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Philipp Hochmair & Die Elektrohand Gottes: Jedermann Reloaded (Review)
Artist: | Philipp Hochmair & Die Elektrohand Gottes |
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Album: | Jedermann Reloaded |
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Medium: | Download/CD | |
Stil: | Theater / Rock / Electro / Wave / Avantgarde |
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Label: | Broken Silence | |
Spieldauer: | 74:36 | |
Erschienen: | 25.01.2019 | |
Website: | [Link] |
Quasi zum Jubiläum der Entstehung von Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel "Jedermann" widmet sich der Schauspieler Philipp Hochmair der zugrundeliegenden Materie mit einem gewagten Ansatz. Die musikalische interpretation "Reloaded" entwickelte sich nach einer ersten Solo-Performance mit dem Stoff im Hamburger Thalia Theater in Zusammenarbeit mit der Band Die Elektrohand Gottes. Voraus gingen der Produktion weitere Aufführungen, zu denen sich Gäste wie Patricia Aulitzky, Ulrike Beimpold oder Johannes Silberschneider auf den Bühnen einfanden. Bei alledem ging Hochmair die Rolle dergestalt in Fleisch und Blut, dass er sie anlässlich der Salzburger Festspiele 2018 kurzerhand für Tobias Moretti, der krank geworden war, übernehmen konnte.
Das hat aber wenig mit "Jedermann Reloaded" zu tun, denn hiermit aktualisiert der Österreicher den Stoff praktisch, indem er sich von einer Rockband begleiten lässt, während er alle im Stück vorkommenden Stimmen alleine übernimmt, was ihm die Verwendung mehrerer Mikrofone und Effekte ermöglicht. Vor allem aber wird die Handlung, wenn man es so ausdrücken möchte, von außen nach innen übertragen.
Hochmair versetzt sich in den "Jedermann", geht den sprichwörtlichen Pakt mit dem Teufel ein, um über sich wie andere hinauszuwachsen und die Grenzen des Hedonismus auszuloten. Aufstieg und Fall Privilegierter, Vergnügungssucht als Unheil und im übertragenden Sinn auch unausweichlicher Verfall mit dem Altern (das Motiv des verlebten Lebemanns) - all dies klingt vielleicht deutlicher noch als im Original auf "Jedermann Reloaded" an.
Das Quartett unterstreicht somit, dass der Inhalt des Originals bis heute ein diskussions- und bedenkwürdiges Thema ist, und was sich wie schwere Kost liest, ist es unter herkömmlichen Hörgewohnheiten betrachtet auch. Zusammen mit Gitarrist Tobias Herzz Hallbauer, Electro-Experte Jörg Schittkowski und Drummer Alwin Weber - alle aus dem ostdeutschen Punk-Milieu - hat Hochmair eine Art Post-Rock-Konzert mit Sprechgesang geschaffen, das verschiedene stilistische Schwerpunkte besitzt.
Mit unheilvoll verzerrten Riffs, die fast an Doom oder Industrial Metal denken lassen, sind 'Tischgesellschaft Teil 2' und das sägende 'Mammon' die finstersten und (relativ gesehen) konventionellsten Tracks auf dem Album. Zwischendurch kommt es wiederholt zu perkussiven Einschübe, mit Effekten erzeugten Echos und Synthesizer-Drones als Gestaltungsmitteln, die reine Sprech-Parts ('Tischgesellschaft Teil 1' besteht praktisch nur daraus) unterfüttern und die jeweilige Befindlichkeit des Protagonisten betonen.
Besonders eindrucksvoll in diesem Zusammenhang: 'Jedermanns Mutter', sowohl auf Hochmair selbst als auch seine Hintermannschaft bezogen. Das kurze, treibende 'Ein Schuldknecht und des Schuldknechts Weib' spiegelt die Rastlosigkeit und Besessenheit des "Jedermann" wider und lässt verkopftes Theater beinahe wie Pop erscheinen. Das Gleiche gilt letztlich auch für das schwebende 'Buhlschaft' und das gebetsartige 'Das Ende' mit Klavier, beides Kontraste zum kratzigen, fast zwölfminütigen 'Jedermann und guter Gesell' zu Beginn.
FAZIT: Philipp Hochmair kennt sich nach ähnlich gewagten Vokal-Bearbeitungen von u.a. Werken von Franz Kafka oder Goethes "Die Leiden des jungen Werther" damit aus, wie man sich extreme Charaktere zu eigen macht, und tut die auf "Jedermann" gemeinsam mit einer avantgardistisch-punkig gesinnten Band auf brillante Weise. Klar, das Album ist anstrengend, aber andererseits auch nicht "schwieriger" als die eine oder andere aufwändigere Hörspiel-Produktion.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Jedermann und guter Gesell
- Ein armer Nachbar
- Ein Schuldknecht und des Schuldknechts Weib
- Der Lustgarten
- Jedermanns Mutter
- Buhlschaft
- Tischgesellschaft Teil 1
- Tischgesellschaft Teil 2
- Tod
- Abschiede
- Mammon
- Werke
- Glaube und Teufel
- Das Ende
- Jedermann Reloaded (2019) - 10/15 Punkten
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