Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

King Of Agogik: Aleatorik System (Review)

Artist:

King Of Agogik

King Of Agogik: Aleatorik System
Album:

Aleatorik System

Medium: CD
Stil:

Instrumental-Pogressiver Fusions-Rock

Label: Superskunk Music / sAUsTARK Records
Spieldauer: 75:00
Erschienen: 22.02.2008
Website: [Link]

Das Ticken einer Uhr eröffnet dieses eigenartige, sehr schwer zu beschreibende musikalische Solo-Projekt des deutschen Schlagzeugers und Schlagzeuglehrers HANS JÖRG SCHMITZ, der mit „Aleatorik System“ einen Einblick gibt, wie weit es jemand bringen kann, der immer schön seine Unterrichtslektionen verfolgt und fleißig übt. Hier wird nämlich 75 Minuten lang gezeigt, welch unterschiedliche Rollen in der modernen Musik das Schlagzeug spielen kann, solange man es nicht nur als rhythmische Begleitung für Rock- und Pop-Musik versteht. Der trommelnde KING OF AGOGIK treibt mit seinen zwei Drumsticks die Musik vor sich her oder er verfolgt auf fast beängstigende Weise die Keyboards, Bässe und Gitarren, um sich dann über sie herzumachen und die Führung zu übernehmen oder aber er hält sich ganz einfach und verSCHMITZt zurück, um eine Stimmung nur dezent zu untermalen.

„The Stick and the Hand should be ONE“ – das ist der Grundsatz, nach dem SCHMITZ auf seinen beiden bisherigen Alben vorgeht und den man auch auf seiner ausgezeichneten, sehr liebevoll gestalteten Homepage lesen kann. Diese Lebendigkeit des hölzernen Stöckchens, das durch die Hand von Schmitz ein unglaubliches, biologisches Eigenleben entwickelt, hört man tatsächlich. Und wie selbstverständlich hält dadurch das „Aleatorische System“ jede Menge Überraschungen für den Hörer bereit.

Schon die genauere Betrachtung des Titels lässt ahnen, was einen ansatzweise erwartet. Die Aleatorik ist eine moderne Kompositionsweise, die sich auf dem Zufallsprinzip aufbaut. So springt wie zufällig diese SCHLAGfertige Musik zwischen den unterschiedlichsten Sparten hin und her, wobei einzig und allein nur eins gewiss zu sein scheint, nämlich dass die Musik vordergründig instrumental ist, auch wenn mit Stimmen-Samples oder untermalenden Chören als eine Art Beiwerk gewisse Stimmungen noch verstärkt werden. Leider gibt es auch Momente, in denen der Hörer von der Musik regelrecht erSCHLAGen wird, da sie von Hektik und stilistischen Brüchen geprägt ist. Knallharter Metal trifft plötzlich auf Neo-Prog, alte GENESIS vertreibt man mit melodischem Rock, fette Keyboardflächen werden durch Schlagzeug-Soli relativiert und auf ruhigere Momente wird plötzlich mit offenen Geschützen, hinter denen sich KING CRIMSON verbergen könnten, gefeuert. Wer sich diesem ZAPPAesken Zufallsprinzip öffnen kann, das man am besten wohl unter Fusions-Rock „ablegen“ sollte, der wird mit einem wilden musikalischen Ritt belohnt, dem man allerdings einen Beipackzettel hätte hinzufügen sollen. Die Worte des Beipackzettels hebe ich mir an dieser Stelle erst einmal noch auf und beginne besser mit dem Versuch, entfernt das zu beschreiben, was auf der CD so vor sich geht.

Bevor man die CD in seinen Player schiebt, darf sich der Betrachter an dem schönen Digipack erfreuen, in dessen Mitte sich die CD, dargestellt als ein imaginäres (weil mit Symbolen, aber nicht Zeiteinteilungen versehenes) Uhren-Ziffernblatt, befindet. Entnimmt man dieses Ziffernblatt der Hülle, eröffnet sich darunter ein goldenes Uhr-Werk, auf dem offensichtlich nur zwei Zahnräder, die silbern dargestellt sind, in sich greifen. Das weckt erste Erwartungen. Und allen Knallköppen, die das Zeitalter der Downloads und Schwarzbrennerei als große Erleuchtung preisen, entgeht zumindest schon mal dieser optische Eindruck allererster Güteklasse. Was ihnen bleibt, ist die folgende Musik:

Nach dem bereits erwähnten Ticken (Nun weiß man ja auch warum!), eröffnet das Intro mit ein paar Stimmen-Samples die „Innere Uhr“, die einen an die längst vergessene und oft ziemlich verpönte Filmmusik von QUEEN erinnert, welche ähnlich beginnt: Flash Gordon. Doch wer jetzt darauf wartet, dass plötzlich auch dieses „Flash – aaahhhhaaaaaaaa!“ einsetzt, hat sich gehörig geschnitten. Der in sich fließende Übergang zum 22-minutigen „The Long March Of The Royal Fifth“ wird durch eine Grammophon-Aufnahme eingeleitet, die in Ur-Genesis-Keyboard-Klänge übergeht, um dann das Schlagzeugfeuerwerk zu eröffnen. Schon nach anderthalb Minuten gibt’s den nächsten Schnitt und Erinnerungen an „The Devil’s Triangle“ von KING CRIMSON kommen auf. Na ja, betrachtet man sich den Titelnamen, dann muss man mit diesen Vermutungen richtig liegen, denn Bezüge zu GENESIS und KING CRIMSON sind unverkennbar. Wer sich hinter den verbleibenden drei Königsgrößen verbirgt, wird an dieser Stelle nicht verraten! Also: Kaufen, hören, überrascht sein.

Ganz ähnlich jagt die Musik vom Schlagzeug vorangetrieben weiter durch die unterschiedlichsten Klangwelten und Sound-Samples, wobei der Hörer mitunter sogar überfordert wird. So schnell wie die musikalischen Stimmungen wechseln, kann man seine Hörgewohnheiten einfach nicht anpassen und wünscht sich manchmal eine längere Verschnaufpause und etwas mehr Systematik. Die Musik gleicht einem Kaleidoskop, in das man schaut und ein buntes, schönes Bild sieht, es aber immer hektischer schüttelt, um erneut ein buntes, schönes, aber völlig anderes Bild präsentiert zu bekommen. Manchmal möchte man aber einfach länger die Schönheit einzelner Bilder betrachten, dabei verweilen und nicht sofort wieder eine neue, durchgeschüttelte Variante präsentiert bekommen. Allerdings ist dieser Kritikpunkt fast unberechtigt, wenn man sich den Namen, den SCHMITZ für dieses Projekt wählt, genauer betrachtet. KING OF AGOGIK – die Agogik ist schließlich die Musik-Lehre von den Tempi als Ausdruckmittel. Und garantiert werden hier alle möglichen Tempi präsentiert und durchgeschüttelt, wie bei einem Kaleidoskop eben. Alle, die bisher glaubten, dass ein Kaleidoskop nur als optische Variante existiert, halten mit „Aleatorik System“ ihre akustische Entsprechung in den Händen.

Leider ist das Album aufnahmetechnisch auch der Beweis dafür, wie kompliziert es ist, in einem Studio vielfältiges Schlagzeugspiel in höchster Perfektion abzumischen, sodass in manchen Momenten der Schlagzeug-Sound etwas zu blechern klingt oder in seiner Gesamtheit zu sehr in den Vordergrund gemischt worden ist. Doch unter Musikern ist dieses Problem ja allgemein bekannt – und dass sich SCHMITZ bei diesem idealistischen Meisterwerk mit einer sAUTeurEN Produktion sicher übernommen hätte, ist wohl klar. Dafür hat ihn aber sAUsTARK Records so gut es eben ging unterstützt und letzten Endes eine passable Arbeit abgeliefert. Nicht wahr, Herr Pseudonym-SMITH?

Und damit wären wir wieder beim Beipackzettel und dem Versuch eines Vergleichs. Eins der wohl ungewöhnlichsten und zugleich beeindruckendsten Alben von MIKE OLDFIELD enthält folgende Warnung auf seiner Rückseite (die sicher wieder alle „Freunde“ der Schwarzkopie oder des Downloads noch nie gelesen haben.): „HEALTH WARNING – This record could be hazardous to the health of cloth-eared nincompoops. If you suffer from this condition, consult your Doctor immediately.“

Gleiches wie für „Amarok“ sollte auch für „Aleatorik System” gelten.

FAZIT: Instrumentalmusik wie die Wanderung durch das Hirn eines Verrückten. Nie weiß man, was als nächstes kommt – ein extremer Aus- oder ein verzweifelter Zusammenbruch, chaotischer Krach oder melodiöse Entspanntheit, Uhren-Ticken und Wellenrauschen oder brachiale Metal-Gewitter. Die totale Symbiose von Gegensätzlichkeiten, die man unerwartet in einen musikalischen Rahmen presst. Malerischer Expressionismus in seiner akustischen Form.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 11212x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 10 von 15 Punkten [?]
10 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • The Inner Clock
  • The Long March Of The Royal Fifth
  • “Call In S”
  • Aleatorik Suite
  • Quiet Slumber … Until … Mytime.Com
  • 138
  • Slow Sinking Sand
  • Return Of The Shuffle King
  • Termites Trip
  • Overwind
  • Rody
  • One Minute Psycho Waltz
  • Amongst The Trees On A Hill
  • Monster In My Head
  • Emoclew

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
Michael
gepostet am: 16.01.2010

Jawohl, ich will die Scheibe und verpflichte mich feierlich, auch meinen Kommentar dazu abzugeben!
Nils [musikreviews.de]
gepostet am: 16.01.2010

Hi Michael! Dann mal los! Wir sind auf deinen Kommentar gespannt! :-)
Thomas K.
gepostet am: 22.01.2010

Na, da bin ich doch dabei ;-) Jawohl, ich will die Scheibe und verpflichte mich feierlich, auch meinen Kommentar dazu abzugeben!
Tim
gepostet am: 22.01.2010

Jawohl, ich will die Scheibe und verpflichte mich feierlich, auch meinen Kommentar dazu abzugeben!
Tim
gepostet am: 10.02.2010

User-Wertung:
7 Punkte

Okay, ich hab's versprochen, was dazu zu schreiben, aber ich muss direkt vorweg schicken: Ich werd' nicht wirklich warm damit.
Mir fehlt ganz allgemein der rote Faden. Ich bekomme das Album einfach nicht gepackt. Das ganze ich weit weg davon, schlecht zu sein, aber ich schaffe es nicht, mich über die ganze Albumstrecke drauf einzulassen.
Immer mal wieder packen mich Fragmente (wie im Longtrack teilweise), die aber viel zu schnell wieder zerrissen werden, anstatt mehr daraus zu machen.
Vermutlich ist das dem Hauptinstrument des Komponisten geschuldet, aber dennoch empfinde ich das Schlagzeug als zu dominant. Wenn die Melodien dem gewachsen wären, kein Problem. Das ist meiner Meinung nach aber nicht der Fall. So bleibt für mich nur eine zu lange Schlagzeug-Demo, die zwar technisch ohne Zweifel hochwertig ist, der aber das Herz fehlt.

Tim
Michael
gepostet am: 13.02.2010

Hier lebt der Symphonische Progrock vollends auf. Gleich im ersten Longtrack steigern sich GENESIS-Mellotrons mit den Drums in himmlische Sphären, während im nächsten Part schon wieder die Solo-Gitarre brillieren kann. Die Produktion ist ziemlich natürlich und erstickt nicht im modernen Sound-Bombast. Kurze Zwischenstücke, die aber keinesfalls entbehrlich oder nichtssagend sind, lockern immer wieder die Ideenflut auf. Selbst heftige Prog-Metal-Stücke, die auch auf einer CD von COUNTER-WORLD EXPERIENCE ein Highlight wären, gibt es hier zu bestaunen. Und der Abwechslungsreichtum zieht sich bis zum Ende durch, so dass - was bei einem Instrumental-Album nicht immer so ist - keinerlei Langeweile aufkommt und die Spannung vollends aufrecht erhalten wird.
Thomas K.
gepostet am: 16.03.2010

Gitarristen machen Solo-Alben, Keyboarder, Bassisten und Sänger ebenso, warum also nicht auch mal ein Drummer? Gut, während man sich vielleicht ein Album voller Gitarrensoli vielleicht noch vorstellen kann (und vielleicht gar gehört hat… man denke mal an „Guitar“ oder „Shut up `n play yer guitar“ von Herrn Zappa), ist es mit andauernden Schlagzeug-Soli am Stück doch so eine Sache. Mit „Aleatorik System“ gelingt dem „King of Agogik“, Hans Jörg Schmitz, trotzdem ein anhörbares Werk. Er gibt sich vielleicht sogar weniger egomanisch als Gitarristen auf ihren Solotrips, trotzdem ist „Aleatorik System“ natürlich schwerer Stoff. Es ist einfach sehr ungewohnt, das Schlagzeug derart im Mittelpunkt des Geschehens zu hören. Es ist sehr ungewohnt einen 22-minütigen ‚Song’ voller Breaks, Fills, Rhythmuswechseln zu verfolgen. Die Musik auf „Aleatorik System“ ist allemal anstrengend, zumal die Begleitung nur Staffage bleibt und so ein bisschen zur Orchestrierung und Melodisierung des Ganzen beiträgt (Das erinnert vielleicht ein bisschen an die Begleitband der TV-Serie „Super Drumming“). Aber wer mal hören will, zu was ein Schlagzeuger alles fähig sein kann, wie kreatives Drumming schon auch einen Song tragen kann, wie kreativer Umgang mit Rhythmik Musik spannend machen kann, der sollte „Aleatorik System“ durchaus mal sein Ohr leihen. Drummer Schmitz zieht ordentlich vom Leder und er überzieht eigentlich nicht, auch wenn er immer mal wieder an der Grenze schabt. Passagenweise ist das also ein durchaus patentes Heavy-Prog-Album, passagenweise natürlich auch eher eine Drum-Clinic. Insgesamt ist „Aleatorik System“ wie gesagt ein schwerer Brocken, der aber auch ob seiner Andersartigkeit durchaus Spaß machen kann, man muss das Album ja nicht ständig oder auch nicht immer komplett am Stück hören.
Thomas K.
gepostet am: 16.03.2010

User-Wertung:
10 Punkte

Hier noch meine Wertung für das Album, da beim vorigen Kommentar die Wertung irgendwie verschwunden ist.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier gibt Milch?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!