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Interview mit Woe (10.07.2013)

Woe

WOE zählen zum Besten, was der amerikanische Black Metal derzeit zu bieten hat. Die letzten beiden Alben "Quietly, Undramatically" und das harschere neue "Withdrawal" überzeugen mit der nahezu perfekten Mischung aus Aggression und Tiefgang. Kein Zufall, wenn man sich anschaut, wie ausführlich Bandleader Chris Grigg die Fragen, die wir ihm zugeschickt haben, beantwortet.

Non-German speaker? Download a pdf with the original interview in English here.

Hallo Chris, ich hoffe, es geht Dir gut. Euer drittes Album "Withdrawal" ist gerade erschienen. Wie denkst du über das Album? Oder ist es noch zu früh, das zu beantworten?


Hallo Andy, ich bin sehr zufrieden mit dem Album. Natürlich gibt es immer noch Raum für Verbesserungen, aber das ist ja immer so.

Ich war ein bisschen überrascht von der Platte, weil sie härter und schneller ist, als ich erwartet hätte. Die eher stillen Momente von "Quietly, Undramatically" wurden reduziert und viele der Songs sind fast durchgehend rasend schnell. Wie kam es dazu? Und teilst du diese Einschätzung?

Das war ganz bewusst im Hinblick auf eine intensivere Liveshow. Wir haben bemerkt, dass die energischsten Songs live am besten funktioniert haben. Wir haben dieses Mal alles ein bisschen verschlankt und versucht, den Fokus auf die Eigendynamik zu legen, ohne jedoch die Dynamik, die davor sorgt, dass es nicht eintönig wird, zu vernachlässigen. Das Resultat ist tatsächlich so, wie wir es schon früh beschrieben haben: eine Mischung aus der Aggression des ersten Albums mit den Höhen und Tiefen des zweiten.

Das Coverartwork des Vorgängeralbums war relativ "hübsch", das neue Cover ist mit der roten Farbe und der Zerstörung in der unteren Bildhälfte deutlich auffälliger. Das passt zu meinem Eindruck der verstärkten Härte des Albums. War das auch die Idee dahinter?

Ein großer Teil von "Quietly, Undramatically" war ein Statement über die Sinnlosigkeit oder die Bedeutungslosigkeit in einem gleichgültigen und stillen Universum. Umgekehrt ist "Withdrawal" über Verwüstung und, was noch wichtiger ist, das Streben nach Frieden. Das Artwork beschwört gleichermaßen den Konflikt und die ruhigen, reflektierenden Momente nach einem einschneidenden Erlebnis, das einen mit nichts als der Realität der Situation und der Möglichkeit, darüber zu reflektieren, zurücklässt.

Ihr sagt, das "Withdrawal" euer bislang intensivstes und persönlichstes Album ist. Bezieht sich das auf die Texte oder auch auf die Musik? Wenn ja, inwiefern?

Auf jeden Fall auf beides. Die Texte bekamen mehr Aufmerksamkeit, als auf jeder bisherigen WOE-Veröffentlichung. Sie machen all die Aussagen, die ich schon immer machen wollte, aber nie wirklich zusammen bekommen hatte. Die Musik hat aber die meiste Kraft, sie ist direkt und zielgerichtet. In alten WOE-Songs gab es viele Teile, die im sich im Nachhinein etwas angeheftet anfühlen. Wenn ich sie höre, mag ich sie, erinnere mich aber nicht unbedingt daran, warum sie da sind. Jetzt ist nichts mehr überflüssig.

Es war also das Hauptziel, ein sehr persönliches Album zu machen?

Das war schon immer das Ziel. Ich kann nicht schreien, wenn es nichts gibt, worüber ich schreien kann.

Ich mag besonders die tollen Gitarrenmelodien auf "Withdrawal". Sind die so etwas wie ein Markenzeichen von euch?

Ich würde das gerne so sehen, aber es ist wohl eher an dir, das so zu sehen, als an mir. Melodisches Black-Metal-Riffing ist etwas Magisches für mich. Ich liebe es, wenn Bands das gut hinbekommen und strebe danach, mich dahingehend so stark wie möglich zu pushen.

In unserem letzten Interview sagtest du, dass die Leute sich über den Sound von "Quietly, Undramatically" beschwert haben. "Withdrawal" hat immer noch einen rohen und natürlichen Sound, aber besonders das Schlagzeug klingt nicht mehr so außergewöhnlich wie vorher. Ich denke, dass ist eure Reaktion auf die Kritik, richtig?

Das Schlagzeug klang auf dem letzten Album in meinen Ohren eher demomäßig, sehr roh und fast schon billig, jedenfalls nicht besonders gut. Bei "Withdrawal" war ich von älteren Rock- und Metal-Aufnahmen beeinflusst, bei denen der geräumige Drumsound sehr dominant war und alles einen größeren, live wirkenden Sound hatte. Er ähnelt auch eher dem Drumsound auf unserem ersten Album. Aus technischer Sicht würde ich sagen, dass das Schlagzeug auf "Withdrawal" super klingt, um Welten besser als auf dem Vorgänger.

Als wir über das letzte Album sprachen, waren WOE gerade zu einer echten Band geworden. Nun gab es in der jüngeren Vergangenheit erneut Wechsel im Line-up. Warum sind die Madden-Brüder nicht mehr in der Band?

Es passte einfach nicht gut.

Ihnen folgten Shawn Riley und Ruston Grosse, die aber nur für ein Jahr blieben. Da passte es also auch nicht?

Shawn wollte ein bisschen ausruhen und weniger Zeit mit Musik verbringen, um ein paar Sachen zu regeln. Ruston hingegen war nie so richtig für Black Metal zu haben, und als es dann bei WOE weiter ging, hatte er nicht die rechte Leidenschaft. Aber ich mache ihnen da keine Vorwürfe, Ben, Grzesiek und ich sind immer noch gut mit ihnen befreundet.

Grzesiek Czapla ist der neue Bassist. Warum hast du ihn ausgesucht?

Grzesiek war von Anfang bei WOE involviert. Er hat bei INFERNAL STRONGHOLD getrommelt, mit denen ich 2007 eine Split gemacht habe, wir waren aber auch schon vorher seit Jahren gut befreundet. Er ist früher schon bei unseren Touren mitgereist, sogar bevor er in der Band gespielt hat, dann hat er für eine Weile live Gitarre gespielt. Er hat auch ein bisschen auf "Quietly, Undramatically" gespielt, seine ist die erste Gitarre, die man auf dem Album hört. Nachdem Evan die Band 2010 verlassen hatte, hat er für zehn Monate bei uns getrommelt, bis er merkte, dass er nicht die Zeit dafür hat und Ruston einstieg. Als Shawn dann ausgestiegen ist, wollten wir nicht wieder mit einem Fremden weitermachen und er wollte unbedingt zurück zu WOE. Er hat vorher nie Bass gespielt, kannte aber alle alten Songs auf Gitarre und wir wussten, dass er auch mit dem Bass 100% geben würde, was er auch getan hat.

Er singt auch ein bisschen. War es seltsam für dich, jemand anders singen zu lassen?

Ehrlich gesagt war das eine Erleichterung. Als wir "Withdrawal" geschrieben haben, wussten wir, dass wir verschiedenen Gesang haben wollen, aber nicht so viel tiefen Gesang, wie auf dem letzten Album. Das Ziel war, eine Stimme zu haben, die meiner ähnelt, aber immer noch anders ist, ein bisschen so, wie ABSU eine Zeitlang zwei Sänger hatten, was die meisten Leute aber wahrscheinlich gar nicht bemerkt haben. Grzesiek hat einen tollen Job gemacht und wenn wir live spielen, singt er sogar noch mehr, als auf dem Album. Es gibt so viel Text, so viele Worte zum Herausschreien, und die Möglichkeit, das aufzuteilen gibt Teilen des neuen Materials eine etwas andere Färbung, ohne dass es störend wäre.

Du hast im vorherigen Interview gesagt, dass du nicht sehr kompromissbereit bist, wenn es um deine Visionen hinsichtlich des Songwritings geht. Auf dem neuen Album wurde aber mehr Material von anderen geschrieben. Bist du dahingehend offener geworden oder teilen die anderen deine Visionen auf die richtige Art und Weise, so dass du sie mehr Ideen für WOE einbringen lässt?

Woe "Withdrawal" CoverIch habe auf dem Album immer noch mehr geschrieben, als die anderen. "Ceaseless Jaws" wurde komplett von Ruston geschrieben und es passte perfekt auf das Album. Er schrieb es so, dass es nach alten ULVER klingen sollte, was ich genau so mit "Condemned As Prey" vom ersten WOE-Album beabsichtigt habe, es ist also eine Art Fortsetzung. Es machte Sinn und fühle sich nicht deplatziert an. "Exhausted" beginnt als Bens Song, dann haben ich und Shawn (bevor er die Band verließ) ihn noch verfeinert und ich habe einige Zeit damit verbracht, ein neues Demo davon zu machen, bevor wir aufgenommen haben.

Aber unabhängig davon wer was geschrieben hat, war es die Entscheidung der Band, den Sound von WOE in eine aggressivere, geradlinigere Richtung zu bringen, um so verdammt hart wie möglich zu rocken. Wir waren uns einig darin, dass alles wüten sollte. Wenn ich einen schlechten Song geschrieben hätte, hätten sie es mir gesagt und wir hätten ihn nicht benutzt. Meine Vision für WOE wächst und ändert sich aber ich bin immer noch komplett dazu verpflichtet, die Konsistenz dieser Vision zu bewahren. Die anderen sind an Bord und verstehen, was wir zu tun versuchen und wir arbeiten in diesem Dienst.

Der Albumtitel ist "Withdrawal" (was so viel wie Rückzug bedeutet) und der erste Song heißt "This Is The End Of The Story". Das heißt aber nicht, dass wir es hier mit WOEs Schwanengesang zu tun haben!?

Ich hoffe es. Aber wenn es so wäre, wäre es ok für mich. Ich denke, das ist unser bislang stärkstes Werk und ich würde lieber auf einem Höhepunkt aufhören, als anzufangen, scheiße zu werden. Aber wir sprechen schon über das nächste Album, man muss sich also keine Sorgen machen…

Der Songtitel "All Bridges Burned" geht in eine ähnliche Richtung wie der Albumtitel und der des ersten Songs. Was lässt du hinter dir oder was hast du hinter dir gelassen?

Der Song handelt von Trägheit und ist aus der Sicht von jemandem erzählt, der seine eigene Angst vor dem Unbekannten bekämpft. Im Zuge des Schreibens und Aufnehmens von "Withdrawal" habe ich meinen Job nach sieben Jahren gekündigt, habe mich von zwei Freundinnen getrennt und habe alles und jeden verlassen, um von Philadelphia nach New York zu ziehen. All das hat "All Bridges Burned" beeinflusst, aber um diese Dinge geht es nicht. Es geht um Aufbau, den Schwung zum Ändern, die lähmende Angst, die damit einhergeht, Komfort und Sicherheit für etwas anderes aufzugeben.

Oder vielleicht geht es nur darum, sich selbst umzubringen, aber Angst vor der dem Nichts des Todes zu haben. Entscheide selbst.

Und wovon handelt der "Song Of My Undoing"?

Das ist etwas komplizierter. Es ist hauptsächlich die Zurückweisung der Idee, dass jemand außerhalb von sich selbst Erfüllung finden kann, hat aber in gewisser Weise verschiedene Unterabschnitte, die wir vielleicht auch Verschiebungen nennen können, in denen die Klangfarbe, der textliche Stil und der Fokus sich verändern. Er startet mit sehr direkten Statements, um zur Direktheit der Musik zu passen, dann wird es zu einer persönlichen Botschaft an jemanden, die der Sprecher – nicht unbedingt ich selbst – für am Boden zerstört hält, wenn ihre Partnerschaft schließlich zerstört ist. Dann ist es der innere Monolog des Sprechers, als sie ihre eigene Wahrnehmung der Isolation und ihrer vielen Auswirkungen bestreiten und endet als verzerrte Märchenbuch-Szene eines Paares, das sich in die Nacht aufmacht, um seinem Schicksal zu begegnen. Sehr fröhlich.

Ein anderes Stück heißt "Exhausted". Wovon oder warum bist du erschöpft?

"Exhausted" ist der direkteste und am wenigsten poetische Song des Albums. Es geht einfach darum, vom Leben abgenutzt und von der ganzen Verantwortung, um die wir nie gebeten haben, frustriert zu sein. Er stellt die Frage "Warum erkennen wir alle, dass das Leben an sich bedeutungslos ist, lassen aber dennoch zu, dass unsere Zeit mit Arbeit, Rechnungen und Dramen, die NICHTS zu unserer Existenz beitragen, verschwendet wird?".

Sicherlich ist "Withdrawal" kein Konzeptalbum, aber es gibt einen starken roten Faden, oder? Den Eindruck habe ich jedenfalls.

Absolut. Den hat jedes WOE-Album. "Withdrawal" handelt davon genug zu haben, frustriert zu sein und von dem Bedürfnis, aufzustehen und weiterzugehen. Es ist eine wütende Platte, weil es so viel gibt, über das man wütend sein kann.

Wir haben 2010 auch über die nordamerikanische Black-Metal-Szene gesprochen. Zweieinhalb Jahre später gibt es immer noch ein paar gute Bands, die auch gute Alben veröffentlichen, aber eine größere Entwicklung blieb aus. Das ist zumindest der Eindruck, den ich habe. Wie ist deiner?

Ich glaube nicht, dass ich stark genug in die nordamerikanische Metalszene involviert bin, um hier eine wirklich gute Antwort zu geben. Das Land ist so groß, dass es eher kleinere regionale Szenen zu geben scheint, als eine vereinigte amerikanische Metalszene oder gar eine vereinigte amerikanische Black-Metal-Szene. Ich investiere nicht viel Zeit da rein, zu versuchen, jede neue Band zu hören oder jedes neue Album anzutesten. Und weil ich keine Musik downloade, würde ich wohl pleitegehen, wenn ich versuchen würde, auf dem Stand zu bleiben. Es kommt aber auch zu viel von der Musik heraus, die ich kenne und mag, um auch noch tonnenweise neue Sachen zu hören.

Siehst du generell interessante Entwicklungen in der nordamerikanischen Metalszene?

WoeWie gesagt habe ich keinen guten Blick auf die Szene als Ganzes. Was ich aber trotzdem sagen kann, ist, dass die nordamerikanische Black-Metal-Szene sich mehr und mehr durch die Verweigerung, traditionellen Regeln zu gehorchen und ihr Verlangen, Sachen zu kreieren, die neu und gänzlich amerikanisch sind, definiert. Bands wie KRALLICE oder TOMBS könnten nicht woanders her stammen. Das gleiche gilt für LUDICRA, LEVIATHAN, DEAFHEAVEN, BOSSE-DE-NAGE oder VHOL. Ich würde gerne denken, dass WOE in diese Liste gehören, aber es ist nicht an mir, das zu  sagen. So wie eine junge Band lernt, ihren eigenen Sound zu entwickeln, schien der amerikanische Black Metal durch eine lange Phase zu gehen, in der er sich über sich selbst nicht im Klaren war, es gab viele Bands, die versuchten, europäisch zu klingen, bevor er mehr und mehr personalisiert wurde.

Ihr seid noch nicht außerhalb von Nordamerika getourt, richtig?

Noch nicht, aber das könnte sich bald ändern.

Ist es zu schwierig oder zu teuer, nach Europa zu kommen, um hier zu spielen? Welche Unterstützung bekommt ihr diesbezüglich von eurem Label? Ihr seid ja zumindest auf einem europäischen Label und die sollten doch Interesse daran haben, euch hier bekannter zu machen.

Es ist teuer. WOE haben nicht viel Geld für andere Sachen als die Albumaufnahmen und die Herstellung, wir fragen da auch nicht beim Label nach Hilfe. Ich denke schon, dass sie Interesse daran haben, uns mehr Aufmerksamkeit in Europa zu verschaffen, aber bis zu dem Punkt, wo wir merken, dass wir es nicht alleine schaffen, versuchen wir, unser eigenes Ding durchzuziehen. Wir planen, schon bald nach Europa zu reisen und bezahlen das wenn es geht selber. Wir wollen auf unseren eigenen Füßen stehen und niemandem zur Last fallen, wir werden aber auch nicht zögern, das Label um Hilfe zu bitten, wenn wir sie brauchen.

Wisst ihr eigentlich, wieviele Kopien ihr von "Quietly, Undramatically" ihr in Deutschland oder generell in Europa verkauft habt? Und habt ihr den Eindruck, dass die Band nach der Veröffentlichung des zweiten Albums größer wurde?

Ich habe keinen blassen Schimmer. Was ich sagen kann ist aber, dass es scheint, als würde "Withdrawal" wesentlich mehr Aufmerksamkeit als das vorherige Album bekommen, besonders aus Deutschland.

Ich habe jetzt noch ein paar Fragen die über WOE hinausgehen und den Fokus mehr auf dein Leben und deine Sicht der Dinge richten. Wie verdienst du dein Geld? Ich denke mal, dass du nicht von der Band leben kannst.

Ich arbeite Vollzeit als Netzwerkadministrator. Außerdem bin als Backend-PHP-Entwickler tätig und bin sehr gespannt auf ein größeres Projekt, für das ich Ruby on Rails (ist ein Framework für Web-Applikationen – d. Verf.) lernen musste. Wenn ich das nicht mache, nehme ich mit Bands auf und produziere sie.

Warst du vom Wirbelsturm Sandy im Oktober 2012 betroffen? Man hat ja von ein paar Musikern gehört, die dabei viel verloren haben.

Ich blieb davon glücklicherweise verschont, viele meiner Freunde und Kunden aber nicht. Einer meiner Kollegen verlor sein Haus, andere hatten fast eine Woche lang keinen Strom. Ich war die ganze Zeit über zuhause und habe die Texte für "Withdrawal" fertig geschrieben und hatte weder Strom- noch Internet-Ausfälle. Reines Glück.

Städte, wie Boston oder Newtown, die auch hier in den Nachrichten waren, sind nicht weit entfernt von wo du wohnst. Aus meiner Sicht der Dinge, also aus Deutschland gesehen, sind in deinem Land in den letzten Monaten ein paar wirklich üble Dinge passiert und es ist spannend zu sehen, wie die Regierung darauf reagiert oder eben auch nicht reagiert, zum Beispiel wenn es um die Waffengesetze geht. Wie denkst du darüber, was sollte sich ändern?

Boston und Newtown sind sehr unterschiedliche Fälle und in beiden Fällen sollten sich sehr unterschiedliche Dinge ändern. Zu Boston gibt es nur wenige Details, aber es scheint, als wären die Täter tschetschenische muslimische Extremisten. Zu diskutieren, was ihren Angriff verursacht hat und was man dagegen tun müsste, ist eine große Diskussion mit vielen historischen und ungezählten Faktoren. Da könnte ich viel zu sagen, aber so viel Zeit haben wir nicht und ich will die Leser nicht langweilen. Was ich aber noch sagen will, ist, dass wir uns fragen müssen, warum Extremisten sich so entrechtet fühlen, dass Bomben als angemessenes Mittel erscheinen, um Änderungen zu bewirken. Wir müssen die Wurzel des Problems identifizieren und heraus reißen. Man kann es nicht einfach alles auf die Religion schieben. Wir müssen herausfinden, was Menschen an Extremismus reizt, was sie denken lässt, dass sie keine andere Stimme hätten und was die Warnzeichen sind. Wir müssen uns auch fragen, was wir zu dem Problem beigetragen haben. Welche Politik hat Amerika im Ausland betrieben, dass die Leute so entfremdet sind und sie zu unseren Feinden gemacht hat?

In Newtown, genauso wie beim Massaker im Kino in Aurora und beim Angriff auf die Republikanerin Sandy Giffords in Arizona, war der Schütze eine geistig gestörte Person mit zu viel Zugriff auf Waffen. Man muss also über zwei Dinge reden: mentale Gesundheit in den Vereinigten Staaten und Waffenkontrolle.

Im Hinblick auf Waffen sind die meisten im Land sich in einem einig: wir brauchen mehr Hintergrundkontrollen, mehr Wartezeiten und mehr Beschränkungen dahingehend, was Zivilisten sich kaufen können. Leider wird die Diskussion von der NRA kontrolliert – die Regierung wird von der NRA kontrolliert. Welche Fortschritte können gemacht werden, ohne die Bande zwischen Politikern und dem Geld der Großunternehmen zu brechen? Und wie können wir erwarten, dass irgendjemand in der Regierung ein Gesetz erlässt, das begrenzt, wie viel Geld in ihre eigenen Taschen fließt? Das ist als ob man von einem kleinen Kind erwartet, sich dafür zu entscheiden, damit aufzuhören, Kekse aus einer niemals leer werdenden Keksdose zu nehmen. So lange Amerika eine repräsentative Republik und keine echte Demokratie ist, kann sich nichts ändern. Die Struktur unserer Regierung wird sich nicht ändern, man kann also nur darauf hoffen, dass die Staaten mehr Politik machen, von der die Bürger denken, dass für sie gesprochen wird. New York sollte Regeln für New York machen und North Dakota kann seine Bürger weiter verdammt übel behandeln.

Im Hinblick auf mentale Gesundheit wird sich ohne Diskussion und mehr Verständnis für das Thema nichts ändern. Es gab sicherlich Warnzeichen für all diese Vorkommnisse, aber es gab keine Systeme, die sich derer hätte annehmen oder etwas tun können. Jeder sollte mal diesen Artikel lesen, der ein besseres Bild von der Art und Weise wie Amerika das Thema mentale Gesundheit behandelt, zeichnet, als ich es beschreiben könnte.

Mentale Gesundheit ist die Krux bei diesem Thema. So sehr ich an die Limitierung von Waffenbesitz glaube, so wird eine kranke Person, die anderen schaden will, immer noch einen Weg finden. Es gibt Millionen von verantwortungsvollen Waffenbesitzern in Amerika und die Waffen von der Straße zu holen wird Gewalttätigkeit nicht beenden, genauso wenig wie es religiöse Extremisten nicht davon abhält, andere Wege zu finden, Menschen zu töten, wenn man das Material zum Bombenbau aus den Regalen nimmt.

Danke für das ausführliche Beantworten meiner Fragen und hoffentlich ergibt sich bald die Möglichkeit, euch hier in Deutschland live zu sehen.

Danke für die großartigen Fragen. Mit ein bisschen Glück sieht man sich bald.

Andreas Schulz (Info)
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