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Versengold: Zeitlos (Review)
Artist: | Versengold |
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Album: | Zeitlos |
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Medium: | CD | |
Stil: | Mittelalter-Folk mit hervorragenden deutschen Texten |
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Label: | FUEGO / Indigo/Zebralution | |
Spieldauer: | 52:49 | |
Erschienen: | 31.07.2015 | |
Website: | [Link] |
Na, das ist doch ein gelungener Album-Start!
In Deutschland steigen VERSENGOLD von 0 auf 22 ein! Nicht unbedingt gewöhnlich für eine Bremer Band, die sich dem mittelalterlichen Folk verschrieben hat, ohne sich, wie beispielsweise FAUN, verstärkt poppigen Klängen zu widmen, sondern besonderen Wert neben der Musik auf ihre Texte legt.
Zwölf Jahre und sieben Alben sind VERSENGOLD nun schon alt - und sie sind deutlich gereift, was nicht nur daran liegt, dass die Bremer ihrer Musik dem vorrangigen Mittelalter-Sound durch Schlagzeug und Bass eine modernere Note verleihen, sondern auch ihre Musik nicht etwa auf Barden-Trinklieder und ordentliche Abhott-Rhythmen beschränken, dafür aber mit wundervollen Balladen anreichern, deren Texte sich auf top-aktuelle Themen beziehen und im Falle von „Die Namen von Millionen“ sogar für „Geboren um zu leben“ von UNHEILIG eine harte Konkurrenz hätten darstellen können. Ganz Ähnliches gilt auch für „Die Schönheit der Schatten“, einem mystisch-melancholischem Duett, auf dem KATJA MOSLEHNER von FAUN als Duett-Partnerin dem Song, so eine Art traumhafte Romeo-und-Julia-Geschichte, eine beeindruckende weibliche Komponente verleiht.
Und natürlich werden, wie nicht anders zu erwarten war, beispielsweise bei Amazon viele Kritiker laut, um mit dem bösen Mainstream-Vorwurf um sich zu werfen, von einem „lahmen Album“ zu sprechen usw. usf. „Typische Kritiker“ natürlich aus den Reihen ihrer Fans, die nun alle alten Alben als die wahre VERSENGOLD-Inkarnation abfeiern und hinter „Zeitlos“ plötzlich nur noch ein REIMPECH erkennen.
Doch diese ewiggestrige Ungerechtigkeit hat „Zeitlos“ in keiner Weise verdient, denn es ist wirklich das Album von VERSENGOLD geworden, dem man nur wünschen kann, dass sein Album-Titel auch in der musikalischen Wirklichkeit erfolgreich umgesetzt wird.
VERSENGOLD sind etwas nachdenklicher und ruhiger, aber auch noch einen Ticken kritischer geworden, was ihrer Musik verdammt gut tut. Hier werden nicht nur mittelalterliche Trinklieder der Marke HORCH abgefeiert oder brachiale SUBWAY TO SALLY-Klänge folkig verrockt, sodass das Fan-Publikum ordentlich vor der Bühne rumhüpfen kann, sondern „Zeitlos“ ist die offensichtliche Aufforderung, nicht nur alle Körperteile durchzuschütteln, sondern auch mal ordentlich die Ohren zu spitzen und den deutschen Texten, die heutzutage ihresgleichen suchen und zum Allerbesten der Mittelalter-Folk-Szene gehören, eine gehörige Portion Aufmerksamkeit zu widmen, die nicht nur bis in die Füße, sondern auch bis zum Gehirn gelangt!
Dabei gibt bereits im Vorfeld der Song „Spaß bei Saite“ ganz offensichtlich eine Antwort auf diese „mittelalterliche“ Einstellung ihrer Fans, von denen doch tatsächlich behauptet wird, dass eine ganze Menge von ihnen, wenn sie gerade nicht vor der VERSENGOLD-Bühne stehen, in ganz biederen oder gut bezahlten Berufen tätig sind und verdammt angepasst in diesem Konstrukt funktionieren, egal ob als Mediziner, Studenten, Lehrer, Ökos, Hausfrauen oder sonstwer ... so ein kleines Häuschen oder ein flottes Auto ist so viel Anpassung doch allemal wert, oder? „Wir sind vergnügungssüchtig, ständig breit und chronisch pleite / So kann‘s nicht weitergehen, also: Spaß bei Saite! [...] Doch das ist mir scheißegal, ich laufe lachend vor die Wand / Und es gibt auch einen guten Grund, warum ich das verdammt nicht lasse / Irgendwann habe ich das Scheißding eingerannt!“
Womit wir zugleich bei der allgemeingültigen gut-deutschen Scheinheiligkeit wären, die im übertragenen Sinne permanent auch von VERSENGOLD aufgegriffen wird. Egal, ob das nun wirtschafts- und politkritisch in „Der Rubel rollt“ ist: „Des Menschen liebster Wegbegleiter / Ist der verheißungsvolle Zaster [...] Zu haben, horten, reißen, raffen / Ist des Meisten liebste Rolle [...] Der eine nagt am Hungertuch / Der andre schnarcht auf Seidenlaken.“ - oder die dreckige Kriegsmaschinerie, die nur Leben nimmt, während Politiker einem erklären, solcher Scheiß wäre eine Friedensmission: „Wann, wann / Werden wir in Menschen, die wir Feinde nennen / Auch den Menschen erkennen?“ Dieser todtraurig-nachdenkliche, sich zu einer wahren Hymne erhebende Song „Die Namen von Millionen“ ist ein Lied, das musikalisch und textlich jedem friedens- und musikbewegten Menschen erst ein Schauer über den Rücken und dann eine Gänsehaut beschert, die ihnen nicht mehr loslässt. BETTINA WEGNERs „Soldaten“ ist das einzige mir, dem nimmerklugen Pazifisten, bekannte Anti-Kriegs-Lied, welches in ähnlicher Form so bewegte wie der vorletzte Titel des „Zeitlos“-Albums, welcher dann durch die erkenntnisreichen Zeilen: „Wann, wann / Hör‘n wir auf uns so mit Angst zu blenden / Unsre Leben zu verpfänden / Für Religion und Wirtschaftsmacht und Vorurteil und den Verdacht / Mehr als nur eine Spielfigur zu sein?“, noch verstärkt wird! Sogar auf die Spuren des wunderbaren ALBERT SCHWEITZER, der in seiner Hochachtung vor jeglichem Leben auch vor dem Leben der Pflanzen kein Halt macht („Die Blumen haben ebensoviel Recht zu leben wie wir!“), begeben sich die sieben Musiker mit ihrem „Frühlingsgruß“, zu dem es zugleich, gerade seiner Einfachheit halber, ein wirklich bewegendes Video gibt: „An einem schönen Frühlingstag / Ein Frühlingsgruß - ein Blümelein / Am Wegesrand im Sterben lag.“
Als besondere Wertschätzung der eigenen Musik haben VERSENGOLD auch sehr viel Liebe in die Gestaltung ihrer CD-“Verpackung“ gesteckt. Ein umfangreiches Digi-Book (24 Seiten im Hardcover) im alten Stil, mit dem Sonne-Mond-Symbol darauf, dem unmittelbar auch die beiden Instrumentals von „Zeitlos“ - Luna‘s Reel & Sol‘s Reel - huldigen. Liebevolle Kreativität wird eben rundum groß geschrieben ... eine wahres VERSENGOLD-Stück!
Bleibt für mich, den eigentlich bei mittelalterlichem Folk recht kritisch kritisierenden Zeitgenossen, doch tatsächlich dieses FAZIT übrig:
VERSENGOLD sind angekommen!
Aber nicht in mainstreamiger Behäbigkeit, sondern in einer außergewöhnlichen Kombination aus zugleich glücklich und nachdenklich stimmendem Folk und kritischer Poesie, die in ihrer Gesamtheit zeigt, dass solche Musik mehr als Unterhaltung und Live-Barden-Bespaßung sein kann, sondern wirkliche Kunst, die von echten Könnern musikalisch vorgetragen wird, so wie von diesem Bremer Septett VERSENGOLD.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Zeitlos
- Ihr seid Musik
- Kein Trinklied
- Frühlingsgruß
- Hoch die Krüge
- Wolken
- Die Schönheit der Schatten
- Luna‘s Reel
- Spaß bei Saite
- Der Rubel rollt...
- Schon immer mal
- Sol‘s Reel
- Die Namen von Millionen
- Schlaflied
- Bass - Eike Otten
- Gesang - Malte Hoyer, Daniel Gregory, Florian Janoske, Alexander Willms, Eike Otten, Sean Lang, Katja Moslehner
- Gitarre - Daniel Gregory, Florian Janoske
- Keys - Sean Lang
- Schlagzeug - Sean Lang, Thomas Heuer
- Sonstige - Malte Hoyer (Flöten), Florian Janoske (Violine), Alexander Willms (Violine, Nyckelharpa, Concertina), Matthias Lohmöller (Trompeten), Sonja Hundrieser (Chor)
- Zeitlos (2015) - 14/15 Punkten
- Live 2015 (2015)
- Live in Hamburg (2016)
- Nordlicht (Märchen von morgen Edition) (2020) - 12/15 Punkten
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