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Vera Sola: Peacemaker (Review)
Artist: | Vera Sola |
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Album: | Peacemaker |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Indie-Pop, Singer/Songwriter |
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Label: | City Slang | |
Spieldauer: | 44:27 | |
Erschienen: | 02.02.2024 | |
Website: | [Link] |
„Peacemaker“ heißt das zweite Album der in Los Angeles ansässigen Songwriterin VERA SOLA – und es erscheint ganze 5 Jahre, nachdem sie 2020 ihr selbst produziertes Debüt-Album „Shades“ veröffentlichte und ausgerechnet in Köln ihr Debüt als Headlining-Performance-Artist absolvierte. So richtig geradlinig ist die musikalische Laufbahn der Tochter des Schauspielerehepaars Dan und Donna Dixon Aykroyd also nicht verlaufen … und auch nicht im Geringsten konventionell. Denn wo andere mit einem ausgefeilten Masterplan an ihre Karriere herangehen, nahm sich VERA SOLA die Zeit, sich intuitiv in ihr Metier einzuarbeiten und – nach einer Ermutigung durch ihren Freund ELVIS PERKINS – dann aber im Alleingang autark eine musikalische und künstlerische Vision zu entwickeln.
Dazu entledigte sich DANIELLE – wie sie tatsächlich heißt - ihres Familiennamens und kreierte ihr Alter Ego/Bühnenpersona VERA SOLA als – wie sie es beschreibt - „prätentiösen, irgendwie vernichtenden Insider-Witz mit mir selbst, wenn auch mit einem Hauch von Aufrichtigkeit“. Das sind dann auch Elemente, die sich in ihrer Musik wiederfinden. Ihr Debüt-Album „Shades“ nutze sie noch dazu, sich ein songwriterisches und produktionstechnisches Vokabular zu erarbeiten, dessen sie sich für die Produktion ihres nun vorliegenden Albums „Peacemaker“ auf eine bemerkenswert eigenständige und souveräne Art virtuos bedient.
Entwickelte VERA SOLA „Shades“ noch in selbst gewählter klaustrophobischer Abgeschiedenheit – übrigens noch deutlich vor der Pandemie – so geht es auf dem neuen Album um das genaue Gegenteil: Die Ausweitung des künstlerischen, musikalischen und persönlichen Blickwinkels. Auf „Peacemaker“ geht es um eine „Topographie von Erinnerungen“. Damit meint die Musikerin, dass sie in ihren aktuellen Songs Erinnerungen oder Erinnerungsfragmente in ihren „Song-Bubbles“ zueinander in Korrelation setzt und zwar in einer Art musikalischer Landschaft und keineswegs ausschließlich bezogen auf die eigenen Erinnerungen; denn ihr eigentliches Ziel ist nicht alleine die musikalische Autotherapie, sondern das Erzählen spannender, mystischer und zuweilen verstörender Geschichten.
Musikalisch bedeutet das, dass die neuen Songs, im Gegensatz zu den teilweise noch reduziert und folky angelegten Tracks von „Shades“, in geradezu cinematischer und opulent orchestrierter Form daherkommen. Ein wenig Schuld an diesem Umstand ist dabei sicherlich die Pandemie mit ihren erzwungenen Pausen, denn nachdem das Material eigentlich schon fertig eingespielt war und dann die Pandemie ausbrach, nutzte VERA SOLA die Möglichkeit, die Struktur des Materials nochmals auszuweiten und vor allen Dingen Beiträge von Gastmusikern hinzuzufügen. Denn während sie immer noch als Kapitänin die Geschicke ihres Materials lenkt, agiert sie heute nicht mehr ganz alleine. So arbeitete sie mit ihren Bandmusikern, lud Gäste ein und fand in ihrem Songwriter-Kollegen KENNETH PATTENGALE (neben JOEY RYAN die eine Hälfte des Indie-Folk-Duos THE MILK CARTON KIDS) einen kongenialen Partner, der ihr auch als Co-Produzent zur Seite stand und mit dem zusammen sie dann auch den Mix des Materials realisierte, bis das Ergebnis exakt ihren Vorstellungen entsprach; denn Versuche, diesen Auftrag outzusourcen hatten zuvor zu keinem Ergebnis geführt.
Die künstlerische Visionen ihrerseits sind nun mal so prägnant und präzise, dass eigentlich nur sie selbst diese entsprechend realisieren kann. Das Ergebnis ist ein monumentales, von vornherein filmisch konzipiertes, orchestral anmutendes und dezidiert mit einer gewissen Körperlichkeit organisch angelegtes Sound-Design, das dann als dramatische Basis für ihre fiebrigen Noir-Phantasien dient. Stilistisch agiert sie hierbei fließend zwischen Chamber-Folk, Kaputnik- und Polter-Blues, orchestraler Psychedelia, Retro-Pop, Alt-Country und Wüstenrock-Elementen. Eine große Rolle spielen solche Kategorisierungsversuche aber nicht, denn VERA SOLA hat ihre Findungsphase mit Gewinn absolviert und präsentiert sich heutzutage als betont eigenständige Künstlerin mit einem letztlich ureigenen Stil, die sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch die verschiedenen musikalischen Ebenen zu bewegen versteht.
In ihren Songs schildert sie stark codiert und in Form monumentaler Bilder Geschichten von Charakteren am Rande des Abgrundes, die in „Desire Path“, „Instrument Of War“, „Bad Idea“ oder „Blood Bond“ auch den entscheidenden Schritt zu viel gehen und dann in eine Abwärtsspirale geraten. Besonders interessant ist diesbezüglich, dass die Struktur der sich oft vom unscheinbar versöhnlichen Anfang zum nihilistischen Höllenritt aufbauschenden Songs etwa den psychischen Verfall der Protagonisten in kongenialer Weise musikalisch widerspiegeln. Bestes Beispiel ist der Track „Blood Bond“, der von einer unscheinbaren Mid-Tempo-Ballade zu einer kreischenden, hysterischen Monster-Kakophonie mutiert, bei der am Ende nur noch Ekstase und Wahnsinn regieren.
Was in dieser Hinsicht besonders fasziniert, ist der Umstand, dass VERA SOLAs Musik dabei zwar düster, theatralisch und manisch erscheint, aber niemals depressiv. Auch wenn es in ihren Songs zuweilen weniger Licht gibt als in manchem schwarzen Loch, hinterlässt sie doch stets einen kämpferischen Unterton, der der dystopischen Grundstimmung eigentlich jegliche Schwermut nimmt. Wenn es schon in den Untergang geht, dann aber bitte mit einer gewissen hymnischen Intensität: Kratzen, Beißen, Spotten und zuweilen gar einer gewissen Verachtung für die Schwächen der eigenen Charaktere. Dass VERA SOLA bei ihrer Performance (sowohl im Studio wie auf der Bühne) auf die Traditionen ihrer Familie mit hohem schauspielerischen Talent zurückgreift, liegt auf der Hand. Kaum vorzustellen, wenn das, was sie hier genüsslich seziert und ausbreitet, alles tatsächlich autobiographisch wäre ...
FAZIT: Ursprünglich und für lange Zeit hätte das zweite Album von VERA SOLA „Instrument of War“ heißen sollen – nach jener feministischen Kampfansage, die sie bereits auf ihrer ersten Tour im Angebot hatte. Irgendwann wurde ihr dann jedoch klar, dass es auf diesem Album nicht mehr allein um Zorn, Gewalt und Angst gehen sollte und wählte deshalb den mehrdeutigen Titel „Peacemaker“ für ihre LP. Ein „Peacemaker“ ist dabei ja zugleich als Colt ein Instrument des Krieges und ein Symbol der Eroberung des amerikanischen Westens wie auch in der wörtlichen Bedeutung eben ein Friedensbringer. Und als solchen (und als Vermittlerin zwischen den Extremen) sieht sich VERA SOLA heutzutage. „Peacemaker“ ist somit ein Album voller Widersprüche geworden. Widersprüche indes, die niemanden kalt lassen werden und für die verschiedenen Ebenen, auf denen dieses brillante Album auf emotionaler, intellektueller und metaphorischer Weise funktioniert, auch irgendwie notwendig erscheinen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Bad Idea
- The Line
- I'm Lying
- Get Wise
- Desire Path
- Waiting
- Bird House
- Hands
- Is That You
- Blood Bond
- Instrument Of War
- Bass - Janie Cowan
- Gesang - Vera Sola
- Gitarre - Vera Sola, Kenneth Pattengale
- Schlagzeug - Wyatt Bertz
- Peacemaker (2024) - 14/15 Punkten
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