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Interview mit Discreation (26.06.2010)
Hallo. Eigentlich bin ich weite Teile der heutigen Death-Metal-Szene über, aber ihr habt mich wirklich überrascht mit eurer neuen Scheibe. Statt sinnfreie Düstertexte zu fabrizieren, widmet ihr euch mit hörbarer Leidenschaft Dingen, die euch wirklich am Herzen zu leigen scheinen. Das textlich hinzubekommen (das Aufbegehren in “Liberation” etwa) ist eine Sache; wie bekommt ihr das kompositorisch hin? Besteht innerhalb der Band eine bestimmte Energie, die solch packende Stücke entstehen lässt?
Ja, ich denke dass kann man so sagen. Bei uns gibt es nicht eine oder zwei Personen, die alleine fürs Songwriting verantwortlich sind. Vielmehr ist jeder involviert und kann seine Meinung äußern. Gerade in der Entstehungsphase von “Withstand Temptation” führte dass zu einigen Auseinandersetzungen, die sich im Nachhinein als sehr wertvoll herausgestellt haben. Eine Idee kann für sich gut sein, aber wenn sie durch die ganze Band diskutiert und bearbeitet wird, entsteht am Ende oft etwas noch Besseres. Dieser Prozess kann anstrengend sein und muss auch nicht immer zum Erfolg führen, aber wenn am Ende alle zufrieden sind, hat es sich der kreative Streit ausgezahlt.
Von welcher Person handelt “Virgin Mother” - eine zurückgezogene Frau, die so am eigentlichen Leben vorbeiläuft?
Der Text ist ziemlich abstrakt gehalten. Es geht darum, dass man sich nicht zu sehr in der Vergangenheit aufhalten und verpassten Chancen nachtrauern sollte. Es tun sich im Leben immer wieder neue Möglichkeiten auf, und für die sollte man offen bleiben. Der Titel des Songs ist allerdings ein Überbleibsel aus der Songwriting Phase. Wir haben den Songs Arbeitstitel gegeben, und die waren inspiriert durch einen christlichen Radio Sender, den wir über die PA im Proberaum empfangen haben. Es gab zum Beispiel auch “Heavenly Father” und “Holy Son“, aber “Virgin Mother” haben wir schließlich beibehalten. Es erweitert einfach den Interpretationsspielraum, wie deine Einschätzung beweist.
Wie kam es zur Idee, Jagger für “Set the Memories Ablaze” um gesangliche Unterstützung zu fragen?
Wir sind schon lange Fans von Disbelief und dachten, dass Jaggers Stimme gut zu dem Song passen könnte. Da wir ja auch aus der gleichen Gegend kommen, haben wir ihn einfach gefragt. Er hatte Bock, kam zu uns ins Studio und sang seine Parts ein. Dabei haben wir ihm völlig freie Hand gelassen. Das war beeindruckend zu sehen – vor allem weil seine Stimme wirklich echt ist; da ist nichts nachbearbeitet worden oder dergleichen. Er klingt, wenn er vor einem steht und ins Mikro brüllt, wie man es von den Platten kennt.
Ich interpretiere das Stück so, dass sich mit der Zeit alles um den Sprecher verändert, quasi verstellt, während er er selbst bleiben möchte, ja gar nicht anders kann, weil er sonst untergehen würde. Ist das die vertonte Midlife-Crisis des gestandenen Metalhead?
Also, von der Midlife Crisis sind wir ja zum Glück noch einige Jährchen entfernt. Es geht in dem Song tatsächlich um Veränderung. Manchmal ändert sich das Leben in nicht gerade positiver Weise, ohne dass man etwas dafür kann. Darum dreht es sich in “Set The Memories Ablaze”, aber der Text enthält wie im Titel schon angedeutet die Aufforderung, nach vorne zu blicken. Um das zu können, müssen eben manchmal Brücken gesprengt und Erinnerungen verbrannt werden.
Handelt es sich bei “Worth Fighting For” um ein plattes Rachestück, oder steckt mehr dahinter?
Es wurde von dem Film »Sin City« inspiriert; der ganze Text besteht aus Zitaten aus dem Film. Dabei haben wir uns die Freiheit genommen, zwei der Storylines miteinander zu kombinieren, und insofern handelt es sich durchaus um ein plattes Rachestück. Das kann aber auch viel Spass machen, wie der Film eindrucksvoll zeigt. Wir sind immer noch eine Death Metal Band, und da darf es auch schon einmal etwas derber zugehen.
Wie seid ihr vorgegangen, um eine Trennungsgeschichte (“Captured and Freed”) nicht auf plumpe Weise umzusetzen?
Ehrlich gesagt, fanden wir es schon grenzwertig so ein Thema derart explizit anzusprechen. Es gab durchaus Diskussionen, ob das nicht zu emotional, sprich “emo”, wirkt. Daher haben wir auch versucht, das Ganze möglichst so zu verpacken, dass man den Text auf Trennungen im Allgemeinen beziehen kann. Ich freue mich jedenfalls, dass du den Text nicht als plump empfindest – dann haben wir es offenbar richtig gemacht.
“Symphony of Broken Bones”: Weshalb zwei Teile?
Der Song besteht aus zwei Teilen, weil er sowohl musikalisch als auch inhaltlich aus zwei Phasen besteht. Im ersten, ruhigen Teil wird die bedrückende Situation geschildert, in der sich der Protagonist befindet. Im zweiten Teil, der von Blasts dominiert wird und wesentlich heftiger ausfällt, wird die Verzweiflung und Wut herausgeschrien. Ähnlich wie in “Worth Fighting For” geht es um Rache und den Wunsch, diese auf nicht gerade zimperliche Art zu nehmen. Der plakative Titel gibt bereits eine Idee davon, dass hier eher geklotzt als gekleckert wird.
Das Stück ist textlich eher abstrakt gehalten, wenngleich zweifellos eine konkrete Botschaft dahintersteckt. So hat es vieles mit Dan Swanös lyrischen Erzeugnissen gemein, was ihr auch musikalisch mit eindeutig an Edge Of Sanity geschulten Melodien betont. Worauf nehmt ihr genau Bezug, und welche von Swanös Stücken beziehungsweise Projekten standen Pate?
Erstmal fühle ich mich natürlich geehrt, wenn du Charakteristika dieser schwedischen Legende bei uns entdeckst. Dennoch ist es tatsächlich so, dass keiner von uns eine Edge-Of-Sanity-Platte im Schrank stehen hat. Eventuelle Paralellen sind also wirklich rein zufällig. Auch andere Projekte von Dan Swanö standen nicht Pate. Peter und ich haben die Band gegründet, als wir gerade wussten, wie man die Instrumente richtig hält. Wir haben von Anfang an nur eigene Songs gespielt. Bis heute haben wir keinen fremden Song gecovert; unsere Einflüsse sind eher Bands wie Vader, God Dethroned und Six Feet Under gewesen – das waren die Bands an denen wir uns grob orientiert haben, als wir die ersten Schritte unternahmen.
Werdet ihr auf eine größere Tournee aufspringen, und wenn ja: wer würde zu euch passen? Ich sehe momentan jedenfalls kaum eine der herkömmlichen Death-Metal-Bands von heute - weder die ultratechnischen noch vermeintliche Satansbraten.
Wir würden auf jeden Fall gerne auf eine Tour aufspringen. Wenn sich etwas passendes ergibt und es sowohl zeitlich als auch finanziell machbar ist, werden wir das sicher tun. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass wir eigentlich bei fast allen Bands im Vorprogramm spielen können. Auch als Support von Mayhem oder Endstille konnten wir die Leute überzeugen. Die besten Gigs waren allerdings die mit den Apokalyptischen Reitern. Für uns ist es immer gut, vor einem jungen Publikum zu spielen, das offen für Neues ist und noch keine Scheuklappen hat. Es gibt allerdings sicher auch viele andere Bands, mit denen es interessant wäre, auf Tour zu gehen. Für Peter und mich wäre es zum Beispiel eine große Sache, mit God Dethroned unterwegs zu sein. Ihr Album “Into The Lungs Of Hell” war mit auschlaggebend dafür, dass wir selbst Death Metal spielen wollten.
Na dann Daumen hoch und viel Glück!
Vielen Dank für das Interview.
Andreas Schiffmann
(Info)
Ja, ich denke dass kann man so sagen. Bei uns gibt es nicht eine oder zwei Personen, die alleine fürs Songwriting verantwortlich sind. Vielmehr ist jeder involviert und kann seine Meinung äußern. Gerade in der Entstehungsphase von “Withstand Temptation” führte dass zu einigen Auseinandersetzungen, die sich im Nachhinein als sehr wertvoll herausgestellt haben. Eine Idee kann für sich gut sein, aber wenn sie durch die ganze Band diskutiert und bearbeitet wird, entsteht am Ende oft etwas noch Besseres. Dieser Prozess kann anstrengend sein und muss auch nicht immer zum Erfolg führen, aber wenn am Ende alle zufrieden sind, hat es sich der kreative Streit ausgezahlt.
Von welcher Person handelt “Virgin Mother” - eine zurückgezogene Frau, die so am eigentlichen Leben vorbeiläuft?
Der Text ist ziemlich abstrakt gehalten. Es geht darum, dass man sich nicht zu sehr in der Vergangenheit aufhalten und verpassten Chancen nachtrauern sollte. Es tun sich im Leben immer wieder neue Möglichkeiten auf, und für die sollte man offen bleiben. Der Titel des Songs ist allerdings ein Überbleibsel aus der Songwriting Phase. Wir haben den Songs Arbeitstitel gegeben, und die waren inspiriert durch einen christlichen Radio Sender, den wir über die PA im Proberaum empfangen haben. Es gab zum Beispiel auch “Heavenly Father” und “Holy Son“, aber “Virgin Mother” haben wir schließlich beibehalten. Es erweitert einfach den Interpretationsspielraum, wie deine Einschätzung beweist.
Wie kam es zur Idee, Jagger für “Set the Memories Ablaze” um gesangliche Unterstützung zu fragen?
Wir sind schon lange Fans von Disbelief und dachten, dass Jaggers Stimme gut zu dem Song passen könnte. Da wir ja auch aus der gleichen Gegend kommen, haben wir ihn einfach gefragt. Er hatte Bock, kam zu uns ins Studio und sang seine Parts ein. Dabei haben wir ihm völlig freie Hand gelassen. Das war beeindruckend zu sehen – vor allem weil seine Stimme wirklich echt ist; da ist nichts nachbearbeitet worden oder dergleichen. Er klingt, wenn er vor einem steht und ins Mikro brüllt, wie man es von den Platten kennt.
Ich interpretiere das Stück so, dass sich mit der Zeit alles um den Sprecher verändert, quasi verstellt, während er er selbst bleiben möchte, ja gar nicht anders kann, weil er sonst untergehen würde. Ist das die vertonte Midlife-Crisis des gestandenen Metalhead?
Also, von der Midlife Crisis sind wir ja zum Glück noch einige Jährchen entfernt. Es geht in dem Song tatsächlich um Veränderung. Manchmal ändert sich das Leben in nicht gerade positiver Weise, ohne dass man etwas dafür kann. Darum dreht es sich in “Set The Memories Ablaze”, aber der Text enthält wie im Titel schon angedeutet die Aufforderung, nach vorne zu blicken. Um das zu können, müssen eben manchmal Brücken gesprengt und Erinnerungen verbrannt werden.
Handelt es sich bei “Worth Fighting For” um ein plattes Rachestück, oder steckt mehr dahinter?
Es wurde von dem Film »Sin City« inspiriert; der ganze Text besteht aus Zitaten aus dem Film. Dabei haben wir uns die Freiheit genommen, zwei der Storylines miteinander zu kombinieren, und insofern handelt es sich durchaus um ein plattes Rachestück. Das kann aber auch viel Spass machen, wie der Film eindrucksvoll zeigt. Wir sind immer noch eine Death Metal Band, und da darf es auch schon einmal etwas derber zugehen.
Wie seid ihr vorgegangen, um eine Trennungsgeschichte (“Captured and Freed”) nicht auf plumpe Weise umzusetzen?
Ehrlich gesagt, fanden wir es schon grenzwertig so ein Thema derart explizit anzusprechen. Es gab durchaus Diskussionen, ob das nicht zu emotional, sprich “emo”, wirkt. Daher haben wir auch versucht, das Ganze möglichst so zu verpacken, dass man den Text auf Trennungen im Allgemeinen beziehen kann. Ich freue mich jedenfalls, dass du den Text nicht als plump empfindest – dann haben wir es offenbar richtig gemacht.
“Symphony of Broken Bones”: Weshalb zwei Teile?
Der Song besteht aus zwei Teilen, weil er sowohl musikalisch als auch inhaltlich aus zwei Phasen besteht. Im ersten, ruhigen Teil wird die bedrückende Situation geschildert, in der sich der Protagonist befindet. Im zweiten Teil, der von Blasts dominiert wird und wesentlich heftiger ausfällt, wird die Verzweiflung und Wut herausgeschrien. Ähnlich wie in “Worth Fighting For” geht es um Rache und den Wunsch, diese auf nicht gerade zimperliche Art zu nehmen. Der plakative Titel gibt bereits eine Idee davon, dass hier eher geklotzt als gekleckert wird.
Das Stück ist textlich eher abstrakt gehalten, wenngleich zweifellos eine konkrete Botschaft dahintersteckt. So hat es vieles mit Dan Swanös lyrischen Erzeugnissen gemein, was ihr auch musikalisch mit eindeutig an Edge Of Sanity geschulten Melodien betont. Worauf nehmt ihr genau Bezug, und welche von Swanös Stücken beziehungsweise Projekten standen Pate?
Erstmal fühle ich mich natürlich geehrt, wenn du Charakteristika dieser schwedischen Legende bei uns entdeckst. Dennoch ist es tatsächlich so, dass keiner von uns eine Edge-Of-Sanity-Platte im Schrank stehen hat. Eventuelle Paralellen sind also wirklich rein zufällig. Auch andere Projekte von Dan Swanö standen nicht Pate. Peter und ich haben die Band gegründet, als wir gerade wussten, wie man die Instrumente richtig hält. Wir haben von Anfang an nur eigene Songs gespielt. Bis heute haben wir keinen fremden Song gecovert; unsere Einflüsse sind eher Bands wie Vader, God Dethroned und Six Feet Under gewesen – das waren die Bands an denen wir uns grob orientiert haben, als wir die ersten Schritte unternahmen.
Werdet ihr auf eine größere Tournee aufspringen, und wenn ja: wer würde zu euch passen? Ich sehe momentan jedenfalls kaum eine der herkömmlichen Death-Metal-Bands von heute - weder die ultratechnischen noch vermeintliche Satansbraten.
Wir würden auf jeden Fall gerne auf eine Tour aufspringen. Wenn sich etwas passendes ergibt und es sowohl zeitlich als auch finanziell machbar ist, werden wir das sicher tun. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass wir eigentlich bei fast allen Bands im Vorprogramm spielen können. Auch als Support von Mayhem oder Endstille konnten wir die Leute überzeugen. Die besten Gigs waren allerdings die mit den Apokalyptischen Reitern. Für uns ist es immer gut, vor einem jungen Publikum zu spielen, das offen für Neues ist und noch keine Scheuklappen hat. Es gibt allerdings sicher auch viele andere Bands, mit denen es interessant wäre, auf Tour zu gehen. Für Peter und mich wäre es zum Beispiel eine große Sache, mit God Dethroned unterwegs zu sein. Ihr Album “Into The Lungs Of Hell” war mit auschlaggebend dafür, dass wir selbst Death Metal spielen wollten.
Na dann Daumen hoch und viel Glück!
Vielen Dank für das Interview.
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