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Tusks: Gold (Review)
Artist: | Tusks |
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Album: | Gold |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Indie-Pop, New Wave, Ambient, Trip-Hop, Drum'n'Bass |
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Label: | One Little Independent | |
Spieldauer: | 41:35 | |
Erschienen: | 12.04.2024 | |
Website: | [Link] |
Als die Londoner Musikerin EMILY UNDERHILL a.k.a. TUSKS 2019 ihr zweites Album „Avalanche“ in Angriff nahm, brach sie sich den Ellenbogen. Das war damals eine kleine Katastrophe, da sie sich bis dahin stets als Gitarristin positioniert hatte. Diese Missgeschick hatte zur Folge, dass sie „Avalanche“ mit einer Menge Wut im Bauch, vielen abrasiven Gitarrensounds und einer Portion Grunge-Attitüde als eine Art musikalisches Notwehr-Projekt ziemlich laut und rockig anlegte.
Auch auf der Tour zu diesem Album präsentierte sich EMILY UNDERHILL mit der Gitarre in der Hand. Vielleicht hätte diese Entwicklung so weitergehen können, wäre nicht die Pandemie dazwischengekommen, denn wenige Tage nach der „Avalanche“-Tour versank die Welt im Lockdown-Modus. Für Underhill brach damit eine überraschend turbulente Phase an, denn die Pandemie verbrachte sie in einer Wohngemeinschaft mit 5 Personen mitten in London und ging eine Beziehung ein, die sich allerdings mit der ausklingenden Pandemie dann ebenfalls dem Ende zuneigte.
Musikalisch gab es aufgrund der Situation während dieser Phase für das TUSKS-Projekt nicht so viel zu tun. 2021 erschien die Interims-EP „Change“, auf der EMILIY UNDERHILL überhaupt nicht mehr zur Gitarre griff (bzw. greifen konnte) – dafür aber ihre Produktionskenntnisse erweiterte und sich musikalisch in eine für sie neue Richtung orientierte und verstärkt mit Ambient- und Downbeat-Elementen arbeitete.
Als es dann an der Zeit war, das nun vorliegende, dritte LP-Projekt zu realisieren, nahm sie sich vorab eine Auszeit, zog aus der besagten Wohngemeinschaft aus, schrieb in der Abgeschiedenheit des ländlichen Devon die meisten Texte des neuen Albums und dachte darüber nach, wie sie das nächste Album musikalisch am besten gestalten könnte.
Das nun vorliegende dritte TUSKS-Album „Gold“ ist sowohl in inhaltlicher wie auch musikalischer Hinsicht eine Reaktion auf die vorangegangene Phase. EMILY UNDERHILL begab sich damit auf einen Selbstfindungs-Trip, sortierte ihr Verhältnis zu sich selbst und der Zukunft neu und thematisierte und verarbeitete die sich anbahnende Trennung.
„Gold“ ist außerdem ein Album der Kontraste und Experimente, denn während die Musikerin – inspiriert von Stürmen in der offenen Landschaft Devons – die Lyrics des Albums immer wieder umschrieb und überarbeitete, zueinander in Bezug stellte und umschichtete, wurde ihr bewusst, dass sie einen adäquaten musikalischen Prozess für diese Vorgehensweise anstoßen müsste, um die angesprochenen Kontraste in ihrem Leben auch klanglich widerspiegeln zu können, sodass sie diesbezüglich feststellt: „Ein Großteil dieses Albums wurde von gegensätzlichen Erfahrungen inspiriert. Eine Trennung zu verarbeiten und sich dann wieder zu verlieben. Ständig von Menschen im Lockdown umgeben zu sein und dann plötzlich völlig allein und frei zu sein oder in der Stadt zu leben und dann in der Natur zu sein. Wir wollten diese Kontraste in der Produktion der Musik widerspiegeln.“
Zusammen mit ihrem musikalischen Partner TOM ANDREWS entwickelte sie nach der Rückkehr nach London einen Prozess, mittels dessen die musikalischen Ideen, die sie zuvor zu Hause im 'Stillen Kämmerlein' ausgearbeitet hatte, zunächst einmal in ihre Einzelteile zerlegt, diese bearbeitet und modifiziert, um sie daraufhin wieder zusammenzusetzen. Dabei gab es weder stilistische noch produktionstechnische Regeln. Während die Musik von TUSKS schon immer schwierig zu kategorisieren war, scheint es auf dem neuen Album überhaupt keine Fixpunkte mehr zu geben: Was immer sich dem Song als dienlich aufdrängt, wird umgesetzt, wobei so manches aus dem Zufall heraus entstand, wie Underhill einräumt. Die Idee dahinter war, Elemente aus dem LowFi-Bereich und solche aus dem Hi-Fi-Sektor miteinander zu verschmelzen und gegebenenfalls einzelne Fragmente zwischen den Songs zu verschieben. Beispielsweise experimentierten TUSKS bei dem Song „Read The Room“ mit Bläsersätzen, die dann – allerdings in gesampelter Form – letztlich für den Song „Tainted Plates“ verwendet wurden. Im Titeltrack „Gold“ arbeiteten TUSKS mit mehrfach gesampelten Drumloops, die im Finale des Tracks allmählich in das HiFi-Original übergehen. In dem Song „The Way“ wurden die Drum-Sounds über Bass-Verstärker wiedergegeben und durch Synthesizer und ein analoges Space-Echo verfremdet, während auf der anderen Seite aufwändig geschichtete, hymnische Klangwolken den so erzeugten LowFi-Charakter konterkarieren.
Was allerdings alle Stücke gemein haben, ist der starke analoge Charakter der Produktion. Obwohl auch auf diesem Album viele elektronische Bestandteile, Synthesizer, Samples und Loops eingesetzt wurden, sind es vor allen Dingen die psychedelischen Effekte, mittels derer die analogen Elemente wie Piano, Bass, Gitarre, Omnichord oder Drums von TOM ANDREWS bearbeitet wurden, die den organischen Sound des Albums bestimmen.
Früher war die Sache einfacher: TUSKS wurden gemeinhin unter dem Label „New Wave-“ oder „Elektronik-Pop“ einsortiert. Das neue Album „Gold“ bietet aber deutlich mehr als das. Rock-Elemente – wie sie noch auf dem „Avalanche“-Album zu finden sind – gibt es auf „Gold“ nun zwar nicht mehr; ansonsten ist aber so ziemlich alles möglich.
Eingerahmt wird das Album von dem kontemplativen Ambient-Drone „Wake“ zu Beginn und vom düsteren Gegenstück „Cold Storm“ am Ende. Des weiteren reicht der stilistische Spannungsbogen von der Trip-Hop-Operette „Artificial Flame“ über die sich aufbauschende Power-Ballade „The Way“ oder die psychedelische Piano-Elegie „Read The Room“ bis hin zur hinreißenden Dreampop-Nummer „Gold“, die zum Beispiel BEACH HOUSE auch nicht feiner hinbekommen hätten. Zu ihren Inspirations-Quellen steht EMILIY UNDERHILL dabei übrigens unumwunden: Der Bass des Tracks „Strangers“ sei von THE CURE inspiriert, die atmosphärischen Synths von „Read The Room“ von „Blade Runner“ (also von VANGELIS), „Body Ache“ von der R'n'B-Künstlerin ELIZA und „Tainted Plates“ hatte ursprünglich mal mit den BEACH HOUSE-Vibes begonnen, die sich jetzt eben in „Gold“ finden lassen. Sei es drum: Die experimentelle, teils wagemutige und stets kreative Art, wie TUSKS mit all dem umgehen, machen den Reiz des Albums unter dem Strich aus.
Als EMILY UNDERHILL die Songs des neuen Albums schrieb, befand sie sich an einem Punkt, an dem sie realisierte, dass ihre langjährige Beziehung zu Ende ging – und das thematisierte sie dann in den einzelnen Songs: In „Adore“ spielt sie mit dem Gedanken, eine neue Beziehung eingehen zu können, „Artificial Flame“ spiegelt die Erkenntnis, dass Underhill nicht mehr in ihren Partner verliebt ist, „Strangers“ erleuchtet den Zustand der Entfremdung zwischen den ehemaligen Partnern, „The Way“ beschreibt die Erkenntnis, dass alles, was passieren könnte, auch unausweichlich passieren wird und der tatsächlich während eines Sturms geschriebene Schlusstitel „Cold Storm“ ist ein Selbstfindungssong mit eher pessimistischem Ausblick. Lediglich der Titeltrack „Gold“ tanzt als politischer Kommentar über die Verfehlungen der herrschenden Klasse während der Pandemie ein wenig aus der Reihe.
FAZIT: EMILIY UNDERHILL aka TUSKS gelingt mit „Gold“ eine schlüssige, nachvollziehbare, persönliche Bestandsaufnahme, die wohl auch als Beginn einer neuen Phase im Leben der Londoner Songwriterin gelesen werden darf. Logisch, dass mit dem gewählten Patchwork-Ansatz kein stilistisch einheitliches Werk – und aufgrund der Zerrissenheit des Materials – auch keine Pop-Scheibe entstehen konnte. Das war aber auch nie die Absicht von TUSKS. „Gold“ ist wie ein musikalisches Mosaik, dessen Einzelstücke auf überraschende Weise so zusammengefügt wurden, dass sie erst im Ohr des Hörers das große Ganze ergeben, das nur als Album funktioniert – und zwar nachhaltig. Nach Anspieltipps oder Playlist-Empfehlungen braucht hier jedenfalls niemand zu suchen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Wake
- Adore
- Artificial Flame
- Tainted Plates
- The Way
- Read The Room
- Strangers
- Gold
- Body Ache
- Cold Storm
- Bass - Marcus Hanblatt
- Gesang - Emily Underhill
- Gitarre - Tom Andrews. Emily Underhill
- Keys - Emily Underhill, Tom Andrews
- Schlagzeug - Oliver Davies, Emily Underhill, Chris Banner
- Gold (2024) - 12/15 Punkten
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