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Katatonia / Swallow The Sun / Long Distance Calling - Zeche Bochum - 03.04.2010
"New Night Over Europe" - Unter diesem Titel sind KATATONIA, die schwedischen Großmeister des düster-emotionalen Metals, im März und April diesen Jahres auf großer Europatournee. Mit im Gepäck haben sie dabei die finnischen Death Doom-Köpfe SWALLOW THE SUN sowie die Instrumental Prog Rocker von LONG DISTANCE CALLING. Am Ostersamstag machte dieses hochinteressante Package Station in der Zeche Bochum und angesichts der Konstellation von Wochenende und hochwertiger Musik war davon auszugehen, dass die altehrwürdige Location aus allen Nähten platzen würde, zumal auch die vorangegangenen Shows auf der Tour mehr als ordentliche Besucherzahlen vorweisen konnten. Zwar gab es an der Abendkasse noch Karten, doch letztendlich war die Kapazität von knapp 1.000 fast komplett genutzt, so dass es kuschelig eng und entsprechend warm in der Zeche wurde. Das Publikum war altersmäßig gut gemischt und neben vielen Metallern sah man auch so manchen mit Shirts von Bands aus dem alternativeren Rockbereich. Auffallend hoch war der Anteil an weiblichen Gästen.
Die Umstände kalkulierend erschien der Verfasser dieser Zeilen überpünktlich an der Location und traf um 17.40 Uhr auf gerade mal zehn weitere Gäste und einen leeren Parkplatz. Es sollte sich aber bald herausstellen, dass die frühzeitige Anreise so manchen Vorteil bot. So war nämlich auf den Eintrittskarten ein Beginn von 19.30 Uhr abgedruckt, während die Homepage von einer Anfangszeit von 19 Uhr sprach. Nun, Kenner der Szene werden wissen, was geschah. Wie in der Zeche leider fast schon üblich, ging das Konzert nämlich nochmal früher los. Nachdem der Einlass um 18.25 Uhr startete, hatte man kaum Zeit, sich in der Halle umzuschauen, denn um 18.40 Uhr, also 20 bis 50 Minuten früher als angekündigt, legten LONG DISTANCE CALLING schon los. Der Grund dafür ist so simpel, wie er dämlich ist: um 22 Uhr sollte nämlich Schluss sein, damit in der Zeche die übliche Teeniedisco ihre Pforten öffnen konnte. Ärgerliche und amateurhafte Angelegenheit, zumindest für diejenigen, die sich auf die falschen Angaben verlasen hatten und dementsprechend noch nicht in der Halle waren. Denn die verpassten so einiges. Mit einem spitzenmäßigen Sound legte die Band bei ihrem Fast-Heimspiel (Münster ist ja nicht so weit weg und dementsprechend fanden sich Familie und Freunde der Band ein und man plante, die Nacht in eigenen Betten statt im Bus zu verbringen) den Grundstein für einen tollen Abend. Der helle, klare Sound lies jedes Detail der Musik erkennen und mit Hingabe und Spielfreude bewies die Band, dass metallisch-progressiver Postrock keinen Gesang bracht, um zu gefallen. Mit soviel Bewegungsdrang, wie die abwechslungsreiche Musik es zu lies agierte die fünfköpfige Band und besonders Gitarrist Flo zeigte sich agil und ordentlich posend. Vier Songs wurden gespielt, von denen die Debütnummer "Fire In The Mountain" am meisten begeisterte. Mit "Black Paper Planes" wurde eröffnet, und das abschließende "Metulsky Curse Revisited" widmete man "den Eltern dieser unsagbar hässlichen Menschen hier auf der Bühne". Außerdem wurde noch "I Know You, Stanley Milgram!" gespielt und das Publikum spendete für eine Show mit viel musikalischem Gefühl und ordentlichem Drive mehr als nur Höflichkeitsapplaus und das völlig zurecht.
Die härteste Band in diesem Package waren ohne Zweifel SWALLOW THE SUN, die mit ihrem düsteren Sound irgendwo zwischen MY DYING BRIDE (nur nicht ganz so ausschweifend) und OPETH (nur nicht ganz so progressiv) insgesamt etwas weniger Zuspruch fanden, als LONG DISTANCE CALLING. Wer es allerdings härter, dunkler und verzweifelter mochte, kam bei Songs wie dem Opener "These Woods Breathe Evil", dem brutalen "Plague Of Butterflies" und dem nicht minder harten "These Hours Of Despair" aber voll auf seine Kosten. "Don't Fall Asleep (Horror Pt. 2)" und die beiden neuen Tracks "Sleepless Swans" und "New Moon" rundeten das Set ab, das mit "Swallow" sein Ende fand. Sänger Mikko Kotamäki wirkte mit seiner Kopfbedeckung zwar leicht deplatziert zwischen den oft wild bangenden Herren an den Saiteninstrumenten, überzeugte aber abwechselnd mit Klargesang und tiefem Gegrunze. Der Sound war auch hier ziemlich gut, im Vergleich aber wuchtiger und basslastiger. Nach gut 50 Minuten war dann Schluss für die Finnen, die zwar nicht unbedingt abgeräumt, aber mit grundsolider Musik und ansehnlicher Bühnenshow gut unterhalten haben.
20.45 Uhr zeigte die Uhr, als nach halbwegs schnellem Umbau KATATONIA unter frenetischem Jubel die Bühne betraten. Die Schweden zeigten sich an zwei Positionen runderneuert, da bekanntlich die Brüder Norrman die Band verlassen hatte. So war als zweiter Gitarrist Per "Sodomizer" Eriksson, der sonst bei BLODDBATH die Leadgitarre bedient, dabei, als Basser fungierte der weitestgehend unbekannte Kumpel Niklas "Nille" Sandin. Und dieses frische Blut machte sich sofort bemerkbar, denn im Gegensatz zu ihren eher statisch agierenden Vorgängern sorgten die beiden Aushilfen für ordentlich Bewegung auf der Bühne und hatten sichtbar Vergnügen an ihrem Treiben. Außerdem unterstützte Per die Band mit sehr guten Backing Vocals. Wesentlich ruhiger agierte Sänger Jonas P. Renkse, der sein Gesicht meist hinter einem Vorhang aus Haaren vergrub - und offensichtlich in den letzten Monaten ein paar Kilos zugelegt hatte. Aber er ließ sich auch so manche Ansage entlocken und bangte zu den härteren Passagen, viel wichtiger war allerdings seine hervorragende Gesangsleistung, sobald er sich nach den ersten drei Tracks warmgesungen hatte. Wie zu erwarten stieg die Band mit "Forsaker", dem Opener des aktuellen Albums "Night Is The New Day" in ihr Set ein, dass sich hauptsächlich auf Songs der letzten drei Alben konzentrierte. Mit "Liberation" ging es weiter, bevor der große Hit des Überalbums "The Great Cold Distance" erklang: "My Twin". Der erste Track von "Viva Emptiness" war "Complicity", außerdem kamen das eher ruhige "Omerta", das heftig bejubelte "Evidence" sowie das brachial-kalte "Ghost Of The Sun" zum Zuge. Fans der älteren Sachen freuten sich besonders über das obligatorische "Teargas" und das traurige "Saw You Drown", während wegen mir ruhig noch mehr Songs von "The Great Cold Distance" als "July" und "Leaders" als letzte Zugabe hätten kommen dürfen. Nichtsdestotrotz war es eine gelungene, aus 18 Tracks bestehende Setlist, in der das neue Album noch mit "Idle Blood", "Onward Into Battle" und "Day And Then The Shade" gewürdigt wurde, als erste Zugabe gab es nach etwas mehr als einer Stunde "Dispossession". Abgerundet wurde das alles mit einer stimmungsvollen, aber nicht unbedingt spektakulären Lightshow. Insgesamt bewiesen KATATONIA, dass sie zu den derzeit wichtigsten Bands im Bereich des dunkel-emotionalen Metals zählen und waren live weitaus besser in Form, als es mancher vielleicht erwartet hätte.
Abgesehen vom Ärgernis mit dem zu frühen Beginn also ein sehr, sehr schöner Konzertabend, der mit abwechslungsreicher Musik, großen Gefühlen und einem hervorragenden Sound kaum jemanden enttäuscht haben dürfte. Schade eigentlich nur, dass er so schnell schon wieder zuende war. Dafür konnte man sich aber für wenig Geld nette Souvenirs mitnehmen, denn Tourshirts für faire 15 € sind heutzutage ja schon fast eher Ausnahme, denn die Regel.