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Interview mit VINSTA (28.07.2023)
"Freiweitn" lautet der Titel des dritten Albums von VINSTA, auf welchem die Österreicher ihren Alpine Metal ausdifferenzieren, und künstlerische Freiheit spielt dabei fürwahr eine entscheidende Rolle. Wenn finsterer Death Metal auf folkloristisches Jodeln trifft, werden die Hörgewohnheiten der Meisten auf eine – je nach Perspektive harte oder zarte – Probe gestellt, doch steht mehr denn je außer Frage, dass der Alpine Metal zum Spannendsten gehört, was der im weiteren Sinne deutschsprachige Metal-Underground zu bieten hat.
Beim Plausch mit Bandgründer, Multiinstrumentalist und Produzent Christian Höll wird schnell deutlich, dass es dem Vollblut-Musiker nicht um Effekthascherei geht, sondern dass ihm mit VINSTA noch so einige musikalische Abenteuer vorschweben. Wir kommen zunächst auf das neue Album zu sprechen.
Schön, dass "Freiweitn" dieser Tage endlich erscheint und der Name VINSTA sowie die Bezeichnung "Alpine Metal" von immer mehr Musik-Liebhabern wahrgenommen werden, und zwar oft mit Staunen, dass Jodeln im Metal – fern von Schlager-Musik – richtig stark und schön klingen kann. Mit welchen Gefühlen geht die Veröffentlichung für Dich einher?
Ja, der Entstehungsprozess von "Freiweitn" bis zum Release war doch ein wenig turbulent. Die Pandemie führte wie bei vielen anderen auch zum Impuls, eine neue Albumproduktion zu beginnen, weil die Situation, Liveshows betreffend, ja sehr schwierig war. Es war generell eine ungewisse Zeit. Dann kam noch der Label-Wechsel hinzu, was natürlich auch wieder für lange Stehzeiten gesorgt hat. Aber mit dem Release über Eisenwald hat sich das Warten auf jeden Fall gelohnt. Es ist wirklich eine Erleichterung oder fast schon eine Erlösung, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist, weil ich doch auch der Meinung bin, dass ich den Alpine Metal mit "Freiweitn" noch um einiges besser profilieren konnte und ich dieses geschärfte Konzept endlich präsentieren und live umsetzen möchte.
Wo werden wir denn die Chance haben, VINSTA live zu erleben?
Aktuell sind wir beim Kaltenbach Open Air und Vienna Metal Meeting im Herbst dabei. Für 2024 gibt es auch schon geplante, aber noch unangekündigte Shows.
Beim dritten Album hieß es früher oft "make it or break it", und VINSTA darf beschieden werden, dass das Songwriting und die Darbietung auf "Freiweitn" nochmal souveräner klingen als auf "Drei Deita", wenngleich das Album stilistisch nahtlos an den Vorgänger anknüpft. Es scheint, als wäre Dir bzw. Euch der Alpine Metal in Fleisch und Blut übergegangen…?
Mein Ziel ist, den Alpine Metal besser zu profilieren. Das ist durchaus ein langfristiger Prozess, der nicht von heute auf morgen funktioniert und wo ich mir auch gerne Zeit lassen will, indem ich die Entwicklung langfristig über mehrere Produktionen zulasse. Ich kann mir also gut vorstellen, dass ich mit VINSTA noch viele Releases verwirklichen werde. Vor allem habe ich jetzt ein gutes und facettenreiches Fundament, bei dem ich stilistisch viel Spielraum habe. Vielleicht wird das nächste Release ein Mundart-Death-Metal-Werk oder eine akustische und mystische Reise durch unsere österreichische Kultur. Mir gefällt diese Genre-Freiheit sehr gut, aber der alpine Kern wird bei VINSTA immer bestehen bleiben, wenn nicht noch besser umgesetzt.
Wenn ich erwähne, dass Alpine Metal mit österreichischem Dialekt und Jodelgesang aufwartet, dann merke ich noch oft, wie skeptisch mein Gegenüber reagiert, denn offenbar tauchen da bei vielen Menschen ganz bestimmte Klischees auf. Ist das ein Ansporn für Dich, daran etwas zu ändern, und zu beweisen, dass es schönen, stimmungsvollen und natürlich auch finsteren Alpine Metal gibt, der Andreas Gabalier & Co. musikalisch zum Frühstück verspeist?
Also meine Erfahrung ist, dass die Erwähnung des Jodelns ziemlich oft für Gesprächsstoff sorgt – was ich super finde. Dass es oft nicht wirklich ernst genommen wird, kann ich gut nachvollziehen, weil damit auch viel Blödsinn gemacht wird. Mein Lieblingsbeispiel, welches man wahrscheinlich international kennt, ist "Focus" von Hocus Pocus. Ich finde die Nummer zwar genial, aber das Jodeln macht das Ganze schon auch irgendwie lustig und albern. Es gibt also viele Beispiele, wo das Jodeln als Element für die Belustigung verwendet wird, und darum trifft man oft auf Skepsis, wenn man den Gesangsstil bei VINSTA beschreibt. Aber: In unserer alpinen Musikkultur gibt es unfassbar schöne und melancholische Jodel-Gesänge, die kaum in der kommerziellen Musiklandschaft zu finden sind. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, und so schaffte es zum Beispiel Hubert von Goisern mit Songs zu internationalem Erfolg, die diese Art von Jodeln verwenden und für VINSTA auch als wichtige Inspiration dienen. Aber ja, den Vergleich mit Gabalier habe ich auch schon oft gehört, nur weil der Begriff "Alpine" dabeisteht. Leider ist es so, dass unsere Musikkultur zuerst immer mit der "volksdümmlichen" Musik alias Schlager in Verbindung gebracht wird, aber damit muss man leben. Man kann es durchaus als ein Ziel von VINSTA betrachten, den ZuhörerInnen die eigentliche Schönheit und Tiefe unserer Musikkultur näher zu bringen.
Nach "Drei Deita" hast Du Deine Zusammenarbeit mit Alexander "Irrwisch" Trinkl fortgesetzt, und für mich passt das so gut wie einst bei Tiamat und Kristian Wåhlin, sprich: Das Artwork und die Albumgestaltung spiegeln Atmosphäre und Tiefgang der Musik ganz formidabel. Von Alex weiß ich, wie sehr er es schätzt, dass VINSTA ganz eigen klingen und er die Freiheit hat, diese Eigenartigkeit optisch zum Klingen zu bringen. Wie verlief die Kooperation für "Freiweitn"?
Die Gestaltung des Artworks seitens Irrwisch verlief komplett reibungslos und harmonisch. Er konnte meine Vorstellungen und die Stimmung passend zur Musik perfekt umsetzen. Alex hat auch ein gutes Gespür für das Alpenländische und dessen Mystik, was für mich ein Grund ist, mit ihm zusammen zu arbeiten. Seine spontanen Ideen zeichnen ihn besonders aus: So ist das "Freiweitn"-Artwork mit dem Firmament und der Spiegelung im See eigentlich spiegelverkehrt, was das Ganze zum einen visuell interessant macht und zum anderen perfekt zum Songkonzept vom Album-Opener "Schwoaze Låckn" passt. Wer wissen will warum, kann sich gern den Song anhören und auf die Lyrics achten. Das Lyric-Video mit englischer Übersetzung findet man auf dem Eisenwald-Youtube-Kanal.
Auf dem Cover ist die "Schwoaze Låckn" zu sehen. Was zeichnet diesen Landstrich Deiner Heimat aus?
Die "Schwoaze Låckn" liegt auf einem Hochmoor Gebiet in der Nähe meiner ursprünglichen Heimat im Salzburger Tennengau. Unmittelbar in der Nähe gibt es einen kleinen Gipfel mit einem prächtigen Panoramablick, wo man das Tennengebirge und das Dachsteingebirge, welches auch im Artwork verewigt wurde, sehen kann. Ich traue mich, zu behaupten, dass hier die Natur was ganz Eigenes und Besonderes hat – eine spezielle Mystik, die ich schlecht in Worte fassen kann. Aber dafür gibt es ja die Musik bzw. den Song dazu, den ich der Gegend gewidmet habe. Rund um diese ranken sich viele Sagen, aber auch die Natur ist atemberaubend und der Auerhahn wohnt in den Wäldern. Die Moore, Sümpfe und Lachen auf dieser Höhe sind besonders bei Wanderungen im trüben Wetter eine perfekte Inspirationsquelle für mystischen und düsteren Metal. Was ich noch nicht geschafft habe, ist eine Wanderung während einer Vollmondnacht, aber das wäre ja dann schon wieder fast zu kitschig.
Dass ich alter Saupreiß‘ manches Mal bei VINSTA-Songtexten dumm aus der Wäsche schaue und ein Wort wie "entarisch" nachschlagen muss, liegt in der Natur der Sache, doch wie schaut das eigentlich bei Deinen Landsleuten aus – verstehen die in der Regel Deine Texte, oder greifst Du bewusst Wörter auf, die heuer eher selten Verwendung finden? Gibt es derweil auch Menschen außerhalb des Metal, die deshalb von VINSTA Notiz nehmen?
Die Texte sind meistens für unsere Landsleute verständlich. Gerne nutze ich aber Ausdrücke oder Redewendungen, die im Alltag kaum oder gar nicht mehr in Verwendung sind und die auch nicht umfangreich dokumentiert sind. Was die Recherche betrifft, gibt es aber noch viel Luft nach oben, da es mir auch ein Anliegen ist, dieses wertvolle Kulturgut in Form von Musik zu verewigen. Was man aber beobachten kann, ist eine Art Revival der österreichischen Mundart, weil sie in verschiedensten Musikgenres immer öfter zu hören ist, auch im Metal-Bereich. Mich wundert es nach wie vor, dass unser Dialekt nicht schon früher oder mehr im Metal Genre eingeflochten wurde. Vor allem für harsche Growls, sei es im Death- oder Blackmetal, kann man mit der Mundart-Artikulation extrem ausdruckstark vermitteln, obwohl es nicht viele geben wird, die die Lyrics direkt verstehen werden. Das finde ich aber überhaupt nicht nachteilig, so muss man bei Extreme-Metal Vocals in der etablierten englischen Sprache auch sehr oft im Booklet nachlesen, wenn man diese verstehen will. Bei "Freiweitn" gibt es übrigens wieder eine Englisch-Übersetzung, falls man als "Saupreiß" oder als nicht-Deutsch-Sprechender den Inhalt der Lyrics besser verfolgen will.
Außerhalb der Metal-Szene habe ich noch wenig Publikum, aber das wird langfristig auf jeden Fall ein Ziel werden, dass ich quasi die Zielgruppe erweitern möchte, was bei VINSTA eigentlich schon möglich wäre, weil wir schon ein umfangreiches Nicht-Metal-Repertoire haben. Aber das wird mit einem dementsprechenden Live-Konzept umgesetzt werden - früher oder später.
Wie eingangs erwähnt, ist "Freiweitn" bereits seit geraumer Weile im Kasten. Hast Du bereits mit dem Schreiben neuer Musik begonnen, und welchen Einfluss haben Deine Mitmusiker derweil dabei?
Ja, ich habe schon ein paar Konzepte und Skizzen für neues Material. Aber ich werde erstmal abwarten und "Freiweitn" entfalten und wirken lassen, besonders bei den Konzerten. Meine nächste Priorität besteht darin, das Konzept mit einer Band gut umzusetzen. Dann lässt sich auch gezielter an neuem Material arbeiten, damit das Ganze noch mehr aus einem Guss klingen kann. Das wäre so mein Vorsatz für die nächste Produktion. Aber dieses Ziel, dass man an sich arbeitet und sich selber neu zu erfinden versucht, ist doch etwas Schönes und hält das kreative Feuer am Leben.
Danke, Christian, für Deine Zeit. Ich bin gespannt und sehr optimistisch, welche Pfade Du mit VINSTA noch einschlagen wirst, und freue mich auf den Widerhall aus der Bergwelt des Tennengau. Mach’s gut und auf bald!
Danke Thor! Auch für die Begleitung und Unterstützung der ersten Jahre von VINSTA. Ich freue mich schon auf die weitere Reise und eine ereignisreiche Zeit. Da werden sich unsere Wege bestimmt weiterhin noch oft kreuzen. Danke für das Interview und alles Gute!