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Litha: Good Girl (Review)

Artist:

Litha

Litha: Good Girl
Album:

Good Girl

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Deep Dive Pop, Indie, R&B, HipHop, Electronics

Label: Green Papaya Records
Spieldauer: 38:19
Erschienen: 29.11.2024
Website: [Link]

Sie ist also ein 'Liebes Mädchen', diese junge Musikerin LITHA (Lisa Lurger) aus Wien – zumindest wenn wir der Aussage ihres Debüt-Albums „Good Girl“ glauben. Und da steht sie wohl auch inmitten des Garten-Covers als kleines Mädchen im Kindergartenalter, das allerdings ziemlich frech, aber irgendwie auch bedrückt, in die Kamera schaut.
Führt uns LITHA hier etwa auf eine falsche Fährte und dieses „Good Girl“ leidet unter dem erzwungenen Gutsein?
Denn schaut man sich das finstere Video zum Titelsong an, ganz ohne Natur, sondern nur mit einem in einem dunklen Raum auf einem Stuhl sitzenden Mädchen an, kommen einem bereits bei diesen offensichtlichen Gegensätzen Zweifel in den Sinn.


Trotzdem scheint LITHA, wie auf dem Cover zu sehen ist, das Grüne und die Natur am Herzen zu liegen – oder warum trat man sonst im Rahmen von 'Fridays For Future Niederösterreich' am 15. September 2023 in St. Pölten auf?
War das Statement oder nur Unterhaltung für die kleinen Natur-Kämpferinnen und -Kämpfer, denen das trotzige Eintreten für die gute Sache mit einem Verzicht auf ebenso gutes Wissen einhergeht?
Na ja, einerseits ist das Schwänzen für's Klima ja echt cool, aber andererseits für die meisten 'Erwachsenen' doch ziemlich blöde, während gerade die ganze Wirtschaft und damit eine andere Lebensgrundlage so ziemlich abkackt.


Nun ja, würde unser „Good GirlLITHA auf der anderen Seite stehen, hätte sie sich ja schließlich statt im Garten auch in einer Werkshalle zwischen Dreck und Öl statt bunten Blümchen ablichten lassen können – oder wie das 'Video-Mädchen' in einem finsteren Raum, was durchaus besser zu ihrer Musik gepasst hätte. Aber solche optischen Aussagen sind mehr was für die härtere Rockfraktion statt für die Freunde des 'Deep Dive Pop', wie die Musikerin und ihre musikalischen Begleiter es selber so schön beschreiben – und noch ergänzen, dass uns hinter „Good Girl“ Musik als ein Mittel erwartet, um die Herausforderungen des Lebens zu verarbeiten sowie die Tiefe eigener Erfahrungen widerzuspiegeln, wobei besonders der Rhythm&Blues mit einem Hauch von Pop- und Hip-Hop-Einflüssen die größte Rolle spielt.

Die Themen klingen dann eben doch mehr nach dem Dreck und der Finsternis einer Zeit, die uns jeden Tag mit neuen, oft erschreckenden Dingen herausfordert und zum Handeln zwingt.
Banal also ist an diesem „Good Girl“ nichts, sodass vorerst echte Mainstream-Entwarnung gegeben werden kann.


Das klingt für's Erste schonmal ganz gut – doch ist schon klar, dass in diesem Falle eine besondere Aufmerksamkeit auf dem Gesang liegt. Und ja, der wäre besser im Soul (in seinen besten Momenten) aufgehoben. Auch dass bei der Art zu singen die gute AMY, deren WINEHOUSE längst im Jenseits verankert ist, Pate steht (was natürlich eine echte Adresse ist), scheint unverkennbar.
Nur gruselig wird’s, wenn gleich wie im titelgebenden Album-Opener der HipHop Einzug in LITHAs Musik-Kosmos findet. Das ist oder soll modern sein, wird sicher viele freitägliche Zukunftskinder begeistern, aber tut der Musik hinter „Good Girl“ nicht gut. Genauso wenig wie die seltsamen Verfremdungen, die uns dann bei „Thoughts“ erwarten, bei denen man glaubt, dass der Schallplattenspieler, auf dem die LP (leider gibt’s keinerlei Beigeben wie bedruckte Innenhüllen oder LP-Einleger mit den Texten mit dazu) gerade läuft, eine brutale Grätsche macht oder sich der Riemen verabschiedet hat, weil er, statt klimaneutral aus Kunststoff, aus geflochtenen Gräsern, die man besser hätte rauchen sollen, gefertigt wurde.


Überhaupt hat man beim Hören des Albums viel zu oft den Eindruck, die Scheibe würde in einem zu langsamen Tempo laufen – und das nervt ernsthaft, gerade wenn man sich als Musikerin dafür entscheidet, sein Debüt auf Vinyl zu veredeln. Gerade solch seltsame Effekte führen bei jedem Vinyl-Freund zu Verunsicherungen – statt überraschender Freude.
Absicht oder nicht?
Ja, die Frage kann nur LITHA beantworten. Doch die verbreitet lieber neben jeder Menge elektronischer Effekthascherei sowie seltsamen Soundscapes und finsteren Klangtorturen, welche zum Glück immer wieder durch die beeindruckende Stimme aus dem tiefen Tal der Depression herausgeholt wird, in den meisten ihrer Lyrics eine echte Weltuntergangsstimmung, bei der sie einerseits vor ihrer Mutter genauso wenig halt macht wie vor unserem Planeten. Alles ist irgendwie zerstörerisch oder wird zerstört – so wie der Plattenspieler, auf dem die LP läuft, die bei den vielen Schwankungen einen ähnlichen Eindruck vermittelt.


Doch LITHA, die übrigens auch unter ihrem bandcamp-Profil wie in facebook einen recht finsteren Blick (ganz passend zur Musik) aufsetzt, geht in ihren Texten, die man gezwungenermaßen, da sie auf der LP fehlen, unter ihrer bandcamp-Seite nachlesen muss, noch weiter mit den bedrückenden Emotionen, wenn sie das Album zu einer Art feministischem Manifest werden lässt, sexuellen Missbrauch anprangert, die totale Kontrolle über den eigenen weiblichen Körper fordert, stille Geburt, Mutterschaft und jeglichen irgendwie als Trauma empfundenen Zeitgeist, der sich mehr den Traditionen verschließt oder verurteilt, dafür aber den düsteren Visionen dieses modernen 'Good Girls', das bei diesen Aussagen eher als ein 'Bad Girl' erscheint, widmet. Doch genau das ist Absicht. LITHA will nicht das liebe Mädchen sein, das man missbraucht und das pariert und immer jedem noch so dummen Erziehungsideal folgt. Völlig verständlich – aber den Weg, den sie auf „Good Girl“ einschlägt, treibt sie im Grunde in den nächsten emotionalen Konflikt, der nicht ein Licht am Ende des Tunnels sieht, sondern in dem sie aus der Finsternis kommend einfach umzukehren scheint in Richtung einer neuen Finsternis.


Bleibt zu hoffen, dass LITHA mit „Good Girl“ ihren Seelenfrieden findet und ihre tiefemotionalen Songs zugleich eine Art von therapeutischer Wirkung (auf sie) haben, an der sie uns als Hörer teilhaben lässt, wenn sie sogar bei „Between Us“ deutliche Züge von LAURIE ANDERSON in sich trägt oder mit einem gewissen Hang zu KATE BUSH am Ende in der Walfisch Session sogar noch das totale Ausgeliefertsein während der Geburt heraufbeschwört („Du hast meinen Namen auf einer Karte gelesen / Ich kenne nicht mal deinen Namen / Ich bin eine nackte Frau / Aber ich bin noch nicht tot, nein nein nein nein nein nein!“), das sich mit düsteren, etwas angejazzten Piano-Klängen aus dem Song und dem gesamten Album als ihr „Manifesto“ verabschiedet.


FAZIT: Es ist harter, schwer emotionaler Tobak, den uns die österreichische Musikerin LITHA hier auf „Good Girl“ mit eindrucksvollem Gesang und mitunter (besonders während der HipHop-Ausflüge) verwirrender Musik präsentiert, welche sie selber als 'Deep Dive Pop' (eine Kombination aus R&B, Electronics, Soundcollagen, Indie-Pop und HipHop) kategorisiert. Allerdings sind da neben ihrer beeindruckenden Stimme noch die depressiv anmutenden Texte, die einen durchaus etwas abstoßen können, gerade wenn es um sexualisierte Gewalt oder Totgeburten geht. Die musikalische wie textliche Aufarbeitung eines „Good Girl“, dem anscheinend schon seit frühster Kindheit die erzwungene Angepasstheit unerträglich war. Wenn jetzt noch der eine oder andere Lichtblick mehr diesen 'Deep Dive Pop' erhellen würde, indem er stärker in Richtung sonnenbeschienener Wasseroberfläche taucht und weniger auf untiefe Soundverfremdungen setzt, dann wäre bei LITHAs Stimme und nach diesem Debüt die folgende LP sicherlich eine ganz große Nummer.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 215x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 9 von 15 Punkten [?]
9 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (18:12):
  • Good Girl (2:55)
  • Thoughts (3:28)
  • Do Nothing (3:31)
  • Gone (3:41)
  • Between Us (1:13)
  • Everything Is Everything (3:24)
  • Seite B (20:07):
  • None Of Them (4:04)
  • No Words (3:20)
  • Into Thin Air (4:43)
  • Manifesto (4:15)
  • Mercy (Walfisch Session) (3:45)

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