Zwei menschliche Silhouetten, in denen sich Wald, Bäume und Vögel widerspiegeln. Allein solch ein Cover sagt sicher schon so einiges über die Musik aus, die dahinter steckt. Folk muss das sein – ganz bestimmt. Nur welche Art – traditionell, rockig, poppig, americanamäßig?

Bei SVJATA VATRA erwartet einen das alles und noch deutlich mehr, denn die Band, die sich viel lieber Ensemble nennt, kommt aus Estland und reichert ihr absolut modern klingendes Album „Muutused / Zminy“ mit vielen slawisch-traditionellen Elementen ihrer Heimat an und peppen den unglaublich druckvollen, hervorragend produzierten Sound noch mit ukrainischen Posaunen und estnischen Dudelsäcken, aber auch Maultrommeln, Flöten und vielem mehr auf.
Selbst einen Stil-Begriff haben sich fünf Musik- und Naturliebhaber, die mit „Muutused / Zminy“ bereits ihr sechstes Album veröffentlichen, für ihre Musik einfallen lassen: „Kosaken-Wikinger-Folkrock, gespielt von einer bunten Freibeuter-Meute aus Estland und der Ukraine“.

Wie wichtig dem estnischen Quintett die Traditionen sind und wie modern sie diese in die musikalische Folk-Rock-Gegenwart holen, wird bei einem Song wie „Hobusemäng – The Horse Game“ besonders deutlich. Darin dreht es sich um ein Pferde-Spiel, das viel junge Esten veranstalten, die auf der Suche nach dem richtigen Partner fürs Leben sind. Man muss diesen bei einem Spiel fangen. SVJATA VATRA eröffnen akustisch-romantisch das Stück, dann beginnt der einem Kinderlied ähnliche Gesang, während urplötzlich Dudelsäcke und Posaunen sowie ein treibendes Schlagzeug sowie ein zweiter Sänger gehörig losrocken.
Oder das Lied „Letila Zozulia – Flyinig Cuckoo“ über den fliegenden Kuckuck, in dem diesmal anfangs, statt Posaunen und Dudelsäcken, Maultrommel und Flöten die Führung übernehmen, bis sich durch die Hintertür wieder eine Posaune einschleicht, um dem Kuckuck den Garaus zu machen.
„Jihav Kozak Za Dunaj – The Cossack Rode Beyond The Danube“, eigentlich eins der bekanntesten ukrainischen Volkslieder (seit über 300 Jahren eng mit dem ukrainischen Kulturerbe verbunden, in dem es um einen Kosaken geht, der in den Krieg ziehen und seine Frau zurücklassen muss), liebäugelt in der Version von SVJATA VATRA sogar mit dunklen, bedrohlichen Metal-Sounds, in denen natürlich trotzdem die Posaunen und Dudelsäcke nicht zu kurz kommen dürfen.
Alle drei Songs stehen exemplarisch für die gesamte Ausrichtung des Albums.

Selten hört man solch eine wilde Musik-Mixtur. Außer man kennt bereits OTAVA YO, die in ganz ähnlicher Form die russischen Traditionen in moderne, oftmals sehr freudvoll-freche Songs verpacken, die nicht nur Spaß machen, sondern auch die bitteren Seiten des Daseins beleuchten.
Aber auch eine deutsche Band, die gerade durch ihr exzessiven „Bläsereien“ auffallen, kommen einem dabei in den Sinn: COOGANS BLUFF.

FAZIT: „Muutused / Zminy“ ist Folk Rock aus Estland und der Ukraine, der Traditionelles und Rockiges in sich vereint und dabei neben dem Rockinstrumentarium ganz besonders auf Dudelsäcke, Posaunen, Flöten, Maultrommeln und flotten Gesang setzt. SVJATA VATRA nennen es ganz einfach „Kosaken-Wikinger-Folk“. Eine musikalische Folk-Streitaxt, die garantiert nicht im Pop-Formatradio begraben werden wird.

PS: Und wo das Album von Freunden druckvollen estnischen Folk-Rocks gekauft wird, ist ja eigentlich klar, genau hier mit einem Klick und nicht bei...