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Avantasia - Oberhausen, Turbinenhalle - 25.04.2013

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AvantasiaHeutzutage ist es leider schon die Regel, dass eine Headlinerband nach weniger als 90 Minuten die Bühne mit der letzten Zugabe verlässt. Ist ja auch ganz schön anstrengend, so lange für die Fans zu spielen. Anders sieht es bei Bands und Musikern aus, die zu den ganz Großen zählen, da kommt man schon mal in den Genuss von Shows, die zweieinhalb Stunden oder länger dauern. Offenbar orientiert sich Tobias Sammet an solchen Acts, denn bereits Wochen vor der Tour berichtet er, dass AVANTASIA im Rahmen der Mystery World Tour drei Stunden spielen werden. Zwar mag der beste deutsche Songschreiber in Sachen melodischem Metal gerne Mal ein Spaßvogel sein, ein Schwätzer ist er allerdings nicht. Was das Konzert in Oberhausen eindrucksvoll belegt. Wie immer mit zahlreichen Gastsängern und einer perfekt eingespielten Band unterwegs, zieht man auch im Ruhrgebiet jede Menge Publikum an und so ist die große Turbinenhalle, die sogar nach hinten noch weiter geöffnet wird, an diesem Donnerstagabend brechend voll und die Menge ist willig, sich begeistern zu lassen. Darunter auch zwei Redakteure von musikreviews.de, die abwechselnd berichten. (LH) ist Lothar Hausfeld, (ASZ) ist Andreas Schulz.

Da man ja drei Stunden zu spielen gedenkt, verzichten AVANTASIA dankenswerterweise auf eine Vorband. Die hätte an diesem Abend wahrscheinlich eh nichts zu melden gehabt. Und so ertönen mit dem Erlischen des Saallichts die Introtöne ("Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss) und unter tosendem Applaus kommen die Musiker auf die Bühne, um den Abend mit "Spectres", dem Opener des aktuellen Albums "The Mystery Of Time" zu eröffnen. Kapellmeister Sammet erscheint hinter Drummer Felix Bohnke - von hier aus werden im Laufe des Abends auch die weiteren Sänger die dreistufige Bühne entern. Von Anfang an ist der Sound im vorderen Bereich der Halle perfekt - lediglich weiter hinten ist es ein bisschen dumpfer, von einem wirklichen Makel kann man aber nicht sprechen. Auch die Lichtshow ist edel und stellt vor allem die Sänger immer wieder in den Fokus. Pyros, Videos oder andere Gimmicks gibt es keine - an diesem Abend steht die Musik von AVANTASIA ganz im Vordergrund.Avantasia "Invoke The Machine" ist der nächste Song, zu dem sich natürlich PRETTY MAIDS-Frontmann Ronnie Atkins zu Sammet gesellt und ihm beinahe die Show stiehlt. Zwar sieht man dem Dänen an, dass er ein paar Jahre älter als Tobi ist, das macht er aber mit seiner Performance und seinem Gesang locker wett und man hat ab und an gar den Eindruck, dass Tobi ihn ein bisschen bewundernd anschaut. Mit dem hymnischen "Black Orchid" folgt sogleich der dritte neue Song, bei dem die beiden Sänger sich tolle Duette liefern. Und damit ist die Zeit im Fotograben dann auch abgelaufen. (ASZ)

Anhänger von Michael Kiske durften nach dessen Ausstieg bei Helloween vor rund 20 Jahren zwar ewige Zeiten auf einen Besuch des Ausnahmesängers auf den Bühnen dieser Welt warten, dafür brillierte der eigenwillige Sänger aber immer wieder bei seinen Studio-Gastauftritten – unter anderem eben bei AVANTASIA. Und nicht wenige halten "Reach Out For The Light" vom AVANTASIA-Debüt für Kiskes beste Gesangsleistung überhaupt. Darüber kann man natürlich trefflich streiten – Fakt aber ist, dass die vom Intro "Prelude" eingeleitete Speedhymne die ersten wirklich euphorischen Publikumsreaktionen erntet. Wer Michael Kiske bei seinen ersten Live-Auftritten mit UNISONIC noch vor deren Debüt erlebt hat – nach 17-jähriger Live-Abstinenz unsicher, Avantasiaschüchtern, introvertiert, mit Textblatt in der Hand – der kann sich in Oberhausen nur verwundert die Augen reiben: Wie in alten Zeiten gibt Kiske nicht nur den gesanglich treffsicheren Vokalisten, sondern scherzt mit Tobi und dem Publikum, wirkt gelöst, mit sich und seiner Welt im Reinen. Ganz offensichtlich: Er hat wieder Spaß an der harten Musik und auf der Bühne. Auch beim anschließenden "Breaking Away", das tags zuvor aufgrund Kiskes Erkältung noch von der Setlist geflogen war,  zieht der Glatzkopf gemeinsam mit Tobias Sammet wie gewohnt stimmlich vom Leder – in Oberhausen ist jedenfalls kaum noch etwas zu merken von irgendwelchen gesundheitsbedingten Einschränkungen. Mit "The Story Ain’t Over" zeigt sich erstmals MAGNUM-Sänger Bob Catley auf der Bühne, und auch wenn Catley auf der Bühne mit seinen komplett rhythmusbefreiten Gesten an Joe Cocker erinnert: Solche großen Melodien kann er perfekt singen; das Oberhausener Publikum zeigt sich auch beim gewollt kitschigen Song von der "Lost In Space"-EP äußerst textsicher. Das ein wenig langatmige "The Great Mystery" schlägt musikalisch in eine ähnlich Kerbe, nach den ruhigen Momenten ist es jetzt aber wieder an der Reihe, einige Gänge hochzuschalten. (LH)

Und zwar mit einer kleinen Sensation, denn es dürfte ein paar Jährchen her sein, dass der ehemalige HEAVENS GATE-Gitarrist und langjährige AVANTASIA-Hofproduzent Sascha Paeth mit einem Leadsänger namens Thomas Rettke auf der Bühne stand. Der ehemalige HEAVENS GATE-Fronter steht nämlich nicht nur als Backgroundsänger neben Amanda Somerville, sondern übernimmt bei einigen Songs auch den Hauptgesang. Wie dem brettharten "Scales Of Justice", das im Original von Ripper Owens gesungen wird und bei dem Rettke zeigt, dass er stimmlich auch 2013 noch so einiges drauf hat. Danach wird der Knüppel aber wieder eingesteckt und die erste Ballade des Abends wird ausgepackt. Wie auch auf dem Album wird "What's Left Of Me" von MR. BIG-Frontmann Eric Martin angestimmt. Der wird seinem Ruf als ausgezeichneter Sänger jedoch nicht auf Anhieb gerecht, denn von allen bisherigen Frontleuten kann er zunächst am wenigsten überzeugen, beim flottmelodischen "Promised Land" von der "Angel Of Babylon"-Scheibe kommt aber auch er besser in Form. Oder ist sein Mikrofon nicht ordentlich eingestellt? Man weiß es nicht. Etwas überraschend entpuppt sich Martin aber auch als kleiner Zotenreißer und versucht, das Publikum mit seinen Witzchen bei Laune zu halten. Danach hat Frau Somerville ihren ersten großen Auftritt und zelebriert mit Tobi das wunderbar poppige "Sleepwalking", bevor Ronnie Atkins im superben "The Scarecrow" zeigt, dass er ein guter, aber nicht perfekter Ersatz für Jorn Lande ist, der diese Tour nicht mitfahren konnte. (ASZ)
 
AvantasiaDass Oliver Hartmann ein großartiger Sänger ist, hat der ehemalige AT-VANCE-Frontmann nicht nur auf den diversen AVANTASIA-Alben bewiesen; auf der Tour zeigt sich der zurückhaltende Sympath auch als versierter Gitarrist. Bei "Stargazers" darf Hartmann dann aber endlich nicht nur Backing Vocals beisteuern und die Sechssaitige bedienen, sondern als Hauptsänger auch im "echten" Rampenlicht stehen. Angesichts seiner Gesangsleistung kann man sich nur wundern, dass der Mann nicht als Hardrock-Superstar von Erfolg zu Erfolg eilt. Apropos "Backing Vocals": Für die sorgt in gewohnt souveräner und stimmlich wie optisch appetitlicher Manier Amanda Somerville; gemeinsam mit Sammet und Kiske, die auch „Stargazers“ veredeln, geht es mit "Farewell" wieder tempogedrosselt auf die rechte Autobahnspur. Große Melodien, mehrstimmiger Gesang, balladeske Stimmung – it’s time to raise the lighter. Was die gut 3000 Fans auch tun, Gänsehaut pur. Mit "Shelter From The Rain" (Sammet, Kiske, Catley) geht es dann wieder auf die Überholspur, insbesondere die Kiske-Parts dieses klassischen Melo-Highspeedsters sorgen mal wieder für offene Münder im Publikum. Das ruhige und unspektakuläre "In Quest For" ist vor allen Dingen als Pause für Drummer Felix Bohnke gedacht, der angesichts der Umstände in der Turbinenhalle – immer heißer, immer weniger Sauerstoff – ohnehin schon fast Unmenschliches leistet. Wer aber denkt, dass sich der Liederreigen jetzt schon dem Ende zuneigt, sieht sich getäuscht: Das epische und verschachtelte "The Wicked Symphony" mit Bob Catley und den nach vorne wandernden Backgroundsängern Rettke, Hartmann und Somerville zeigt, dass hier noch lange nicht Schluss ist – und dass die Jungs und Mädels auf der Bühne trotz der Hitze immer noch reichlich Spaß haben. (LH)
 
Gleiches gilt für das ebenso unermüdliche Publikum, das den einzigen Top 10-Hit, den AVANTASIA je hatten (Tobi wird nicht müde, das zu betonen), nämlich "Lost in Space", inbrünstig mitsingt. Beim epischen Zehnminüter "Savior In The Clockwork", der das Highlight des aktuellen Albums darstellt, ist eher gucken, hören und staunen angesagt. Neben Ronnie Atkins ist nun auch wieder Eric Martin mit von der Partie, die beiden singen dann auch "Twisted Mind" mit Tobi, bevor der Midtemposmaher "Dying For An Angel" den ersten Schlusspunkt setzt. Schon jetzt ist klar, dass das Drei-Stunden-Versprechen kein leeres ist - viel mehr fragt man sich inzwischen, wie weit es drüber gehen wird. (ASZ)

AvantasiaWar’s das? Angesichts einer Spielzeit, die schon stramm auf die drei Stunden zugeht, hätte sich niemand beschweren können, wenn AVANTASIA Feierabend machen. Doch das Beste soll noch kommen: Mit den Zugaben "The Seven Angels" und "Avantasia" wird der Zuckerguss auf ein nahezu perfektes Konzert gespritzt. Obwohl der Band und den Sängern wirklich alles abverlangt wird, gibt es nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass irgendjemand aus dem Ensemble nicht einhundert Prozent geben würde. Inklusive des Publikums, dessen Mitsingfähigkeiten langsam, aber sicher "The Bard’s Song"-Dimensionen erreicht. Und selbst nach der Bandhymne ist noch nicht Schluss; wie bei einem Musical nimmt sich Tobias Sammet ausgiebig Zeit, sämtliche Musiker gewohnt humorvoll vorzustellen – angesichts der Tatsache, dass sich der sonst gerne einmal ausschweifend palavernde Frontmann diesmal in dieser Hinsicht sehr zurückhält, kann ihm das nun wirklich niemand übelnehmen. Ganz abgesehen davon, dass sich Sascha Paeth und Oliver Hartmann an der Gitarre, Miro Rodenberg an den Keyboards, Bassist Andre Neygenfind sowie insbesondere Felix Bohnke an den Drums – wie der Mann es ausgehalten hat, nahezu dreieinhalb Stunden durchzutrommeln… – wirklich jede Sekunde des Extra-Applaus verdient haben.

War’s das jetzt endgültig? Immer noch nicht – mit "Sign Of The Cross" geht der ultimative feuchte AVANTASIA-Traum  auch noch in Erfüllung; mit tatkräftiger Unterstützung aller Sänger ist die Singalong-Hymne nichts weniger als der perfekte Abschluss. Dreieinhalb Stunden feinster Hardrock-Bombast-Metal und eine extrem spielfreudige Band hinterlassen ein ebenso durchgeschwitztes Publikum, bei dem keine Wünsche mehr offen bleiben. Und selbst die stereotypen "Ihr seid das beste Publikum dieser Tour", "Mensch, also echt, so ein geiles Publikum hatten wir noch nie", "Auch wenn das abgedroschen klingt, aber Ihr seid das beste Publikum der ganzen Tour"-Sprüche waren eben keine Plattitüden, sondern durch und durch ernst gemeint, wie einige der Tour hinterherreisende Fans bestätigen: "Oberhausen war einfach der pure Wahnsinn." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. (LH)

Andreas Schulz (Info)

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