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Sweden Rock Festival 2012 - Freitag - Sölvesborg - 08.06.2012
"Der Tag nach Bach!"
Der Freitag begann regnerisch, es hatte die ganze Nacht über leicht geregnet und es sollte an diesem Tag auch wenige Gelegenheiten geben, mal den blauen Himmel zu sehen. An diesem Tag kamen auch durchgehend meine Handschuhe, ein warmes Longsleeve und die Stulpen zum Einsatz. Einfach fieses, nasskaltes Wetter, sowas sollte echt verboten werden auf Festivals.
Ich pilgerte trotzdem gegen Mittag los, um mir AMORPHIS anzusehen. Keine Ahnung, warum sie diesen superfrühen Slot um 12.15 auf der Sweden Stage bekommen haben, wahrscheinlich ging es nicht anders organisatorisch von Seiten der Band oder aber der Festivalorga. AMORPHIS hätten jedenfalls auch locker einen Co-Headliner-Slot verdient, so arschtight, wie die Band spielt. Leider verpasste ich den Anfang, weil wir auf dem Zeltplatz von GODA GRANNAR aufgehalten wurden, die dort mit abenteuerlichen Unplugged-Instrumenten Songs zum Besten gaben. Besonders die mit einem Küchentuch abgedämpfte riesige Bauchtrommel hatte es mir angetan. Die schon etwas älteren Herren sangen mit Hilfe eines kleinen, recht schreddrig aussehenden Verstärkers Songs von AC/DC und andere Lieder. Man sagte mir, das sei normal, sie würden das immer machen. Eine sehr schöne, fröhliche Einstimmung auf den Festivaltag war es allemal.
Und so kam es, dass ich die ersten Songs von AMORPHIS verpasst habe. Angekommen vor der Sweden Stage, vor der eine Riesenfangemeinde bereits die Band bejubelte, stellte ich fest, dass AMORPHIS das fast Unmögliche schafften, nämlich mich mit ihrer Präsenz und Intensität auf der Bühne in eine Art magischen Bann zu ziehen. Das muss man mittags um kurz nach 12 auf einem Festival erst mal schaffen, zumal leichter Nieselregen irgendwann einsetzte. Sänger Tomi Joutsen, mittlerweile seit 7 Jahren Frontmann von AMORPHIS, ist unverkennbar das Aushängeschild der Band. Mit seinen teils wadenlangen Dreads und dem einzigartigen Mikro (es hat zwei seitliche Griffe und einen Griff unterhalb des Mikrophons) war er auch kaum zu übersehen. Die Band nahm die Festivalbesucher scheinbar mühelos mit in ihre Welt von abwechselndem Growl- und hymnischem Cleangesang, unterlegt von unvergleichbaren, melodischen Riffteppichen, die den Sound von Amorphis so sehr geprägt haben. Ich stieg bei "You I Need" vom aktuellen Album "The Beginning Of Times" ein, und ließ mich mit allen anderen in der Menge durch die AMORPHIS-Welt tragen: "On Rich and Poor" vom 96er Album "Elegy", "Sampo" vom vorletzten Album "Skyforger", das noch sehr Death Metal-lastige "Vulgar Necrolatry" vom allerersten Album, "In The Beginning" vom zweiten Album und das unfassbar hymnische "Sky Is Mine" vom "Skyforger" Album trugen einen durch eine wilde AMORPHIS-Zeitreise, die dann schließlich mit dem Mitsing-Hit "House Of Sleep" vom "Eclipse"-Album wunderbar beendet wurde. Fazit: magischer Mittags-Gig bei Nieselregen, man bedauerte am Ende fast, dass man aus dieser Welt aus Melodie, Schwere, Melancholie und schöner Traurigkeit wieder herausgerissen wurde.
Mein Plan war, nach einer erneuten Stunde im Pressezelt (ihr wisst schon, das übliche Prozedere: Speicherkarten leeren, kurz die Welt informieren dass man noch lebt etc.) mir MICHAEL SCHENKER´S TEMPLE OF ROCK auf der Rock Stage anzusehen, aber nachdem ein wahrer Platzregen ungefähr zu Beginn des Auftrittes alle sich im Freien aufhaltenden Festivalbesucher überraschte, war ich froh über die dicke Zeltplane des Pressezeltes über meinem Kopf und beschloss, schon mal den Bericht ein wenig anzufangen. Nachdem das Wetter sich auf stetigem Nieselregen-Niveau eingependelt hatte, wagte ich mich nach draußen, fand Herrn Schenkers Musik aber nicht im Ansatz spannend genug, um mich im Regen vor der Bühne zu fesseln und wanderte wieder zurück zum Zeltplatz, um mir vor Blue Öyster Cult noch schnell ein Kännchen Cider zu trinken und mir noch wärmere Sachen anzuziehen.
Das Sweden Rock Festival besticht jedes Jahr wieder durch seine einzigartige Mischung aus aktuellen und auch älteren Bands sowie einer unfassbaren Bandbreite an Musikstilen, die während dieser 3 ½ Tage zugegen sind. BLUE ÖYSTER CULT ist eine dieser Dinosaurier-Bands, die man nun nicht unbedingt auf einem normalen Rock- oder Metalfestival im Billing heutzutage erwartet. Umso mehr freute ich mich im Vorfeld über diese Bestätigung, zumal sie 2008 auch schon auf dem SRF gespielt haben. Trotz des mittlerweile konstanten Regens hatte sich eine kleine, treue Fanschar vor der großen Festival Stage eingefunden. Auch wenn sie vor der Hauptbühne ein wenig verloren wirkte. Ich stellte mich bei einem der Fressbudenstände am Rand unter und grub mich und die Fototasche in meinen Regenponcho ein. BLUE ÖYSTER CULT hatten es natürlich nicht ganz so leicht: Regen, es war weniger los als so eine Band es verdient hätte, dazu gefühlte 6 Songs gespielt, da jeder Song episch lang war. Der leicht psychedelische Rock lädt nun auch nicht gerade zum wilden Mittanzen ein, dennoch ließ ich mir den Auftritt nicht entgehen. So oft spielt BÖC, deren letztes Album über 10 Jahre zurück liegt, nun auch nicht mehr auf europäischem Grund. Ich war auch zufrieden, als ich zum Schluss des Sets das ellenlange "Godzilla" sowie einen meiner all-time-fave-Songs, nämlich "Don´t Fear The Reaper", noch geboten bekam. Fazit: nicht jedermanns Musik, der Regen erschwerte es zusätzlich, ich fand es trotzdem gut.
Danach war ich gespannt, wie sich UGLY KID JOE auf der etwas kleineren Sweden Stage machen würden. Die Kalifornier waren in den 90ern weltbekannt durch ihre Debut EP "As Ugly As They Wanna Be" und die darauf enthaltende Single "Everything About You". Mit dem Album "America´s Least Wanted" gelang ihnen Mitte der 90er endgültig der internationale Durchbruch. Mit einer Mischung aus straightem Rock mit Funk- und Rap-Anleihen waren sie damals der Kontrapunkt zur auslaufenden Grunge-Welle. UGLY KID JOE konnten ihren Welterfolg mit den beiden darauf folgenden Alben nicht halten und lösten sich schließlich Anfang 1997 auf. Frontmann Whitfield Crane wirkte schon damals bei diversen Projekten mit. Unter anderem dürfte jedem, der in den 90ern aufgewachsen ist, seine Beteiligung am OST zum Film "Airheads" nicht entgangen sein, der Soundtrack enthielt den MOTÖRHEAD Song "Born To Raise Hell" feat. Whitfield Crane und Ice-T. Die Reunion von UGLY KID JOE fand 2010 statt, eine 6-Song-EP ist dieses Jahr erschienen. Zwei Sachen fielen mir auf, als ich mir auf Höhe des Soundturms den UGLY KID JOE Auftritt anguckte: Whit Crane scheint irgendwie nicht wirklich gealtert zu sein und hat immer noch eine verdammt gute Rockröhre. Zudem hat er nach wie vor eine große Präsenz auf der Bühne, funktionierte sich eine Monitorbox auch schon mal zum Hocker um, um darauf im Schneidersitz Platz zu nehmen und einen Song zu singen. Eine recht große neugierige Menge hatte sich vor der Sweden Stage versammelt und wurde direkt mal 15 bis 20 Jahre in die Vergangenheit gebeamt: Klamottentechnisch waren die Jungs auf jeden Fall auch noch nicht viel weiter als Mitte der 90er. Whitfield Crane hat immer noch diesen sympathischen, jugendlichen Charme, den er auch einzusetzen weiß. Erwartungsgemäß ging das Publikum natürlich bei den alten Krachern wie "Neighbor", dem wirklich gut gesungenen "Cats In The Cradle" und dem Abschluss-Song "Everything About You" so richtig ab. Der Rest der Songs wurde wohlwollend beklatscht. Mir persönlich gefallen die Stücke der neuen EP richtig gut, "You Make Me Sick" und "I´m Allright" rocken und machen Lust auf mehr. Nach einer guten Stunde Spielzeit war aber schon Schluss, obwohl man noch ca. 20 Minuten locker hätte zocken können. Fazit: die Band hat Spaß gemacht, auch wenn die Stimmung bei den nicht ganz so bekannten Songs eher verhalten war, wurde die Band dennoch gut aufgenommen.
Danach hatte ich ein wenig Zeit, ich kann mir einfach THE DARKNESS nicht geben, weil ich die Stimme von Justin Hawkins schlicht unerträglich finde. Sie haben bestimmt eine gute Show geliefert, aber mir reichte es völlig, das Gequäke auf dem Zeltplatz zu hören bei einem Bier und mich dann mit einem Nahrungsaufnahme-Zwischenstopp Richtung Rock Stage zu bewegen, wo MOTÖRHEAD mit klassischem Bomber-Bühnenset gleich auftreten sollten. Normalerweise ist meine Devise "1x pro Jahr MOTÖRHEAD geht immer", denn wie wir alle wissen, ist Lemmy Gott und da kann man schon ab und an seine Aufwartung mal machen. Der Platz vor der Rock Stage, die der in etwa gleich großen Festival Stage auf dem Hauptplatz gegenüber liegt, war brechend voll. Ich gab es sofort auf, mich in eine gute Fotoposition nach vorne zu schlängeln durch die Massen. Leider musste ich nach dem zweiten oder dritten Song feststellen, dass ich überraschenderweise überhaupt nichts von dem Gig hielt, da konnte Lemmy einen Rock´n Roll Hit nach dem nächsten abfeuern. Hinterher hörte ich sogar die Vermutung, dass Lemmy hackendicht gewesen sei. Keine Ahnung, mir reichte es auf jeden Fall nach dem 3. Song, der Platz war mir zu voll, ich prügelte mich mühsam zur Seite hin raus und beschloss, auf jeden Fall auf der Rockklassiker Bühne die deutschen FIDDLER´S GREEN noch für einige Zeit mir anzusehen. Und die machten richtig Laune mit ihrem punkig angehauchten Folk-Rock. Der Platz vor der Bühne war fast zu klein für die Menge an Leuten, alle sangen und tanzten mit, was das Zeug hielt. Sympathische Band mit Spielfreude. Leider hat die neue Position der Rockklassiker Bühne einen Nachteil: je nachdem, wo man steht, bekommt man im rechten Ohr den Sound der Rock Stage mehr als deutlich mit. Ich suchte mir eine Position recht weit hinten, die den Parallelsound der Rock Stage durch im (Sound-) Weg stehenden Trailer und Buden nicht zuließ und blieb bis zum Schluss angetan von der Spielfreude des deutschen Sextets - ihr eingängiger und mitreißender Irish Speedfolk, wie sie es selber nennen, machte Laune und die Zuschauer wussten das durch eine Menge Beifall auch zu würden. Fazit: mehr davon!
Im Laufe des Abends hatte es endlich aufgehört zu regnen, ich war dennoch um kurz nach 23 Uhr schon relativ fertig vom Tag, wollte mir TWISTED SISTER aber auf jeden Fall noch zum Großteil angucken. Ich sicherte mir im vorderen rechten Drittel der Festival Stage eine okaye Fotoposition und wartete eine gute halbe, mir endlos vorkommende, Stunde auf den Beginn um 23.30 Uhr. Müde und durchgefroren erwartete ich erst mal wenig bis nichts, TWISTED SISTER fehlte mir bisher in meiner Live-Liste. Zu den Klängen von AC/DCs "It´s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock´n Roll)" tanzte und sang sich jeder schon mal in Stimmung. Der Auftritt startete, Dee Snider kam auf die Bühne gefegt in einem für ihn recht moderaten Bühnenoutfit und die Band legte mit "What You Don´t Know (Sure Can Hurt You)" los. Im Laufe der ersten paar Songs gelang es TWISTED SISTER und allen voran dem glänzend aufgelegten Dee Snider, wirklich jeden zu begeistern. Musikalisch einwandfrei, sympathische Ansagen, kleine Frotzeleien unter den Musikern, irgendwann hatten TWISTED SISTER die Sweden Rock Fangemeinde in der Tasche. An Weggehen war irgendwann nicht mehr zu denken, man feierte mit, rockte mit, tanzte sich nach einem langen, regnerischen Tag zu den Klängen von "Wake Up (The Sleeping Giant)", "I Believe In Rock´n Roll" und "You Can´t Stop Rock´n Roll" wieder warm. Spätestens bei "We´re Not Gonna Take It" gröhlte nun wirklich jeder mit, die Band hatte ja nun auch ein Riesen-Potpourri an Partyhits mit im Gepäck, die einfach Spaß machten. Kurze Verschnaufpause beim klasse gesungenen "The Price", bevor es bei "Burn In Hell" wieder heiß wurde: Etliche Pyroflammen im hinteren Bühnenteil untermalten den TWISTED SISTER-Klassiker optisch, zusätzlich wurde der Song um ein netterweise nicht überlanges Drum-Solo noch unterteilt. Dee Snider kroch zum Bühnenausläufer, an dessen Ende ein einzelner roter Lichtspot sein Gesicht von unten anleuchtete. Mit dem lauthals von allen mitgesungenen "I Wanna Rock" ging der Freitags-Headliner-Auftritt zu Ende. Lautstarke Zugabenrufe wurden natürlich erhört: mit "It´s Only Rock´n Roll (But I Like It)", "Come Out And Play" und "S.M.F.” wurden nochmal die letzten Kräfte mobilisiert und die Band beendete unter dem verdienten Jubel und Applaus den völlig gelungenen Headliner-Gig. Fazit: bester Bandauftritt 2012 für mich, spielfreudig, erstaunlich sympathisch, agil, mitreißend, völlig würdiger Headliner! Schlicht großartig, da waren sich auch nachher alle auf dem Campingplatz einig. Den Auftritt hätte ich gerne als Headliner am Samstag zum Abschluss des Festivals gesehen!
Melanie Benthin