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Interview mit SOLILOQUY (12.03.2018)
„Rückkehr nach 14 Jahren
Die 1997 in Gießen gegründete Indie-, Alternative- und leidenschaftlich in der musikalischen Vergangenheit wildernde Band SOLILOQUY machte sich in den ersten Jahren ihres Bestehens durch eine gelungene musikalische Mischung aus Indie, Pop, Punk, Retro-Rock, griffige Melodien sowie einfallsreiche englische Texte bis 2003 einen Namen. Doch dann trat trotz einer immensen Konzerttätigkeit bei der Veröffentlichung weiterer Alben absolute Funkstille ein. 14 Jahre sollte es dauern, bis urplötzlich und völlig überraschend mit „Twenty Something“ zum 20jährigen Jubiläum der Band SOLILOQUY ihren dritten Studio-Longplayer veröffentlichen. Wie es dazu kam, gehen wir auf dem Grund – und wir graben noch viel, viel tiefer...
Ihr lasst es gleich zu Beginn eures Albums „Twenty Something“, das nach sage und schreibe 14 Jahren ein neues Studio-Lebenszeichen von euch ist, ordentlichen Knistern. Auch eure Musik ist knisternd und zugleich großartig produziert wie in dem längst vergangen geglaubten, doch endlich wiederbelebten Vinyl-Zeitalter.
Hat vielleicht die Renaissance des Vinyls und der „handgemachten, analog produzierten“ Musik, dazu beigetragen, dass ihr euch endlich wieder zu Wort und Gehör meldet?
Arno: Also, obwohl mich dieser ganze Vinyl-Hype auch ein wenig getroffen hat, hat das mit uns als Band nichts zu tun. Wir haben vor einiger Zeit mit Patrick wieder einen festen zweiten Gitarristen gefunden und dann einfach auch Bock darauf gehabt, die eine oder andere, in 14 Jahren entstandene, Nummer aufzunehmen. Das macht ja auch Spaß, bzw. besser formuliert, ist interessante Arbeit, die zum Banddasein, vor allem, wenn man ausschließlich eigene Songs spielt, dazugehört. Außerdem stand das 20-jährige Band-Jubliäum an und das hat uns dann soweit motiviert sich zu den Aufnahme-Sessions zu zwingen.
Sebb: Das Vinyl selbst ist es nicht so sehr, das für mich diese nostalgische Magie ausmacht, sondern vielmehr die alten Aufnahme- und Produktionsprozesse. Ich möchte gerne lebendige, menschlich gespielte Musik hören und nicht perfekt programmierte virtuelle Midi-Instrumente mit schrecklich quäkigen Autotune-verseuchten Gesangslinien. Für uns als DIY-Rocker heißt das: Ab in den Keller und experimentieren. Organische Klangästhetik bedeutet dann, mehr auf Feeling und Vibe zu achten und weniger nur auf spieltechnische Perfektion. Wenn dann irgendwo mal eine Tom nicht ganz richtig getroffen ist, oder eine Basssaite zu hart schnarrt, egal. Es soll ja nach Mensch klingen. Da wir kein 50.000$-Studio haben, sondern nur einen halbwegs passablen, akustisch funktionierenden Proberaum, müssen wir eine Menge Arbeit in den Aufnahmeprozess stecken, um am Ende ein konkurrenzfähiges Ergebnis zu bekommen.
Doch bevor wir mit eurer Musik fortfahren, solltet ihr euch vielleicht kurz noch einmal vorstellen und uns erzählen, warum es eine so unglaublich lange, 14jährige Pause nach den beiden EPs „Soliloquy“ (1998), „Soliloquy vs. Colourful Grey“ (2002) sowie den beiden CDs „Quite Delicious“ (2001) und „So Far So Good“ (2003) gab, was ihr in der Zeit so angestellt habt und wie der Startschuss zu eurem aktuellen Album „Twenty Something“ fiel.
Arno: Also „So far so Good“ von 2003 haben wir gefühlt unendlich betourt. Alles in Eigenregie, da war übermäßig viel Spaß dabei, aber es hat auch Kraft gekostet. So viel Kraft, dass die vielleicht gefehlt hat, um dann ein weiteres Album aufzunehmen. Dummerweise waren wir mit den letzten Gigs zu „So far so Good“ plötzlich alle mitten im Berufsleben und/oder haben Kinder bekommen. Da verschiebt sich dann der Lebensfokus zwangsläufig. Die Band mit Ambitionen wird zur Hobby-Band. Daran muss man sich auch erst einmal gewöhnen. Hat Vor- und Nachteile...
Aus heutiger Sicht betrachtet – welches der vier Alben liegt euch am meisten am Herzen und warum?
Arno: „Twenty Something“ ist für mich von den Songs her das kompakteste und erwachsenste Album. Ihr habt in eurer Review von der Verschiedenartigkeit der Songs im Indie-Kosmos geschrieben und so sehe ich das eigentlich auch. Die Songs sind mega-verschieden und doch unverwechselbar. Zudem finde ich den Sound am besten.
Sebb: Für mich ist jedes dieser Alben immer so eine Art akustisches Fotoalbum aus seiner Zeit, so etwa wie eine Zeitreise. Wenn man so viel Zeit damit verbracht hat, diese Musik zu schreiben, aufzunehmen, zu arrangieren, zu produzieren und sie dann noch unzählige Male live gespielt hat, kann man das gar nicht mehr objektiv betrachten. Man erinnert sich an die coolen, einmaligen Situationen von damals, ärgert sich maßlos über Fehler, die man gemacht hat usw. Für mich ist aber „Twenty Something“ zurzeit einfach besonders, weil es unglaublich hart war, neben Job, Familie und Leben dieses Album durchzuziehen. Es war für uns sooo wichtig zu erfahren, dass wir nach all dieser Zeit des „Erwachsenseins“ nicht die Fähigkeit verloren hatten, Spaß am Aufnehmen und am kreativen Arbeiten zu haben.
Teja: Ich höre mir nach wie vor jeden Output von uns gerne an. Jeder hat seine Berechtigung und macht die Facetten unserer Band aus.
„Quite Delicious“ war die Grundlage für viele, viele tolle Konzerte, Begegnungen und Erfahrungen. Es war von der Zeit her das aufwändigste Album und spiegelt ja alles wider, was wir von 1997 bis 2000 so gemacht haben, Deshalb ist es auch, wie ich finde, von den Songs her sehr verschieden. Höre ich mir das Album nach längerer Zeit wieder an, finde ich immer wieder einen Song, bei dem ich mich frage, warum wir ihn nicht wieder mit ins Programm nehmen.
„So far so good“ war das Album, mit dem wir am meisten unterwegs waren. Ich mag den Sound und das Gefühl, welches dabei transportiert wird.
Mit „Twenty Something“ haben wir da, ohne es geplant zu haben, sehr gut angeschlossen. Das Album bedeutet mir unendlich viel, da ich zwischenzeitlich nicht mehr damit gerechnet habe, dass es fertig wird. Es war ein zeitlicher und organisatorischer Kraftakt, bei dem zumindest Sebb und ich weit über unsere Grenzen hinaus gegangen sind. Es ist halt leider nicht so wie früher gewesen, dass wir die Zeit hatten, alles an einem Stück aufzunehmen. Vieles ist über Wochen und Monate entstanden. Dort in einen Workflow zu finden und diesen zu behalten, ist nahezu unmöglich gewesen. Zum Ende des Albums waren wir aber wieder soweit, dass die Kreativität voll angeregt war, d.h. wir könnten eigentlich gerade weitermachen...
Das Gefühl, wieder kreativ tätig zu sein und es geschafft zu haben, dies alles auf CD zu bannen, ist überwältigend. Von daher könnte man sagen, „Twenty Something“ ist als Startschuss für mehr zu verstehen und damit ganz klar das wichtigste Album für mich.
Patrick: Für mich ist das erwartungsgemäß „Twenty Something“, was vor allem daran liegt, dass das mein erstes Album mit der Band ist. Noch vor drei Jahren wäre ich nie auf die Idee gekommen, wieder in eine Band einzusteigen, weil ich mit Familie, Arbeit und was man eben sonst noch versucht, im Leben aufrecht zu erhalten, überhaupt keine Luft dafür gesehen habe. Der Zufall hat uns erfreulicherweise zusammengeführt, was sehr lustig ist, da ich mit Soliloquy selber zwar nie etwas zu tun hatte, Sebb aber aus dem Kindergarten, Teja und meinen Vorgänger Andi aus unterschiedlichen Bezügen in der Jugend und Arno aus meiner Studenten-Clique kenne. Ich bin sehr glücklich und stolz, dass neben einer guten Zeit und einigen coolen Gigs nun tatsächlich auch noch ein schickes Album rumgekommen ist, obwohl wir alle nicht mehr so viel Zeit für die Musik haben, wie wir es uns wünschen würden. Die vorherigen Alben kann ich nur als Außenstehender beurteilen, wobei ich schon sagen muss, dass „So far so good“ DER Maßstab für mich war, da mich beim Reinarbeiten in die Musik von Soliloquy auf dieser CD wirklich jeder einzelne Song berührt und begeistert hat.
Arno, du hast 2007 SOLILOQUY verlassen, bist dann 2013 wieder zurückgekehrt. Welche Gründe gab es für deinen Abgang und deine Wiederkehr und welchen Einfluss hast du auf die Entstehung eures neuen Albums gehabt?
Arno: Ich dachte, die anderen drei haben mehr Spielraum, Termine zu machen, bei mir war aber auch einfach die Luft raus und ich musste mich beruflich finden. Plötzlich ein Staatsexamen, aber gefühlt keine Ahnung zu haben, kann ganz schön stressen. Am neuen Album habe ich die Bässe eingespielt und beim Songwriting einiger Songs mitgemacht.
Welche Rolle spielen bei euch die Texte, die ja leider im Digipak der „Twenty Something“-CD nicht abgedruckt wurden?
Worum geht es in den insgesamt 11 Songs?
Und was haltet ihr davon, vielleicht auch den einen oder anderen Song in deutscher Sprache aufzunehmen?
Teja: Ganz klar spielen die Texte eine wichtige Rolle. Jedoch stehen bei uns definitiv das Gefühl und die Stimmung eines jeden Songs im Vordergrund. Es ist mir wichtig, dass die Musik ihre Wirkung auf die Zuhörer hat und diese nicht durch die Texte in irgendeine Richtung beeinflusst werden. Das ist auch der Grund, warum keine Texte abgedruckt sind.
Ich finde, dass die Songs auch ohne das Wissen der Aussage des Textes funktionieren müssen. Darüber hinaus hat derjenige, den der Song so angesprochen hat, dass er sich die Mühe macht, den Text rauszuhören, einen ganz anderen, tieferen Zugang, als derjenige, der sich das Geschriebene einfach mal kurz durchliest. Vieles hat nämlich beim oberflächlichen Betrachten eine ganz andere Bedeutung, als es eigentlich beabsichtigt ist. Deshalb ist die Chance auf deutsche Texte auch eher gering. Obwohl wir für unsere Frankfurter Eintracht schon mal eine Ausnahme gemacht haben und 2005 die „Diva vom Main“ auf deutsch eingesungen haben.
Nein, ich bin mit englischsprachiger Musik aufgewachsen und ich fühle mich auch bei den eigenen Sachen dort heimisch.
Thematisch handeln die Texte von Begebenheiten, Begegnungen Situationen des alltäglichen Lebens. Zweifel, Ängste, Fehlentscheidungen evtl. verpasste Chancen... Das, was einen halt so jeden Tag beschäftigt. Aber natürlich geht es auch um große Gefühle, wie zum Beispiel in „Half a life“. Das ist eine Liebeserklärung an unsere Musik und spiegelt das Gefühl wider, nach der ganzen Zeit wieder ernsthaft Musik machen und zusammen spielen zu können.
Die Frage nach den deutschen Texten ist nicht unbegründet, denn schließlich ward ihr bereits bei euren über 300 Konzerten als Support für zwei „heldenhafte deutsche Bands“ – REVOLVERHELDEN und WIR SIND HELDEN – oder auch MIA und JENNIFER ROSTOCK unterwegs. Wie war‘s denn mit denen so und welche der Bands ist diesbezüglich euer „stiller Favorit“?
Arno: Ich persönlich mag Mia und Wir sind Helden davon am liebsten. Mit Mia hatten wir einen der härtesten Aftershow-Momente. Deren Gitarristen haben wir dann auch noch unter skurrilsten anderen Umständen getroffen und das war immer lustig!
Sebb: Haha! Mit Revolverheld haben wir Backstage in den Hessenhallen Fußball gespielt. Das war lustig! Jennifer Rostock hat einfach nur ganz krass gerockt – ich mag auch die neuen Sachen von ihr ganz gerne.
Teja: Mia und natürlich die Donots, die ja jetzt auch zu den deutschsprachigen Bands zählen. Beides einfach unglaublich nette Bands.
Wenn wir bei Favoriten sind. Jeder, der sich irgendwann einmal der Musik verschrieben hat, den hat eine ganz bestimmte Band, ein ganz bestimmtes Album, ein ganz bestimmter Song und ein ganz bestimmtes Konzert absolut gepackt, manchmal gar sein Leben verändert. Welche sind das bei euch und wie viel Einfluss haben sie auf euer aktuelles Album?
Arno: Das mit Abstand beste Konzert für mich war sicher PEARL JAM als Headliner bei RockAmRing 2000. Das war einfach eine tolle Stimmung und es war beeindruckend, wie man mit relativ bescheidenen Mitteln und ohne viel Bling-Bling, Masken oder ähnlichem Style-Kram mit guten Songs, stundenlang eine tolle Atmosphäre für ein supergroßes Publikum kreieren kann. Ich denke das findet sich so direkt auf „Twenty Something“ nicht wieder, aber uns als Band ist eine Anbiederung an Szene-Codes oder Effekthascherei sicher auch eher fremd.
Sebb: Bandgeschichtlich war natürlich das DONOTS-Konzert am 6.2.2001 in Aschaffenburg mit MIDTOWN und FROZEN AUDIENCE sehr wichtig. Hier haben wir damals Arno kennengelernt. Wir waren auf der Suche nach einem neuen Bassisten und alle drei (Teja, Andi & Sebb) hatten Arno unabhängig voneinander getroffen und so dachten wir eine Zeit lang, wir hätten drei Bassisten zur Auswahl. Was hat das mit „Twenty Something“ zu tun? Soweit erstmal wenig, aber für mich ist Midtown immer noch eine meiner Lieblingsbands, selbst nach all den Jahren und wenn es um mehrstimmigen Gesang geht, der bei uns über die Jahre ebenfalls immer wichtiger geworden ist, ist Midtown einfach eine absolute Macht!
Teja: Den größten Einfluss auf mich haben zweifelsohne NEW MODEL ARMY und PEARL JAM gehabt. Und das Ganze sowohl auf Platte als auch im Konzert. Wie sowohl Eddy Vedder als auch Justin Sullivan es schaffen, allein durch ihre Stimme und Präsenz diese Atmosphäre zu transportieren ist ganz großer Sport.
Den Fokus bei der Aufnahme des Albums auf den Song und auf die Mittel, die wir zur Verfügung haben, zu legen, ohne auf großes technisches Gerät zurückzugreifen, resultiert bei mir sicherlich auch aus der Liebe und dem Respekt diesen Künstlern gegenüber.
Patrick: Am meisten geflasht hat mich das Konzert der SMASHING PUMPKINS bei Rock am Ring 1998. Ich kannte weder deren Musik noch hatte ich mich bis dahin anderweitig für die Band interessiert. Unmittelbar danach habe ich von diesem Erlebnis inspiriert beschlossen, dass ich eine Strat brauche und bin per Zufall an eine gebrauchte Strat Plus geraten, die ich nun seit fast 20 Jahren spiele, auch auf unserem neuen Album.
Und hier hat jeder von euch die große Chance für seine „letzten Worte“, auch wenn die nicht für einen Grabstein vorgesehen sind. Was für einen Leitsatz, Spruch, Weisheit oder ganz einfach Botschaft ist für euch ganz besonders wichtig?
„Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Die lebendigen wollen zur Quelle!“, ist allerdings schon besetzt, denn das ist das Lebensmotto des Kritikers, der dieses Interview mit euch geführt hat.
Arno: Der US-Theologe Niebuhr schrieb mal „(Gott,) Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Hat komischerweise deutlich mehr Einfluss auf mein Handeln als Social-Distortion, Bob Marley oder Wir-sind-Helden-Weisheiten.
Sebb: “A good plan today is better than the perfect plan tomorrow.”
Teja: Nach all der Zeit glaube ich erkannt zu haben, dass es wichtig ist, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen!
Patrick: Ich finde, dass viele gut daran täten, sich nicht immer allzu wichtig zu nehmen! Manchmal können auch ein bisschen Gelassenheit und Bescheidenheit gute Ratgeber sein.
Vielen Dank für das Interview und „Keep on rockin‘“!
Thoralf Koß