Wer gleich im ersten Song seines Albums den Teufel heraufbeschwört, der muss doch irgendwo im Black- oder Death-Metal seine musikalische Berufung verfolgen, oder?
Falsch gedacht!
Auch wenn „Lifetime (A Story)“ von SUZI CREAM CHEESE, die sich trotz dieses Band-Namens ausschließlich aus Männern zusammensetzen und auf ihrem aktuellen, aber trotzdem in gewisser Weise 30 Jahre alten Album tatkräftige Unterstützung von anderen Musikern holten, mit „Devil On Us“ beginnen, so ist ihre Musik nicht schwarzer oder tödlicher Metal, sondern spannender Indie- und Garage-Rock, der sich zwischen angenehmer Härte und Hendrix-Gitarren genauso wohl fühlt, wie in der WEEZER-Verspieltheit plus NIRVANA-Grunge oder THE CLASH-Punk.

Oft melodiebetont, aber auch textlich klar und deutlich, egal ob es um die Erhaltung der Natur, teuflische Pläne, den Star- und Sexkult am Beispiel um die Ex-Verlobte von PRINCE („Sheila E.“) oder einen allgemein kritischen Blick auf den derzeit so verquer erscheinenden Zeitgeist geht, in dem noch immer die faschistischen Tendenzen in Deutschland oder der alltägliche Umgang in den Nachrichten mit Mord und Totschlag dominieren.

Das Ungewöhnlichste hinter dem Album aber ist dessen Geschichte, die einem auch schnell klar macht, warum „Lifetime (A Story)“ so verdammt nach den 1990er-Jahren und besagten Indie-Tendenzen klingt. Denn im Grunde genommen liegt der gesamte Ursprung dieser streng limitierten Vinyl-Version in den frühen 1990er-Jahren. Oh, Schreck! Sogar die Texte, welche so klingen, als wären sie heute und auch während der Pandemie geschrieben.

SUZI CREAM CHEESE veröffentlichten ihr Debüt im Jahr 1988, erhielten dank der guten Qualität interessante Kritiken, wurden im SPEX gar mit den ROLLING STONES – besonders ihrem 1968er „Beggars Banquet“ – verglichen, gingen auf monatelange USA-Tour und verschwanden dann nach einem zweiten Album und einer EP noch bevor sie ihr drittes Album, das bereits grob eingespielt im Kasten war, veröffentlichen konnten. Das als verschollen geglaubte dritte Album lag nunmehr 30 Jahre auf Halde und wurde abgedeckt wie die alte Karre unter der Plane auf dem LP-Cover.
Völlig überraschend taucht im Jahr 2019 genau dieses 'verschollene' Album auf einer DAT-Cassette wieder auf. Und das rief die beiden SCC-Gründungsmitglieder Georg Nägle und Andreas Nierlich wieder auf den Plan. Beide entschieden, genau dieses Album neu einzuspielen, holten sich dafür zwei Musiker der Psyche-Band ACID ROOSTER dazu – die den Aufnahmen tatsächlich so einige ATOMIC ROOSTER-Psyche-Momente verpassten – und hauen es ab sofort als streng limitierte, von Hand nummerierte Vinyl-Variante raus.

Hier schlummert neben der spannenden 90er-Jahre-Geist-Musik auch der totale Raritäten-Alarm, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Denn nicht nur die retrolastige Musik, auch die in der Innenhülle abgedruckten Texte, welche erschreckenderweise in all ihrer kritischen, mitunter gar ironischen Distanz nichts von ihrer Aktualität verloren haben, lohnen sich.

FAZIT: Die deutschen Rocker SUZI CREAM CHEESE sind nach jahrelanger Abstinenz zurück und präsentieren uns ihr verschollenes drittes Album „Lifetime (A Story)“, eine indie-alternative Rock-Mischung zwischen den zwei großen G (Grunge & Garage) aus dem Jahr 1992 als auf 300 Exemplare limitierte Vinyl-Version. Völlig neu eingespielt und trotz aller 90er-Parallelen überraschend modern und frisch klingend. Und leider auch aus textlicher Sicht noch immer bedrückend aktuell.