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Interview mit Keep Of Kalessin (08.04.2006)
Keep Of Kalessin – Obsidian C. über Dunkelheit, Kälte und Atmosphäre
Lass mich zunächst sagen, dass ich recht überrascht von Armada bin - Ich kenne eure früheren Alben nur auszugsweise. Die Platte ist schlüssig und ihre Stücke alle unterscheidbar, was heute eine Seltenheit im extremen Metal ist.
Würdest du mir dahingehend zustimmen, dass es Black Metal einen Schritt nach vorne bringt ohne gewollt avantgardistisch zu sein, also dass ihr nicht vorgebt, etwas Anderes als Metal zu sein und doch das Genre nicht banalisiert?
Ganz meine Meinung – Ich denke, Black Metal und Metal allgemein sind in eine Sackgasse geraten, aus der sie scheinbar nicht mehr herauskommen. Deshalb versuchen Bands vergeblich, neue Elemente einzubringen oder mit dem nächsten großen Ding anzukommen. Was für einen Sinn macht es denn bitteschön, Industrial- oder Trance-Elemente nur um ihrer selbst Willen zu benutzen? Glaub es oder nicht, Trance ist in der Tat eine Inspiration für Keep Of Kalessin, aber der große Unterschied zwischen uns und anderen liegt eben darin, dass wir inspiriert sind. Das bedeutet, dass wir diese Komponenten nicht direkt, sondern indirekt in die Musik einfügen. Das ist für mich ein großer Unterschied! Wir nehmen keine elektronischen Drums und Trance-Beats und packen sie in einen Black-Metal-Song, nur damit wir es getan haben. Stattdessen nutzen wir die Atmosphäre eines anderen Genres für unsere Musik; oder wir fügen dem Black Metal mit den Songstrukturen und schwebenden Passagen des Trance eine weitere Dimension hinzu – Das erzeugt eine Gänsehaut!
Man hört leicht, dass die Entstehung des Albums ein längerer Prozess war: Wie habt ihr die Musik über die ganze Zeit hinweg für euch interessant gehalten?
Das war wirklich schwierig, aber immer dann wenn wir das Material furchtbar satt hatten, fügten wir ihm im Studio etwas Neues hinzu und die Inspiration kam zurück, weil wir merkten, wie toll es klingen würde. Wir waren auch alle von Beginn an von dem Stoff überzeugt, mussten uns also nur darauf besinnen und an die ursprüngliche Idee glauben. Wir waren das Material Leid, obwohl wir wussten, dass es kein Schrott war.
Erzähl mir von eurem neuen Schlagzeuger und Sänger! – Vyl beeindruckt vor allem mit seinem Bassdrum- und Beckenspiel, während letzterer sehr facettenreich ist und nicht dem typischen Black-Metal-Schreihals entspricht. Wo kommen die Beiden her?
Vyl war der Drummer auf unseren ersten zwei Alben, also war es kein Problem, ihn wieder zurückzuholen. Ich spiele schon so lange mit ihm zusammen, dass ich mich blind mit ihm verstehe; wir müssen nicht einmal proben, ehe wir einen Song spielen. Ich gebe ihm bloß die grundlegenden Rhythmen vor, er legt los und folgt dabei jeder Wendung meines Gitarrenspiels. Mit diesem Kerl zu spielen ist großartig - Er hat seit den Aufnahmen zu Armada noch mehr geübt und ist heute bei weitem der beste Metal-Schlagzeuger in Norwegen! Du glaubst gar nicht, was für ein Gefühl er fürs Schlagzeugspiel hat und wie schnell und tight er geworden ist. Somit weiß ich, dass wir mit dem nächsten Album alles wegblasen werden, hehe...
Was unseren Sänger angeht, er war mit Vyl gemeinsam bei Subliritum. Ich habe ihn einige Male gehört, aber nicht sonderlich auf seinen Gesang geachtet. Sein Potential habe ich aber erkannt, also haben wir uns im Studio die Zeit gekommen, seine Performance auf ein höheres Niveau zu bringen. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass er jeden Extrem-Metal-Sänger ganz nebenbei gegen die Wand klatscht – He simply rules! Ich muss mich wiederholen: Warte nur bis zum nächsten Album, da wir nun wissen wie die Sache läuft...
Man findet Elemente von Thrash bis Traditionell in eurer Musik. Da du einmal gesagt hast, es ginge alles letzten Endes auf den Blues zurück: Achtest du überhaupt noch auf diese Kategorisierung, und wie wichtig ist es dir Prinzipientreue gegenüber dem Genre Black Metal?
Also für mich sind heutzutage die Bands „Black Metal“, die sich anmalen, Fotos im Wald schießen, schwarz-weiße Plattencover haben und Black Metal machen, weil sie in Wirklichkeit miese Musiker sind. Deshalb hoffe ich, dass wir diese Sparte schon lange hinter uns gelassen haben. Dennoch liegen unsere Wurzeln hauptsächlich im Black Metal, doch heute würde ich es Extreme Metal nennen, da die Grenzen zwischen den ganzen Stilistiken mittlerweile doch arg verschwommen sind. Wir machen Epic Extreme Metal!
„Winged Watcher“ hat etwas von Covenants Nexus Polaris - abzüglich der spacigen Elemente - wegen seiner Anordnung der Melodien und Akkordwahl – wo kommt dieser Einfluss her?
Das ist ein seltsamer Vergleich, aber ich habe auch schon gehört, dass die neue Satyricon von unserer Scheibe beeinflusst sein soll...“Winged Watcher“ ist eher inspiriert von epischen Filmen wie Gladiator, Troja, Alexander und Krieg der Sterne.
Kann eigentlich jemand, der mit extremem Metal gar nichts am Hut hat, die guten Bands von denen unterscheiden, die sich berechnend an die Zielgruppe richten? Wie könnte eine solche Person lernen, mehr zu hören als nur einen Haufen Lärm, wenn er emotional nicht mit dieser Musikrichtung verbunden ist?
Hoffentlich erkennen Leute mit einem Gefühl für Musik und dementsprechendem Wissen, dass unsere Stücke mehr sind als ein paar von einer Gruppe Kiddies aneinandergereihte eingängige Riffs. Das Dumme ist, dass die Bands, die sich wenig Gedanken um ihre Musik machen, oftmals die meisten Alben verkaufen. Unsere Produktion ist sehr sauber und wir verwenden nicht viel Verzerrung, doch ich denke man braucht trotzdem einige Kenntnisse um zu hören, was abgeht. Es ist viel mehr als nur gradliniger Rock’n’Roll.
Andererseits haben wir auch einige griffige Refrains und Melodien – man weiß also nie...Die meiste Zeit jedoch bin ich erstaunt darüber, wie wenig die Leute über Musik wissen und sich darum kümmern – Wenn es sie nicht sofort anspricht, interessiert es sie nicht.
Ich selbst liebe vor allem die Alben, die einige Durchläufe brauchen, ehe sie sich erschließen.
Wie gehst du mit der Doppelbelastung durch deine Beschäftigung bei Satyricon um? – Betrachtet man ihren Status, beanspruchen sie sicherlich einen nicht geringen Teil deiner Energie...
Dieses Jahr werde ich sicherlich ein vielbeschäftigter Mann sein. Es hat bereits Überschneidungen gegeben, aber ich versuche beide Bands unter einen Hut zu bekommen. Ich habe es gerade geschafft, mit Keep Of Kalessin den Support für Satyricon in Norwegen zu übernehmen. Danach werde ich zwar erschöpft sein, aber das ist es definitiv wert. Da ich derjenige bin, der über Liveauftritte mit Keep Of Kalessin entscheidet, denke ich, dass beides eine Weile lang parallel laufen kann.
Wie ist es, mit einer solch starken Rhythmusgruppe wie Frost und Lars am Bass zu spielen?
Großartig – Satyricon sind eine streng geregelte Band. Wir spielen niemals einen falschen Ton und alles ist genau geplant. Es ist toll, diesen Kontrast zu Keep Of Kalessin zu haben, die mehr auf Jamming basieren. Wir jammen im Grunde sehr viel im Blast-Beat-Tempo –wirklich! Keep Of Kalessin klingen von Konzert zu Konzert nie gleich.
So wie ich es sehe, ist Armada ein Konzeptalbum; ihr habt ja sogar auf einen außenstehenden Texter zurückgegriffen...Kannst du mir den Inhalt erklären?
Es ist ein Konzeptalbum, aber keine Story, die von A nach B geht – Die Atmosphäre ist das Konzept. Die Texte sind ähnlich stimmungsvoll wie die der epischen Kriegsfilme, die ich vorher erwähnt habe. Manchmal beschreiben die Lyrics Schlachten, ein anderes Mal sind sein eher episch im Allgemeinen.
Kriegsbezogene Themen und Gewalt waren im Metal schon immer weit verbreitet: War die ursprüngliche Absicht dahinter Kritik oder Verherrlichung, und wie hat es sich bis heute verändert – wenn überhaupt?
Ich spreche nur für mich selbst, aber wie gesagt: mir geht es eher um die Atmosphäre als um politische, direkte Ansichten. Ich sehe alles durch diese Atmosphäre; das bedeutet, dass unsere Texte in einem bestimmten Song nicht zwingend sehr direkt sein müssen - Man kann zwischen den Eindrücken hin und her springen, so wie es die Atmosphäre auch tut. Das ist schwierig zu erklären, doch wenn man die Texte liest, wird man es verstehen. Wir brauchen keine Story, sondern nur die Unterstützung der musikalischen Stimmung, und das ist die Aufgabe der Lyrics.
Falls Brutalität und Kampfeslust wirklich die Hauptprinzipien von Metal sind: Sollte es Bands interessieren, wenn bestimmte Leute ihre Musik als Soundtrack für ihre Angriffe gegen mutmaßliche Feinde nutzen – etwa ethnische oder sexuelle Minderheiten? Schließt Metal Intoleranz mit ein?
Metal ist ein derart weites Feld –Das kann man beantworten. So wie ich zumindest Black Metal auffasse, geht es dabei um das Individuum. Es ist zu Schade, dass dieser Faktor im heutigen Black Metal so vernachlässigt wird. Die Leute achten nur darauf, was Andere über sie denken, und die „true“-Typen sind wirklich die schlimmsten! Sie sind in Wirklichkeit diejenigen, die Anderen wie die Schafe hinterherlaufen – Sie sind ein Haufen Schafe, genauso wie die „normalen“ Leute.
Ich glaube, Black Metal ist kalt, dunkel und oft, wie gesagt, auch den Einzelnen betreffend. Ich persönlich kümmere mich nicht um die Leute um mich herum. Diejenigen, die guten Black Metal spielen, sind so, wie es das Genre mit sich bringt: Dunkel, kalt und gleichgültig. Man muss seinen Gegner mit Bedacht auswählen und sich bewusst sein, dass man genau zu dem wird, was man eigentlich anfeindet , wenn man zu einseitig ist. Menschen, die ihren Hass gegen eine Sache richten, vergessen das meistens.
Ändert man seine Haltung gegenüber der Verbreitung von Aggression durch Musik, wenn man selbst einmal physische Gewalt erfahren hat? – Du kannst ein Lied davon singen, da du schon auf der Bühn angegriffen wurdest...
Ich sehe eigentlich keine Verbindung zwischen aggressiver Musik und aggressiven Menschen. Wer Gewalt als erste Wahl ansieht, ist ein Verlierer; als letzter Ausweg ist es allerdings etwas ganz Anderes - Das ist meine Meinung. Ich bin schon mehr als nur einmal angegriffen worden, und jedes Mal war es jemand mit Minderwertigkeitsgefühlen mir gegenüber.
Die norwegische Szene scheint gerade stärker denn je zu sein, wobei die Bands sich sehr individuell zeigen. Die letzten Veröffentlichungen von Manes, Arcturus, Enslaved oder euch kann man kaum miteinander vergleichen. Wo liegt der Unterschied Norwegens im Vergleich zu den anderen skandinavischen Ländern? – Momentan spucken Schweden oder Finnland unzählige neue Bands jedes Jahr aus, die aber meist wenig originell sind.
Die Szene in Norwegen ist zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt und erfindet sich gerade wieder neu. Ich finde trotzdem, dass die meisten Gruppen zu krampfhaft versuchen, etwas Einzigartiges zu tun. Keep Of Kalessin möchten atmosphärische Musik machen und nicht den Metal neu erfinden – Genau deshalb schenkt man uns auch Beachtung: Weil alle versuchen, etwas Besonderes zu machen und dabei vergessen, dass Black Metal auf atmosphärischer Musik basiert.
Wo liegt der Sinn einer Videoproduktion für euer Album? Gibt es eine Plattform für euch, etwa ein Fernsehsender, der es senden würde? – Hier in Deutschland sind Metal-Formate im Fernsehen mehr oder weniger verschwunden, wenn man damit nicht gerade Nightwish oder System Of A Down verbinden möchte.
Ein Video kann wirklich die Plattenverkäufe ankurbeln, wenn man es richtig macht. Heute braucht man noch nicht einmal das Fernsehen, um es zu veröffentlichen. Das Internet ist ein klasse Mittel, um Videos zu verbreiten, und es gibt viele Websites, wo man Videos ziehen kann. Die Leute laden sich mehr denn je Sachen herunter. Wir haben aber in Norwegen auch eine wöchentliche Sendung im staatlichen Fernsehen, die für zwei bis drei Stunden Metal-Videos ausstrahlt. Ich weiß es zwar nicht genau, aber so etwas gibt es doch auch in anderen Ländern...
Wieso bewirbt euer Label euch überhaupt als „neuste Söhne“ des Black Metal, wo ihr doch schon viel länger dabei seid und auf mehrere Alben zurückschauen könnt?
Das stammt von unseren amerikanischen Promotern. Sie nehmen wohl an, wir seien für die Mehrheit eine neue Band. Wir haben nicht viele Alben verkauft, werden aber endlich als eine der Elite-Gruppen Norwegens betrachtet – Es wurde auch langsam Zeit!
Ich denke, euer Zeug ist dafür geschaffen, live gespielt zu werden. Werdet ihr weitere Konzerte außer dem Inferno Festival in Oslo spielen, vielleicht als Toursupport einer anderen Band?
Im April und Mai werden wir mit Carpathian Forest und Hate touren sowie für Satyricon im Mai in Norwegen eröffnen. Außerdem sind wir fürs Hole In The Sky bestätigt und schauen uns nach einer weiteren Tour für den Herbst um.
Andreas Schiffmann
(Info)