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The Electric Family: Terra Circus (Review)
Artist: | The Electric Family |
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Album: | Terra Circus |
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Medium: | CD/LP | |
Stil: | Krautrock in allen Schattierungen |
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Label: | Sireena Records / Broken Silence | |
Spieldauer: | 44:22 | |
Erschienen: | 05.05.2017 | |
Website: | [Link] |
Achtung!
Trommelwirbel!
THE ELECTRIC FAMILY ist zurück!
Und natürlich beginnt das Album genauso angemessen wie diese Review – mit einem Trommelwirbel!
Enden aber tut es mit der puren psychedelischen Spacerock-Dröhnung!
Dazwischen passiert in der familiär elektrifizierten Musik-Dreiviertelstunde sehr, sehr viel und man sollte erst gar nicht nach einer Schublade suchen, man wird sie nicht finden. Höchstens extrem Kraut(-Rock) und Rüben, der auf einem riesigen UFO mit „Prince Kajuku“ am Steuer durch den „Star Storm“ angeschwebt kommt. Einen ganzen Schrank sollte man für die vielen Schubladen, die „Terra Circus“ für uns bereithält, bauen.
Ach, und auch die sollten sich in dem riesigen Spannungsbogen bewegen, den allein die zwei Coverversionen des Albums abdecken: in ihnen huldigen THE ELECTRIC FAMILY dem finsteren Rock mit gothischer Prägung, den die SISTERS OF MERCY bis zur Perfektion trieben und dem cineastischen, exorbitanten Krautrock von CAN. Aber nicht etwa in Nachspielmanier, sondern freier Interpretation. So wird das Mercy-Cover „Lucrecia, My Reflection“ eine anfänglich weltmusikalische Akustik-Reise mit Sitar und Akustik-Gitarren, die sich orgastisch an einem Orgelmotiv bis zum Noise-Gewitter erhebt.
Danach gibt‘s mit „When Dizzyness Comes Around“ eine etwas augenzwinkernde Rockabilly-Nummer, bei der man nach genau acht Sekunden knapp vier Sekunden lang glaubt, dass „in München ein Hofbräuhaus“ steht, während die „Freudenhäuser rausmüssen“.
Der „lustigste“ Titel des Albums, dem dann ein grausiges Monster-Movie folgt, denn CANs „Mary, Mary, So Contrary“ erhebt zu einem düsteren Brocken mit einigen Floyd-Auswüchsen, Slide-Gitarre und Sixties-Jazz-Orgel, um danach mit „Landmark Visions II“ gleich noch eine zusätzliche Schaufel Finsternis-Kohlen drüberzuwerfen und mit uns eine Art DOORS-Reise bis zum endgültigen „The End“ anzutreten, allerdings mit Gesang, der sich zwischen der Aura von NICK CAVE und JULIAN COPE bewegt.
Zehn Jahre ließ sich THE ELECTRIC FAMILY für dieses Album mit gezähmten Elefant und Tigern vorm Erdball Zeit, um uns farbenfroh klarzumachen, dass dieser Zirkus, der hier veranstaltet wird, wohl nicht mehr all zu lustig ist. Denn erst sind die Tiere dran, dann die Erde. Just For Fun! Doch durch diese Rechnung zieht jedenfalls „Terra Circus“ einen dicken Musik-Strich. Wer hören kann und nicht in Schubladen denkt, der wird wohl auch sehen, was auf dem Album passiert. Es verweigert sich allen Klischees und lässt nicht zu, dass man es mit einem Haufen Vergleiche überschüttet. Wer Prog liebt, und THE ELECTRIC FAMILY dort früher ausschließlich zu verorten versuchte, wird sauer sein, denn dafür ist das Album viel zu straight, düster, weltmusikalisch samt Sitar-Klängen, die mit „Santuario“ ihr ganz spezielles, eigenes (und zugleich einziges) Instrumental verpasst bekommen. Auch hört man atmosphärisch auf dem erdverbundenen Album eher GRARTEFUL DEAD oder BIRTH CONTROL, die einfach drauflosjammen und dabei einen Obelisk aus Noten schaffen, wenn sie am Ende mitten auf „The Dreamboat“ den Musik-Ozean – zu Terra gehört eben genauso auch Aqua - durchqueren, ohne auch nur ansatzweise Erinnerungen an das „Traumschiff“ zu wecken. Und ewig bläst die Orgel den Wind in die „Terra Circus“-Segel!
Zehn Jahre sind tatsächlich schon seit „Royal Hunt“ - dem Vorgänger und zugleich 4. Album von „Terra Circus“ - vergangen und zwanzig seit ihrem Debüt-Album „Welcome To The Family Show“! Beim Hören des 2017er-Albums ist aber keinerlei Stillstand zu spüren – die Mannen um Tom „The Perc“ Redecker gehen eher deutlich druckvoller zur Sache. Der Grund dafür ist in einem umfangreichen Interview mit RockTimes.de zu erfahren, in dem Redecker klarstellt: „Noch nie ist eine Electric Family-Besetzung so gut vorbereitet ins Studio gegangen. Das kam so: Wir wollten eigentlich im letzten Jahr eine Tour zusammen mit AGITATION FREE machen, noch unter dem Projektnamen SUN TEMPLE CIRCUS. Die Altherren aus Berlin waren sich irgendwann nicht mehr einig und sind ausgestiegen aus dem Tourprojekt. Das bedeutete das Ende. Wir hatten aber natürlich ein Live-Programm erarbeitet und anstatt Frust zu schieben, sind wir in Bremen ins Studio gegangen und haben einen Teil des Programms live eingespielt, mit durchaus einer Portion Wut im Bauch. Das merkt man dem Album auch an. Die Frischzellenkur, die du [Das Interview führte Ulli Heiser! - T.K.] angesprochen hast, war wohl in erster Linie die Rückkehr von Harry Payuta ins Team und der Einstieg von Anders Becker, der immerhin den verstorbenen Volker Kahrs an den Keyboards beerbte und das fabelhaft gelöst hat. Einen ganz entscheidenden Einfluss auf das musikalische Endresultat hat aber sicherlich Rolf Kirschbaum, der mit seiner Vorliebe für heftige Noise-Gitarren-Licks uns alle mitgerissen hat.“
Kein Wunder also, woher THE ELECTRIC FAMILY nach „Frischzellenkur mit Wut im Bauch“, aber auch nach echter Live- oder gar etwas Jam-Atmosphäre klingt, denn in nur zwei Tagen wurde das Album „live im Studio“ von gleich vier Electric-Family-Mitgliedern der ersten Stunde – The Perc, Harry Payuta, Rolf Kirschbaum, & Hanno Janssen – sowie zusätzlich dem Keyboarder der MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY, Anders Becker, plus dem zweiten Schlagzeuger Steff Ullrich eingespielt. Eine Glanzleistung, wenn man das fertige Album in Ohrenschein nimmt!
THE ELECTRIC FAMILY lebt!
Musik-Vorhang auf!
Der „Terra Circus“ ist eröffnet!
FAZIT: Was mit einem Live-Auftritt 1996 beim Burg-Herzberg-Festival begann, vier Alben und zehn Jahre lang lebte und sich dann erst einmal für zehn Jahre zur Ruhe setzte, ist nun nach 20 Jahren leidenschaftlicher als je zuvor inmitten des „Terra Circus“ wieder zurück. THE ELECTRIC FAMILY rocken krautig und düster, aber auch akustisch und schwarzhumorig um den Schrank voller Musikschubladen herum, in der für sie erst eine neue erfunden werden muss. Das ist so progressiv, dass es schon wieder völlig unprogressiv ist.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Movin‘
- Lucrecia, My Reflection
- When Dizzyness Comes Around
- Mary, Mary, So Contrary
- Landmark Visions II
- Santuario
- The Dreamboat
- a) Fanfare To The Shipyard Workers
- b) Name The Wreck
- c) Back In The Yard
- Bass - Harry Payuta, Tom "The Perc" Redecker
- Gesang - Tom "The Perc" Redecker, Harry Payuta
- Gitarre - Tom "The Perc" Redecker, Harry Payuta, Rolf Kirschbaum
- Keys - Anders Becker
- Schlagzeug - Steff Ulrich, Hanno Janssen
- Sonstige - Harry Payuta (Sitar)
- Ice Cream Phoenix - Resurrection (2012) - 13/15 Punkten
- Terra Circus (2017) - 12/15 Punkten
- The Long March … From Bremen To Betancuria (2018) - 13/15 Punkten
- Tender - 20th Anniversary Edition (2019) - 12/15 Punkten
- Echoes Don't Lie (2020) - 11/15 Punkten
- Saba (2022) - 12/15 Punkten
- Live At Filmfest Schwerin, 9. Mai – The Electric Kindergarten 9 (2023) - 9/15 Punkten