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Joachim Witt: DOM (Review)

Artist:

Joachim Witt

Joachim Witt: DOM
Album:

DOM

Medium: CD
Stil:

Düsterschlager

Label: Sony Music
Spieldauer: 47:18
Erschienen: 28.09.2012
Website: [Link]

Was der Graf von UNHEILIG kann, kann eine gestandene Ikone der deutschen Musik doch schon lange, oder? Oder ist es übertrieben, JOACHIM WITT den Ikonenstatus ans Revers zu heften? Sicher, über "Goldener Reiter" muss man nicht diskutieren, das ist ein und bleibt ein Klassiker der NDW. Ein paar weitere Hits hatte er in den 80ern noch, danach und für zehn Jahre verschwand der von der Bildfläche. Dann kam "Die Flut" - eine gute Nummer und nicht unberechtigt ein Hit. Doch das Aufspringen auf den Neue Deutsche Härte-Zug in den 90ern war einerseits nicht glaubhaft, andererseits nicht dauerhaft von Erfolg gekrönt. Also wird auf "DOM" (so die offizielle Schreibweise) eine Kurskorrektur vorgenommen, hin zum leicht angedüsterten, schlagerhaften Poprock, mit dem UNHEILIG inzwischen Stadien füllen. Über die Glaubhaftigkeit soll sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

"Gloria" ist der Titel des ersten Stückes auf "DOM", das auch als Single ausgekoppelt wurde und zunächst auf einem irrelevanten Platz 74 in den deutschen Singlecharts debütierte. Da kommt das Skandälchen um das Video zu diesem Song ja alles andere als ungelegen, denn gemäß dem Motto "any promotion is good promotion" ist JOACHIM WITT gerade in aller Munde und in jeder Zeitung. Die Indizierung des Clips, der unter anderem vergewaltigende Soldaten in einem Kriegsgebiet zeigt, ist beantragt, die Musik indes ist der Aufregung nicht wert. Mit brüchiger Stimme singt Witt von Engeln, die Lieder singen, von verlorenem Lächeln und vom Himmel der zum Greifen nah war, eine Engelsstimme intoniert dazu "Gloria, Gloria" - vielleicht hätte man den Song zur Weihnachtszeit veröffentlichen sollen, da wäre ihm vielleicht mehr Erfolg beschieden. Als Opener eines Album ist die träge Popnummer dagegen reichlich ungeeignet.

Klaviertöne eröffnen "Jetzt geh", das danach wesentlich flotter erklingt. Flott heißt in diesem Zusammenhang, dass ein Discofox-Rhythmus zum Tanz im Fernsehgarten oder der Schlagerhalle der Großraumdisco einlädt. Für die Après-Ski-Party oder den Ballermann ist der Song vielleicht nicht niveaulos genug, aber mit Jürgen Drews wollen wir JOACHIM WITT ja nicht auf eine Stufe stellen. "Tränen" heißt der nächste Song, eine wiederum ruhige Nummer mit Akustikgitarren und Streichern. Jetzt werden textlich und musikalisch also Kitsch und Pathos ausgegossen - und das gar nicht mal so ungeschickt. Trennungstext, Musik und brüchige Stimme sind hier stimmig zu einer netten Nummer zusammengeführt worden, die gefällt, sofern man mit dieser Art von romantischem Kitsch etwas anfangen kann. Auf die "Tränen" muss natürlich das "Blut" folgen - warum gibt es keinen Song mit dem Titel "Schweiß"? Stakkatostreicher im Refrain und reichlich quäkender Frauengesang im Refrain sind die Hauptmerkmale einer ansonsten belanglosen Düsterpopnummer mit einem Schuss Dramatik.

Auf der Suche nach sich selbst ist Witt im "Königreich" - sollte man mit 63 Jahren da nicht schon fündig geworden sein? Das Schema des Songs ist bekannt, ruhige Strophe mit mehr Elektronik, verzerrte Gitarren im rockigeren Refrain, der uns sagt, dass wir mit voller Kraft auf etwas Neues zusteuern und dabei die Leere der Worthülsen demonstriert, die Witt immer wieder verwendet. Große Worte, die wenig aussagen, aber eine vage Hoffnung davon vermitteln sollen, dass die Zukunft nicht nur schlecht sein wird. Durchhalteparolen für die Massen. Ein musikalisches "Beben" ist der gleichnamige Song keineswegs, mal wieder plätschert ein Lied einfach so dahin. Im Refrain nervt erneuert der Engel von "Gloria" und "Blut". Und bei den "Immer wenn es..."-Zeilenanfängen denkt man irgendwie an eine gewisse Anna, geschrieben "A-N-N-A". Die Gefahr einzuschlafen ist inzwischen deutlich höher als der Fremdschämfaktor.

Endspurt, noch vier Songs. "Licht im Ozean" erinnert im Refrain an SUBWAY TO SALLY, zumindest was die Melodieführung in Witts ungewohnt hohem Gesang angeht. Ansonsten ist der Song genauso glattgebügelt, wie der Rest. Ein Sound ohne Ecken und Kanten, der sich bestens dazu eignet, Trailer bei RTL2 zu untermalen. Total rastlos und von der Welt aufgegeben fühlt sich der arme Joachim und skandiert laut "Komm nie wieder zurück" zu lustig blubbernden Synthies. Der einzige musikalisch spannende Track ist "Leichtsinn" mit seinem Tangorhythmus - allerdings zuckt man beim Refrains mit seinen laaaaaanggezogenen Gesangslinien zusammen. Nein, als Tenor sollte sich Herr Witt nun wirklich nicht versuchen. "Untergehen" ist der letzte Song, dramatische Streicher, Akustikgitarren, sein Gesang gepaart im Duett mit der Engelsstimme - großer Pathos, wie immer ohne Gehalt.

FAZIT: Auf den Siegeszug des Düsterschlagers aufspringend, ist "DOM" ein spießiges Album, das in erster Linie belanglos und gar nicht mal so richtig ärgerlich ist. Man hört von der ersten bis zur letzten Sekunde, dass hier Profis am Werk sind, die nur dafür sorgen sollen, dass JOACHIM WITT auch von den Massen gekauft wird, die in schöner Regelmäßigkeit die Alben von UNHEILIG an die Spitze der Charts bringen. Wen interessieren heutzutage denn noch Authentizität und Glaubwürdigkeit?

Andreas Schulz (Info) (Review 6365x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 5 von 15 Punkten [?]
5 Punkte
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Tracklist:
  • Gloria
  • Jetzt geh
  • Tränen
  • Blut
  • Königreich
  • Beben
  • Licht im Ozean
  • Komm nie wieder zurück
  • Leichtsinn
  • Untergehen

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • DOM (2012) - 5/15 Punkten
  • Neumond (2014) - 11/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Mirko
gepostet am: 15.10.2012

User-Wertung:
1 Punkte

Stimme dir insgesamt zu, die Scheibe hat sich aber eine andere Wertung verdient. *gg*
Jochen [musikreviews.de]
gepostet am: 16.10.2012

User-Wertung:
7 Punkte

Ach nee, Mirko, Joachim muss schon genug weinen in seiner Kathedrale der Pop-Musik. Ich gehe mit Andreas auch d'accord und steigere die Wertung. Das ist wie bei den besten Derrick-Folgen. Kein Maßstab greift, aber amüsiert haben wir uns trotzdem. Wenn die Stimmung passt. "Meier ist tot!" "Tot?" "Ja, erschossen!" "Erschossen?" "Mit einem Jagdgewehr!" "Ein Jagdgewehr?" Stunden später, DOM läuft zum wiederholten Mal. Es war Gloria. Sie wollte raus aus dem Dreck. Dumm gelaufen. Ich mag Witts neue Pladde. Muss sie ja nicht unbedingt hören.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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