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Satyricon, Keep Of Kalessin und Insomnium - Garage/Saarbrücken - 13.10.2006

Wider Erwarten kann ich den Termin zu diesem Gig doch noch wahrnehmen. Die Spontanaktion lässt mich allerdings meine Kamera zu Hause vergessen, so dass es keine Bildimpressionen aus Saarbrücken gibt. Im Einzugsgebiet Christa Jenals und nach AntiFa-Hetze sowie der Sabotage der Tour von Impaled Nazarene hätten auch SATYRICON mit Komplikationen in Deutschland und an der Saar rechnen können; schließlich mussten sich bereits Moonspell vor etwa zehn Jahren der Drogenverherrlichung bezichtigen lassen, was die Out-Of-The-Dark-Festivals damals an derselben Stelle glücklicherweise nicht verhinderte. Der Medientrubel bleibt aber im aktuellen Fall gänzlich aus.

Angesichts des Wochenendtermins und der relativen Seltenheit vergleichbarer Events in Saarbrücken verwundert der nur mäßige Zuschauerandrang. Die Tickets sind gleichwohl nicht billig, aber für eine etablierte Metalband gewöhnlich. Eine solche sind Satyricon, was den Szene-Bodensatz aber nicht davon abhält, sich in Leibchen von Judas Iscariot, Nokturnal Mortum und ähnlichem Schmutz zu präsentieren. Die braune Prominenz der Region – auch aus dem französischen Grenzland - ist also vertreten, und es beunruhigt, wie unbekümmert Napalm-Death-Shirtträger mit diesen Gestalten gemeinsam auf ein Bier anstoßen. Weniger gleichgültig sind den Anwesenden wohl ihre Finanzen: bei Merchandisetpreisen bis zu 45 Euro für einen Kapuzenpullover verkneift man sich das Zücken des Portemonnaies. Jedenfalls sehe ich niemanden mit einem Schweißband oder Käppi des Hauptacts.

Vor dessen Erscheinen hat der Leibhaftige allerdings zwei gute Vorbands gesetzt, deren erstere ich nur kurz vom Bühnenrand aus beobachte. INSOMNIUM haben von der Seite aus gehört einen guten Sound und spielen ihren Melodic Death engagiert und vor höflich mitgehendem Publikum. Von Ausklinken kann während des Abends generell keine Rede sein; je extremer die Musik ist, desto beschaulicher geht es oftmals im Rund zu. Wohl sind INSOMNIUM aber die bang-tauglichste Band des Abends.

Während die Anheizer ihr Programm fortsetzen, unterhalte ich mich mit Steinar und Lars, die auf Tour für Satyricon Gitarre und Bass bedienen und eigentlich mit Spiral Architect allmählich ein neues Album aufnehmen sollten. Zunächst werden die Beiden aber mit ihrem Projekt System Obscure ein wenig Extremgeprügel zur Diskussion stellen. Herr Wongraven lässt sich nicht persönlich backstage blicken, so dass ein Nachhaken bezüglich der norwegischen Band Displin ausbleibt. Diese steht oder stand bei Satyrs Label Moonfog unter Vertrag und verlinkte eine Zeit lang ihre Website mit Vorliebe in Richtung rechts. Momentan ist sie offline, und Moonfogs Webpräsenz ist ebenfalls nicht gerade up to date, was das Thema betrifft...

Auf KEEP OF KALESSIN bin ich gespannt, da „Armada“ eines der besten schwarz eingefärbten Alben des laufenden Jahres ist – „Epic Extreme Metal“ meinen ihre Shirts zur Abgrenzung vom Genreursprung. Auch live bieten sie die Qualitäten, mit denen nur wenige Bands im großen Höllenkessel an der Oberfläche schwimmen: ihre Songs sind als solche erkennbar, und das trotz des nur mittelmäßigen Hallensounds. Das mir weniger vertraute ältere Material fällt im Vergleich zu den neuen Stücken nicht ab und empfiehlt sich somit zur Anschaffung, sollten nicht in erster Linie die neuen Mitglieder für diese Güte verantwortlich sein. Der Gesang ist variabel wie auf Platte, Bandkopf Gronbech wird hiernach als Zweitklampfer Satyricons ähnlich theatralisch posen, und sein Bassist propellert sich schwindlig. Dass das Quartett sein Gewitter nur mit einer Gitarre so kraftvoll inszeniert, ist auch ein Verdienst von Drummer Vyl. Der Jazz-Geschulte verweist nicht nur mit einem kurzen Solo manchen Klopfaspiranten in seine Schranken, sondern verdichtet alle Stücke der Band zu einem intensiven Wirbelsturm.

SATYRICON starten nach erträglicher Wartepause und pompösem Intro mit zwei Rückgriffen auf die Anfangszeit. Nachdem sie ihren Klassiker „The Shadowthrone“ bedacht haben, schwenkt die Stimmung allmählich vom distanziert Frostigen mit archetypischen Gesten um zu den neueren Tracks. Die Keyboarderin am Rand bangt nach anfänglichem Schwelgen in ihren sporadisch platzierten Klangteppichen nun bodenständig mit, und die Frontreihe trägt dezent leichenblass betüncht ohnehin den Kompromiss zischen Klischee und Angekommensein in der Black-Metal-Neuzeit zur Schau. Es ist zudem lange her, dass ich eine Extrem-Band gesehen habe, deren Sänger zwischen den Stücken das Publikum mit seiner normalen Stimme anspricht. Satyr schaut verkommen aus und stolziert bucklig über die Bretter, während er die Haare meist im Gesicht hängen hat und eher selten an seinem verzierten Mikrofonständer verharrt. Das verhilft der Gruppe zu einer agilen Show, welche die Fans – zumindest in den ersten Reihen – mit Headbanging quittieren. Bei „King“ sind erste Crowdsurfer zu verorten, und der Bandchef lobt das Publikum als dem vom Vortagsgig in Berlin überlegen. Seine Nahbarkeit wirkt zwar nicht anbiedernd, doch resultiert in längeren Pausen zwischen den Stücken, die dem gig vielleicht etwas seiner Dynamik nehmen. Der Mann lässt sich feiern, und seine Show ist dem Rock´n´Roll so nahe wie er selbst in seinem Musikgeschmack – siehe Turbonegro. Mitsing- und –klatschspiele tragen offensichtlich zum Erfolg des Gigs bei, während subtil die Angeheuerten und Schlagzeuger Frost das schwarze Schiff auf Kurs halten. Der hat laut Lars besonders mit den aktuellen Stücken oftmals seine Schwierigkeiten, weil er sein Spiel dafür arg reduzieren muss. Das tut er an diesem Abend erfolgreich. Neben dem unvermeidlichen „Mother North“ spielen SATYRICON noch ein vollständig neues Stück, das man erst an diesem Morgen einstudiert hat. Es orientiert sich am aktuellen Stil und gehört zur Kategorie der längeren Tracks, die Satyr jeweils ans Ende der beiden letzten Alben gesetzt hat. Dass auch die Songs der umstrittenen „Rebel Extravaganza“-Phase funktionieren, spricht für die Aufgeschlossenheit des Publikums. Schließlich überwiegen an diesem Abend wohl doch die Konsensmetaller gegenüber den mit Szene-Scheuklappen Bewehrten. Mit Slayers „Raining Blood“ als Cover-Zubrot kann man wiederum nichts falsch machen.

Mit dem Abstand eines Wochenendes betrachtet, war das Konzert gelungen und verlief so perfekt, wie es den heutigen Ansprüchen der Hauptband genügt: angenehm klirrfrei und auf die Musik konzentriert. Da mögen Ideologen murren – dem im medialen Kreuzfeuer stehenden Black Metal tut das aber als autoritäre Musikrichtung nur gut.

Andreas Schiffmann (Info)