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Steve Perry: Traces (Review)

Artist:

Steve Perry

Steve Perry: Traces
Album:

Traces

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Soul, Rock und Pop, die JOURNEY-Spuren hinterlassen

Label: Universal
Spieldauer: 40:05
Erschienen: 05.10.2018
Website: [Link]

Manchmal ist die Geschichte hinter der Entstehung eines Albums genauso spannend wie das Album, die Musik, die Texte und die Gestaltung selbst. Für das aktuelle, völlig unerwartete kleine Meisterwerk Traces von STEVE PERRY jedenfalls trifft diese Feststellung hundertprozentig zu – und gerade darum scheint es auch so gut geworden zu sein.

Erinnern wir uns also zuerst ein wenig an die Vergangenheit, die mit Perry, der einstmals großen, unverkennbaren Stimme von JOURNEY und seiner fast 25jährigen Abwesenheit aus dem Musikgeschäft, eng verbunden ist und die Perry mit knappen Worten kurz vor der Veröffentlichung von „Traces“ zusammenfasst: „Ehrlich gesagt dachte ich zwischendurch sogar, dass die Musik gar kein Thema mehr für mich ist. Dass mein Herz damit abgeschlossen hatte. Ich hatte eine tolle Zeit mit einer tollen Band gehabt, und dann hatte ich danach ja sogar noch die Gelegenheit gehabt, mich als Solokünstler auszutoben. Schließlich war es einfach an der Zeit gewesen, ehrlich zu mir selbst zu sein: In meinem Herzen wusste ich, dass dieses Gefühl einfach nicht mehr da war.
Ja, lange Zeit konnte ich Musik noch nicht mal wirklich hören. Mein letztes Konzert mit Journey hab‘ ich im Februar 1987 gespielt. Und dann kam der Tag, an dem mir klar wurde, dass ich das alles einfach nicht mehr weitermachen konnte. Ich hatte wirklich das Gefühl, abspringen zu müssen von diesem Karussell, das sich immer weiterdrehte; ich musste raus aus diesem großen Mutterschiff, das wir zusammen in so viel harter Arbeit aufgebaut hatten.“

Im Grunde hatte Perry die Schnauze von all dem Trubel um sich und seine Band und sein damit verbundenes, exzessives Leben gestrichen voll. Er musste die Notbremse ziehen, um nicht wie so viele seiner musikalischen Kollegen den existenziellen Bach runterzugehen.

Wie also kommt es dazu, dass nach 25 Jahren bei dem ehemaligen JOURNEY-Sänger dieses Gefühl wieder geweckt wird, bis er seinen musikalischen Spuren folgt und mit „Traces“ ein würdiges Alterswerk nachlegt, selbst wenn Perrys Stimme nicht mehr das Volumen vergangener Jahre aufweist und zerbrechlicher klingt? Aber das ist nicht etwa ein Nachteil, sondern kann durchaus auch als neue, interessante Farbe am Journey-Perry-Horizont verstanden werden und macht eine so traurige Ballade wie „In The Rain“ mit Streichern und hymnischen Melodien sogar noch ein bisschen todtrauriger, ohne im Kitsch-Sumpf zu versinken. Man nimmt STEVE PERRY diese traurige Attitüde völlig ab: „Tell me why we‘re standing again / In the rain?“

Perry hörte jedenfalls einfach auf zu singen, weil sein Leben nach anderen Regeln laufen musste – Überlebensregeln, die alles Musikalische, was ihm einst so wichtig war, rigoros ausschlossen. Das erinnert zugleich an einen CAT STEVENS, der dann als YUSUF sein persönliches Glück auf der Flucht vor dem Musik-Business suchte, um eines Tages urplötzlich wieder aufzutauchen und nach dem alten CAT STEVENS mit seltsam gereifter Stimme zu klingen. Gleiches gilt nunmehr auch für STEVE PERRY. Doch während Cat Stevens Sohn seinem Vater eine Gitarre in die Wohnstube schmuggelte, um dessen Musikleidenschaft wieder zu entfachen, war der Auslöser für Perry natürlich ein anderer, gleichermaßen überraschender und spannender, aber auch traurigerer: 2011 lernte Perry durch die mit ihm befreundete Filmregisseurin Patty Jenkins, die für ihren Film „Monster“ bereits den JOURNEY-Song „Don‘t Stop Believin‘“ eingesetzt hatte, seine große Liebe Kellie Nash kennen, eine Doktorin der Psychologie, die zu dem Zeitpunkt noch hoffnungsvoll gegen einen boshaften Brustkrebs kämpfte. Die wenige Zeit, die den beiden nach ihrem Kennenlernen noch blieb, stellten Perrys Leben komplett auf den Kopf: „Ich habe ja ein paar Beziehungen gehabt, und jede davon hat mein Leben verändert, aber als ich dann Kellie traf, war das ein komplett neues Level an Veränderungen. Ich musste mein ganzes Wesen umkrempeln, damit sich mein Herz wieder ganz anfühlte. Manchmal ist es ja fast schon so, dass sich ein Herz gar nicht vollwertig anfühlt, bevor es gebrochen wurde.“

Das hinterließ natürlich tiefe „Traces“ (Spuren), die dann unglücklicherweise noch tiefer werden sollten. 2012 verlor Kellie ihren Kampf gegen den Brustkrebs und zwang Steve dazu, ein Versprechen, das er ihr gegeben hatte, einzulösen: „Als es Kellie richtig schlecht ging, wollte sie, dass ich ihr verspreche, mich nicht mehr so zu isolieren. Sie hat mir vieles beigebracht während der Zeit, die wir zusammen hatten, und eine Sache davon ist: Es ist viel besser, zu lieben und diese Liebe wieder zu verlieren, als nie in den Genuss dieser Liebe zu kommen.
Eines Abends sagte sie dann zu mir: ‘Wenn mir etwas passiert, dann versprich mir, dass du dich nicht wieder so zurückziehst. Denn dann hätte ich das Gefühl, dass all das hier vergeblich war.’ Diesen Satz und dieses Gespräch habe ich in den Jahren nach ihrem Tod nie vergessen... und dann kehrte nach und nach meine Liebe zur Musik zurück.“

Im Grunde ist diese Geschichte schon fast filmreif, aber es soll ja kein Film davon gedreht werden, dafür aber ist sie absolut musikreif und „Traces“ wohl deutlich mehr als ein Album eines Musikers, der sich nach jahrelanger Abstinenz wieder auf der Musik-Bühne zurückmeldet, sondern das Ergebnis eines jahrelangen Reife- und Leidensprozesses, in dessen Ergebnis diese leidenschaftliche Musik andauernde Spuren hinterlässt. Spuren, die gleichermaßen wieder nach typischen JOURNEY und STEVE PERRY solo klingen, aber andererseits auch mit der neuen Klangschattierung seiner Stimme daherkommen, der ein bis dato ungewohnter Soul innewohnt, aber auch verdammt verletzlich klingt.
Seine hochprofessionellen Begleitmusiker schaffen für seine Stimme eine perfekte Instrumentierung, die sich deutlich an den 70er-Jahren anlehnt, mit Hammond-Orgeln und Streichern, klassischem Piano, breiten Synthesizer-Flächen und verträumten Gitarren-Soli aufwartet, aber auf übertriebenen Bombast verzichtet, auf den JOURNEY sonst ja immer recht gerne zurückgriffen.

So verfolgt das Album auch textlich ein bewusstes Konzept, indem es die Geschichten, bei einem Klassentreffen auf „No Erasin‘“ flott beginnend, um danach sofort als traurige Ballade „We‘re Still Here“ festzustellen, erzählt, die in Perrys Leben die Spuren hinterließen, bis „Traces“ reif dafür war, sie kongenial zu vertonen.

Ein weiteres Highlight des Albums ist neben „In The Rain“ dann „No More Cryin‘“, eine echte Soul-Nummer, bei der sogar BOOKER T. JONES – genau, der von „Green Onions“ – an der Hammond-Orgel sitzt. Perry persönlich bezeichnet diesen Song als einen seiner Lieblingssongs auf dem Album. Sicher werden ihm diesbezüglich auch viele seiner Hörer zustimmen.

Mit „I Need You“ hat sich auch ein einziger Cover-Song auf dem Album eingeschlichen – einer der wenigen Songs, die GEORGE HARRISON für die BEATLES geschrieben hat und der STEVE PERRY wie auf den Leib geschneidert klingt, bevor Perry mit dem getragenen „We Fly“ bereits die letzte Spur auf „Traces“ hinterlässt, wobei die letzten Worte zum Album dann doch noch einmal von Perry kommen sollten: „Ich hätte gar nicht erst wieder damit angefangen, wenn’s nicht absolut ehrlich wäre und wirklich um die Musik selbst gehen würde. Ich will auch gar nicht irgendwas übertreffen, was ich früher gemacht habe – oder irgendjemand anderen übertreffen oder so. Das alles ist mir heute vollkommen egal. Letztlich ist es doch ganz einfach: Als ich wieder etwas zu sagen hatte, habe ich es gesagt. Und jetzt will ich einfach nur die Musik machen, die mir wirklich am Herzen liegt, mir etwas bedeutet. Ich hoffe, dass sie dann vielleicht auch anderen Menschen wirklich etwas bedeuten wird.“

FAZIT: „Traces“ ist ein zugleich trauriges und hoffnungsvolles Album des ehemaligen JOURNEY-Sängers STEVE PERRY, das in dieser überraschenden Dimension eine verdammt tiefe Musik-Spur hinterlässt, gerade weil es nach 25 Jahren so unerwartet und in einer so guten Qualität daherkommt.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 5821x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (21:09):
  • No Erasin‘ (4:07)
  • We‘re Still Here (4:06)
  • Most Of All (4:21)
  • No More Cryin‘ (4:28)
  • In The Rain (4:07)
  • Seite B (18:56):
  • Sun Shines Gray (3:55)
  • You Belong To Me (4:05)
  • Easy To Love (4:02)
  • I Need You (2:58)
  • We Fly (3:56)

Besetzung:

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Kommentare
Michael
gepostet am: 12.10.2018

User-Wertung:
13 Punkte

Eine absolut auf den Punkt treffende Rezension. Die Tiefe dieses Album muss man sich mit mehrmaligen Hören erschließen, und dann findet man wirklich ein zwar trauriges aber musikalisch hochwertiges Album mit einer wahnsinnig berührenden Steve Perry Stimme.
Rabiat nicht zum nebenbei hören , sondern zum genau hinhören gemacht!!
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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