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Interview mit Das Kammerspiel (07.01.2010)

Das Kammerspiel

Dirk Rehfus ist nicht nur Sänger der GRABNEBELFÜRSTEN und mit ALLVATERS ZORN aktiv, sondern darüberhinaus auch Betreiber des kleinen Labels Lost Souls Graveyard, auf welchem er vor kurzem nicht nur das edle Debüt von FLUORYNE veröffentlicht hat, sondern auch "Wege", das dritte Album seines Solitärprojekts DAS KAMMERSPIEL. Musikalisch wandelt er dabei auf avantgardistisch-schwarzmetallischen Wegen, die nicht einfach zu verdauen sind. Es gibt also jede Menge Themen, über die wir uns mit Dirk unterhalten konnten.

Hallo Dirk und frohes neues Jahr zunächst einmal. 2009 erschien mit "Wege" das dritte Album deines Projekts DAS KAMMERSPIEL. Was war außerdem für dich von besonderer Bedeutung in diesem Jahr?

Auch Dir ein gutes neues Jahr !

Zuallererst war es schön zu sehen, daß sich mein gerade erst Ende 2008 geborener Sohn gut zu entwickeln scheint. Dieser Punkt ist natürlich aus väterlicher Sicht ein sehr wichtiger. Ansonsten konnte ich dem Jahr 2009 wenig positives abgewinnen, ich war sehr lange ernsthaft krank und insgesamt gesehen blieb das Jahr seltsam blaß, wenig farbenfroh. Es ist komisch, wenn man sich so gar nicht an wirklich schöne Momente erinnern kann, wenn der zur Verfügung stehende Erinnerungszeitraum ein ganzes Jahr beträgt.

Das KammerspielDas angefangene Jahr 2010 wird für dich von daher wohl besondere Bedeutung haben, als dass deine Hauptband GRABNEBELFÜRSTEN nach dem kommenden Album "Pro-Depressiva" zu Grabe getragen wird. Wie fühlt es sich an, wenn ein solches Ende immer näher rückt?

Ich denke nicht, daß das Ende von GRABNEBELFÜRSTEN für uns selbst ein großartiges oder tieftrauriges Ereignis darstellen wird, denn wir werden einander musikalisch wie freundschaftlich verbunden bleiben. Mit unserem Bassisten betreibe ich ja zusammen noch ALLVATERS ZORN. Wir werden auch anderen interessierten Bandmitgliedern die Möglichkeit geben, dort mit zu wirken und weiterhin gemeinsam Musik zu machen. Ebenso verhält es sich mit dem KAMMERSPIEL. Auch dort werde ich mich öffnen und das bisher streng als Solo-Projekt angedachte Konzept eventuell um weitere Mitglieder bereichern.

Jedenfalls wird GRABNEBELFÜRSTEN für mich eine Bedeutung behalten. Ich denke, daß unter diesem Banner eine Menge großartiger Musik veröffentlicht wurde, die vielleicht nicht immer die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhalten hat, die aber dennoch rein qualitativ betrachtet über Jahre hinweg zur absoluten Speerspitze des deutschen Schwarzmetalls gehörte und gehört. Es ist natürlich unser Ziel uns selbst mit "Pro-Depressiva" erneut die Krone aufzusetzen und wahrhaft fürstlich abzutreten. Wir haben mit dem KAMMERSPIEL, ALLVATERS ZORN und PANDORA bereits unsere direkte Nachfolge geregelt – und können da aufhören, wo es am schönsten ist.

Es ist also schon völlig klar, was in musikalischer Hinsicht folgen wird.

Wie gesagt, ich bin Gründer von ALLVATERS ZORN, einer Band, die immerhin auf zwei Demos und ein Album zurückblicken kann, aber ihre endgültige Schönheit und Reife auch noch nicht gefunden hat. Ich erwarte von uns selbst noch recht viel. Prinzipiell würde mir auch eine einzige Band reichen, aber DAS KAMMERSPIEL ist mir mit seinen drei Alben mittlerweile schon sehr ans Herz gewachsen. Ich werde dieses Projekt also natürlich weiter verfolgen.

Laut der allwissenden Wikipedia ist ein Kammerspiel ein Schauspiel im intimen Rahmen, meist mit wenigen Schauspielern auf der Bühne, ohne Statisterie oder großen Dekorationsaufwand. Hast du dein Projekt so benannt, weil du da ganz allein tätig bist?

Ich habe den Namen DAS KAMMERSPIEL deswegen gewählt, weil er einen sehr intimen und eingrenzenden Charakter besitzt. Und wenn ich es mir recht überlege, so gefallen mir gerade auch in Filmen – ich bin ein großer Film-Freund – gut gemachte, kammerspielartige Szenen, wo der Fokus auf vielleicht zwei, drei Darstellern liegt, die die gesamte Handlung vorantreiben. Wo ein ruhig gesprochener Satz eventuell eine größere Sprengkraft besitzt als eine perfekt inszenierte Explosion, bei der zig Autos und Stuntmen durch die Luft geschleudert werden.

Das neue Album heißt "Wege", trägt also einen Namen, der in verschiedener Hinsicht zu deuten sein kann. Warum hast du diesen Titel gewählt?

Weil die triviale Aussage, daß jeder Mensch seine eigenen Wege und Irrwege verfolgt, im Grunde genommen alles andere als banal ist. Ich habe mir schon öfters vorgestellt, daß z.B. in einer Fußgängerzone oder auf einer Autobahn ganz viele Menschen sich zeitgleich auf engem Raum bewegen und alle die Situation, in der sie sich befinden, komplett anders wahrnehmen. Vielleicht ist der eine gerade frisch verliebt und würde am liebsten die ganze Welt umarmen und die andere Person, gleich neben ihm, hat gerade erfahren, dass sie todkrank ist. Wir bewegen uns allesamt in unserem eigenen gedanklichen Universum und das ist schon ein echt seltsamer Gedanke.

Das Kammerspiel - WegeKennst du eigentlich die Deutschpunk-Band DIE SKEPTIKER? Deren Sänger Eugen hat eine ganz eigene Stimme und auf "Wege" erinnert mich der Gesang manchmal daran. Du singst oft sehr ausdrucksstark und beschränkst dich nicht auf typische Black Metal-Gesänge. Warum?

Den Namen DIE SKEPTIKER kenne ich, ich hätte auch vermutet, daß sie im Deutschpunk-Bereich beheimatet sind, aber auf musikalischer Ebene kenne ich die Band nicht. Auf typische Black Metal-Gesänge habe ich mich noch nie beschränkt. Ehrlich gesagt finde ich meinen "Black Metal-Gesang" auch gar nicht so gut. Ich glaube, ich klinge dann gut im Sinne von unverwechselbar und emotional authentisch, wenn die einen sagen, daß ich im positiven Sinne emotional-ausdrucksstark und variabel klinge und die anderen davon sprechen, daß der Gesang einfach mies klingt. Keine Ahnung, selbst wenn ich mir vornehmen würde, auf einem Album stets in der gleichen Stimmfarbe wie z.B. der Sänger von DIMMU BORGIR zu singen, es würde nicht funktionieren. Die Stimme ist kein Instrument, das man stimmt oder für das man sich einen Sound auswählt, sie ist ein Transportmedium der eigenen Emotion innerhalb eines Songs. Zumindest in meinem Fall.

"Wege" ist alles andere als leicht zugänglich. Wieviele Hördurchläufe würdest du empfehlen, bis man anfängt, es zu verstehen. Oder andersherum: in einer Zeit, in der alles schnell gehen muss, in der die Menschen kaum Ruhe finden, machst du Musik, für die man sich Zeit nehmen muss und es auch gerne macht. Willst du den Hörer dazu herausfordern?


Ja, man müßte sich schon Zeit für meine Musik nehmen und nein, nicht jeder nimmt sich diese Zeit "gerne". Das kann ich übrigens auch verstehen. Ich glaube auch nicht, daß meine Musik so gut ist, daß sie jeden überzeugen würde, würde dieser jemand ihr nur genug Zeit schenken ihre magische Wirkung zu entfalten. So ist es nicht, es gibt einen wohl recht überschaubaren Kreis an Menschen, der theoretisch mit meiner Musik warm werden kann.

Wieviele Durchläufe "Wege" braucht, kann ich natürlich auch nicht sagen, da ich das Album ja von Grund auf aufgebaut habe und jede Abzweigung, jedes Detail innerhalb der Songs kenne. Ich kann das Album leider nicht aus einer neutralen Position beurteilen. Um das halbwegs zu können, braucht man schon eine Menge zeitlichen Abstand zu den Aufnahmen und dem ganzen Drumherum. Ich kann nur das bisherige Feedback der Leute interpretieren. Mir ist bewußt, daß einige Rezensenten gar nicht mit der CD klarkommen oder auch klarkommen möchten, aber bei mir landen ja vor allem die E-Mails von den Leuten, die sich positiv zu der Musik äußern möchten. Laut deren mehrheitlicher Aussage ist die Musik gar nicht so sperrig, wie sie oftmals in Reviews beschrieben wird. Es scheint so, daß man auch schon nach zwei bis drei Durchläufen voll in der Musik drin sein kann. Keine Ahnung, wahrscheinlich passen die Musik des KAMMERSPIELs und die Hörgewohnheiten der Menschen allgemein nur in einer sehr kleinen Schnittmenge zusammen.

Du hast alle Instrumente selbst eingespielt. Das setzt voraus, dass du auch alle Instrumente irgendwann gelernt haben musst. Musik ist also das wichtigste Element in deinem Leben?


Ich kann schon ein bißchen Gitarre als auch Synthesizer spielen, ich weiß auch, wie ich am PC und am Mischpult eine Platte zusammenbaue. Aber im Grunde genommen bin ich nicht viel mehr als ein besserer Anfänger, wenn ich das mal rein auf meine technischen Fähigkeiten beziehe. Ich bin also kein Virtuose. Und natürlich bedeutet mir Musik viel. Sie bedeutet mir genau so viel, daß ich es auch für lohnend erachte, mit bescheidenen technischen Mitteln kontinuierlich an Songs zu arbeiten, da ich mich nur durch Songs ausdrücken kann, nicht durch das akribisch-perfektionistische Erlernen eines Instruments. Ich verbessere mich in kleinen Schritten durch jede neue Aufnahme. Das Motto "Learning by doing" beschreibt es in meinem Fall recht gut.

Das KammerspielDu bist nicht nur Musiker, sondern auch Besitzer des noch recht neuen Labels "Lost Souls Graveyard". Warum hast du ein eigenes Label gegründet?

Weil "meine" Musik anderen Labels schwer zu vermitteln ist. Das betrifft jetzt nicht nur DAS KAMMERSPIEL, sondern auch ALLVATERS ZORN oder GRABNEBELFÜRSTEN. Irgendwas scheint in meinen und unseren Kompositionen zu stecken, daß uns für die breite Masse nicht interessant genug macht. Nimm z.B. DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT als Beispiel. Das ist eine musikalisch recht gute Black Metal-Band, die ein glasklares Image und Konzept verfolgt. Es wundert mich nicht, wenn eine Band, die konsequent ihr Ding durchzieht auch Erfolg hat. Bei unseren Projekten ist aber nichts, was so klar wäre, wir wollen beständig Neues ausprobieren, haben Spaß an Experimenten, auch wenn die sich im Nachhinein vielleicht als Schuss in den Ofen erweisen.

Du hast mit FLUORYNE eine Band unter Vertrag, die musikalisch ähnliche Wege geht, wie du mit DAS KAMMERSPIEL, also Black Metal mit Ambienteinflüssen vermengt. Ist das für dich visionäre Musik, sind das Klänge für die Zukunft?

Ambient-Musik hat für meine Begriffe etwas grundsätzlich Visionäres an und in sich, da es sich zumeist um Synthesizer-Musik, also maschinelle Musik handelt. Der Synthesizer steht in der Wahrnehmung von vielen ganz einfach einer klassischen E-Gitarre komplett entgegen. Beim Begriff Synthesizer denkt man wahrscheinlich an Musiker wie DEPECHE MODE, JEAN-MICHEL JARRE und andere, die oftmals irgendwie entrückt scheinen. Bei der E-Gitarre denkst Du an Ikonen wie Slash oder Kirk Hammett, Leute vor denen dich deine Eltern gerne gewarnt haben. Visionäre Bands sind nicht zwingend nötig. Sicherlich sind Bands wie PORCUPINE TREE toll, aber genauso gut, wenn nicht sogar besser, sind bodenständige Rock- und Metalbands, die z.B. auf eine klassische Bandbesetzung ohne Keyboards schwören. FLUORYNE benutzen natürlich synthetische Elemente für ihre Musik, machen das aber auch sehr gut und zudem individuell.

Ein weiterer Musiker, der irgendwann ein Label gegründet hat, ist Sveinn von Hackelnberg, ehemals NAGELFAR. Er ist Inhaber von VÁN Records und hat mit einer Band namens THE DEVIL’S BLOOD wohl den Fang seines Lebens gemacht. Träumt man als Inhaber eines kleinen Labels eigentlich davon, auch selber mal so einen Glücksgriff zu machen?

Ich kenne THE DEVIL´S BLOOD musikalisch nicht, habe aber schon mitbekommen, daß sie in aller Munde sind. Möglicherweise trifft deren Musik einfach einen bestimmten Nerv, einen Zeitgeist, ich kann darüber nur spekulieren, da ich die Musik, wie gesagt, nicht kenne. Aber es ist auf jeden Fall toll für Ván, daß sie eine solche zugkräftige Truppe gesignt haben. Das kann man nur neidlos anerkennen. Es kann ja auch sein, daß Sven selbst einfach als erster erkannt hat, was in der Truppe für ein Potential steckt und hat dementsprechend richtig gehandelt. Das wäre dann etwas weniger Glück, als vielmehr die Folge einer richtigen Einschätzung. Ich zweifle auch daran, daß ich ein solches Gespür entwickeln könnte. In meinem Fall hätte das wahrscheinlicher mit Glück zu tun.

Wie wichtig ist für ein kleines Label wie deines in Zeiten, in denen auch im Metal der Markt unglaublich groß ist, die Zusammenarbeit mit Webzines und Fanzines? Und wie wichtig wäre eine hohe Punktzahl für deine Releases in den wichtigen Printmagazinen?


Über hohe Bewertungen würde ich mich immer freuen, egal ob diese in kleinen Webzines oder großen Printzines auftauchen. Natürlich erwartet man bei einem guten Review im Rock Hard z.B. ein größeres Echo als bei einem guten Review in einem kleinen Webzine. Allerdings trage ich in mir immer noch die naive Vorstellung, daß ein Review oder auch ein Interview in kleineren Zines oftmals mehr Substanz aufweist als bei den großen Heften.

Ich danke für die Beantwortung meiner Fragen, die letzten Worte gehören dir.


Ich danke Dir für das sehr interessante Interview! Hat mir echt Spaß gemacht. Beim nächsten Mal möchte ich auch über die Schweinegrippe befragt werden ;-)
 

Andreas Schulz (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Das Kammerspiel - Wege (2009)