahr 2014 auf sein Online-Profil gestellt hat, nun (nach einer hinterhältig gestellten, denunziatorischen Falle) wegen Verbreitung pornografischer Inhalte zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Borowikow leitete das FBK-Unterstützerbüro von ALEXEI NAWALNY in Archangelsk, womit klar wird, warum Borowikow in Russland aus dem Verkehr gezogen werden musste. Unser Interview wurde mit Borowikows hochschwangerer Frau geführt, die als absoluter Insider ihren Mann auch bereits im Gefängnis besuchte und uns über alle Hintergründe aufklären konnte.
Leider geht aus dem Interview auch hervor, dass sich Borowikow, als gegen ihn im September 2020 Klage eingereicht wurde, weil er euer Video gespeichert hatte, er versuchte, über euren Manager und euch Bandmitglieder selber irgendwie Unterstützung zu erreichen, denn jeder weiß doch heutzutage, dass öffentliche Aufmerksamkeit eine große Hilfe im Kampf gegen jede Diktatur sein kann. Das wisst ihr ganz genauso wie ich – schließlich waren wir ja gemeinsam lange genug in einem Land eingemauert! Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, wie sich Andrei gefühlt haben muss, als außer einem lahmen Statement eures Gitarristen unter Instagram, in dem er auch noch von der „Freiheit der Kunst“, für die ihr alle eintretet, spricht, während mithilfe genau dieser Kunst, die ihr freiheitlich in „Pussy“ verwirklicht, ein unschuldiger Mensch genau deswegen und mit Hilfe eures Songs und eurer Musik eingesperrt wird. Wo, bitteschön, bleibt euer lauter Aufschrei? Oder gilt neuerdings auch für euch der Inhalt eures ehemaligen FEELING B-Songs „Wir wollen immer artig sein“?
Es liegt auch in eurer Hand, einen Menschen, der derzeit, genauso wie ihr/wir früher, für seine Freiheit und Grundrechte kämpft zu unterstützen. Und das sind garantiert keine schwammigen Instagram-Statements! Rette ich ein Leben, dann rette ich die ganze Welt… Gleiches gilt für die Freiheit, den größten Feind jeglicher Diktaturen.
Wollt ihr wirklich weiter schweigen und euch auf's Posten irgendwelcher Botschaften auf den Online-Plattformen beschränken?
Das sind nicht meine RAMMSTEIN mehr, sondern zahnlose Verkünder einer Freiheitsbotschaft, die im Feuerschwall ihrer Bühnenauftritte verpufft. Aus diesem Grunde habe ich auch unter das Interview eine sehr deutliche Anmerkung geschrieben. Und ich glaube fest daran, dass es nicht zu spät ist, um diesem konkreten menschlichen Wesen, ein Opfer das zum Täter gemacht wird, namens ANDREI BOROWIKOW zu helfen. Das müsste doch auch für euch ein wunderbares Gefühl sein, so wie für mich das Gefühl, welche ich gerade verspüre, während ich euch diese hoffnungsvollen Zeilen schreibe, nachdem ich zutiefst erschüttert das Interview unter unserer Seite eingebunden hatte.
Ich zähle auf euch und weiß, es ist Zeit zu kämpfen, für die Freiheit, auch wenn wir es diesmal nicht für uns, sondern für Andere tun. Alexei jedenfalls hat gerade in dieser Situation eure Unterstützung mehr als verdient!
Nach einigen Tagen erhielten wir dann von PAUL LANDERS, dem RAMMSTEIN-Gitarristen, eine freundliche Antwort, die allerdings darauf hinauslief, dass diese Video eben Kunst ist und nur vorgeschoben wurde und RAMMSTEIN deswegen nicht wirklich echten Handlungsbedarf sehen. Für uns völlig unverständlich, doch die Gründe dafür liegen ganz unübersehbar auf einer anderen Ebene, die sicher auch mit TILL LINDEMANN zu tun haben, der offensichtlicher Russland-Liebhaber ist und sogar der Oppostionszeitung 'Novaya Gazeta' auf deren offizielle Anfrage als Antwort gegeben hat, dass er kein Kommentar zu diesem Thema geben wird.In diesem Zeitungs-Artikel steht auch, dass Lindemann den ganzen Frühling über in Russland war. Er hat ein Remake eines Sowjetischen Liedes zum Tag des Sieges aufgenommen und ist ständig mit irgendwelchen Russischen Popsternchen unterwegs gewesen.
Lindemann ist ganz offensichtlich ein großer Freund des Regimes, das geht gar nicht anders....
Und nun bringt er auch noch das wirklich abstoßende Video "Ich hasse Kinder", offensichtlich in Russland von einem russischen Filmemacher gedreht, heraus.
Unter diesen Bedingungen kann man natürlich nicht erwarten, dass ein Lindemann und seine Band RAMMSTEIN für einen Russen eintreten, der nur wegen des Speicherns und Teilens des "Pussy"-Videos für zweieinhalb Jahre in Russland weggesperrt wird.
Nun also kommt von ARDY BELD, der die ganze Zeit den Kontakt zu Darja Borowikowa hält, folgende schreckliche Nachricht:
Am 30. Mai wurde Andrei aus dem Gefängnis in seiner Heimatstadt in eine Haftanstalt ins 1000 km entfernte Kirow verlegt. Laut seinem Anwalt war die offizielle Begründung, die Haftanstalt in Archangelsk sei "zu voll".
Darja: "Ich werde ihn jetzt vorläufig nicht mehr besuchen können. Ich könnte zwar mit meinem Bruder oder meinen Eltern hinfahren, aber im 33. Monat meiner Schwangerschaft ist es schon ein sehr risikovolles Unterfangen.“
Es sieht so aus, als ob die Russische Justiz Andrei mit der Abschiebung nach Kirow in die völlige Vergessenheit schicken will. Familie und Freunde können ihn nun nicht länger vor Ort mit Lebensmittelpaketen, Kleidung und Büchern versorgen. Auch ist das Gefängnis in Kirow, anders als das in Archangelsk, nicht am Online-Programm des Strafvollzugsdienstes angeschlossen, über das gegen eine Gebühr Nachrichten ausgetauscht werden können. Obwohl es mindestens zwei bis drei Tage dauert bis eine E-Mail den Adressaten erreicht, ist das Programm ein wichtiges Mittel zur Kommunikation mit Familie, Freunden und Bekannten. Es hilft wesentlich beim Überstehen des grauen Alltags, regelmäßig Nachrichten zu erhalten. Auch der psycholgische Druck durch Aussagen der Wärter "die da draußen habe dich schon längst vergessen" ist damit leichter auszuhalten. Die normale Post braucht in der Regel mindestens eins bis zwei Wochen. Vorausgesetzt, die Korrespondenz kommt durch die Zensur.
Seine Berufung wird Andrei über eine Videoverbindung mit dem Gericht in Archangelsk verfolgen müssen. Der Termin steht immer noch nicht fest.
Für uns kaum noch zu fassen, dass RAMMSTEIN das alles so selbstverständlich hinnimmt - na ja, dann lassen wir sie einfach weiter für die Deutsch-Sowjetische-Freundschaft werben und schließen weiterhin vor allem Unrecht aus dieser Ecke die Augen. Das haben wir doch schon in der DDR so richtig gut gelernt - nicht wahr FEELING B, ach Quatsch, RAMMSTEIN meinte ich natürlich. Und nicht vergessen: "Wir wollen immer artig sein"!