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Interview mit Angizia (28.04.2011)

Angizia

Es ist sehr erfreulich, wenn die Mühen, die man sich selbst für Interviews macht, auch honoriert werden. Im Falle des ANGIZIA-Kopfes Michael Haas, den ich so einiges zu fragen hatte, wird dieser Wunsch mehr als erfüllt. Trotz spärlich vorhandener Zeit hat sich der sympathisch-sachliche und selbstbewusste Musiker in den letzten Wochen immer und immer wieder an meine Fragen gesetzt, um sie dann sehr ausführlich zu beantworten.
 
Hallo Michael, erst einmal ist es schön zu wissen, dass ANGIZIA doch noch unter den Lebenden weilen. Dass „kokon. Ein schaurig-schönes Schachtelstück“ in Arbeit war und Stück für Stück Gestalt annahm, konnte man ja als interessierter Fan recht bald im Internet lesen. Das letzte Album „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ erschien 2004, was bedeutet, dass die Pause sehr lang war. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie kommt's?

Angizia Emmerich HaimerUnser letztes Album „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ hat uns allesamt sehr viel abverlangt und nach einer intensiven Produktion wie jener fällt man automatisch in ein tiefes Loch. Ich war zu diesem Zeitpunkt regelrecht satt von allem was das eigene Musikschaffen betraf, borniert von all den profanen Bands, die fortwährend auch seriöse Labels mit nichts sagender Musik überschwemmten. Ich brauchte Abstand von der komplizierten Existenz eines Querkopf-Ensembles wie ANGIZIA. Mit familiären Veränderungen, ja neuen Prioritäten und mit Bedacht auf eine mir damals völlig gleichgültig gewordene Musiklandschaft, habe ich eine lange Pause von allem, was mir so lange wichtig war, als eben angebracht empfunden. Ich fand mich dann rasch in einer Phase wieder, in der ich selbst durchwegs äußerst intensiver Musik- und Filmrezipient war.  Als dann – im Grunde nach Jahren - recht intensive musikalische Gespräche mit Emmerich Haimer und Irene Denner neu entflammten und wir aus einer feinen Laune heraus kurz davor waren, eine einzige Nummer zu komponieren, entwickelte sich von einem Tag auf den anderen die fixe Idee, an einem neuen Album namens „kokon“ zu arbeiten. Es folgten zwei intensive Stückfertigungs-, Kompositions- und Perfektionsjahre, ehe wir „kokon“ nach vielen intensiven Studiotagen im Februar 2011 geflissentlich aus der Hand geben konnten.

Warst Du in dieser Pause denn musikalisch irgendwie anderweitig aktiv?

Von einigen Musikprojekten mit Kindern abgesehen nein. Aber Musik umgibt mich ständig – in irgend einer Art und Weise. Ich habe gerade in den letzten fünf Jahren extrem viel Musik und Filme konsumiert. Eine dahin gehend intensive Zeit. Ich dachte lange Zeit, dass es ANGIZIA nicht mehr braucht. „kokon“ jedoch war mir ein irrsinniges Bedürfnis. Nun ist ANGIZIA zurück – und alles ist gut.
 
Bevor wir bezüglich ANGIZIA ans Eingemachte gehen, wäre es ganz interessant, was Du außer ANGIZIA so fabrizierst. Man liest ja im Netz unter anderem, dass Du Hörspielkomponist und Essayist bist. Erzähl uns doch mal ein wenig darüber.

Im Moment arbeite ich – was das betrifft – ausschließlich an ANGIZIA-Stücken, weil mir für Hörspiele, Essays und generell literarische Projekte anderer Art einfach die Zeit fehlt. ANGIZIA beansprucht mich doch sehr und bündelt all das, was ich als Künstler zu sagen habe. Mit meinem Beruf – ich bin Lehrer -, zwei tollen Kindern, dem ANGIZIA-Management und der alsbald intensivierten Arbeit an einem siebten ANGIZIA-Album sind meine Prioritäten mehr als „nur verteilt“. Ich kann ruhigen Gewissens sagen, dass ich ein „beschäftigter Mensch“ bin.

Bleiben wir aber bei Deinem „Baby“. ANGIZIA ist ja ziemlich eindeutig ein Projekt, das Du komplett unter Kontrolle hast - im Grunde verkörperst Du es. Libretto (also die textliche Komponente) und die musikalische Idee entspringen Deinem Kopf. Wie weit lässt Du Dir von Deinem Sidekick Emmerich Haimer und den beteiligten Musikern reinreden?

Bei ANGIZIA muss man einmal den Projektkern von den partizipierenden Musikern unterscheiden. Zum Projektkern gehören neben mir Emmerich Haimer und Irene Denner, zudem haben Jochen Stock und Gabriele Böck eine spezielle Position innerhalb des Projektes. Die partizipierenden Musiker selbst unterscheidet, dass sie das Projekt nicht mitfinanzieren, nicht alle Details mittragen und freilich auch nicht jene Identifikation teilen, die Emmerich Haimer, Irene Denner und mich dazu bewegt, ANGIZIA seit vielen Jahren mit sehr viel Idealismus am Leben zu halten. Ja, im Gegenteil: Sie werden von uns finanziert; in erster Linie deshalb, weil sie grandiose Musiker sind, die von ihrer Genialität leben müssen. Bei ANGIZIA braucht es beide Seiten: Den idealistischen Projektkern (also die Kompositionsleistung, das Stück, den nötigen Zusammenhalt, das Herzblut, die künstlerische Organisation, das Libretto, die unvergleichlichen Stimmen und so weiter) und die partizipierenden Musiker (sprich die bestmöglichen zu ANGIZIA passenden Instrumentalisten).

Angizia Harald HauserIch verkörpere ANGIZIA gewissermaßen nach außen, aber mit Emmerich Haimer verbindet mich eine absolut professionelle Zusammenarbeit, die von gegenseitigem Respekt und beiderseitigem „Reinreden“ geprägt ist. Gleiches gilt für Irene Denner. Das ist das Prinzip unserer Arbeit. Jeder von uns hat für ANGIZIA unersetzbare Aufgaben. Gerade die Musik entwickeln Emmerich und ich gemeinsam, wobei ich mich bei „kokon“ aber eher auf das musikalische Konzept und die Strukturen konzentriert habe und Emmerich den Großteil der Kompositionsarbeit erledigt hat. Was die beteiligten Musiker generell betrifft – ja, da gibt es schon viele zielführende Gespräche. Es sind allesamt professionelle Musiker, Meister ihres Faches und alle verfügen über eine außerordentliches Musikverständnis. Wir klären auch viele musikalische Details mit unseren Musikern vor beziehungsweise während der Kompositionsphase. Es wird zudem klar festgelegt, wo Soli ausgeschrieben und wo diese improvisiert werden.

Zweifellos gibt es auch Bereiche (z.B.: das Stück, den Plot, das Libretto,…), die ich mit niemandem teile. Das ist für mich unabdingbar.
 
Bei der Auswahl der Musiker scheinst Du sehr bewusst vorzugehen, es gab ja wieder den einen oder anderen Wechsel. Hängt es für Dich vom Album ab, welche Musiker Du bei den Aufnahmen dabei haben möchtest oder ist das eher eine Frage der Terminkoordination?

Nun, dafür gibt es immer andere Gründe. Die Terminkoordination selbst ist da noch das geringste Problem. Einerseits reizt mich und uns die Zusammenarbeit mit neuen Musikern, weil diese neue Einflüsse bringen oder einfach perfekt zum aktuellen Projekt passen, weil sie das gesuchte Instrument spielen. Andererseits gibt es doch einige Musiker, die uns schon fast 10 Jahre begleiten (Alex Dostal, Harald Hauser, Bernhard Seibt…). Das kann man nicht pauschalisieren. Gewiss hängt auch viel von den unmittelbaren Voraussetzungen des jeweiligen Albums ab. Manche Sachen entscheide ich/entscheiden wir relativ kurzfristig. ANGIZIA ist ein Studioprojekt – das erlaubt uns eine gewisse Flexibilität. Es gab eigentlich kaum kollektive Veränderungen auf Grund unzureichender Qualität. Das hatte meist andere Gründe.

Was kannst Du mir über die auf „kokon“ partizipierenden Künstler erzählen?

Sie sind alle von höchster Professionalität und allesamt in vielen Projekten engagiert. Im Gegensatz zu Emmerich Haimer, Irene Denner und mir leben unsere Instrumentalisten von ihrer Musik, was für uns im Grunde vieles recht unkompliziert macht. Was die Stimmen anbelangt, so verfügen wir über den glücklichen Zustand, dass Jochen Stock, Irene Denner und ich allesamt Stimmen mit hohem Wiederkennungswert haben, ja dass diese im Grunde „unkopierbar“ sind. Das Interessante an den partizipierenden Künstlern ist, dass jeder andere Einflüsse mitbringt. Alle haben über viele Jahre hinweg in unterschiedlichen Genres und Musikstilen Erfahrungen auf höchstem Niveau gemacht. Manche kommen aus der Klassik, andere spielen Jazz, einige sind auch immer wieder Bestandteil renommierter Orchester und Musicalproduktionen und so weiter Viele Musiker des ANGIZIA-Kollektivs sind auch selbst Komponisten und haben zudem eigene Bands. Grundsätzlich kann man sagen: Die Qualität einer Musikproduktion ist immer auch von der Qualität der partizipierenden Künstler abhängig.
 
Im Gegensatz zu den meisten modernen Produktionen, bei welchen man mittlerweile ja beinahe nur noch einen PC, gute Software und nur wenig Hardware benötigt, wird ANGIZIAs Musik wohl mit deutlich mehr Aufwand entstehen, oder? Viel digitales Gefummel wird es da nicht geben. Gerade dank der klassischen Instrumentierung wird doch mit Sicherheit eher „old school“ verfahren.

Angizia Martina EngelPC und Software (genau genommen „Cakewalk“) benötigen wir für die Kompositionsphase selbst, also für die Skizzierung der musikalischen Strukturen. Im Studio verwenden wir immerzu Aufnahmeprogramme wie „Logic“ oder „Protools“. Wir sind stets darauf bedacht, natürliche Instrumente einzusetzen, um auch einen völlig unverfälschten authentischen und natürlichen Sound zu gewährleisten. Selbst all die Hörspielsounds auf „kokon“ (Schüsse, Knattern, Rollen etc.) haben wir eigenhändig aufgenommen und nicht aus der Tonkonserve geholt. Alles was auf „kokon“ zu hören ist, trägt unsere Handschrift und wurde eigens für „kokon“ gemacht. Einige Sequenzen beziehungsweise auch ganze Stücke wurden „live“ aufgenommen, um den unmittelbaren Charakter von „kokon“ zu bewahren und darüber hinaus eine entsprechende Bühnendynamik einzufangen beziehungsweise zum Ausdruck zu bringen. Wir haben jedenfalls nichts zu verstecken, nichts zu vertuschen und nichts künstlich zu veredeln.
 
Zumindest mir erscheint es so, als ob das Album in lyrischer Hinsicht ein sehr metaphorisches ist. Was kannst Du uns zur Story des schaurig-schönen Schachtelstücks erzählen?

„kokon“ verstand ich von Anfang an als passioniertes „Drama“, was grundsätzlich einmal bedeutete, dass wir uns doch gezielt von der bei Stücken wie „39 Jahre für den Leierkastenmann“ und „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ angefochtenen Koinzidenz aus Komik und Tragik distanzieren wollten. Mir war wichtig, im Stück selbst mit einer völlig reduzierten, monochrom gehaltenen Schachtel eine „fesselnde“ Bühne zu haben, die den Fokus auf 3 Hauptfiguren lenkt. Der Homunkulus ist eine Kreatur, die geknebelt, ja unsäglich hässlich, „mit Gift genährt und in der Wolle eingesperrt“ an der Decke dieser Schachtel schlottert und von einer grotesken Spinnerin (der Frau Jansen) als eigenes Kunstwerk erschaffen wurde. Die Jansens verehren den Homunkulus und damit ein Ekel, das auf alle Betrachter abstoßend, irritierend und dennoch anziehend wirkt. Die Jansen speist den Homunkulus mit Gift und macht ihn zu Beginn des Stücks zum theatralischen Antihelden, der sich fortan treiben lässt, selbst nicht ins Geschehen eingreifen kann und als „lebendes Mahnmal“ der Jansens vor sich hin siecht. Herr Jansen wiederum ist ein barscher, knorriger, gewaltbereiter Hauptmann mit Uniform und Starterpistole (die Waffe selbst wird schlussendlich Mittel zum Zweck). Alles, was der Hauptmann sagt, ist von unglaublicher Intensität. Er wirkt unschlüssig und kalt, sieht sich als Bewacher des „Kokons“ und stützt den Gedanken, diese schauderhafte Kreatur in einem als Kunstwerk verstandenen Kokon zu „konservieren“.

In Nebenrollen brauchte ich einen Erzähler (Herr Eismann), der Lakai des Hauptmanns ist, einen blinden Klavierspieler, eine Cellistin in der Nebenkammer, eine Bratschistin und einen Bohemien mit Kontragitarre und Erpel. Sämtliche Musiker sind Teil des Plots und so war - gerade hinsichtlich der Entwicklung der Dramaturgie des Stücks - bald klar, dass wir für dieses Album auf Instrumente wie Akkordeon und Klarinette verzichten müssen, um meiner eigenen Vorstellung des „Dramas“ voll und ganz gerecht zu werden. Ausgangsbasis für unsere Arbeit (im lyrischen und musikalischen Sinne) war ein prosaartig verfasstes „Stimmungsbild“, das ich als Ausgangsszenenbild begriff und fast „kafkaesk“, ja bewusst verstörend und ohne darauf lyrisch vorzubereiten in den Plot des Stücks einleitete. In weiterer Folge, nach dem ersten Drittel, mutiert der anfänglich passive „Antiheld“ zum Protagonisten des Stücks, ja zum „positiven Helden“. Dabei gebe ich dem Homunkulus „die Fäden in die Hand“ und er entwickelt seinen eigenen Plot. Er erkennt sich als Mime dieser Bühne, wächst in seinem „Ich“, greift immer aktiver in das Geschehen ein und bestimmt es schließlich ganz. Die Jansens verächtet er als seine Schänder. Er wandelt fortan mit schierem Drang zur Zerstörung, ja zur Selbstzerstörung als „negativer Held“ ins letzte Drittel des Stücks, um seine eigene Vergeltung voranzutreiben. Der Plot findet seinen Knalleffekt. Unbändige Leidenschaft. Ein Walzer. Viel Blut. Und zurück bleibt eine Schachtel ohne Hauptfiguren… und… darüber hinaus… über allem schwebend… die Musik.

„kokon“ ist aus lyrischer Sicht gewiss ein durchwegs metaphorisches Stück. Aber auch schon „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ beinhaltete sehr viele Sinnbilder.
 
Kann man von den ANGIZIA-Werken eigentlich inhaltliche Parallelen zur Jetztzeit ziehen?
 
Gerade „kokon“ ist ja an keine bestimmte Zeit gebunden, da wäre eine inhaltliche Parallele zur Jetztzeit in vielen Phasen des Stücks denkbar, gerade was all die verwendeten Metaphern betrifft… den Grad der Vergeltung, die Selbstbefreiung durch die damit verbundene Selbstzerstörung… den „auferlegten Zwang“ eines Kokons…

Angizia David Six„Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ verstand ich als surreales Werk, das in seiner Entrücktheit, ja dem steten Taumel zwischen den Welten auch in 100 Jahren noch surrealistisch wirken wird. Das projüdische Weltverbesserungsstück „39 Jahre für den Leierkastenmann“ hingegen war inhaltlich an die Zeit der beiden Weltkriege geschnürt. Ich achte bei ANGIZIA aber grundsätzlich nicht auf mögliche inhaltliche Parallelen zur Gegenwart, das ergibt sich von selbst (oder eben nicht).

Rein musikalisch finden sich ja bestenfalls gerade mal Rudimente hartgitarriger Musik - auf dem neuen Werk braten gerade mal bei "Maß für Maß" die E-Gitarren so richtig, ansonsten ist die Musik erneut sehr klassikorientiert ausgefallen, mit dem ein oder anderen gewagten Einfluss. Aus welchen Quellen beziehst Du - literarisch und musikalisch - deine Inspirationen?

Gewagte Einflüsse gibt es bei ANGIZIA eigentlich nicht. Was ist schon gewagt? Wir machen das was wir wollen. Für uns gibt es keine Richtlinien, keine Schublade, keine Labelkompromisse, keine unseriösen Zugeständnisse. Weder spüren wir den Druck, ein Album für irgend eine Tour fertig machen zu müssen, noch haben wir uns an irgend welche marketingtechnischen Anweisungen zu halten. Zudem sind wir niemandem eine Rechenschaft schuldig. Das ist der absolute Vorteil unserer Unabhängigkeit. Ich denke, wir haben ein gutes Händchen dafür, was für ANGIZIA dienlich ist und was nicht.

Wenn wir also zum Beispiel nur bei einer einzigen Nummer E-Gitarren auf diese Art und Weise verwenden wollen, dann ist das so. Ich habe etwa in einem Review gelesen, dass wir „zu feige“ wären, noch mehr Metaleinflüsse zu zeigen, weil wir uns nicht „getraut“ hätten, mehr Stücke als bloß „Maß für Maß“ auf Metal auszurichten. Nein, im Gegenteil: Es wäre feige und fad gewesen, genau das zu tun, was sich andere von uns erwarten. Die Entwicklung ANGIZIAs ist mit Bedacht auf die letzten zehn bis zwölf Jahre auch relativ logisch. Mich fasziniert Metal nicht. Mich begeistert das Drama, die Dramaturgie eines Stücks, der unmittelbare Ausdruck einer Stimme, das intime Instrument, ja die Leidenschaft einer gewissen Andersartigkeit. Gerade jene „indirekte Aggressivität“, die es schafft auch ohne E-Gitarren Stücke mit „Wucht“, „Schärfe“ und „Emphase“ zu transportieren, ist oftmals spannender als der logisch antizipierte E-Gitarren-Beistand. Andererseits: Vielleicht beinhaltet schon das siebte ANGIZIA-Album wieder mehr Metal-Elemente. Der Anteil von E-Gitarren ist kein entscheidendes Kriterium in ANGIZIA, aber dort wo sie eingesetzt werden, sind sie unumgänglich. Diese Einflüsse wird es bei ANGIZIA immer wieder geben – ob nur vereinzelt oder künftig wieder umfassender, das wird sich zeigen.

Ich höre sehr viel Filmmusik und bin ein irrer Cineast. Filme inspirieren mich weit mehr als Musik und Literatur. Oft höre ich in Filmen Musik, die grundsätzlich gar nicht da ist.

Die Musik richtet sich bei Dir auch recht deutlich nach dem Thema. Die Klezmer-Elemente, die man noch auf den beiden Vorgängern fand, würden auf "kokon" ein Fremdkörper sein. Gibt es für Dich Grenzen, was die stilistische Frage angeht?

Klar, innerhalb der von mir bevorzugten Musik gibt es schon Grenzen, was die Stilistik betrifft. Aber intensive, passionierte, ja durchdringende Musik ist nicht an bestimmte Instrumente oder Musikrichtungen gebunden. Da gibt es für uns keine Einschränkungen. Vieles hängt eben von der Ausrichtung des Plots ab. Während bei „39 Jahre für den Leierkastenmann“ und „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“ Zirkusmusik und Klezmer wichtige Einflüsse waren, kamen diese bei „kokon“ aus gutem Grund kaum zur Geltung. Beides hätte nicht zum Charakter des Stücks gepasst.

Schon alleine deshalb, weil ANGIZIA ja immer noch besonders in der Metal-Presse stattfinden, frage ich mich, in wie fern Dir diese Musikrichtung und die entsprechende Szene noch etwas bedeuten.

Angizia Jochen StockRein musikalisch betrachtet zählen wir uns freilich bei weitem nicht zur Metalszene. Allerdings sind gerade die allermeisten unserer Hörer auch Metalfans und somit befindet sich ANGIZIA immer wieder im Dunstkreis dessen. Ich selbst höre eher weniger Metal, aber das was ich höre (THE VISION BLEAK, DORNENREICH, DIABLO SWING ORCHESTRA, STOLEN BABIES, ARCTURUS, FANTÔMAS...) sehr intensiv. Ich fühle mich nicht wirklich zu dieser Musikszene hingezogen. Aber ich habe sehr viele Freunde, die unmittelbar mit der Metalszene verwurzelt sind und auch in dieser existieren. Für viele Metalfans ist ANGIZIA eine willkommene Abwechslung. Manche hören vorwiegend ANGIZIA und zwischendurch Metal. Und andere wiederum hören kaum mehr Metal, aber immer noch ANGIZIA. Aktuell haben wir zum Beispiel eine Konzertanfrage aus Moskau (in der größten Metallocation der Stadt). Das zeigt auch, dass man in der Metalszene bewusst in Kauf nimmt, dass ANGIZIA alles ist – nur keine Metalband. Es gibt sehr viele professionelle Leute in der Metal-Presse und auch in der Metal-Szene. Wenn ich an ANGIZIA denke, dann interessiert mich aber nur das, was ich und wir mit einem Stück und unserer Musik sagen wollen. Wir agieren niemals in der Absicht, einem bestimmten Genre anzugehören oder es möglichst vielen Leuten recht zu machen. Grundsätzlich geht es darum, qualitativ hochwertige Theatermusik (mit vielen unterschiedlichen, aber ANGIZIA-typischen Stilmitteln) zu entwickeln, die vor allem uns selbst am meisten vom Hocker reißt.

Die musikalische Entwicklung basiert ja meistens auf Interessenverschiebungen. Wie war das über die Jahre bei Dir? Eher zu „anderer“ Musik hin oder von der „alten“ Musik weg? Eher ein Hingezogenfühlen zu Neuem oder eine Flucht aus dem Alten?

Es ist immer ein „Hingezogenfühlen“ zum Neuen, dem ewigen Drang folgend, sich neu auszudrücken und nicht so sehr die „Flucht aus dem Alten“. Ich mag das Alte, ich liebe „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“, ebenso „39 Jahre für den Leierkastenmann“ – aber es wäre langweilig, immer wieder das Gleiche zu tun und einem immer gleichen Soundgerüst hinterher zu laufen. ANGIZIA produziert sich nicht für die vermeintliche Erwartungshaltung von Fans oder Labels. Im Grunde geht es uns immer darum, neue Facetten mit bewährten Mitteln und Instrumenten zu zeigen. Ich hasche immer nach neuen Ideen, Figuren und Konzepten. Grundsätzlich entsteht die Idee für ein neues Stück immer schon während der Produktionsphase des vorangehenden. Die Musik selbst ist dann quasi die Schnittmenge aus dem, was Emmerich Haimer und ich für das aktuelle Album interessant finden. Meistens ist es ein progressiver Prozess, eine logische Weiterentwicklung, ein Sturm und ein Drang, aber immer mit der Absicht im Hinterkopf, dass der Mix aus all dem, was wir im Kopf haben, definitiv nach ANGIZIA klingt.

Aus welchen Fanschichten... oder nehmen wir das Unwort... Szenen setzt sich die Schar der ANGIZIA-Anhänger denn so zusammen?

Das ist total unterschiedlich. Viele ANGIZIA-Fans kommen aus der Metal- beziehungsweise der Gothic-Szene, manche fanden ihren Zugang über die Klassik, viele sind generell intensive Musikrezipienten, die immer auf der Suche nach neuen, avantgardistischen Ausdrucksformen sind, und dann gibt es noch eine große Schar an ANGIZIA-Hörern, die überhaupt ganz andere Motive haben, vorwiegend Hörspiele hören und aus primär theatralischer Hinsicht auf ANGIZIA aufmerksam wurden. Ich habe von einer 86-jährigen Argentinierin gehört, die den ganzen Tag über ANGIZIA abspielt, weiß aber auch, dass amerikanische Skaterboys, japanische Popstars, konservativ wirkende Bankangestellte, Universitätsprofessoren aus Südamerika, Ärzte aus Italien, autistische Kinder, Kunst- und Theatermenschen, ja sogar traditionelle Volksmusikanten, türkische Filmkomponisten, österreichische Polizisten und ganz liebe Bauern von nebenan auf ANGIZIA abfahren. Wir haben ein kleines, aber feines Publikum – quer durch alle Szenen, über viele Grenzen hinweg, extrem fanatisch und über alle Dinge erhaben.
 
Verfolgst Du das aktuelle Musikgeschehen eigentlich? Interessierst Du Dich für das, was so „da draußen“ passiert, oder gehst Du eher Deinen ganz eigenen Weg?

Angizia Irene DennerDas aktuelle Musikgeschehen (in bestimmten Genres) bekomme ich natürlich mit. Es gibt einige Bands und Projekte (etwa die vorhin genannten Bands sowie DEVIL DOLL, EMPYRIUM, STILLSTE STUND, ULVER, HUMANWINE, DIRTY GRANNY TALES, CIRCUS CONTRAPTION, SOAP & SKIN, APOCALYPTICA, KAIZERS ORCHESTRA oder RODRIGO LEAO), deren Schaffen ich ganz genau mitverfolge, weil es allesamt hochwertige Bands mit einem außergewöhnlichen Wiedererkennungswert sind. Manches – gerade im Underground - vernehme ich freilich Kopf schüttelnd und mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Ich höre ich sehr viel Filmmusik und Klassik (dabei insbesondere Schubert, Chopin, Schumann, Satie, Ciccolini und Tschaikowsky…).  Meine Welt ist immerzu reich an Musik.
 
Könntest Du Dir denn vorstellen, mal NICHT mit der Illustratorin Gabriele Böck zusammenzuarbeiten? Würdest Du in dieser Hinsicht auch mal etwas Neues ausprobieren?

Die Zusammenarbeit mit Gabriele Böck funktioniert hervorragend. Sie ist eine großartige Künstlerin und hat auch eine wichtige Position innerhalb ANGIZIAs. Aber um die Frage zu beantworten: Gottfried Helnwein finde ich kongenial. Seine Fotos und Bilder zählen zu den besten, die ich kenne.

Du deutetest ja schon ein paarmal ein siebtes Album an. Spukt Dir schon Neues bezüglich ANGIZIA im Kopf herum? Ist vielleicht schon abzusehen, wohin die Reise in Zukunft geht?

Im Moment arbeite ich an einem dramatischen Thrillerplot, der in den österreichischen Alpen spielt und mit Sicherheit ein wenig atypisch aufgebaut sein wird, weil wir ja vielmehr eine musikalische Vertonung schaffen und nicht in erster Linie Medien wie „Film“ und „Literatur“ bedienen. Ich folge immerzu meinem Puls, schränke mich keineswegs ein und versuche, einen äußerst eigenständigen Weg zu gehen. Wichtig ist, dass ich für ANGIZIA eine optimale Basis schaffe, die gewährleistet, dass wir auch in der Vertonung dramatische Akzente setzen können. Im Gegensatz zu „kokon“, wo ja der ganze Plot in einer von der Außenwelt abgeschlossenen Schachtel angesiedelt war, wird das nächste ANGIZIA-Stück vorwiegend in der eisigen Natur platziert sein. Ich denke an ein tief winterliches Drama mit packenden Thrillerelementen, an sehr exaltierte Stimmen mit partiellem Kunstdialekt, an Instrumente wie Flügel, Cello, Gitarren, aber auch an Akkordeon, und Klarinette. Es gibt viele Ansatzpunkte und auch konkrete Ideen, die wir aber noch ein wenig für uns behalten.

Es scheint ja so, als hättest Du schon lange deine musikalische Identität - zumindest bezüglich dieses Projektes - gefunden. Wäre dennoch mal ein kompletter Stilbruch denkbar? Oder eine EP, auf der es einfach mal etwas „andere“ ANGIZIA zu hören gäbe, fernab von dem, was man bisher in all den Jahren gehört hat?

ANGIZIA hat ja in fünfzehn Jahren doch recht unterschiedliche Ausdrucksformen gefunden. Ich könnte mir sehr wohl vorstellen, mal ganz reduziert zu arbeiten, also ausschließlich eine EP mit Flügel, Cello und Stimmen zu machen. Das wäre eine klar nach ANGIZIA klingende Facette, aber nichts grundlegend Anderes. Ein kompletter Stilbruch – nein, das habe ich nicht im Sinn.

Auch das neue Werk wird wieder in Eigenregie - hoffentlich in nicht all zu limitierter Auflage - herausgebracht. Gibt es wenigstens einen Vertrieb, der "kokon" an den Mann bringen kann oder läuft auch das komplett über Dich?

Wir haben Vertriebe in Amerika, Israel und Deutschland. Der Großteil der CDs und T-Shirts wird aber über ANGIZIA.com und unseren eigenen Webshop vertrieben.
 
Wie sieht es hinsichtlich Deiner Initiative bezüglich „Pressearbeit“ aus? Schreibst Du selbst Magazine an? Oder lässt Du die Presse auf dich zukommen, nach dem Motto „Wer sich ernsthaft für ANGIZIA interessiert, wird schon nach Platte und/oder Interview fragen“...?

Ich habe seit vielen Jahren guten Kontakt zu einigen ausgewählten Journalisten, die meist selbst auf ANGIZIA aufmerksam wurden und zudem auch große Wertschätzer unserer Musik sind. Magazine schreiben wir im Grunde nicht explizit an. Die Pressearbeit ANGIZIAs absolviere ich selbst.

Ich gehe mal davon aus, dass der Entschluss, die Musik selbst, ohne Label im Rücken, zu veröffentlichen, auf dem Gedanken fußt, absolute künstlerische Freiheit zu genießen. Ist dieser Entschluss unkaputtbar? Angenommen, ein Label würde Dir diese künstlerische Freiheit zu hundert Prozent ermöglichen: Käme es für Dich in Frage, dann vielleicht doch irgendwo mal zu unterschreiben?
 
Nun, was das anbelangt haben wir schon recht mühsame Gespräche hinter uns gebracht. Dieses Kapitel ist eigentlich abgeschlossen. ANGIZIAs Musik polarisiert eben auch soweit, dass sich viele Labels zwar prinzipiell für ANGIZIA interessieren, aber nicht derlei zwingend, dass sich daraus ein seriöses Label-Band-Verhältnis entwickeln könnte. Natürlich gibt es einige interessante Labels, die mitunter auch sehr gut zu ANGIZIA passen würden. Andererseits sind wir aber gewohnt, frei von Zwängen und Kompromissen zu arbeiten. Zudem tat ich mir immer schwer, Parolen wie „Wir sind eine große Labelfamilie!“ oder „Wir folgen alle einer bestimmten Labelphilosophie!“ gut zu heißen. Ich weiß, dass viele Labels äußerst professionelle Arbeit leisten und ganz bestimmt auch irgend einem seriösen Labelprofil folgen, das eben glücklicherweise auch zu mehreren Bands gleichzeitig passt. Aber ich war auch immerzu überzeugt davon, dass ANGIZIA als absolut autarkes, eigenständiges und unvergleichliches Projekt Qualität genug haben sollte, um für solche Labels interessant zu sein. Dass sich daraus nichts Konkretes ergeben hat liegt mit Sicherheit mehr an Labels als an uns. Generell hatten viele Plattenfirmen immerzu den Eindruck, ANGIZIA wären einerseits verrückt, schwer einzuordnen und gewiss auch sehr aufwändig strukturiert, andererseits aber keinesfalls jene Musik, die man tausendfach über den Ladentisch zieht. Fakt ist, dass wir immer idealistisch geblieben sind und stets mit Stolz sagen konnten, dass das was wir machen von höchster Qualität ist. Ob manche die Musik nun genial oder furchtbar finden hat damit nichts zu tun.

Ich denke, für uns war es schlussendlich doch die richtige Fügung, dass ANGIZIA über all die Jahre hinweg für bestimmte Labels scheinbar nicht interessant genug war. Wir haben unser eigenes Management und alles was wir im Namen von „ANGIZIA“ tun ist ehrlich und überaus idealistisch. Auf jeden Fall ersparen wir uns die oft recht mühsame „Barriere“, dem Profil und den Erwartungen irgend eines Labels entsprechen zu müssen. Vor allem, da ANGIZIA ja zweifelsohne kein bestimmtes Genre bedient, so sehr speziell ist und auch in keine große Schublade passt, waren wir für Labels von Anfang an sehr schwer einzuordnen. Natürlich hatten wir über einige Jahre hinweg – ohne jeglichen finanziellen Rückhalt (besonders in der Aufnahmephase von „Ein Toter fährt gern Ringelspiel“) – keinen einfachen Stand, zumal wir ja auch wirklich immerzu aufwändige Produktionen betrieben haben. Das ließ uns oft an unsere Grenzen stoßen.

Angizia Michael HaasHeute bin ich wirklich stolz darauf, dass wir diese extrem idealistische Position mittlerweile über zehn Jahre hinweg behauptet haben. Wir werden auch künftig keine Gespräche mehr mit größeren Labels führen, weil wir trotz „Independent“-Status eine relativ große, ja stets wachsende internationale Fangemeinde haben und im Grunde nicht mehr wirklich auf Plattenfirmen angewiesen sind. Wir sind in der Lage, uns selbst zu „erhalten“, uns selbst zu organisieren und völlig kompromissfrei zu arbeiten. Zudem habe ich gerade aus Gesprächen mit all den „so genannten innovativen und avantgardistischen Plattenfirmen“ schmunzelnd meine eigenen Schlüsse gezogen, die da sind: „Da passt ANGIZIA sowieso nicht hin!“ oder „Das können wir mit ANGIZIA sowieso nicht machen.“ ANGIZIA ist also vollkommen autark. Wir veröffentlichen Musik auf unserem eigenen kleinen Label (Medium Theater) und haben uns an keine Richtlinien zu halten. WIR entscheiden, WAS wir aufnehmen, WANN wir aufnehmen, WO wir aufnehmen, WIE LANGE wir aufnehmen, ja WAS wir WANN und IN IRGENDWELCHER FORM veröffentlichen… Natürlich hätten wir auch gerne das Budget eines größeren Labels, um etwa unsere Stücke in Buchform, in spezieller Aufmachung oder in zig verschiedenen Versionen veröffentlichen zu können. Damit können wir aber gut leben. Viel wichtiger ist uns, dass wir autark sind und völlig unabhängig arbeiten können. Das brauchen wir auch, um ANGIZIA immer wieder entsprechend gedeihen zu lassen.

Unsere Absicht, Musik zu machen und sich den Luxus „ANGIZIA“ zu leisten, war niemals kommerziell motiviert. In erster Linie sind wir Musikschaffende, um uns damit selbst den größtmöglichen Gefallen zu tun. Das was wir erschaffen ist primär für uns, zur Befriedigung unserer eigenen Ansprüche, gedacht und erst in weiterer Folge für andere. Wir folgen weder schnöden Trends, noch irgend einem Labelprofil. ANGIZIA ist der Inbegriff für „unermesslichen Idealismus“. Was die Musik betrifft können wir auch ohne den finanziellen Rückhalt einer Plattenfirma so ziemlich alles realisieren was wir wollen. Genau das macht ANGIZIA aus.

Gab es denn zuletzt überhaupt Angebote namhafter Labels? Und wenn ja, gab es da denn Dinge, bei denen Du Dich fragtest: „Ja sagt mal, sonst geht's noch?“

Es gab einige internationale Konzertanfragen und auch diverse Lizenz-Angebote aus Südamerika, Japan und Russland, aber keine Angebote namhafter Labels. Wir haben dahingehend unsere Erfahrungen gemacht. Fakt ist: ANGIZIA bleibt auch künftig frei von irgend welchen Kompromissen. Wir veröffentlichen ausschließlich auf unserem eigenen Label „Medium Theater“.
 
Ich wollte nach weiteren Meinungen zu „kokon“ googlen und durfte feststellen, dass rund die Hälfte der Suchergebnisse zu Filehostern und Filesharing-Börsen führten und nicht etwa zu Rezensionen oder Diskussionen. Was geht da in einem Künstler vor?

Klar ist das ärgerlich, aber ich kann gut damit umgehen. Das ist das Schicksal aller Musikschaffenden. 
 
Gibt es Deiner Meinung nach irgend ein Mittel, um diese mittlerweile exzessive Raubkopiererei zu stoppen? Früher hat man Kumpels die Musik auf Tape überspielt, was irgendwie schon ein Ritual war. Letztendlich half es der Band ja auch, da man so im Freundeskreis den ein oder anderen Fan „heranzüchten“ konnte. Heute braucht es Mausklicks und die Musik landet gigabyteweise auf Festplatten, teilweise ungehört und nur des „Besitzens“ Willen.

Ich kann dazu nicht viel sagen. Ich denke nicht, dass man die Raubkopiererei generell verhindern kann. Unseren treuen Fans ist es wichtig, die Original-CD in Händen zu halten. Das spricht ohnehin für ANGIZIA und gegen Filesharing-Börsen.
 
 Ich glänze bezüglich der nächsten Frage mit kompletter Unkenntnis, da ich mich ausschließlich mit den Tonträgern beschäftigt habe: Performst Du mit ANGIZIA auch live?

Nein, im Moment haben wir keine „Live-Ambitionen“. Es gibt und gab zuletzt Gespräche mit Organisatoren aus Buenos Aires, Mexico/City, Berlin und Moskau, weil ANGIZIA speziell in Südamerika, Russland und Deutschland seit vielen Jahren großen Zuspruch findet. Geplant wären (gerade in Argentinien und Mexico) intime, ja bewusst „reduzierte“ „Unplugged“-Sessions (mit Flügel, Cello oder Bratsche, Akustikgitarre, Kontrabass und Stimmen) in wirklich grandiosen Locations. Konkretes kann man dazu (noch) nicht sagen.
 
Die Musik provoziert den Gedanken an eine Visualisierung ja regelrecht. Kannst Du Dir vorstellen, eines Eurer Alben auch als Theaterstück auf die Beine zu stellen? Oder in verfilmter Form, als DVD oder dergleichen?

Im Moment ist das kein Thema. Natürlich kann ich mir all das vorstellen, aber man darf auch nicht vergessen, dass uns gerade jetzt solche Vorhaben gut 1-2 Jahre von einem neuen Album kosten würden. Das siebte ANGIZIA-Album hat derzeit Priorität.

Du hast ja in der Vergangenheit unter anderem auch mit KOROVA- beziehungsweise KOROVAKILL-Musikern (Christof Niederwieser, Moritz Neuner) zusammengearbeitet - eine ebenfalls sehr wagemutige, originelle Band. Um jene Gruppe wurde es leider auch sehr, sehr still. Falls da noch Kontakte bestehen: Passiert da noch etwas? Oder sind die Geschichte?

Christof Niederwieser hat in den letzten Jahren sehr viel für KOROVAKILL komponiert und hätte wohl schon Material für mehrere Alben auf seinem Rechner. Ich bin sicher, dass es schon in absehbarer Zeit neues KOROVAKILL-Material geben wird. Ich selbst freue mich darauf riesig. Christof Niederwieser ist einer meiner langjährigen Weggefährten, ein großartiger Musiker, ja ein feiner Mensch und hochgradiger Kenner der Musikszene. Gut möglich, dass wir künftig wieder einmal zusammen arbeiten.
 
Gibt es irgendwelche Musiker oder generell Künstler, mit denen Du gerne mal kooperieren würdest?

Im Moment eigentlich mit niemandem, mit dem wir nicht schon einmal zusammen gearbeitet haben.

Wie schaut es eigentlich mit Nachahmern aus? Bei den meisten Vertretern eher populärer Genres verstopfen die Nacheiferer die Musik-Pipeline ja beinahe schon - im Falle spezieller Musik wie die ANGIZIAs ist das bestimmt seltener der Fall. Dennoch: Bist Du schon über Bands oder Künstler gestolpert, die sich deutlich an Deinem/Eurem Sound orientieren?

Ja, die gibt es immer. Aber da mache ich mir wenig Sorgen. Bei ANGIZIA kommen so viele Faktoren zusammen, die schlussendlich einen ureigenen Sound ergeben. Vor allem die Stimmen sind nicht kopierbar. Das was ANGIZIA ausmacht, ist nicht nachzuahmen oder nachzueifern. Ein hoher Wiederkennungswert und eine gewisse Einmaligkeit sind zwei wesentliche Vorteile unserer völlig unabhängigen Existenz.
 
Da Du im Grunde ja schon sehr lyrisch veranlagt bist, würde mich interessieren, ob es für Dich auch in Frage käme, ein Buch, etwa in Form eines Bühnenstückes oder generell als Roman, zu schreiben.

Es gab schon einigermaßen ausgeschriebene Essays und Novellen von „Das Tagebuch der Hanna Anikin“, „Das Schachbrett des Trommelbuben Zacharias“ und „39 Jahre für den Leierkastenmann“, allerdings fehlte mir schlussendlich der Reiz, mich damit mehrmals an Verlage zu wenden oder den entscheidenden letzten Schritt zu machen. Ich sehe mich nicht als Schriftsteller und grundsätzlich fehlte mir dabei immer das, was ich bei ANGIZIA habe. Ich brauche die Symbiose aus Epik, Musik und Malerei. ANGIZIA ist viel spannender als ein isoliertes Dasein als Schriftsteller. Vielleicht mache ich das in 10 Jahren. Mal sehen.
 
Michael, ich danke Dir vielmals für die geduldige Beantwortung meiner Fragen. Wie all meine Interviewpartner hast auch Du das letzte Wort.

Danke für das ausführliche Interview.

Kann ich genau so zurückgeben.

Chris Popp (Info)
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