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Alejandro Escovedo: Echo Dancing (Review)

Artist:

Alejandro Escovedo

Alejandro Escovedo: Echo Dancing
Album:

Echo Dancing

Medium: CD/Download/Do-LP/farbig
Stil:

Blues-, Psychedelic-, Retro- und Kraut-Rock, Avantgarde

Label: Yep Roc Records
Spieldauer: 69:45
Erschienen: 29.03.2024
Website: [Link]

„Ich habe immer das Gefühl, dass ein gut geschriebener Song eine Menge Missbrauch aushalten kann. Wenn man einen vergangenen Song auf den Kopf stellt, entdeckt man neue Ideen, die man vielleicht nicht verstanden hat. Die Songs scheinen nie vollständig zu sein. Sie entwickeln sich ständig weiter.“ (Alejandro Escovedo)

Die Idee für diese Platte entstand über den Wolken und ließ die ursprüngliche – mit festem Boden unter den Füßen – Idee von ALEJANDRO ESCOVEDO, ein Album voller neuer Songs zu schreiben, wortwörtlich davonfliegen: „Ich plante diese Platte, kurz bevor ich in ein Flugzeug nach Italien stieg, um sie gemeinsam mit Don Antonio und Nicola Peruch aufzunehmen. Meine ursprüngliche Idee war es, hierfür nur neues Material zu verwenden. Aber dann änderte ich meine Meinung und dachte, dass es interessanter wäre, Songs aus meinen verschiedenen früheren Alben im Laufe meiner Karriere wieder aufzugreifen. Ich habe großes Vertrauen in Antonio und Peruch, dass sie aus allem, was ich in die Session einbringe, immer etwas Interessantes erschaffen.“ Dieses Vertrauen bestätigen die beiden musikalischen Mitstreiter – Multiinstrumentalist Antonio und Keyboarder Peruch – dann auch auf ganzer Linie.

Escovedo geht im verträumten italienischen Modigliana mit „Echo Dancing“ ähnlich an die musikalische Sache heran, wie es ein DAVID BOWIE mit der maßgeblichen Unterstützung von BRIAN ENO bei seinen drei Berliner Alben der Jahre 1977 bis 1979 („Low“, „Heroes“ und „Lodger“) und später mit den überraschend krachig rockenden TIN MACHINE tat.
Die bereits vorhandenen Escovedo-Songs wurden allesamt in einem fremden Land aufgenommen und sollten durch diesen Ortswechsel schon eine neue, ungewöhnliche Aura versprühen. So zählt mehr das Experiment als eine durchstrukturierte Harmoniefolge, sodass sich bei den gewählten Songs völlig neue Klangwelten öffnen, die sich zwischen Blues-, Psychedelic-, Retro- und Kraut-Rock bewegen, aber auch mit „Sensitive Boys“ – einem der längsten Songs – sich als eine todtraurige Piano-Ballade generieren können. Genau daran schließt dann auch der zweite mit knapp 7 Minuten längste Song „Last To Know“ im WILCO-Stil samt einer fetten DOORS-Orgel und einem wiederum sehr traurigen Text an, der seine ganze melodramatischen Schönheit in einer melancholischen Americana-Folk-Stimmung entfaltet, während „Sacramento & Polk“ wie die pure Krautrock-Invasion zwischen CAN und NEU! klingt.

Escovedo wählte für „Echo Dancing“ so lauter Songs aus seiner eigenen Solo-Karriere aus, die größtenteils in der Zeit von 1992 bis 2018 entstanden und von zwei ganz großen Musikmeistern ihres Fachs produziert wurden: der VELVET UNDERGROUND-Legende JOHN CALE und TONY VISCONTI, bekannt für seine enge Zusammenarbeit mit DAVID BOWIE und T. REX. Nunmehr hebt der Texaner aber auf den neuen Interpretationen die größere Nähe zu einem BRIAN ENO oder SUICIDE hervor und spart deutlich zugunsten der Tasten-Sounds an den Gitarren.

Und dass Escovedos Stimme durchaus auch ein paar Bowie-Klangfarben beherrscht, macht diesen Bowie-Eno-Vergleich immer nahbarer. Also: Alle, denen der große 'Blackstar' DAVID BOWIE samt seiner längst oftmals als genial empfundenen Musik noch immer extrem fehlt, der wird garantiert „Echo Dancing“ von ALEJANDRO ESCOVEDO als eine ganz große Entdeckung empfinden.

Escovedo betont im Rahmen seines neuen Albums auch immer wieder die Einflüsse auf seine Musik, welche er auch auf seinen eigenen Alben unterzubringen versucht: „Alle Beteiligten haben mich zu neuen Ansätzen in meiner Musik geführt, so wie es andere Musiker mein ganzes Leben lang getan haben. Nie habe ich einen Hehl aus meiner Liebe zu Brian Eno, Roxy Music, Judy Nylon (ein Musikerin mit der Escovedo eine zeitlang selber spielte und die BRIAN ENO in seinem Song „Back In Judy's Jungle“ verewigte – T.K.), Cluster, den Stooges, den New York Dolls, MC5, Roky Erickson, Lightnin' Hopkins, Joe Ely und Terry Allen gemacht. Sie verstehen schon. Ich bin noch lange nicht fertig."

Genau das hört man auf „Echo Dancing“. ALEJANDRO ESCOVEDO ist auch mit 73 Jahren längst noch nicht fertig, aber er führt all das Krautige, Avantgardistische, Psychedelische, Retro-Progressive, Bluesige, Verrückte, Verspielte wie Ruhige und Melancholische zu einem klanglich perfekten Musik- und Sound-Spektakel zusammen, das auf dieser Doppel-LP im gelben Vinyl seine Vollendung findet, die mitunter genauso geisterhaft und geheimnisvoll wirkt wie das verschwommene Gatefold-Cover und die dunkle, geheimnisvolle, etwas an Treibsand erinnernde, gelbe Farbe, durch die sich die insgesamt vier Rillen fräsen.

FAZIT: Er ist seit einem guten halben Jahrhundert im Musikgeschäft und gilt noch immer als absoluter Geheimtipp, der massiv unterschätzt wird – dieser ALEJANDRO ESCOVEDO aus Texas, der 1975 mit der Punk-Band THE NUNS in San Francisco seine Musik-Laufbahn begann. Mit seiner wilden Musikmischung auf der dunkelgelb-vinyligen Doppel-LP „Echo Dancing“ präsentiert er diesmal eine unglaublich süchtig machende Klangreise durch den Blues-, Psychedelic-, Retro- und Kraut-Rock sowie Avantgarde-Experimente. Noch dazu lässt uns Escovedo auch stimmlich wissen, dass er nicht nur die hypnotischen Stimmungen eines DAVID BOWIE (besonders während dessen Berliner Zeit mit BRIAN ENO) einzufangen versteht, sondern er diesem mit all seiner Ideenvielfalt tatsächlich sehr nahekommt, was sicher so einigen Bowie-Freunden spätestens nach dem Song „Inside This Dance“ eine megafette Gänsehaut bescheren wird. Ach was! Im Grund beschert einem dieses extrem abwechslungsreiche Doppel-Album von dem knarzig krach-rockigen Anfang über die Ausflüge mitten hinein in den Krautrock bis hin zu den Americana-Balladen, die so extrem nach Sonnenuntergang klingen, dass man sie am besten auch währenddessen hören sollte, von Anfang bis Ende eine Gänsehaut. Welch grandioses Album, das sich als Vinyl-Variante zudem noch durch einen kristallklaren und voluminösen Sound auszeichnet!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1428x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (17:01):
  • John Conquest (3:15)
  • Sacramento & Polk (5:17)
  • Bury Me (4:46)
  • Everybody Loves Me (3:43)
  • Seite B (19:37):
  • Too Many Tears (4:45)
  • Castanuelas (4:01)
  • Outside Your Door (4:31)
  • Senstive Boys (6:20)
  • Seite C (17:57):
  • Thought I'd Let You Know (7:13)
  • Swallows Of San Juan (3:56)
  • Last To Know (6:48)
  • Seite D (15:10):
  • MC Overload (4:44)
  • Inside This Dance (5:30)
  • Wave (4:56)

Besetzung:

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