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Various Artists: The New Generation Of Turkish Psychedelic – Vol. I (Review)
Artist: | Various Artists |
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Album: | The New Generation Of Turkish Psychedelic – Vol. I |
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Medium: | LP | |
Stil: | Türkischer Psychedelic Rock |
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Label: | Ironhand Records | |
Spieldauer: | 44:33 | |
Erschienen: | 21.10.2016 | |
Website: | [Link] |
Alle reden über die Türkei und meinen dabei meistens die sich dort nicht gerade zum Besten hin verändernden politischen Zustände.
Kaum aber einer spricht über die Musik, die aus dem Land kommt – besonders die Musik, welche einer Szene zugehörig ist, welche früher – in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts - weltweite Aufmerksamkeit erregte und heute leider nur noch ein Nischendasein fristet: PSYCHEDELIC ROCK!
Was wäre eigentlich aus PINK FLOYD geworden, wenn sie heutzutage versucht hätten, sich mit ihrer Musik zu etablieren?
Hätten die BEATLES mit ihrem „Sgt. Pepper“ oder die STONES als „satanische Majestäten“ gegenwärtig jemals eine Chance auf Erfolg mit diesen Alben gehabt?
Nun gut, das sind die Klassiker, doch was viele sicher genauso wenig wissen, ist, dass gerade in der Türkei eine sehr farbenfrohe Psychedelic-Rock-Szene seit 1966 existiert – und alles mit „Bir Eylül Aksami – It‘s All Right“, einer Single von ERKIN KORAY begann.
Wir befinden uns im Jahr 2017 – und noch immer, also über 50 Jahre später, existiert eine illustre Psyche-Szene in der Türkei und endlich gibt es einen ganz besonderen Leckerbissen für alle Freunde dieser Musik-Richtung: ausschließlich auf 500 Exemplare limitiertes Vinyl samt einem LP-großen Beiblatt mit der umfangreichen Geschichte des „Turkish Psychedelic Rock“ (in englischer Sprache) – aus dem natürlich auch ich erst mein Wissen erworben habe - und der Kurzbeschreibung aller darauf vertretenen sechs Bands.
Viele werden verblüfft sein, wenn die LP „The New Generation Of Turkish Psychedelic – Vol. I“ von dem ganz jungen Label IRONHAND RECORDS (Diese grandios mutige LP ist tatsächlich ihr Einstieg in die große Welt der Musik-Tonträger!) auf ihrem Plattenteller rotiert, denn das, was sie hier hören, wird ihnen einerseits von den Bandnamen her wohl doch recht unbekannt vorkommen, von der Musik her aber sind alle sechs zwischen 3 und über 15 Minuten langen Songs ein echter psychedelischer Ohrenschmaus.
Außerdem ist die Musik zugleich der Versuch, den türkischen psychedelischen Rock von seiner besonderen, eigenständigen Seite zu beleuchten, auf die ebenfalls in der kurzen Geschichte des türkischen Psyche-Rocks im Beiblatt der LP eingegangen wird, wo es heißt: „Türkischer Psyche hat zugleich etwas mit den traditionellen Wurzeln des Landes, dem einheimischen Gefühl zu tun. Damit emanzipiert er sich deutlich vom Americana oder dem deutschen Krautrock sowie der britischen Psychedelic. Die jungen Bands auf dieser LP bauen ihre Musik auf dem Erbe der türkischen psychedelischen Musik seit 1967 auf und haben so hoffentlich eine erfolgreich Zukunft mit ihrer psychedelischen, türkischen Musik."
Mithilfe dieser auch unter Cover-gestalterischem Aspekt sehr gelungenen LP kann sich nun jeder seine eigene Meinung zu dieser Aussage machen – und wird dabei feststellen, dass wirklich viel Wahres dahinter steckt, selbst wenn der Großteil der Musik darauf instrumental ist.
Der erste Vertreter auf der LP ist YARIMADA mit „Profesyonel“, eine seit 2011 existierende Band, die alternativen Rock mit progressiven Elementen und Psyche verbindet und diesen musikalischen Farbwechsel selbst den „Chamäleon-Effekt“ nennt.
Schade dass dieses Stück schon nach knapp 3 Minuten vorbei ist – man ist tatsächlich überrascht darüber, wie viel in dieser kurzen Zeit vom Sound her passiert. Ha, nun kann man sich nur zu gut diesen „Chamäleon-Effekt“ vorstellen.
Weiter geht‘s mit „Lala‘s Song“ von IRTIFAKAYBEDIYORUZ!, der Band mit dem am schwersten auszusprechenden Namen samt Ausrufezeichen. Die Istanbuler Musiker bewegen sich auf einer völlig anderen Schiene als ihre LP-Vorgänger. Sie verbinden rein instrumental Ambient, Post-Rock und Experimentelles miteinander und steigern es boleroartig bis zur Mitte des Siebenminüters, um dann langsam wieder zu den ambientmäßigen Klängen zurückzukehren. Das hat nicht nur türkische, sondern auch ganz viel nordische oder kanadische Atmosphäre.
Auf Position 3 der LP-A-Seite erwartet uns der nächste seltsame, ironische und zugleich längste Bandname: HELP! THE CAPTAIN THREW UP mit „Floodgate“. Der kotzende Kapitän bietet instrumentalen, getragenen, sehr atmosphärisch schwebenden Psyche, bei dem auch ein Cello wichtige Akzente setzt.
Die LP-A-Seite wird von BALINA mit „Azim“ abgeschlossen. Das mit über 8 Minuten längste Stück der LP-Seite klingt am dunkelsten und bedrohlichsten, zugleich aber auch am härtesten rockend. Übersetzt bedeutet der Bandname WAL – und ähnlich fühlt man sich beim Hören: schwimmend durch die Finsternis des Ozeans, in der lauter Gefahren lauern.
Zeit für den LP-Seitenwechsel.
Nur zwei Stücke erwarten uns darauf, die es beide in sich haben, nicht nur ihrer langen Laufzeit, sondern ihrer ungewöhnlichen musikalischen Ausrichtung wegen.
MILANKUNDURA mit „Ran“ stellt nicht nur offensichtlich einen unmittelbaren Bezug zu dem tschechisch-französischen Schriftsteller Milan Kundera her, der spätestens seit „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ Weltruhm genießt, sondern die Band aus Ankara, welche 2012 Gewinner der Roxy-Music-Days waren, verbinden psychedelische Klänge mit akustischem, weltmusikalischem Jazz, der ganz besonders verträumten Art. Ein wunderschönes, sehr entspanntes Instrumentalstück.
Der Überhammer erwartet einen dann mit dem letzten viertelstündigen Stück „Hike“ von der sechsköpfigen Band LOOPENSTRAAT, die sich in dem langsam aufbauenden, immer mehr an Fahrt gewinnendem Stück an allen Schattierungen vom Prog über die Psychedelic bis hin zu experimentellen Post- und Jazz-Rock versuchen und dabei dem eingangs so ausgiebig erwähnten, farbenfrohen Bild des Turkish Psychedelic Rock ein kunterbuntes Kunstwerk hinzufügen.
FAZIT: Man kann zu der Türkei stehen, wie man will. Was auf dieser großartigen LP „The New Generation Of Turkish Psychedelic – Vol. I“ aber an türkischen Psyche-Bands vorgestellt wird, sucht tatsächlich seinesgleichen. Wann nur kommt Teil 2? Wer den ersten Teil gehört hat, kann den zweiten sicher kaum erwarten, der zugleich ein super Einstieg für das junge LP-Label Ironhand Records ist.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr