Es duftet nach Punk und Hardrock mit deutschen Texten bei GT, die auf dem kleinen, aber verdammt feinen Krakenduft-Label endlich zu echten Vinyl-Ehren kommen und noch dazu eine CD mit drauflegen, die neben den 6-LP-Songs 4 weitere Stücke enthält.
Vor acht Jahren entstand bereits das GT-Album mit dem unzweifelhaft richtungsweisenden Titel „Probleme“, das nun also seine vinyle Neugeburt als überarbeitete Neuausgabe (limitiert auf 500 Stück) feiert, wobei leider die Texte noch immer ebenso aktuell (oder gar noch aktueller) sind wie zu der Zeit, als „Probleme“ 2016 das Licht der problemschwangeren Welt erblickte: „Sitzt die Frisur? Glitzern die Nägel? Delfin tätowiert? […] Ich frage dich: Bist du glücklich? Erzähl mit nichts! Wer hat Probleme? Wer hat denn hier Probleme?“

Und so komisch es auch klingen mag – doch die Band aus Ostsachsen weckt (bestimmt nicht nur) in dem Kritiker aus der ehemaligen DDR große Erinnerungen an eine Zeit, als die DDR ihrem endgültigen Zusammenbruch entgegensteuerte und die sog. 'anderen bands' dazu den punk-rock-rotzigen Soundtrack beisteuerten und solche Namen wie FEELING B, aus denen RAMMSTEIN hervorging, oder SANDOW und HERBST IN PEKING sowie DIE ART bis hin zu dem Stasi-provokanten Namen DIE FIRMA trugen. Ach, waren das noch Zeiten! Längst vergangen?! Nicht bei GT, die ehemals als GT500 in Szene-Kreisen für ihren kraftvoll authentischen, direkt mal auf die Zwölf, dann wieder mitten ins Herz treffenden Rock angesagt und live nur zu gern gesehen waren.

Leider verschwanden GT nach nur einem Album im Jahr 2006 in der musikalischen Bedeutungslosigkeit, kehrten daraus aber 2012 wieder zurück, um einen zweiten Anlauf zu starten, der ihnen auf jeden Fall in Ostsachsen so einige Aufmerksamkeit bescherte – und dort auch bei dem Krakenduft-Label den entsprechenden Deal einbrachte, der allen, die einerseits in besagtem Ost-Punk-Rock der anderen Art aus einem verschwundenen – aber keinesfalls vergessenen – Land schwelgen und andererseits noch immer den harten Tönen mir provokanten deutschen Texten huldigen, auf keinen Fall entgehen sollte. Denn nunmehr kommt vom schwarzen Vinyl-Gold auch das zum Tragen, was GT als angesagte Live-Band ausmacht. Druckvoller Sound, der einen beim (lauten) Hören vor der Anlage einfängt und in etwa die Vorstellung entfacht, welche einen wohl erwartet, wenn die Sachsen ihre knackigen Nummern auf der Bühne mitten ins Publikum feuern.

Dass speziell für die limitierte LP-Ausgabe nur die deutschsprachigen Nummern ausgewählt wurden, erweist sich zudem als kluge Entscheidung, denn Sänger GTM überzeugt im muttersprachlichen Bereich mit diesem typisch morbiden Humor nach Morgenstern-Vorbild eben mehr als in den manchmal etwas vokal-holprigen englischen Darbietungen.

„No Water 2K16“ dagegen, ein nur auf der CD enthaltenes Stück, ist ein rundum geiles Instrumental, das von einem durch das Schlagzeug vorgegebenem Marschrhythmus und einer schräg darüber mit einem Hauch Hendrix-Flair gespielten Gitarren-Solo lebt und so von der CD her eine ideale Einleitung für die schaurige auch auf LP enthaltene Gedichtvertonung von Christian Morgensterns (1871-1914) „Sophie“, dem Henkersmädel, ist, das symbolisch von einem durch sie Hingerichteten um innige Liebesbezeugungen an seinem Leichnam gebeten wird, erschreckt textlich auf dem Album ebenso wie „Keine Zeit“, ein eigener Text, in dem der Protagonist sich beim Holzhacken ins Schienbein schlägt, keine Zeit zum Arzt zu gehen hat und „muss immer weiter auf den Beinen stehen / verbinde das Bein, das Blut läuft raus / alles verschwimmt, mein Licht geht aus...“.

Schön auch, dass die LP ein Textblatt mit allen auf der LP enthaltenen deutschen Texten – inklusive der schaurigen Morgenstern-Ballade – enthält und am Ende dieser die massive Verhohnepipelung des Speefuches präsentiert, jeder Ossi kennt ihn, diesen an den 'Auf-diese-Steine-können-sie-bauen'-Fuchs erinnernden Waschmittel-Fuchs, der eben für das Waschpulver warb, das aus dem VEB Waschmittelwerk Genthin stammt und als eines der wenigen Produkte die DDR überlebte, wohl weil sich damals einfach zu viel Dreck angehäuft hatte, der überraschenderweise genauso mistig war, wie es der heutige noch immer ist.

Nach- oder beim Hören Mitlesen lohnt sich auf jeden Fall – denn schließlich sind GT anders (in eigenen Textworten auf „GT“: „Wir besohlen unserer Schuhe im Gehen / Wir sind GT!“), so anders, wie es einst die 'anderen bands' waren. Eine wunderbare Erkenntnis, zumindest für alle, die sich vielleicht heute noch fragen, warum und wie beispielsweise RAMMSTEIN mit ihrer Ostsozialisation zu dem geworden sind, was sie heute verkörpern: Provokanz und Härte.

FAZIT: Es dauerte knapp acht Jahre, bis das von lustig bis morbide problembeladene Album „Probleme“ der ostsächsischen Band GT endlich unter dem rührigen Ost-Label Krakenduft als Reissue auf LP samt beigelegter CD mit vier zusätzlichen Titeln seine auf 500 Exemplare limitierte vinyle Auferstehung feiern durfte. Und dass GT mitten aus Sachsen kommen, weckt tatsächlich nicht zu Unrecht Erinnerungen an die alten DDR-Zeiten, in der sich 'die anderen bands' gegen Diktatur und Zensur mit punkigen und hardrockigen Rhythmen und deutschen Texten auflehnten und dabei ihre ganz eigene Musikkultur kreierten. Ähnlich respektlos, ironisch, frech und trotzdem tiefgründig gehen auch die vier Herren von GT zur Sache und erreichen mit dieser Neuauflage von „Probleme“ den G-Punkt auf der T-Skala spannender wie 'anderer' Musik.