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Weserbergland: Sehr kosmisch, ganz progisch (Review)
Artist: | Weserbergland |
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Album: | Sehr kosmisch, ganz progisch |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Progressiv-instrumentaler Space-, Psychedelic- und Kraut-Rock |
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Label: | Apollon Records | |
Spieldauer: | 46:25 | |
Erschienen: | 26.05.2017 | |
Website: | [Link] |
Ach ja, dieser Krautrock der urdeutschen 70er-Jahre-Prägung schlägt schon die seltsamsten Blüten, welche weit über unsere Landesgrenzen hinausgehen. Und wenn dann ein Album auch noch „Sehr kosmisch, ganz progisch“ heißt, dann verortet man es natürlich sofort in deutschen Landen, in der die musikalischen Retro-Kraut-Pflänzchen zum Glück wieder in voller Blüte stehen. Schnell also auch die Band WESERBERGLAND mit dazugestellt und Schicht im kosmisch-progischen Kraut-Schacht.
Alles könnte so leicht sein, wenn wir schön unsere Klischees pflegen.
Nur ...
Hinter WESERBERGLAND verbirgt sich kein deutsches Musikerkollektiv, sondern Ketil Vestrum Einarsen, der wohl bekannteste Flötist der norwegischen Prog-Rock-Szene, der bereits seit über 20 Jahren WHITE WILLOW angehört, genauso wie den JAGA JAZZISTs und auf über 50 Alben anderer Bands deren Musik mit seinem Flötenspiel bereicherte, egal ob die nun MOTORPSYCHO, WOBBLER oder HENRY FOOL heißen.
Als leidenschaftlicher Anhänger des Krautrocks veröffentlicht er nun also unter dem Namen WESERBERGLAND „Sehr kosmisch, sehr progisch“ und lädt in seine Krautrock-Landschaft gleich mehrere großartige Stamm-Musiker zum Verweilen mit ein. Als da wären MATTIAS OLSSON, der Schlagzeuger von ÄNGLAGARD, Gaute Storsve und Jacob Holm-Lupo, beides Bassisten und Gitarristen bei WHITE WILLOW. Dazu noch ein paar Gäste von den JAGA JAZZIST, WOBBLER und HENRY FOOL und schon schlägt das musikalische Kraut gehörig aus!
Und so viel sei mal wieder verraten: der Suchtfaktor ist immens!
Im Sinne von HARMONIA und NEU! ist am kosmischen Album-Anfang erst einmal zehn Minuten lang „Tanzen und Springen“ angesagt – eine freudvolle, flotte Eröffnung mit schönen Harmonien sowie zwei ausgiebigen Gitarren-Soli, von denen das erste – gespielt von Gaute Storsve - sehr an die besten Solo-Zeiten eines MICHAEL ROTHER erinnert.
Beim 16minutigen „Trinklied vom Jammer der Erde“ erheben WESERBERGLAND ihr Glas auf die gute alte ASH RA TEMPEL-Zeit, als ein gewisser KLAUS SCHULZE noch hinterm Schlagzeug saß, um dann immer mehr das CAN-Kraut zu inhalieren. Selbst eine E-Sitar taucht darin auf und wenn dann plötzlich das Schlagzeug die Führung übernimmt und die Flöte dagegenhält, geht es dermaßen dynamisch zur Sache, dass der boleroartige Aufbau unverkennbar ist, der sich allerdings mit einem Schlag in collagenartigen Soundspielereien auflöst und den fiepsenden, röhrenden Synthies die Führung überlässt, während irgendwer ganz wild an den Stereo-Reglern hin- und herdrehen muss, bis sich die E-Gitarre lauthals über den linken Stereo-Kanal anschleicht.
Wer schön im Musikunterricht aufgepasst hat, der weiß vielleicht noch, was eine Fuge ist: ein kunstvolles musikalisches Kompositionsprinzip, bei dem die polyphonische Mehrstimmigkeit ausgelebt wird, indem man ein bestimmtes Thema, zeitlich versetzt wiederholt. Genau diese „Kunst der Fuge“ dürfen wir dann 12 Minuten lang genießen, nach dem Motto „Kraut meets Klassik meets Prog meets Gigantonomie plus Symphonie". Überraschend dabei, dass einem am Ende sogar deutliche YES-Harmonien als Polyphonie untergejubelt werden. Ein wahres Freudenfest des Klangs, das sich wiederum durch einen dem Bolero ähnlichen Aufbau auszeichnet!
Viel zu schnell geht dieses ereignisreiche Krautrock-Album dann schon mit „Tristrant“ zu Ende und packt dabei noch mal den ganz großen musikalischen Freistil aus, indem als großes Finale zusätzlich eine Bläserfraktion aus Saxofon, Flöte, Klarinette, Trompete und Posaune mit auf den Plan tritt und „Tristrant“ anfänglich eine ghörige CLUSTER-Schlagseite bekommt, bis mittendrin die Bläser gehörig dem Jazz huldigen, während jede Menge Soundcollagen einen bunten Musikbrei zusammenmischen. Ein wirklich verrückter Freiflug-Abschluss mitten in das bunteste Kräutergärtchen aus Norwegen!
FAZIT: Man muss nicht aus Deutschland kommen, um absolut authentischen 70er-Jahre-Krautrock in die höchsten musikalischen Klangwelten zu erheben. Was hier die norwegische Band WESERBERGLAND auf „Sehr kosmisch, ganz proggisch“ verkrautet, hätte nicht nur in den Siebzigern, sondern auch heute höchste Ehren genießen sollen!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Tanzen und springen
- Das Trinklied vom Jammer der Erde
- Die Kunst der Fuge
- Tristrant
- Bass - Jacob Holm-Lupo
- Gitarre - Gaute Storsve, Jacob Holm-Lupo, Einar Bakdursson
- Keys - Ketil Vestrum Einarsen, Brynjar Dambo, Stephen James Bennett, Lars Fredrik Froislie
- Schlagzeug - Mattias Olsson
- Sonstige - Ketil Vestrum Einarsen (Flöte, Klarinette), Roger Langvik (Fx), Lars Horntveth (Saxofon), Erik Jonannesen (Posaune), Tetsuroh Konishi (Trompete)
- Sehr kosmisch, ganz progisch (2017) - 12/15 Punkten
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