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Maerzfeld: Anblaggd (Review)
Artist: | Maerzfeld |
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Album: | Anblaggd |
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Medium: | CD/Download | |
Stil: | Acoustic Deutsch Rock / NDH |
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Label: | Südpolrecords/Rough Trade | |
Spieldauer: | 21:50 | |
Erschienen: | 11.09.2020 | |
Website: | [Link] |
Die fränkischen Düsterrocker MEARZFELD sind z. Zt. auf „Anblaggd"-Tour und geben damit sich und ihren Fans endlich das, was wir alle in diesem verflixten Jahr so sehr vermisst haben: ein richtiges und dem Begriff angemessenes, wenn auch szene-untypisches Konzerterlebnis. Für die Tour, die sich bis Ende Oktober erstreckt, haben die Franken ein besonderes Konzept erarbeitet, das ein echtes Live-Event auf persönlicher Ebene möglich macht. Das gesamte "Zorn"-Album sowie altbekannte Songs wurden aufwendig neu arrangiert, mit dem Ziel, sie in hochwertigem, akustischen Ambiente, persönlichem Setting und dennoch mit sicherem physischen Abstand vor sitzendem Publikum live zu zelebrieren.
Passend zum Tourstart kam die EP „Anblaggd“ in die Läden, die nicht nur für Kenner der Band eine faustdicke Überraschung darstellt und Heli Reißenweber samt seinen Mitstreitern von einer bisher unbekannten Seite präsentiert. Während die bisher erschienen Alben durchaus der düster-härteren Gitarrenmusik frönten, zeigen sich die Franken von ihrer melancholisch-verspielten Seite, allerdings ohne ihre musikalischen Wurzeln verleugnen zu können. Geblieben sind die tiefgründigen Auseinandersetzungen mit Ereignissen des täglichen Lebens, Zwischenmenschliches, das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, sowie das Durchprügeln bedrückender Klischees und die schiere Lust an der Provokation des Spießbürgertums.
„Anblaggd“ startet überraschend nicht mit dem Opener des Mega-Albums „Zorn“, sondern mit „Einer wie alle“ das den Zeitgeist auf die Schippe nimmt, sich „auf Teufel komm raus“ von der Masse abheben zu müssen, sei es durch Tattoos „an allen Körperteilen“ oder dem Versuch, alles schaffen zu müssen, da die Erziehungsberechtigten das Mantra des „du kannst alles schaffen“ dem Zögling in den Schädel geprügelt haben. Das Zerbrechen an der Wirklichkeit ist bei solchem Anspruchsdenken möglich bis vorprogrammiert. Das Arrangement ist betont sparsam gehalten, was den Reiz der gesamten Scheibe ausmacht. Zudem zeigen die Neueinspielungen die Vielseitigkeit der Band, die neben sorgsam kultivierter hau-drauf-Attitüde auch die sanften Töne beherrscht.
„Die Welt reißt auf“ präsentiert sich als unwiderstehlich groovende Rock´n´Roll Nummer mit ernstem Text vor dem Hintergrund globaler Krisen. „Maerzfeld“, der einzige Titel, der nicht von „Zorn“, sondern vom 2014er Opus „Fremdköper“ stammt, reiht sich problemlos in das Akustikkonzept ein und darf als MAERZFELD Signature Track sowieso auf keinem Gig fehlen. Im Anschluss schleicht sich „Reich“ in die Gehirnwindungen. Bluesig, rockig, rotzig, provokant und penetrant hämmert Reißenweber die Hookline „ihr seid arm und ich bin reich“ raus, die das Paradoxon zwischen Arm und Reich thematisiert. Provokant bis dass es schmerzt, gibt Reißenweber hier den Bösewicht, dessen Maßlosigkeit der Grund für das Elend der Welt ist. „Schert euch weg – ich kauf euch leer“ oder „habt ihr Hunger, oder friert ihr – ich leb´ völlig ungeniert hier – scheiß auf euch und euer Leid – wärst du nicht arm wär ich nicht reich“ zeugen nicht unbedingt von übermäßiger Empathie. Wer allerdings auch nur ein wenig zwischen den Zeilen zu lesen im Stande ist und sich auch etwas mit den MAERZFELD-Musikanten beschäftigt hat, weiß diese Verse als eine völlig überzogene Persiflage einzuordnen, die ihren Ursprung im Anspruchsdenken diverser schwarzer Schafe hat. Das Arrangement als „nette“, pianogetragene Rocknummer konterkariert den bitterbösen Text auf das Äußerste.
Highlight der Scheibe ist die grandiose Umsetzung von „Schwarzer Schnee“. Auch hier dominieren die Pianoklänge, die ganz sachte an LUDOVICO EINAUDI erinnern und eindrucksvoll die Klasse der Band untermauern.
FAZIT: „Anblaggd“ als MAERZFELD-Soundtrack zur globalen Krise funktioniert hervorragend und liefert nur vordergründig den Vorwand zur Tour, die, wie Reißenweber es formulierte, für ein Wiedersehen mit den Fans sorgen soll, da „Motorhauben kein Ersatz für Fangesichter“ sind. Die Band, deren Nebeneinnahmequelle als RAMMSTEIN Tribute Band STAHLZEIT ebenfalls komplett zum Erliegen gekommen ist, beweist ihre Vielseitigkeit und schwimmt einsam als Fettauge auf der sonst reichlich faden Einheitsbrühe NDH.
Tourdates:
11.09.20 Obertraubling, Airport
18.09.20 Cham, L.A.
25.09.20 Köln, Groove Bar
26.09.20 Bad Salzungen, KW70
02.10.20 Leipzig, Hellraiser Open Air
03.10.20 Forst, Manitu
09.10.20 Innsbruck (Österreich), Music Hall
10.10.20 Memmingen, Kaminwerk
30.10.20 Bensheim, Musiktheater Rex
31.10.20 Boppard (Personenschifffahrt), Loreley Elegance
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Tracklist:
- Einer wie alle
- Die Welt reißt auf
- Maerzfeld*
- Reich*
- Zorn
- Schwarzer Schnee*
- *Anspieltipp
- Bass - Korbinian Stocker
- Gesang - Heli Reißenweber
- Gitarre - Mike Sitzmann, Matthias Sitzmann
- Schlagzeug - Michael Frischbier
Interviews:
-
keine Interviews