Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Mike Oldfield: Tubular Bells – 50th Anniversary Edition (Review)

Artist:

Mike Oldfield

Mike Oldfield: Tubular Bells – 50th Anniversary Edition
Album:

Tubular Bells – 50th Anniversary Edition

Medium: CD/Download/Blu-ray/Do-LP/Deluxe/Remaster
Stil:

Progressive Rock

Label: EMI/Universal Music
Spieldauer: 87:07
Erschienen: 26.05.2023
Website: [Link]

„Wenn man sich die musikalischen Ergüsse eines angstgeplagten Teenagers noch einmal anhört, ist es schwer zu glauben, dass ich das vor 50 Jahren wirklich war.“ (Mike Oldfield im Inneren des Gatefoldcovers zu Tubular Bells – 50th Anniversary Edition)

Es gibt Alben in (d)einem Leben, die wird man niemals aus der Hand geben oder sich von ihnen trennen, aber wieder und wieder auflegen. Manchmal sind das Alben, die eine ganze Musik-Szene, ach was, die ganze Musik-Geschichte revolutionierten (gar umschrieben), vielleicht sogar das Leben als Mauerkind, wie der Kritiker eins war, erträglicher gemacht haben oder in Situationen, die ausweglos erschienen, trotzdem zu dem plötzlichen Licht am Ende des Depressionstunnels wurden. Alben, die mit jedem Hören besser werden und die einfach auch nach einem halben Jahrhundert keinerlei Abnutzungserscheinungen aufweisen, höchstens natürlich, dass sie immer mehr und lauter knistern. Denn diese Alben, welche neben dem Leben des Hörers natürlich auch das Leben des Musikers (und sogar des Labels, bei dem er es veröffentlichte), der dieses Kunstwerk erschuf, maßgeblich umkehrte und veränderte, gehören auf Vinyl, zuerst weil sie nur für's Vinyl gemacht wurden und noch dazu mit dem damaligen Stand der Technik nicht zuließen, dass man an den Aufnahmen nachträglich rummanipulierte und diese so hinwerkelte, dass alle kleinen und größeren Fehler nicht durch besseres Spiel, sondern mithilfe der Technik beseitigt wurden. Diese Alben sind ein Teil des eigenen Lebens und haben ein Eigenleben, das selbst die Ewigkeit überdauern wird: Genau so ein Album ist „Tubular Bells“ aus dem Jahr 1973 von MIKE OLDFIELD!

Noch dazu steht dieses Album mit einem zweiten Werk in einer Reihe, das genau im gleichen Jahr erschien und in genau die gleiche Kategorie gehört. Dieses Jahr 1973 brachte tatsächlich gleich zwei LP's für die Ewigkeit und die Insel hervor: Besagte Röhrenglocken-LP und den Besuch der dunklen Mondseite, welcher sich thematisch und musikalisch ebenfalls als der pure Wahnsinn entpuppte – „The Dark Side Of The Moon“ von PINK FLOYD.
Beide Alben sind von ihrer progressiven Wirkung her so ähnlich, auch wenn sie sich musikalisch deutlich unterscheiden. Doch nicht umsonst wird in dem LP-Einleger der 50th Anniversary Edition der (nunmehr) Doppel-LP von MIKE OLDFIELDs „Tubular Bells“ genau diese Parallele von Dary Easlea in seinem umfangreichen Begleittext zu dieser von den Original Tapes erstmals als Half Speed Master in den Abbey Road Studios aufgenommenen Geburtstagsedition gezogen. Easlea geht sogar noch weiter in seiner Begeisterung und erhebt das Album im Grunde zu einer Art völlig eigenständiger Musik-Religion. Und er hat recht damit: „Tubular Bells“ ist anbetungswürdig. Und diese neue Doppel-LP-Ausgabe kommt nunmehr auch klangtechnisch einem wahren Wunder nahe. Denn auch hier wurde nichts an der Musik verändert oder mit digitalen Mitteln geglättet, sondern nur der Sound dermaßen optimiert, dass man vor seinen Boxen bei dem einen oder anderen 'neuen' (Stereo-)Effekt auf die Knie geht und denkt: „Oh, das hatte ich so noch nie herausgehört!“

Dabei war dieses Album des damals noch unbekannten und ziemlich verklemmten sowie depressiv veranlagten Multiinstrumentalisten, der sich als Begleitmusiker von KEVIN AYERS langsam einen Namen zu machen versuchte, aus dessen Sicht fast ein kleiner Horror-Trip, wobei er von vornherein davon auszugehen schien, dass er ein einziges Stück, verteilt auf zwei LP-Seiten und dann auch noch alle Instrumente in kompletter Eigenunion eingespielt, sowieso nirgends bei einem Platten-Label geschweige denn einer Radio-Station unterbringen würde. Eine Totgeburt so gesehen, aber auch der Beweis dafür, wozu ein einzelner Musiker in der Lage sein könnte. In diesem Falle ist es gut, MIKE OLDFIELD noch einmal 50 Jahre später für sich und das Album sprechen zu lassen (Wiederum nachzulesen im Inneren des Gatefoldcovers der „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition“-Doppel-LP): „Die Musik klingt nicht so angstbesetzt, aber nur ich kenne die Jahre der Arbeit und des Stresses, die 'Tubular Bells' hervorgebracht haben. Das waren alles Live-Aufnahmen, ohne zweite Chance oder Studiotricks, wie wir sie heute gewohnt sind. Als ich 'Tubular Bells' aufnahm, hätte ich nie gedacht, dass es jemals jemand hören würde, geschweige denn, dass wir es fünf Jahrzehnte später feiern würden! Vielen Dank an alle, die mir über die Jahre zugehört haben.“

Alles Weitere ist längst Geschichte!
Ganze wissenschaftliche Abhandlungen wurden über dieses Album geschrieben von Kritikern, Journalisten oder Musikwissenschaftlern, die sich am Ende mitunter wichtiger nahmen, als das Album selbst. Doch so ist es ja im Grunde immer (das Gleiche): Wird aus musikalischen, aber auch literarischen, Emotionen eine Wissenschaft gemacht, dann bleibt eben ganz schnell das eigentliche Gefühl auf der Strecke – aber das haben selbst Schulen noch nicht begriffen, die sich mehr mit Interpretationsanleitungen befassen, als mit der Wirkung, die ein Kunstwerk auf den Hörer, Leser, Betrachter ausübt...
Und dann wundern wir uns noch, warum dieses Bildungssystem so überholt und bieder und fern jeglicher Realität seinen Ruf eingebüßt hat. Wer statt Praktiker nur noch Theoretiker, statt Genießer fast ausschließlich Analysten aus Kindern macht, ihnen die Leidenschaft nimmt und durch Nürnberger-Trichter-Wissen ersetzt, der bringt kleine gefühllose Pauker hervor, denen der Genuss von Kunst längst abhanden kam, weil man ihm diese in der Schule 'abtrainierte'.
Sage einer nur, die Behauptung stimmt nicht. Dem kann der Kritiker – selber Lehrer – nur antworten: Ein Blick in die Lehrpläne, die sich mit Kunst, Kultur und Sprache beschäftigen reicht schon. Also stellt endlich diese für jedes Unterrichtsfach zur Bildungs-Bibel gewordene Druckerzeugnis infrage, dann nähern wir uns vielleicht irgendwann den Ländern an, die uns bildungspolitisch längst abgehängt haben.

Oder fangen wir einfach mal mit etwas musikalischem Grundwissen an, das ohne theoretische Fundierung im Unterricht mal in Gänze genossen werden und dann über dessen Wirkung auf jeden Einzelnen gesprochen werden sollte.
Also...
...Wer „Tubular Bells“ (auch ihnen jegliche Interpretationsanleitung) nicht kennt, der hat im Grunde mit der Geschichte der Rockmusik nichts am Hut und schon gar nichts an den Ohren. Denn diese musikalische Reise durch die Wirren der oldfieldschen Gehirns, die jeden Ton wie einen musikalischen Nerv im großen symphonischen Muskel verewigen, müssten im Grunde an jeder Schule als Einführung in den Musik-Unterricht auf dem Lehrplan stehen – unter der Prämisse: Wie fühlt man Musik?
Und nunmehr sollte sich jede Schule endlich wieder einen Plattenspieler anschaffen und eine grandiose Musikanlage mit High-End-Boxen und diese Platte – die nun eine Doppel-LP ist – auflegen, zuvor noch das außergewöhnliche Cover betrachten und gemeinsam darüber sprechen und vielleicht ein wenig rätseln, wie denn die Musik hinter solch einem Cover klingen könnte, und dann noch schnell die über 20 Instrumente lesen, die Oldfield hier allein spielt (nur das Schlagzeug übernimmt Steve Broughton, die Flöten John Field und ein paar Mädchen singen als Chor, von denen eins seine Schwester ist) und dann die erste LP mit ihrem neu kreierten Abbey-Road-Halfspeed-Master auflegen und sich verzaubern, ja, berauschen lassen.
Aber wehe, wehe, wehe, irgendein Lehrer kommt auf die Idee, über „Tubular Bells“ eine Klassenarbeit zu schreiben oder auch noch mit Zensuren dazu um sich zu schmeißen!

Für die Sammler und Fans von MIKE OLDFIELD und besonders diesem Jahrhundertwerk ist sicher noch ganz wichtig, dass auch die zweite LP dieser „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition“ eine hochwertige Beigabe ist, welche sogar mit einer (oder aus vinyler Sicht gleich zwei) echten Sensation(en) aufwartet.

Die verblüffendste, ungewöhnlichste und so noch nie von Oldfield gehörte Nummer der LP ist eindeutig „Tubular Bells/In Dulci Jubilo (Music for the Opening Ceremony of the London 2012 Olympic Games)“, denn hier wird urplötzlich tatsächlich im Zwischenteil von „Tubular Bells“ ausgiebig mit Bläsern gejazzt, dass einem regelrecht die Ohren wegfliegen, wobei aber immer wieder das 'Glocken'-Thema aufgegriffen wird. Das über zehn Minuten lange Stück ufert am Ende in eine gigantische Prog-Hymne aus, die sich dann mit akustischen Piano-Klängen verabschiedet. Herrlich!

Zuvor gibt’s allerdings mit „Tubular Bells 4 Intro“ eine bisher noch nie irgendwo erschienene, gut 8 Minuten andauernde (deutlich akustischere) Version, die so gesehen das Gesamtwerk als komprimierte Variante bietet. Da kann man nichts falsch machen – denn im Grunde gibt’s auch bei der kompletten Version über zwei LP-Seiten ja nicht eine einzige überflüssige Minute.

Die LP-B-Seite der zweiten LP wartet ebenfalls gleich zu Beginn mit einer Rarität auf, denn „Tubular X“, eine sehr elektronisch ausgefallene Version des Röhrenglocken-Albums, bei der sich Oldfield dem X-Files-Thema der legendären Serie widmet, gab es bisher noch nie auf Vinyl. Die nächste Premiere also, auf die man ein halbes Jahrhundert lang warten musste. Okay, diese Version ist erst ein Vierteljahrhundert Jahre alt.
Danach wird es dann mit flotten Beats tanzbar, wobei die Techno-Variante mitunter doch etwas übertrieben wird. „Tubular Bells (Mike Oldfield & YORK Remix)“ wird wohl den meisten alteingesessenen Fans etwas Zahn- und Ohrenschmerzen bereiten. Wobei es aber trotzdem verblüfft, was man aus solch einem Klassiker mit moderner Technik 'basteln' kann. Hört man also genauer hin, werden einen garantiert die verblüffenden Stereo-Effekte für die (zu) starke Techno-Lastigkeit wenigstens etwas entschädigen.
Dafür geht’s dann mit „Mike Oldfield's Single (Theme From Tubular Bells)“ zum Ende der zweiten LP wieder komplett 'Back-to-the-Tubular-Bells-Roots'. Denn diese Original-Single von Oldfield war damals die Reaktion darauf, dass eine nicht autorisierte amerikanische Single zu dem Album in der Musikwelt rumschwirrte. Statt sich mit einer großen Verbotsorgie dieser hervorzutun, stellt Oldfield dieser einfach seine eigene Single-Variante entgegen, nun ebenfalls in ihrer ganzen Schönheit auf Vinyl zu genießen.

Wer „Tubular Bells“ von MIKE OLDFIELD liebt, der wird auch diese „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition“ lieben, denn in ihr steckt so viel Liebe und so viel Neues, dass dieses Doppel-Album nicht als müder Geburtstagsaufguss, sondern als ein weiteres Prachtstück neben dem originalen Prachtstück betrachtet werden sollte, das als Ergänzung des Originals (das zum Vergleich mehrfach vor dieser Kritik gehört wurde) aus dem Jahre 1973 für jeden Oldfield-Liebhaber zwingend notwendig wird.

FAZIT: Muss man zu diesem Jahrhundertwerk der Progressiven Rockmusik wirklich ein Fazit ziehen? Im Grunde nicht, denn MIKE OLDFIELDs Debüt „Tubular Bells“ (1973) ist unbeschreiblich faszinierend. Dass allerdings genau 50 Jahre später mit „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition“ eine um eine LP erweiterte Version erscheint, wobei auch die Original-LP durch ein Half-Speed-Master von den Ursprungsbändern noch soundtechnisch tatsächlich klangoptimiert werden konnte, macht dann dieses Fazit doch zwingend notwendig. Denn auch die 'neue' zweite LP des Doppel-Albums ist eine hochwertige Beigabe, die sogar mit einer (oder aus vinyler Sicht gleich zwei) echten Sensation(en) aufwartet: „Tubular Bells 4 Intro“ gab es noch nie auf irgendeinem Tonträger zu hören und „Tubular X“, mit einer Anspielung auf die Akte-X-Serie, erscheint erstmals auf Vinyl. Wer hier als Oldfield-Fan der ersten Stunde oder mindestens des ersten Albums nicht schwach wird, der ist nicht zu retten, denn noch nie klangen die Röhrenglocken so beeindruckend wie auf „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition“!

PS: Und hier noch die ausführlichen Angaben zu den in dieser Review nicht besprochenen Ausgaben als CD und Blu-Ray im Rahmen der Super Deluxe Edition:

David Kosten hat das Originalalbum von 1973 in DOLBY ATMOS abgemischt, das digital und als Teil der SDE Blu Ray Edition erhältlich sein wird. Es gibt auch eine spezielle digitale Compilation-Edition.

CD:
Tubular Bells – Part One 1973 mix
Tubular Bells – Part Two1973 mix
Tubular Bells 4 Intro (previously unreleased demo 2017)
Tubular Bells/In Dulci Jubilo (Music for the Opening Ceremony of the London 2012 Olympic Games)
Tubular Bells (Mike Oldfield & YORK Remix)

Blu-Ray exklusiv im Rahmen der Super Deluxe Edition (V-2001 50BD):
Tubular Bells Part One 2023 David Kosten Dolby Atmos Mix
Tubular Bells Part Two 2023 David Kosten Dolby Atmos Mix
Tubular Bells 2023 David Kosten Dolby Atmos Intro edit
Tubular Bells Part One 2009 MIKE OLDFIELD 5.1 surround mix
Tubular Bells Part Two 2009 MIKE OLDFIELD 5.1 surround mix
Tubular Bells Part One 1976 4.0 surround (Quad) mix
Tubular Bells Part Two 1976 4.0 surround (Quad) mix
Tubular Bells Part One 2023 David Kosten Stereo Mix
Tubular Bells Part Two 2023 David Kosten Stereo Mix Intro edit
Tubular Bells 2023 David Kosten Stereo Mix Intro edit
Tubular Bells 4 Intro (previously unreleased demo 2017)
Tubular Bells – Part One 1973 mix 
Tubular Bells – Part Two 1973 mix

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3669x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • = LP 1 = (48:52):
  • Seite A (25:30):
  • Tubular Bells – Part One (2023 Half Speed Master by Miles Showell)
  • Seite B (23:22):
  • Tubular Bells – Part Two (2023 Half Speed Master by Miles Showell)
  • = LP 2 = (38:15):
  • Seite C (19:54):
  • Tubular Bells 4 Intro (previously unreleased demo 2017) (8:29)
  • Tubular Bells/In Dulci Jubilo (Music for the Opening Ceremony of the London 2012 Olympic Games) (11:25)
  • Seite D (18:21):
  • Tubular X (3:52)
  • Tubular Bells (Mike Oldfield & YORK Remix) (9:50)
  • Mike Oldfield's Single (Theme From Tubular Bells) (4:39)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welche Farbe hat eine Erdbeere?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!