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Ralf Niemiec: Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative? (Review)

Artist:

Ralf Niemiec

Ralf Niemiec: Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?
Album:

Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?

Medium: Buch
Stil:

Buch-Dokumentation/Erinnerung über den Heavy Rock im Osten

Label: I.C.H. Verlag (ISBN: 9783949234545)
Spieldauer: 350 Seiten
Erschienen: 19.05.2025
Website: -

„Einige Jahre vor dem Fall der Mauer haben wir uns immer bei einem Freund getroffen. Am größten war die Spannung immer dann, wenn er sein hart verdientes Geld in eine Schallplatte investiert hatte, die auf offiziellem Weg nicht zu bekommen war. […] An 'The Number Of The Beast' und 'Killers' von IRON MAIDEN erinnere ich mich heute noch so, als wäre es gestern gewesen. […] Wir machten es uns auf dem Fußboden im Halbkreis bequem und bestaunten minutenlang das beeindruckende Plattencover von Iron Maiden mit so vielen Details. Von der Gestaltung des Covers über den Geruch des Vinyls bis in zum Klang der Platte. Es hatte alle unsere Sinne angesprochen.“ (Kurzer Auszug aus „Heavy Ost“, aus dem deutlich wird, warum der Musik-Virus im Osten viel intensiver als im Westen ausbrach, weil der Wert einer - verbotenen oder nicht im Osten erhältlichen – LP um so viel höher in der DDR war, da man sie sich wortwörtlich schwer verdienen und mitunter voller krimineller Energie erkämpfen musste.)

Es ist ein verdammt sperriger wie extrem langer Buchtitel geworden, der uns hier von dessen Autor RALF NIEMIEC präsentiert wird: „Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?

Aber spannend ist dieser Titel durchaus, denn er verrät uns bereits auf den ersten Blick, dass hier wohl ein echter Ost-Musik-Experte über die harte Rock-Musik der DDR und das östlichen Nach-Mauerfall-Deutschland schreibt. Dass der Mann direkt mit eingebunden war in die Szene, ist nicht nur Vermutung, denn bereits ein Blick auf die abgebildeten Eintrittskarten des Buchcovers gibt ausführliche Auskunft. Hier schreibt einer aus Leidenschaft für die Musik und die Menschen, denen diese Musik viel bedeutet(e) und die sogar mit deren Hilfe auch dieses permanente Gefühl des Gefangen- und nach Mauerfall nicht Angekommenseins in einem Staat, der seine Menschen erst einmauerte und dann viele Existenzen zerstörte, ertrugen.
RALF NIEMIEC ist der Zeitzeuge und ehemalige 'Macher', der in seinem Buch über die Leidenschaft und Tücken schreibt, die einen begeisterten, beschäftigen und belasteten, wenn man vom Live- und Rockmusik-Virus angesteckt ist.

In diesem Falle gibt bereits der Pressetext bestens Auskunft, wenn es darin heißt: „Sie waren aufregend, ganz sicher, die Neunzigerjahre im Osten der Republik. Vielleicht sogar wild, als sich ein alles kontrollierendes Regime infolge einer friedlichen Revolution verabschieden musste, aus der kleinen und etwas muffigen DDR ein Teil eines freien und damals sehr gut gelaunten Deutschlands wurde und sich allerorten Räume boten, Neues zu probieren. Im Fall von RALF NIEMIEC eine Leidenschaft, die schon länger ihn und seine Freunde befallen hatte, nun aber auf eine Weise ausgelebt werden konnte und auch sollte, wie das vor 1989 undenkbar gewesen wäre. Heavy Metal.“

Dieses Buch sollte besonders all denjenigen (aus dem Westen) empfohlen werden, denen wir im Osten nicht gänzlich egal sind (obwohl man oft auch heute noch diesen Eindruck hat), damit man uns und unsere Leidenschaft und vielleicht auch unser Anderssein versteht und akzeptiert. Die Musik baut hierbei eine herrliche Brücke – und damit auch das Buch. Denn bekanntlich regiert der Heavy Metal überall auf der Welt und verbindet.

Für den (älteren) 'Ossi' aber ist dieses Buch gleichermaßen eine herrliche Erinnerung an eine Zeit, die im extremen Aufbruch war, eine Mauer – wie man sie im Westen nennen durfte – bzw. den 'Antifaschistischen Schutzwall' – wie man ihn im Osten nennen musste – zum Einsturz brachte. Schwermetall gegen Mauerkunst so gesehen. Oh ja, die Musik war im Osten nicht nur Lebenselixier, sondern auch Heavy-Metal-Waffe gegen das Eingesperrtsein.
Lange Zeit kämpfte man gegen dieses Bauwerk der Schande schon damals, also spätestens 1983 (wo das Buch ansetzt), auch mit harten Gitarren und Heavy-Rhythmen sowie Texten, die mitunter mutig und gefährlich waren (oder die man zwischen den Zeilen lesen musste) an.
Dass dabei sogar ein Egon Krenz nicht alles ignorieren konnte, ist sogar auf einem der vielen Bilder des Buches zu entdecken.

Die Rockmusik setzte so gesehen als Mauerspecht die ersten löcherigen Mauerscharten, durch die man irgendwann ganz vorsichtig auch in die Freiheit luchsen konnte, selbst wenn ein Thomas Brussig bis heute noch in seinen "Helden wie wir" behauptet, die Mauer mit seinem Pimmel eingerissen zu haben. Nun ja, er hat ihn vielleicht öfters in besagte Scharten gesteckt.
All das aber, was dagegen den Heavy Metal betrifft und viel, viel mehr liest und sieht man anhand der zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos, die das Buch eindrucksvoll illustrieren, in „Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?

Natürlich erfährt man beim genauen Lesen auch die bissige bis lustige Antwort auf den letzten Teil des Buch-Untertitels (allerdings nur als eine Anekdote bzw. ein Foto am Rande), wobei man natürlich wissen sollte, dass Egon Krenz der Nachfolger von Erich Honecker war, als die DDR schon in Scherben lag, und der noch dazu den beschissenen Begriff 'die Wende' prägte und uns damit die Erinnerung nahm, weil kaum noch wer von der 'Friedlichen Revolution' oder 'dem Mauerfall' spricht. Das ist genauso bescheuert wie Honeckers Spruch „Überholen ohne Einzuholen“, um damit die Überlegenheit des Sozialismus in der DDR über den Kapitalismus zu beschreiben. Trabant gegen Mercedes so gesehen... Aber trotzdem waren wir nach dem Mauerfall nie so stolz auf unseren Trabant, liebevoll die Rennpappe genannt, wie zuvor. Die Sterne klauten wir lieber von den Westkarren und klebten sie uns über das Trabant-Logo auf die Kühlerhaube. Wir waren echt revolutionär – wie unsere Musik.

Alles vergessen!?
Meinetwegen.
Die Musik dieser Zeit ist aber noch immer lebendig, auch wenn man sie im Falle von „Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?“ nicht unmittelbar hören, sondern darüber lesen und anhand historischer Fotos und Eintrittskarten betrachten kann.
Was will man mehr!
Statt die Sterne vom Himmel zu holen, packen wir im Osten eben doch lieber die E-Gitarren aus und machen ordentlich krach, damit wir auch nach 35 Jahren deutscher Einheit noch ein bisschen mehr wahrgenommen werden.
RALF NIEMIC darf dabei gerne die literarischen Trommelstöcke schwingen.

FAZIT: Ein Heavy-Metal-Fan und Musikenthusiast aus Mücheln (Sachsen-Anhalt), der zu DDR-Zeiten anfangs rein aus Spaß Heavy-Metal-Konzerte mitorganisierte und dabei alle Hürden, die man ihm erst in der DDR und später im vereinten Deutschland auferlegte, überwinden musste, hat sich viel Zeit gelassen und jede Menge Kraft in dieses Buch investiert, um die (stellenweise unglaubliche) Heavy-Metal-Ost/West-Geschichte wiederaufleben zu lassen. All die Leidenschaft und der Mut, aber auch ein wenig rebellische Dekadenz und versoffene Kraftmeierei, leben zwischen den Seiten und Fotos, die RALF NIEMIEC hier in „Heavy Ost – Ein Roadtrip durch die Geschichte der (Sub)Kultur in Sachsen Anhalt von 1983 – 1994 ODER Was verbindet Egon Krenz, Jürgen Kerth & Type O Negative?“ zu Papier bringt. Verblüffende Eintrittskarten, die sofort Erinnerungen auslösen, gibt es genauso zu betrachten wie lustige handschriftliche Einträge von Bands im vollständig abgebildeten Klubtagebuch, das damals noch im Klubhaus der Zementwerker geführt wurde. Und am Ende verweist uns ein wütendes Schlusswort des 2021 verstorbenen DDR-Musikredakteurs Matthias Hopke (das Niemiec bewusst an das Ende seines Buches stellt) darauf, wie viel im Umgang mit der Musik und Musikkultur der DDR dann doch schiefgelaufen ist. Nicht nur für den Osten, sondern auch den Westen und eben alle Heavy-Metal-Liebhaber unbedingt empfehlenswert.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 57x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Keine Kapitelangaben
  • Umfangreich eingebundene Schwarz-Weiß-Bilder von Eintrittskarten
  • Mehrere Fotostrecken von Bands, Konzerten, Gästebuch-Aufzeichnungen und Fotos des Autors

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