Partner
Services
Statistiken
Wir
Sweden Rock Festival 2012 - Samstag - Sölvesborg - 09.06.2012
"Der Tag nach Twisted Sister!"
Man war sich einig nach dem Aufstehen und gemeinsamen Frühstücken: das diesjährige Sweden Rock verlangt dem Körper einiges ab. Darauf erst mal bei endlich wieder fantastischem Wetter ein Bier!
Musikalisch begann der Tag, mal wieder, mit der ersten Band der Running Order für mich. In der Bandbeschreibung auf der Sweden Rock Seite wurden die Einflüsse von THE GLORIA STORY mit KISS, THIN LIZZY und HELLACOPTERS beziffert.
Es ist immer schwer, wenn man die erste Band am letzten Festivaltag ist. THE GLORIA STORY hatten dazu noch direkt zu Beginn des ersten Songs einen kompletten Stromausfall auf der Bühne. Zum Glück dauerte dieser nur ca. 5 Minuten und der Sänger Filip Rapp überbrückte die Zeit geschickt mit ein paar Singspielchen und zertrümmerte einfach mal eine Gitarre. Ganz überzeugen konnte mich der Auftritt und die Musik der noch recht jungen Kombo aus Schweden dennoch nicht. Das mag an den kleinen technischen Querelen liegen, mit denen die Band während des gesamten Gigs zu kämpfen hatte. Eher aber noch damit, dass mich die rockige Mische á la Kiss & Co. zwar überzeugen konnte, weniger jedoch die Gesangsleistung. Frontmann Filip und Gitarrist Kid übernahmen abwechselnd das Mikro, mir waren beide Stimmen jedoch nicht prägnant genug, um wirklich zu überzeugen. Fazit: ganz nett, aber eher nichts für mich.
GIRLSCHOOL und HELL hatte ich beide auf dem eine Woche zuvor stattgefundenen Rock Hard Festival gesehen und bestenfalls für "ok" befunden, die brauchte ich nicht schon wieder. GIRLSCHOOL machen ohne Frage netten Rock´n Roll, mehr aber auch nicht und HELL fand ich komplett verzichtbar für mich. Einfach nicht meine musikalische Schiene. Nach einem letzten Abstecher ins Pressezelt, um Speicherkarten zu leeren und den Kamera-Akku wieder aufzuladen, leerte ich anschließend mein Schließfach und schleppte den ganzen Kram wieder zurück zum Zelt. Die Sonne hatte den Morgen über ganze Arbeit geleistet, damit man seine sieben Sachen nun relativ trocken schon mal zusammenpacken konnte für die Abreise nachts direkt nach dem Headliner. Nach diesem fiesen Zusammenfalten, -rollen und im Auto verstauen (man, wie ich das hasse; nächstes Jahr muss unbedingt ein Wohnmobil oder ähnliches her), hatte ich auf Hektik mal so gar keinen Bock. Daher ließ ich YEAR OF THE GOAT schweren Herzens ausfallen zugunsten eines in aller gebührenden Ruhe getrunkenen Bieres.
ORANGE GOBLIN hingegen um 16 Uhr auf der kleinen Zeppelin Stage gleich zu Beginn des Festivalgeländes waren zeitlich machbar und waren mir im Vorfeld von einigen Leuten ans Herz gelegt worden, die um mein Faible für Stoner Rock Mucke wussten.
Gute Entscheidung, wie sich rausstellte. Der mehr oder weniger auf der Rock Stage zeitgleich aufspielende Ex-Marillion Sänger FISH interessierte mich eh nicht so brennend (ich war schon immer eher Steve Hogarth Anhänger) und von BAD COMPANY würde ich nach ORANGE GOBLIN die letzte halbe Stunde sehen können.
Es war viel los vor der kleinen Zeppelin Stage bei ORANGE GOBLIN. Der sehr sympathisch rüber kommende Frontmann Ben Ward betonte, wie sehr sich die Band freue, nach 10 Jahren endlich mal wieder in Schweden auftreten zu dürfen. Insgesamt eine klasse Performance, viel Spielfreude, tolle Songs. Die Musik würde ich zwar als von Stoner Rock beeinflusst beschreiben, insgesamt klang das aber eingängiger, grooviger und straighter und war zugänglicher sowie schneller als der typische, schleppende Stoner Rock . Fazit: tolle Band mit exzellenten Songs, ein Gig, der mir sehr gut gefallen hat. Da brauche ich definitiv mehr von.
Direkt nach dem ORANGE GOBLIN Auftritt bin ich rüber gewandert zu BAD COMPANY, weil ich Paul Rogers mal live sehen wollte. Bad Company sind sicherlich auch so eine Band der früheren Rock-Stunde, gegründet in den 70ern, die es nicht oft auf einem Festival zu sehen gibt. Ohne Frage ist Paul Rogers einer der besten Sänger, die es gibt und ich genoss noch die Zugaben "Bad Company" und "Ready For Love".
Weder SLAUGHTER noch SYMPHONY X gehören zu den Bands, die ich unbedingt sehen wollte und so zog ich direkt im Anschluss los, um die vier schwedischen Ladies von CRUCIFIED BARBARA mir anzuschauen auf der Rockklassiker Stage. Welcher Vollhonk hat denn gedacht, dass man die Damen auf die Rockklassiker Stage verlegen könne, nachdem CB bereits 2006 den Platz vor der Sweden Stage voll bekommen haben? Es war erwartungsgemäß voll, sehr voll, man verteilte sich sogar in die Gänge bei den Fressbuden weiter hinten. Die Damen rund um die dunkelhaarige Frontfrau Mia sind professioneller geworden, ohne Frage. Ich hatte sie nun eine Weile nicht mehr live gesehen, habe nur das Debutalbum "In Distortion We Trust" im Schrank und war dementsprechend gespannt auf die Live-Qualitäten der Songs aus dem letzten Album "Till Death Do Us Party" und dem ganz neuen Album "Midnight Chase". Und musste erstaunt feststellen, dass die Songs des neuen und des Albums davor mächtig Arsch treten. Sie haben ihren Stil nicht aufgegeben, es ist immer noch derbe rockender Metal, nur weiterentwickelt. Die neuen Songs werden ebenso gefeiert wie die alten Klassiker "Play Me Hard", "Rock´n Roll Bachelor", "Losing The Game" oder "In Distortion We Trust". Fazit: völlige Bühnen-Fehlbesetzung, CRUCIFIED BARBARA gehören längst nicht mehr auf die kleinste der fünf Bühnen. Die Songs sind derber Rock´n Roll, die Mädels haben es immer noch drauf! Prima!
Danach nochmal eine kurze Pause zum Essen fassen und die Füße am Campingplatz ausruhen (ja, ich habe mir LYNRYD SKYNRYD somit nicht angesehen, nur gehört), bevor wieder die Entscheidungfrage anstand: SLADE oder KING DIAMOND? Ich entschied mich dafür, bei der Sweden Stage und SLADE anzufangen und dann auf dem Weg zur Festival Stage noch ein Auge auf den KING zu riskieren.
Die Herren von SLADE sind wirklich Frohnaturen vor dem Herrn, meine Güte. Ich hätte schon glücklich abdampfen können, nachdem sie "Far Far Away" als dritten oder vierten Songs spielten, bin aber noch einige Songs geblieben. Besonders der kleine, energiegeladene Gitarrist Dave Hill und sein Bass-Konterpart auf der anderen Bühnenseite, der eher großgewachsene John Berry, ergeben ein in Glitzerhosen verpacktes kongeniales Duo auf der Bühne ab. Fazit: hoher Spaß- und Partyfaktor, klasse Band fürs Sweden Rock.
Auf dem Weg zur Hauptbühne erhasche ich noch einen Blick auf die fantastische Bühnendeko von KING DIAMOND, dessen Auftritt ich mir ohne Frage komplett angesehen hätte, wenn ich mit der Stimmlage besser klar kommen würde. Das ist so eine Band, die ich total gerne unfassbar geil finden möchte, wenn nicht diese typisch hohe, einzigartige KING DIAMOND Stimme wäre. Ich bin mir sicher, es war für KING Fans ein einzigartiges Erlebnis, zumal sich die Songs wirklich extrem gut gesungen anhörten. Die Bühne war in fortwährend düster-blaues Licht und eine Menge Nebel getaucht. Auf der Bühne war nochmal eine von zwei Treppen flankierte Empore aufgebaut, wirklich beeindruckend. Michael Poulsen, den Sänger von VOLBEAT, habe ich als Gast auf der Bühne entdeckt. Mikkey Dee von MOTÖHEAD soll auch da gewesen sein, wurde mir gesagt.
Ich versammelte mich mit nahezu allen Ballroom Crew Campleuten vor der Hauptbühne und wir blieben im vorderen rechten Drittel etwa in Höhe des Bühnenausläufers auf einer kleinen Bodenanhöhe stehen. Denn nun kann der Samstags-Headliner. MÖTLEY CRÜE waren nach 2005 zum zweiten Mal der Sweden Rock Festival Headliner und ich habe den Gig von 2005 in allerbester Erinnerung, als ca. 30.000 Leute eine einzige große Party feierten. Um es vorweg zu nehmen: leider konnte MÖTLEY CRÜE das dieses Jahr nicht wiederholen in meinen Augen. 2005 war die Bühne und die Show passend zur darauf erscheinenden DVD zirkusartig aufgezogen. Dieses Jahr dominierte die abenteuerliche Mikrokonstruktion von Nikki Sixx (sein Mikro hin an einer wuchtigen Stahlstabkonstruktion von der Decke) sowie der Drum-Rollercoaster von Tommy Lee, welchen die CRÜE schon bei den Vegas Shows zu Beginn des Jahres sowie auf den anderen Tour Dates dieses Jahr dabei hatte. Das Drumkit ist dabei fest in einen riesigen Stahlkreis eingebaut und erlaubt es Tommy Lee innerhalb dieses Kreises mit seinem Drumkit 360°-Kreise zu drehen – während er spielt, wohlgemerkt.
Die Band startete mit "Wild Side" und "Life Wire" ins Set. Es gab keine größeren Songüberraschungen, das war das altbewährte MÖTLEY CRÜE Hit-Paket, was aber auch völlig in Ordnung ging. Nichts anderes wollen die Leute auf einem Festival hören. Allerdings brauchte ich wirklich ungefähr ein Drittel des Gigs Zeit, um mich von meinem inneren Schockzustand zu erholen: zum einen sah Mick Mars nicht nur (absichtlich) gruselig aus, der Mann bewegt sich krankheitsbedingt halt mittlerweile auch so langsam und vornübergebeugt, dass mich der Anblick schon ein klein wenig entsetzte. Da frage ich mich halt wirklich, wie lange er das noch physisch alles mitmachen kann. Spielerisch gab es nichts zu meckern, der Mann ist nach wie vor ein super Gitarrist. Zum anderen war ich alles andere als erfreut über die (sorry, aber ich muss das so drastisch ausdrücken) miese Gesangsleistung von Vince Neil. Schon klar, der Gute konnte noch nie perfekt singen, aber ich erwarte verdammt noch mal korrekte Einsätze bei einer Band wie MÖTLEY CRÜE. Er klang ungefähr die Hälfte des Auftrittes, als ob er Mickey Mouse noch fix vor dem Abflug über den großen Teich verschluckt hätte, setzte entweder zu früh oder zu spät mit dem Gesang ein. Im Laufe des Gigs wurde das endlich besser, "Home Sweet Home" war sogar erstaunlich ok. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das sonst bis zum Ende hin hätte anhören können. Highlight des gesamten Gigs war in der Tat die wirklich beeindruckende Lichtshow inklusive Riesenprojektionswand hinter dem Drumkit. Und besonders natürlich das Drum-Solo von Tommy Lee, als er zu relativ progressiv-elektroartigen Klängen sein Solo im sich durch den Rollercoaster routierenden Drumkit teilweise kopfüber spielte! Natürlich ließ er es sich nicht nehmen, sich für eine weitere Zusatzrunde ein Mädel aus dem Publikum zu fischen und es auf den fix dazu montierten zweiten Sitz hinter sich zu setzen.
Versteht mich nicht falsch, ich fand die Show an sich wirklich gut, Songs wie "Looks That Kill", "Smoking In The Boys Room" oder auch "Dr. Feelgood" sind mitreißende Partykracher nach wie vor. Die beiden leichtbekleideten Showmädels fungierten gleichzeitig als Background-Sängerinnen, was auch stellenweise nicht verkehrt war. Die Band hatte nur einen eher suboptimalen Sound und ich fand das Publikum an unserer Stelle wirklich mega-lahm! Würde mich mal interessieren wie es an anderen Stellen auf dem Platz aussah, aber wenn man von unserer Seite rechts von der Bühne ausging, das war das echt schwach diesmal.
MÖTLEY CRÜE sind mehr denn je eine gut eingeölte Show-Maschine. Nikki Sixx machte auch genügend Meter über die Bühne und selbst Vince Neil war permanent von der einen zur anderen Bühnenseite unterwegs. Das kann prima funktionieren, wenn die Menge mitfeiert und der Herr Neil sich endlich mal angewöhnt, sich warm zu singen. Ich mag da zu kritisch sein, vielleicht, aber den Gig von 2005 haben sie bei mir dieses Jahr nicht toppen können, leider.
Fazit: Show fett, Vince Neil hätte von mir für die erste Gighälfte definitiv kein Foto für die nächste Runde bekommen, da taten einem die ansonsten echt gut spielenden anderen Bandmitglieder fast schon ein wenig leid. Sound leider eher so mittelmäßig, das Publikum an unsere Stelle leider auch.
Das war´s auch schon mit meinem diesjährigen Bericht von fast ausverkauften Sweden Rock Festival 2012 – es war trotz einiger Wettereskapaden mal wieder rundum toll.
Bandhighlights unter den Headlinern waren dieses Jahr definitiv TWISTED SISTER, dicht gefolgt von SEBASTIAN BACH und danach kommt MÖTLEY CRÜE (für die Show, nicht für den Gesang). SOUNDGARDEN haben mich als Headliner leider am wenigsten mitreißen können. Ansonsten waren STEEL PANTHER, AMORPHIS und ORANGE GOBLIN für mich noch ganz weit vorne.
Positiv zu vermerken sind die Orga-Verbesserungen auf dem Presse/VIP/Staff Camping sowie die Versetzung der Rockklassiker Stage an eine andere Stelle. Allerdings bedarf das noch weiterer Verbesserungen, weil ansonsten nämlich der Sound von der Rock Stage den Bands auf der Rockklassiker Stage die Show stiehlt: Soundüberlagerungen waren da leider an den meisten Stellen vor der kleinen Bühne üblich, nicht schön.
Preise und Tickets: wir brauchen da gar nicht zu diskutieren – dieses Festival ist reichlich teuer nach wie vor, man muss es wirklich als Urlaub innerlich verbuchen. Hoffen wir, dass der Ticketpreis nicht noch höher geht, alleine der Preis für das Extra-Bändchen auf dem größten Campingplatz ist auf sagenhafte 450 SEK (ca. 50 Euro) gestiegen. Schon klar, dass diese Preise eher von den Grundbesitzern gemacht werden, die ihre Flächen alljährlich für das Festival zur Verfügung stellen. Gefühlt war es dieses Jahr relativ voll, was möglicherweise an erhöhten Tagesticketverkäufen lag? Zumindest am Mittwoch, der ja mit einer limitierten Ticketanzahl in den Verkauf geht, war das Gelände um die bereits offenen Bühnen extrem gut gefüllt.
Security, Fressbudenmitarbeiter und alle Helfer und Organisatoren waren wie immer begnadet nett und hilfsbereit, die hatten immer ein nettes Wort übrig, das ist jedes Jahr wirklich ein fettes Lob wert. Auch die Orga selber kann sich wirklich sehen lassen, die Stage Crews machen einen exzellenten Job, soweit man das mitbekommt. Nur die Soundmischer dürfen sich da für nächstes Jahr nochmal die Gehörgänge putzen. Die Zeppelin Stage hatte gefühlt wie immer den besten Sound, was man von den beiden Hauptbühnen nicht immer behaupten konnte.
Das Gelände selber ist einmalig, ich kenne kein Festival, wo es sich bei halbwegs schönem Wetter so toll aufhalten lässt durch die Bäume und kleinen Anhöhen. Auch die Besucher sind eine friedliche Mischung von Festivalgängern, man sieht immer wieder Familien mit Kids auf dem Gelände. Die Verlagerung des Pressezeltes war sicherlich notwendig, allerdings hatte man nun die Wahl zwischen Pest und Cholera bei den Eingängen: geht man außen rum auf dem Weg an der Straße, dann musste man sich unter Umständen auf dem Weg zum Pressezelt erst durch die Menge vor der Festival Stage kämpfen. Ging man durch den Haupteingang am Metal Markt, war man im schlimmsten Falle eine halbe Stunde mit allen anderen in der Warteschlange. Für Presse- und Fotoleute ist sowas eher ungünstig, wie wäre es mit einem Extra-Durchlass für Presse- und VIP-Menschen an dieser Stelle zukünftig?
Es ist nach wie vor ein tolles Festival mit einer unfassbar breit aufgestellten Bandauswahl, wie ich sie noch nirgendwo in ähnlicher Mischung bisher gefunden habe. Von 39 im Vorfeld gelb getextmarkerten Bands auf der Running Order habe ich letztendlich doch mal wieder 24 ganz oder teilweise gesehen.
Ich freu mich wirklich jedes Jahr aufs Neue auf das Sweden Rock, mal sehen ob das nächstes Jahr endlich mal klappt und mit einem Urlaub danach verbunden werden kann an der Südküste Schwedens.
Wir sehen uns nächstes Jahr, Sweden Rock!
Melanie Benthin