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Overkill - The Electric Age - Massen-Review

17.03.2012

Overkill "The Electric Age" CoverSeit 1980 aktiv, gehören OVERKILL theoretisch schon zum alten Eisen. Praktisch treten die vermeintlich alten Säcke aus New York vor allem live den meisten Nachwuchs-Thrash-Kapellen mit ihrer Energie und ihrer Spielfreude kräftig in die jungen Ärsche. Mit dem 2010er-Album "Ironbound" zeigten sich OVERKILL aber auch auf Platte wieder zu Bestform zurückgekehrt, so dass die Erwartungen an "The Electric Age", das nunmehr 16. Album der Band um Basser D.D. Verni und Sänger Bobby "Blitz" Elsworth alles andere als niedrig sind. Dementsprechend schnell war der Entschluss gefasst, die Platte von mehreren Rezensenten besprechen zu lassen. Und die sind sich sogar so einig, wie selten zuvor.

Review von: Andreas Schulz (Profil)

OVERKILL sind cool. Ja, doch. Inzwischen sehe ich es ja auch ein. Die Show auf dem Rock Hard Festival letztes Jahr hat mich davon überzeugt, dass OVERKILL cool sind. Trotzdem gibt es da ein Problem. OVERKILL spielen Ami-Thrash. Und Ami-Thrash ist halt eben doch nicht ganz so cool, wie Teutonen-Thrash. Prinzipiell nicht. Engstirnig ist das? Mag sein. Doch was soll ich dagegen tun, wenn mich nun mal so gut wie keine der klassischen Thrash-Bands aus den USA so richtig kickt?

Und so kommt es, wie es kommen muss. "The Electric Age" ist meilenweit davon entfernt, kein gutes Album zu sein. Es ist sogar davon auszugehen, dass Fans der Band so richtig Spaß mit der Platte haben werden. Um das Album in der Diskografie einzusortieren, fehlt mir das Hintergrundwissen, aber zumindest ist mir bekannt, dass es wohl schon deutlich langsamere Alben von OVERKILL gab. Punkt für die Band also, denn flott geht immer noch über groovy, auch wenn es natürlich auch Nummern auf dem Album gibt, die nicht mit Highspeed durch die Bronx brettern. Außerdem geht Melodie immer noch über Riff und während gerade die Westküsten-Kollegen da oft eine andere Sichtweise an den Tag legen, kann man den New Yorkern zugutehalten, dass sie ein Mindestmaß an Melodien in ihrem Sound haben. Die Songs auf "The Electric Age" sind eingängig und laufen gut und ohne Anlaufschwierigkeiten rein, über 30 Jahre Erfahrung und die Tatsache, dass OVERKILL derzeit ihren zweiten Frühling erleben, sind unüberhörbar. Persönlicher Favorit ist das flotte, mit sehr melodischem Refrain ausgestattete "All Over But The Shouting".

Auch wenn es heutzutage vergleichsweise einfach ist, ein Album mit gutem Sound aufzunehmen, so muss man es wohl als Vorteil werten, dass OVERKILL bei Nuclear Blast unter Vertrag stehen. Da sind die Möglichkeiten wohl doch nochmal etwas besser und so knallt "The Electric Age" mit einem gleichermaßen klaren wie druckvollen Sound, besonders die Gitarren sind toll in Szene gesetzt. Kritikpunkte an dieser Platte sind folglich rein subjektiver Natur und liegen darin begründet, dass mir Bobby Ellsworths Gesang nicht so ganz liegt und dass rein stilistische Vorlieben anders gelagert sind.

FAZIT: Für meinen Kumpel mit dem OVERKILL-Tattoo im Nacken freut es mich, dass seine Band eine Platte abliefert, auf die er sicherlich steilgehen wird. Ich beschränke mich darauf, mir OVERKILL nochmal live anzugucken, wenn ich sie auf einem Festival sehe und dann gibt es sicherlich auch einige Songs aus "The Electric Age" zu hören. Wäre ja auch nicht unberechtigt.

10 von 15 Punkten


Review von: Chris P. (Profil)

Ja, OVERKILL sind eine Bank, auf sie ist Verlass, live sind sie praktisch unkaputtbar, und einen Ausfall in der umfangreichen Diskographie konnten die New Yorker noch nie verzeichnen. Es gab fantastische, tolle, gute und überwiegend gute Alben, ganz egal, ob es mal horrorskopisch derb wurde, die Grooves des Verfalls im Vordergrund standen, man den Gasregler des Zweirads wide fucking open aufgerissen hat oder einfach mal klar machte: I hear BLACK SABBATH.
 
Wir sind unterrascht: Bereits beim Opener "Come And Get It", der solide Thrash-, Speed- und Heavy Metal zu einem bandtypisch furztrockenen Brocken Stahl verschmelzen lässt, wird den Verfechter des metallischen Reinheitsgebots sein "Taking Over"-Backpatch, sein "Fuck You"-Vinyl, sein "Horrorscope"-Longsleeve, das verwaschene "The Years Of Decay"-Shirt oder das wellig gewordene Poster aus der "W.F.O."-Promophase, das nur von doppelseitigem Klebeband, 72 Reißzwecken und unzähligen, teilweise von mumifizierten Gewitterfliegen durchsetzten Tesafilm-Schichten vom Abbröckeln gehindert wird, streicheln.
 
Dieses "OVERKILL - da weiß man, was man hat!" ist, wenn man so möchte, gleichzeitig Segen und Fluch, denn einerseits wissen OVERKILL in ihrem 32. Bandjahr ganz, ganz, gaaanz genau, was sie können und liefern dem nimmersatten Fan exakt das, was er liebt und gierig verschlingen wird, doch man könnte dem Quintett, welches mit Bobby "Blitz' Ellsworth und D. D. Verni immerhin noch zwei Gründungsmitglieder in seinen Reihen zählt, ebenso vorwerfen, es ginge zu sehr auf Nummer Sicher und suhle sich lieber in seiner Rolle als Kultband.
 
Mir persönlich würde es mal wieder gefallen, wenn man stilistisch etwas mutiger werden würde, in etwa so, wie es zwischen 1989 und 1993 wohl am deutlichsten vernehmbar der Fall war, denn so tadellos und tight, so verdammt gut und echt OVERKILL ihr Ding auch durchziehen, so sehr denke ich mir nun schon seit Anfang des neuen Jahrtausends nach jedem Album: "Muss ich das haben, wenn ich schon alles bis "Necroshine" besitze?
 
FAZIT: Eine Institution des harten Metal rückt an, um mir wieder in den Arsch zu treten. Aber ich weiß ja schon, dass es wieder an einer Arschbacke weh tun wird. Der "Oha, das tat nun aber wirklich mal wieder weh!"-Effekt fehlt. Der unerwartete Tritt oder Schlag, bei dem sowohl die physische als auch die psychische Deckung fehlt. Ich will vor Schmerzen kreischen, quietschen, schreien, in etwa so hysterisch wie Blitz in seinen extremsten Momenten. 

9 von 15 Punkten



Review von: Lothar Hausfeld (Profil)

Wenn man sich mal in seinem Bekannten- und Verwandtenkreis umschaut und die Menschen betrachtet, die bereits eine "5" vor ihrem Alter stehen haben - und dann mal guckt, was Bobby "Blitz" Ellsworth mit nahezu 53 Jahren abzieht, kann man sich nur wundern. Wundern über die immer noch nahezu unbändige Energie, die in dem drahtigen Kerlchen steckt, diesem Kerlchen, das scheinbar einfach nicht altern will.
 
Das gilt seit jeher für die Live-Auftritte von OVERKILL, bei denen der Sänger naturgemäß im absoluten Mittelpunkt steht. Und nachdem die Band eine zeitlang auf ihren Studioalben ein wenig durchhing und die Fähigkeit verloren hatte, die rohe Energie von der Bühne auch vor den Aufnahmegeräten zu reproduzieren, ging es spätestens mit dem letzten Album "Ironbound" auch wieder auf Konserve deutlich bergauf.
 
Und erfreulicherweise setzen die Ami-Thrasher diesen Weg auch auf "The Electric Age" konsequent fort. Natürlich wird auch auf Album Nummer 16 der vom Punk beeinflusste Thrash Metal in keinster Weise revolutioniert oder neu erfunden. Aber warum denn auch, wenn die Qualität so hoch ist wie auf "The Electric Age"? Warum auch, wenn das Energielevel über die gesamte Spieldauer so hoch ist, dass der Hörer unweigerlich beim Hören den Kopf schüttelt und die Beine zucken?
 
Angefangen beim rasanten Opener "Come And Get It" über das rasante "Electric Rattlesnake" - der Blaupause für den Begriff Thrash-Hit! -,dem rasanten "Wish You Were Dead"... halt, Moment mal, rasant, rasant, rasant - wird hier etwa durchgehend das Gaspedal durchgetreten? Nein, wird es nicht, aber die Durchschnittsgeschwindigkeit der zehn Songs ist auf jeden Fall German-Autobahn-kompatibel. Und auch die vereinzelt eingeschobenen schweren Groover wie "Black Daze" (mitgröhlgeeigneter Refrain!) wissen auf "The Electric Age" voll und ganz zu überzeugen. Hinzu kommt eine vom Gitarren-Duo Linsk/Tailer servierte außergewöhnlich hohe Melodiedichte, die man in dieser Form nicht immer von OVERKILL serviert bekommt, die den New Yorkern aber außerordentlich gut zu Gesicht steht.
 
FAZIT: Messerscharfe Riffs, ultratighte Rhythmusfraktion mit permanenten Punches in die Magengrube, die bekannt schneidende Stimme von Bobby Ellsworth, Songs zwischen knüppelhart und einprägsam - "The Electric Age" ist keine Weltneuheit, aber wie bereits gesagt: warum denn auch. Auch ganz ohne Innovationen katapultiert sich Album Nummer 16 aus dem Stand auf die vorderen Plätze der OVERKILL-Historie.

11 von 15 Punkten


Review von: Lutz Koroleski (Oger) (Profil)

Vor zwei Jahren konnte die New Yorker Thrash-Institution mit dem Hammer-Album "Ironbound” viel verlorenen Boden wiedergutmachen, den sie mit etlichen durchwachsenen Veröffentlichungen in den 90ern und 00ern verloren hatte. Nun steht bereits der Nachfolger an und man durfte gespannt sein, ob es sich beim Vorgänger nur um ein letztes Aufbäumen handelte oder Blitz und Co. dauerhaft und zu alter Stärke zurückgefunden haben.

Um es gleich vorwegzunehmen und die Vorfreude sämtlicher OVERKILL-Fans auf die Spitze zu treiben: Der Band ist es gelungen ein mindestens gleichwertigen Nachfolger nachzulegen. Gleich der fetzige Opener "Come and Get It” macht nach einem kurzen Intro unmissverständlich klar, dass unmelodisches Riffgeschiebe wohl endgültig der Vergangenheit angehört. Es dominieren mitreißende Thrash-Salven, die typischen Proll-Background-Chöre und ein eingängiger Refrain. Sehr cool klingt der ACCEPT-Part im Mittelteil und trotz Überlänge kommt keinerlei Langeweile auf. Wie eigentlich immer auf OVERKILL-Alben ein gelungener Opener. Im Anschluss gibt es dann den ersten Song mit Klassiker-Potential. "Electric Rattlesnake" muss sich hinter der Vielzahl der großen Bandhymnen nicht verstecken, überzeugt mit durchweg starken Melodien und einer groovigen Variante des packenden Hauptriffs. Die beiden nachfolgenden, etwas gemäßigteren Stücke ("Wish You Were Dead” und "Black Daze") kommen zwar einen Tick weniger spektakulär daher, können aber ebenfalls mit ein paar coolen Ideen glänzen, bevor mit dem Brecher "Save Yourself" die nächste kommende Perle im Live-Set ansteht. Damit ist das Pulver aber noch längst nicht verschossen, da bis auf "21st Century Man" auch die zweite Hälfte von "The Electric Age" absolut zu begeistern weiß und selbst besagter Song wäre auf manchem OVERKILL-Werk der mittleren Vergangenheit noch als Highlight durchgegangen. Jedenfalls setzen sich auch die beiden Midtempo-lastigen "Drop The Hammer" oder "Old Wounds, New Scars" nach einigen Durchläufen hartnäckig im Ohr fest und klingen dabei kein bisschen aufgewärmt, insbesondere letztgenannter Song punktet mit einem äußerst relaxten Chorus. Da auch die Abschlusstracks das hohe Niveau halten, möchte man gleich nach Album-Ende direkt wieder einen neuen Durchgang starten.

Hervorzuheben ist noch der äußerst druckvolle Sound sowie die Gitarrenarbeit der beiden etwas im Hintergrund stehenden Riffmaster, die erneut sämtliche Songs mit melodischen Soli und originellen Einfällen bereichern.

FAZIT: Die Befürchtungen, "Ironbound" könnte eine Eintagsfliege gewesen sein, haben OVERKILL eindrucksvoll zerschlagen. Mindestens die Genre-Scheibe des Jahres, mit der ein Großteil der Nachwuchs-Folklore-Thrash-Bands zumindest musikalisch ziemlich alt aussieht.

12 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 10,5 von 15 Punkten

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Andreas Schulz (Info)