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Interview mit DRUDENSTEIN (12.01.2019)
Zu den meinem Empfinden nach schönsten im Jahr 2018 veröffentlichten Tonträgern zählt mit "Fragmente: Oyggjaland" das Mini-Album eines Klangbastlers, der seine akustischen Verdichtungen - bzw. die Klänge der Natur - als "Non-Music" bezeichnet, und sich somit den herkömmlichen Hörmustern zunächst entzieht. Dass seine Kompositionen dennoch landschaftsmalerische Qualitäten aufweisen, mag mit der Sammlung, Zusammenstellung und Nachbearbeitung jener verschiedenen Klangfragmente ebenso erklärt werden wie mit ihrer Herkunft: Auf den Färöer Inseln sowie auf der Reise dorthin nahm Tim allerhand Töne auf, die er im vierten DRUDENSTEIN-Werk geister- und rauschhaft nachklingen lässt, ohne sich auf unkonkretes Gewaber zu beschränken oder Melodie und Rhythmus gänzlich aus dem Fokus zu verlieren. Unter Krachschlägern wie -fetischisten braucht das wirklich niemandem zu gefallen, doch wer Musik im allerweitesten Sinne auch mal als Reise in unbekanntes Terrain begreifen kann, der könnte "Fragmente: Oyggjaland" etwas Faszinierendes abgewinnen. Der mir aus früheren Projekten bekannte Komponist stand mir während der Rauhnächte Rede und Antwort.
Hallo Tim! Aufmerksame Spürnasen könnten dieses Interview durchaus als "Retourkutsche" deuten, daher möchte ich gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass obwohl wir uns kennen und schätzen, ich bislang zu DRUDENSTEIN keinen gradlinigen Zugang gefunden habe. Selbst mit gewisser Faszination für den Ambient auf "Alvhemmen" blieb mir Deine Klangbastelei bisher eher verschlossen, was sich trotz des keineswegs zugänglichen Charakters von "Fragmente: Oyggjaland" nun geändert hat. In meinen moosverhangenen Gedächtnis hinter den mittelalten Ohren rumpelte es dort, wo die Erinnerungen an die späten Neunziger zu verblassen drohte, als ich den Empfehlungen von R*NE im Black-Magazin Vertrauen schenkte. Nun hast Du zu jener Zeit vielleicht noch mit Lego gespielt, was Deine Freude am Komponieren erklären würde, doch ich schätze mal, dass Deine Inspiration und Motivation andernorts wurzeln. Lass uns mal vorne anfangen: Wie kam es zur Idee von DRUDENSTEIN - kannst Du Dich noch erinnern, wie Du den Namen gefunden hast und sich eines zum anderen fügte?
Hej Thor! Zunächst möchte ich mich für die Rezension und die Einladung zu diesem Plausch bedanken. Es freut mich sehr, dass du "Fragmente: Oyggjaland" etwas abgewinnen kannst. Zugänglich ist die Veröffentlichung vermutlich wirklich nicht, beruht sie doch formal auf abstrahierenden Methoden – ganz ähnlich dem Lego-Prinzip, du scheinst da einer Sache auf der Spur zu sein.
Die Ursprünge von DRUDENSTEIN sind nur sehr schwer auf einen bestimmten Zeitpunkt zurückzuführen. Soloprojekte wachsen mit der Zeit, wobei die Namensfindung tatsächlich als ein wichtiger Schritt in der Entstehungsgeschichte gewertet werden kann, verlangt sie doch eine Konkretisierung der Idee. Deren Hintergründe sind vermutlich auch sehr viel spannender als meine ersten Gitarrenstunden. Da von Anfang an klar war, dass sich das Projekt nicht über eine bestimmte Stilistik oder ein konkretes Narrativ definiert, habe ich mit DRUDENSTEIN einen Namen gefunden, der sich in diesen Bezügen nicht festlegt. Ein Drudenstein, den ich aus meiner Kindheit auch als Hühnergott kenne, ist kulturübergreifend recht vielseitig in seiner folkloristischen und mythologischen Bedeutung belegt. Bemerkenswert ist, dass ein Gegenstand, der durch natürliche Prozesse geformt wird, scheinbar völlig willkürlich und doch reproduzierbar als Kulturobjekt vereinnahmt wird. Der Natur-Kultur-Dualismus, der sich hier offenbart, ist für das Projekt ein wesentliches Moment und beeinflusst nicht nur die Texte, sondern auch den fundamentalen Umgang mit Motiven und Aufnahmen der Natur.
Darüber hinaus ist der Drudenstein als Weltentrenner auch ein Schutzsymbol und ein weiterer Beleg der versuchten Entzweiung. Die dualistische Weltansicht scheint vor allem dem Abendland eigen zu sein und gründet dabei zumindest in der Entstehungsgeschichte auch in der Bedeutung des Christentums und der Trinität der christlichen Theologie. Da ich den Natur-Kultur-Dualismus als einer der wesentlichsten Verfehlungen der modernen Gesellschaft sehe, ist diese Bedeutungsebene für mich durchaus negativ konnotiert, dessen Aufarbeitung ist mir persönlich jedoch ein bedeutendes Anliegen.
Zuletzt gestatte ich mir aber auch so viel Naivität und Widersprüchlichkeit, dass ich auch etwas Positives aus dem Namen ziehe. Da ich zwischen den Meeren aufgewachsen bin, ist er ein Motiv der hiesigen Natur und selbstverständlich genießt man nicht nur als Kind die fantastischen Erzählungen, die sich um den Drudenstein ranken.
Als ich ein wenig über den Namen las, hatte ich sofort starke Bilder vor Augen, zum Beispiel von rund geschliffenem Gestein, das am Meeresstrand im Sonnenlicht und Wind rasch trocknet, und alsbald wogte in mir ein altbekanntes Gefühl von Fernweh auf. Nun präsentierst Du uns zu Deiner neu veröffentlichten EP Photographien und einige Zeilen, nimmst uns also ein bisschen mit in Deinen "Kreativ-Urlaub" auf die Färöer. Hat es Dich dort bereits mit der konkreten Idee solcher Bastelei hingezogen, oder hat sich das vor Ort spontan ergeben?
Bereits der Vorgänger "Fragmente: Alvhemmen" folgte der Idee, den Aufenthalt in einer bestimmten Region auf eine ähnliche Weise zu vertonen. In dem Fall war es die historische Provinz Bohuslän, doch habe ich recht schnell beschlossen, das Konzept auch andernorts fortzuführen. Nun lässt sich natürlich nicht vor jeder Reise abschätzen, ob eine ausreichende Grundlage entsteht, einen außergewöhnlichen Ort wie die Färöer Inseln besucht man jedoch nicht alle Tage. Entsprechend hatte ich das nötige Equipment auch vorbereitet und war vor Ort durchaus dafür sensibilisiert, die Erfahrungen festzuhalten, zu konservieren. So erklärt es sich vermutlich auch, dass diese Veröffentlichung ganzheitlicher wirkt, war das Konzept bereits vorher recht klar umrissen, sodass die Aufnahmen dahingehend ausgerichtet werden konnten. Kreativ war der Urlaub daher tatsächlich, was jedoch auch eine ganz eigene und sehr intensive Auseinandersetzung mit der Landschaft fördert und fordert. Teilweise verweilten wir stundenlang, auch weil man sich in dem Entstehungsprozess der Aufnahmen sehr gut verlieren kann. Auf der anderen Seite steht die Natur der Inselgruppe für sich, die sich als derart eindringlich erwiesen hat, dass ich mich in meinem Vorhaben von ihr regelrecht bekräftigt gefühlt habe.
So erinnere ich mich beispielsweise noch sehr bildhaft an Mykines und Mykines Hólmur, dem westlichsten Ende des Archipels. Nachdem bereits die Anreise eine kleine Odyssee war, und die Fahrt durch die surrealen Felsformationen im offenen Meer zwischen den unbeholfenen Papageitauchern unwirklich erschien, forderten die Klippen und unbeugsamen Passagen der Inseln alle Sinne. Die Aufmerksamkeit, die die Natur verlangt, war dem gesetzten Vorhaben durchaus zuträglich und die ohrenbetäubenden Gesänge der Vogelkolonien entsprachen in ihrer Intensität ganz der Umgebung. So entstand die Grundlage des zweiten Stücks "Fuglalát".
Das hört sich für mich so eindrucksvoll an, wie auch eben die Aufnahmen sehr dicht klingen. Ergeben sich die musikalischen Landschaften quasi durch jene Erlebnisse dergestalt, dass Du bereits beim direkten Kontakt mit solchen Umgebungen und / oder Aufnehmen von Klangkulissen weißt „dieses nutze ich so, und jenes füge ich dort zusammen“, oder bist Du mit unübersichtlich vielen Aufnahmen heimgekommen, die Du erst einige Male hören und durchforsten musstest, um Dich den eigentlichen Kompositionen überhaupt annähern zu können?
Hier unterscheiden sich die Entstehungsprozesse der einzelnen Stücke doch voneinander. Die Naturaufnahmen, die dem langen Einstiegstrack "Komudagur" zu Grunde liegen, entstanden exemplarisch schon im Zusammenhang. Das Wellenrauschen sowie das basslastige, pulsive Dröhnen, welches durch einen Wellenbrecher entstanden ist, haben sich für einen potentiellen Einstiegstrack angeboten, ist das Meer doch das erste, was wir auf dieser Reise durchquert haben. Der Übergang von Land zum Meer gilt in einigen Theorien als die letzte gültige Grenze unserer modernen Welt. So sollten dann auch die Aufnahmen der Schritte am nassen Strand das Über- und Betreten einfangen. "Komudagur" arbeitet unser Ankommen also chronologisch auf, Komudagur ist das färöische Wort für den Tag der Ankunft.
Andere Aufnahmen fügten sich erst im Rahmen der musikalischen Ausarbeitung zusammen und sind entsprechend weiter von den realen Sinneseindrücken entfernt, beruhen eher auf den Erinnerungen und Abstraktionen der erlebten Natur. Methodisch muss ich dabei tatsächlich zunächst eine große Anzahl von Aufnahmen sichten, die sortiert und katalogisiert werden wollen. Bereits bei diesem Schritt ergeben sich manchmal erste Ideen für mögliche Anwendungsbereiche. So ist das Heulen des Windes, welches das Stück Vatnskin prägt, an einem recht unromantischen Ort entstanden, bot sich aufgrund des hellen Klangbildes aber für die Ausarbeitung einer ganz anderen Erinnerung an. Das Stück basiert auf den extremen Kontrasten der Witterung, zwischen peitschendem Regen und der atemberaubenden Schönheit der Sonnenstrahlen, die sich durch das dichte Wolkenwerk zwängen. Insofern kontextualisiere ich hier nicht nur die ursprüngliche Aufnahme neu, sondern instrumentalisiere sie bewusst im Zuge einer Bedeutungsverschiebung, oder eher -gebung. Nicht ohne Grund steht im Booklet des Tapes, dass der Hörer lediglich den Naturaufnahmen als solches trauen kann.
Nun gibst Du also zu, dass auch Du Deine Klangbasteleien ausgerechnet auf Kassette veröffentlichst. Was mir vor rund 15 Jahren bei Paysage d’Hiver als geschickter Schachzug im Rahmen rauschhafter LoFi-Inszenierungen erschien, wächst sich seit einigen Jahren zum veritablen Trend im Underground aus, in dem Tapes nie gänzlich verschwunden waren, nun jedoch eine gewachsene Wertschätzung erfahren. Im Tandem mit dem Download via Bandcamp ist dabei Rumpelwichten, die Tonträger anfassen wollen, ebenso wie Klangfetischisten gedient. Herrliche Zeiten selbst für ein obskures Projekt wie DRUDENSTEIN, oder?
Ich sehe natürlich auch, dass sich das Tape-Format in den vergangenen Jahren erneut auf dem Markt etabliert hat und auch größere Labels wieder anfangen, entsprechende Auflagen zu veröffentlichen. Auch deine strategische Perspektive ist aufgrund deiner weiteren Tätigkeiten durchaus nachvollziehbar. Allerdings war für mich das Tape als Format schon immer eine Selbstverständlichkeit, nicht etwa das obskure Alleinstellungsmerkmal eines verschrobenen Musikliebhabers. Auch wenn meine musikalische Sozialisierung im Wesentlichen erst nach den Neunzigern stattgefunden hat, haben die allermeisten Bands der Region ihre Demo-Veröffentlichungen auf Tape publiziert, was eben auch ein funktionstüchtiges Tape-Deck verlangt. Aber nicht nur für jüngere Bands ist es mit der richtigen D.I.Y.-Mentalität das ideale Format für Eigenproduktionen und nach meinem Verständnis jederzeit einer selbstgebrannten CD-R vorzuziehen.
Da mir diese Aspekte auch so wichtig sind, schaudert es mich, zu sehen, dass einige Labels zweistellige Beträge für ihre Tapes aufrufen, und versuchen, das Tape zu einem Hochglanz-Produkt für den Massenmarkt zu transformieren. Bei allem Verständnis für die gestiegenen Produktionskosten ist das ein Beleg dafür, wie weit man sich durch betriebswirtschaftliche Faktoren von der eigentlichen Musik und deren kulturellen Bedeutung entfremden kann. Natürlich nehme ich es niemandem übel, wenn man doch das Obskure in diesem Format sehen will und sich aufgrund mangelnder Abspielmöglichkeiten dem Ganzen verwehrt. Es kam aber auch schon vor, dass ich mich am Merchstand regelrecht dafür rechtfertigen musste, wieso ich meine Musik bisher ausschließlich auf Tape veröffentlicht habe und das ärgert mich schon ein wenig, ist es doch ein Indiz eben jener Entfremdung. Musikkultur wird nicht vor dem Monitor gelebt, sondern entsteht erst durch die aktive Teilnahme.
So wird es vielleicht auch verständlich, weshalb für "Fragmente: Oyggjaland" nur das Tape als Format in Frage kam. Da die Musik nach einem analogen Format verlangt und eine Vinyl-Produktion schlicht außer Reichweite ist, forderte es keine langen Überlegungen. Und weil ich das Tape erstmals professionell habe herstellen lassen, konnten auch einige negative Begleiterscheinungen des Formats minimiert werden. Im Ganzen bin ich mit dem Tonträger als solches sehr zufrieden, die Illustrationen und Begleittexte des Booklets kommen gut zur Geltung und werden so auch der Bedeutung, die ich ihnen beimesse, gerecht.
Zum Thema Unkultur im Musikbetrieb könnten wir wohl mehr als ein Fass aufmachen, doch lass uns erstmal bei der Gestaltung bleiben. Diese wurde von The Field Alchemist parallel zu Deinen Kompositionen realisiert, und zwar auf Grundlage von Fundstücken und Mitbringseln Eurer Reise. Da scheint mir das Wort "Alchemie" im weiteren Sinne nicht zu hoch gegriffen, und mir gefällt die Idee, dass Ihr im Zusammenspiel eine echte Alternative zum schnöden Mammon anbietet und im Grunde die Hörer inspiriert, die Nase selbst in den Wind zu stecken...
"Fragmente: Oyggjaland" und vermutlich nicht einmal DRUDENSTEIN würden ohne die kreativen Synergien unserer Beziehung bestehen, wir teilen uns nicht nur unser Leben, sondern auch die Passionen, die Grundlagen unseres Schaffens sind. Dass wir unsere gemeinsamen Naturerlebnisse auf diese Weise mehrdimensional aufarbeiten können, ist natürlich eine wunderbare Erfahrung, und wenn wir damit inspirieren können, ist das ein großes Kompliment. Die Fundstücke, die in den Illustrationen zu sehen sind, wurden tatsächlich während unseres Aufenthaltes von uns gesammelt und für die bildliche Umsetzung arrangiert. Die Authentizität, die durch das persönliche Investment markiert wird, soll das Vertonte erleb- und nachvollziehbar machen.
Aber auch die handwerklichen Hintergründe von Musik und bildender Kunst profitieren von den Umständen. Beide orientierten sich durch den Einfluss der Landschaft an einer gewissen schroffen Reduziertheit, basieren auf den gleichen Erfahrungswerten. Ist es in der Musik die frequenzbasierte Instrumentalisierung der Naturgeräusche, abstrahieren die Tintenzeichnungen durch die Punktschraffur und Wahl der Motive. Das mag in diesem Detailgrad nicht intersubjektiv erscheinen, ist aber auch nur Ausdruck einer reflexiven oder eher reziproken Lesart. Wesentlicher ist, dass Bild und Ton Hand in Hand entstehen, aufeinander abgestimmt und bedeutungsgebend sind. Dies formulierte sich bereits in den bisherigen Coverartworks, die ebenso durch ihre Federn und Stifte entstanden sind, auch wenn sich ihr Schaffen bei Weitem nicht darauf beschränkt. Nebst Arbeiten für andere Bands finden sich allerlei Obskuritäten in ihrem Katalog und ich nutze auch die Gelegenheit ganz schamlos, um ein wenig Aufmerksamkeit zu generieren und auf ihre Seite zu verweisen: facebook.com/thefieldalchemistart/
Nur zu, für Abseitiges und Eigenartiges sollte gerade hier Raum sein! Und in Zeiten, in denen sich zunehmend mehr Menschen die Frage stellen, ob es überhaupt noch Sinn macht, Tonträger zu kaufen (ergo vorher produzieren zu lassen), sollte es sich schon um in sich stimmige Gesamtkunstwerke handeln, möchte ich meinen. Gibt es eigentlich Tonträger, die Dich bewogen haben, bestimmte Orte oder Landschaften hautnah erkunden zu wollen?
Das ist eine sehr interessante Frage, für deren Beantwortung ich einen tieferen Blick in meine Plattensammlung werfen muss. Auf den ersten Blick sind mir eher weniger Werke bekannt, die sich konzeptionell einer spezifischen Region widmen, aber das ist wohl auch keine notwendige Voraussetzung, weswegen ich die Frage ein wenig allgemeiner angehen werde. Grundsätzlich haben Alben wie "Fran Marder" oder "Bergtatt" eine Faszination für die tiefsten Wälder Skandinaviens geweckt, und als ich dann das erste Mal durch Schweden gestapft bin, war "Hvila Pa Tronan Min" mehr als ein begleitender Soundtrack, das Album war und ist für bestimmte Erfahrungen durchaus ursächlich. Zeitgenössische Gruppen wie SAIVA, STILLA, ERIK ASCHAN oder LÖNNDOM schaffen es darüber hinaus, mir immer wieder neue Facetten des Landes aufzuzeigen, weswegen es wohl auch weiterhin unser meistbereistes Ziel bleiben wird. Es gibt also bestimmte Tonträger, die meine Perspektive geprägt und gefärbt haben, und dabei durchaus auch als Beweggründe gewertet werden können. Wenn ich perspektivisch irgendwann den afrikanischen Kontinent bereisen werde – eine Region, die ich bisher sträflich vernachlässigt habe – werde ich vielleicht auch auf "Sandhavens Genklang" von TUSEN ÅR UNDER JORD als motivierenden Faktor zurückblicken können.
An dieser Stelle lassen sich auch die Hintergründe von "Fragmente: Oyggjaland" aufgreifen. Während der Planungsphase unserer Reise zu den Inseln habe ich mich tiefgehender mit der Musikkultur des Landes befasst, was durchaus ein bekräftigendes Moment in unserem Unterfangen war. Man sagt über die Inseln, dass jeder Bewohner in einer Band sei, und tatsächlich ist die dortige Musikkultur sehr reichhaltig. Das vielseitige Spektrum bietet mit dem volkstümlichen Kettentanz nicht nur für historisch Interessierte Substanzielles, auch moderne Vertreter wie HAMFERÐ, HØGNI REISTRUP oder HANS ANDRIAS bereichern heute die Musiklandschaft. Die Alben "The Sky Is Opening" und "Beyond The Grey" von GUÐRIÐ HANSDÓTTIR möchte ich zudem im Speziellen hervorheben, haben sie uns doch bereits vor der Reise begleitet und inspiriert. Die Melancholie, die ihrer Musik innewohnt, ist zwar alles andere als verklärend, dadurch wirkt die Schönheit, die sich an anderen Stellen offenbart, umso authentischer.
GUÐRIÐ HANSDÓTTIR hatte ich einst im Radio entdeckt und war sofort hin und weg. Bleibt mir nun die Frage, wie es mit DRUDENSTEIN weitergeht, oder ist es noch zu früh, um das zu beantworten? Falls Du es rund um das Prophecy Fest einrichten kannst, möchte ich Dir empfehlen, eine der nahen Tropfsteinhöhlen zu besuchen - vielleicht sind diese Räume, die unsere menschlichen Zeitdimensionen ganz phantastisch relativieren, auch eine akustische Entdeckung wert?!
Ich bin ja nicht nur mit DRUDENSTEIN aktiv und es gibt derzeit einige andere Projekte und Aufnahmen, denen ich mich zunächst widmen möchte, es wird also nicht langweilig. Für DRUDENSTEIN hatte ich im vergangenen Jahr ein Konzept entwickelt, welches sich thematisch mit der Kulturgeschichte und Folklore des früheren Waldgebietes Isarnho befasst. Dabei handelt es sich heute um ländliche Räume Schleswig-Holsteins, in denen ich aufgewachsen bin. Diese Veröffentlichung wird jedoch wieder dem Black Metal zuzuordnen sein, wobei ich hoffe, das angesammelte Wissen in Bezug auf Aufnahmetechnik und Produktion anwenden zu können, um meiner Vision näher zu kommen. Es schwebt mir hier eine erdige, schroffe Veröffentlichung vor, die den Nachklängen des eisernen Waldes gerecht wird.
Ich kann aber auch versprechen, dass es früher oder später eine neue Veröffentlichung im Stil der "Fragmente: Oyggjaland" geben wird, auch wenn sich dies nur schwer planen lässt. Zwar hatte ich an vorheriger Stelle gesagt, dass ich durch die Konkretisierung des Konzeptes mittlerweile eher dafür sensibilisiert bin, ein derartiges Unterfangen verlangt aber auch die richtigen Umstände, die sich nicht erzwingen lassen. Die genannten Tropfsteinhöhlen sind in jedem Fall eine schöne Anregung, die dortige Region war ja sogar die Inspiration für den ersten DRUDENSTEIN-Track überhaupt, "Im grauen Stein". Für eine dezidierte Auseinandersetzung in Form von Feldaufnahmen bieten sie jedoch sicherlich besonderes Potential, spiegelt die Akustik doch die Landschaftsgeschichte, die die Steine geformt hat, dar. Ich halte weiterhin die Ohren offen.
Das ist doch ein schönes Schlusswort, zumal es offensichtlich spannend bleibt. Danke, Tim, für Deine Zeit, und Glück auf bei Deinen Reisen und Unternehmungen!
Ich danke dir, Thor! Es bräuchte eigentlich viel mehr vernarrt-vernebelte Gestalten wie dich, die ihre Zeit und Energie für die Musik opfern. Daher auch ein kleiner Appell an jene Leser, die den groben Unfug bis hierhin ertragen habt: Geht auf Konzerte, unterstützt diejenigen, die etwas auf die Beine stellen, werdet selbst aktiv. Nur so lässt sich kulturelle Nachhaltigkeit generieren, auch wenn sich deren Stellenwert natürlich der Natur unterordnen sollte. Und damit das Interview nicht mit meinem erhobenen Zeigefinger beendet wird, bediene ich mich bei den Worten eines Anderen und verabschiede mich.
"Fortunately, somewhere between chance and mystery lies imagination, the only thing that protects our freedom, despite the fact that people keep trying to reduce it or kill it off altogether." - Luis Buñuel