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Dieter 'Maschine' Birr: Mein Weg (Review)

Artist:

Dieter 'Maschine' Birr

Dieter 'Maschine' Birr: Mein Weg
Album:

Mein Weg

Medium: CD/LP/MC
Stil:

Deutsch-Rock und -Pop, Kult aus einem 'abgewickelten' Land

Label: Premium Records
Spieldauer: 56:00
Erschienen: 22.03.2024
Website: [Link]

80 Jahre und kein bisschen leise!
Also: Die gute 'Maschine' des DIETER BIRR, der nicht nur im Osten als einer der Ober-Gurus der PUHDYS unter dem Spitznamen 'Maschine' bestens bekannt ist, geht nun mit 80 Jahren im besten FRANK SINATRA-Sinne seinen eigenen Weg auf „Mein Weg“. In gewisser Weise ist die Sinatra-Parallele, die übrigens bereits 10 Jahre alt ist, dann doch anmaßend und vielleicht wäre ein Titel namens „Meine eigenen Wege“ mit einer vorsichtigen HEINZ RUDOLF KUNZE-Anspielung einfach besser und passender gewesen: „Eigene Wege sind schwer zu beschreiben / Sie entstehen ja erst beim Gehen“. Und so geht auch der ehemalige PUHDYS-Frontmann auf „Mein Weg“ in Art einer Eigen-Werkschau durch ein paar neue – nicht wirklich grandiose, aber immerhin doch sehr bemerkenswerte – eigene Songs und neu interpretierte PUHDYS-Klassiker seiner „Es war einmal“-Ära.
Und dass er sich – wie gerade bekannt wurde – damit sofort in den deutschen Verkauf-Charts den 4. Platz erobern konnte, ist völlig verdient bei dieser bewegenden Lebensreise voller Erinnerungen aus Ost und West.

Bei allem steht darum das Leben aus Vergangenheit, Gegenwart und sogar Zukunft im Mittelpunkt, das er gleich in einem seiner zwar älteren, aber neu aufgenommenen Schlüssel-Songs mit „Auf das Leben“ verewigt: „Auf das Leben / auf die Liebe / auf die Welt, die unser Lebensbrunnen ist“.

MASCHINE bringt mit den zwei Versionen von „Mein Weg“, die das gesamte Album einrahmen, die erste als 2024er-Version mit melancholischem Piano-Intro und altersweis-tiefer Stimme und die zweite vom 2014er-Album „Maschine“ (die 2024er-Version am Anfang, die Original-Version am Ende), mit Ehrfurcht und Dankbarkeit sein eigenes Leben in ein paar Strophen plus Refrain auf den Punkt. Schon hiermit beweist er als Musiker und Mensch gleichermaßen seine wahre Größe...
...und dass er auch weiterhin der Mann ist, dem die Lederjacke zu seiner zweiten Haut geworden ist, die ihm selbst in seinem Alter körperlich wie mit seiner jungen, manchmal gar kindischen Seele noch immer bestens passt, auch wenn er noch immer die Frage nach den Idealen – die sich von großen zu 'biederfarbenen' wenden können – aufwirft: „... und Fragen werden laut / können große Ideale von Dauer sein / oder werden sie mit der Zeit ganz klein?“

Schon hier zeigt sich, dass es eine kluge Entscheidung ist, der im Digipak erschienenen CD ein 16-seitiges Booklet mit allen Texten beizulegen. Denn der ehemalige PUHDYS-Frontmann hat viel zu sagen und zu singen – und seine Texte tragen ein moralisches Grundgerüst in sich, das schlicht vorbildlich ist – und wenn jetzt noch irgendwer was von DDR-Pathos faselt, der sollte schnellstens damit beginnen, sich mal über sich selber Gedanken zu machen – und zeigt, wie klar noch immer Birrs Blick, auch wenn die Augen durch das Alter wohl etwas getrübt sind, auf diese Welt, dieses Land und diese Menschen ist. Aber auch, dass selbst die alten PUHDYS-Texte sich durch eine unglaublich weise Voraussicht auszeichneten, von denen natürlich einer der bekanntesten - „Das Buch“, in seiner neuen Version mit NESSIE eingesungen – leider noch aktueller als zuvor erscheint, wenn es darum geht, dass hoffentlich niemals das letzte Buch, das jemals geschrieben wird, „Der Untergang der Erde“ heißt – und nur wir verhindern können, dass dieses Buch jemals erscheint.

Eigentlich war anfangs von DIETER 'MASCHINE' BIRR geplant, nur alte PUHDYS-Songs neu aufzunehmen und einzuspielen, um so zu seinem 80. Geburtstag die für ihn wichtigste Zeit als Musiker noch einmal vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen und mit seinen Instrumenten sowie der Unterstützung von Gastmusikern, mit denen ihn größtenteils eine tiefe Freundschaft verbindet, einzuspielen und einzusingen.
Doch die (mitunter leider auch extrem hasserfüllten) Zeichen der Zeit standen so sehr auf Sturm, dass daraus die Idee für weitere neue Songs entstand. Insgesamt wurden es gleich fünf („Sonnenseite“, „Lange her“, „Weitergehn“, „Hunderttausend Laienrichter“ und „Lebe wohl“), die einerseits die Botschaft zu vermitteln versuchen, dass wir doch endlich wieder mehr Dankbarkeit zeigen und glücklicher sein, aber andererseits auch endlich diese unerträgliche Boshaftigkeit unterlassen sollten, wenn wir beispielsweise nach jeder Presse-Meldung uns wie „Hunderttausend Laienrichter“ aufspielen: „Verrufen, verstoßen, verschmäht, verachtet / bespuckt, gemieden, verurteilt, verteufelt, beschimpft // Hunderttausend Laienrichter / haben ihr Urteil schon gefällt“.

Noch dazu ist gerade dieser neue, radikal gestaltete Song auch der lauteste auf dem Album, während auf einem weiteren neuen Birr in „Weitergehen“ genau aufzeigt, was wir hier wirklich nicht brauchen: „Befehle, sinnlosen Mut, Führer, Gott, Demagogen und Wichtigtuer“.

Oder die deutsche Version des WISHFUL THINKING-Klassikers „Hiroshima“ über den Atombombenabwurf von US-Streitkräften am 6. August 1945 um 8:16:02, bei dem mit einem Schlag in dieser japanischen Stadt zehntausende Menschenleben ausradiert wurden und als wäre das nicht genug, nur drei Tage später die Amis eine zweite Atombombe, diesmal auf Nagasaki, abwerfen. Ja – und wenn man dann einen Putin vom Einsatz der nächsten Atombombe faseln hört, dann kann einem nicht nur angst und bange werden, sondern wird ein Song wie „Hiroshima“ wiederum wichtiger als je zuvor: „Denn die Welt / erinnert sich gut / sonst holt sie die Glut / wie Hiroshima“.

Ein weiterer neuer, schwer bewegender Song ist „Lange her“. Der Text dreht sich um die NVA-Zeit (für Nicht-'Ossis', die bei dieser Abkürzung im dunklen wandeln: NVA steht für 'Nationale Volksarmee', die man meistens als junger Mann nach dem Schul- oder Berufsschulabschluss mindesten anderthalb Jahre – wollte man studieren – oft auch drei Jahre absolvieren musste und eine Verweigerung gänzlich unmöglich war). Hier stand die Erniedrigung und das Kleinmachen im ersten halben Jahr auf der Tagesordnung, dann wurde es etwas entspannter und im letzten Halbjahr durfte man selber zum 'Erniedriger' werden. Das war die klare militärische NVA-Hackordnung im DDR-Grundwehrdienst: „Wir haben die Zeit gehasst / die uns gefangen hielt / wir haben so viel verpasst / so viele Träume verspielt“. Doch MASCHINE geht in diesem Song noch weiter und ihm glückt tatsächlich ein geschickten Schlenker hin zu den aktiven Kriegszeiten in der Ukraine, bei denen plötzlich die uns bei der NVA ständig gepredigte kaltkriegerische Bedrohung zur schrecklichen Realität wurde – aber genau von der Seite, auf der wir immer stehen mussten: Russland: „Wenn ich heute Soldaten sehe / in der Ukraine dann wird mir wieder klar / dass damals diese Scheißarmeezeit / wie ein Kindergartenausflug war“.

Ja – und nach solch einem Song wünscht man sich sogar, dass der Platz, den „Mein Weg“ nunmehr in den deutschen Charts eroberte, nicht der vierte, sondern die Spitzenposition sein sollte!

FAZIT: Die zweite Birr-Haut ist definitiv die Leder-Jacke und dass er auch weiterhin mit nunmehr 80. Lebensjahren der alte – ewig jung gebliebene – Rocker ist, beweist DIETER 'MASCHINE' BIRR mit „Mein Weg“ absolut überzeugend. Das Album, welches fünf neue Songs und eine Vielzahl von neu aufgenommenen PUHDYS-Klassikern („Das Buch“, „Ikarus“, „Melanie“ usw.) enthält, beweist dem Hörer gleichermaßen, dass der 80-Jährige der tatsächlich ewig jung gebliebene Rocker ist, dem ähnlich wie einem Mick Jagger der Zahn der Zeit anscheinend nichts anhaben kann, so nachdenklich, aber gleichermaßen optimistisch er auch sein Album mit der Titelsong-Ballade beginnt: „Ich habe viel erlebt auf meinem Weg / die Zeit war gut zu mir...“. Das hört man – und wünscht gleichermaßen, dass diese Zeit auch weiterhin gut zu DIETER BIRR bleibt! Denn: „Noch hast du Zeit, auch Neues zu probieren / bevor sie endgültig für dich vergeht.“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 793x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Mein Weg (2024 Version)
  • Sonnenseite
  • Auf das Leben
  • Sehnsucht
  • Lange her
  • Hiroshima
  • Weitergehn
  • Melanie
  • Hunderttausend Laienrichter
  • Ikarus
  • Lebe wohl
  • Das Buch (feat. Nessie)
  • Mein Weg (Original)

Besetzung:

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