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Various Artists: Doing Our Thing – More Soul From Jamdown 1970-1982 (Review)
Artist: | Various Artists |
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Album: | Doing Our Thing – More Soul From Jamdown 1970-1982 |
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Medium: | CD/Do-LP | |
Stil: | Jamaikanische Reggae- und Ska-Versionen von amerikanischen Soul-Titeln |
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Label: | Cree Records/Bear Family Productions | |
Spieldauer: | 62:21 | |
Erschienen: | 29.09.2017 | |
Website: | [Link] |
Man muss sich in Deutschland heutzutage gehörig vorsehen, wenn man das Wort Jamaika in den Mund nimmt. Denn plötzlich denken alle geistig verpolitisierten und multi-medial-tv-und-radio-radikal verpeilten Zeitgenossen nur noch an die Bundestagswahl und eine Jamaika-Koalition, aber nicht an den karibischen Inselstaat, dessen symbolische Flaggen-Farben (zwei gelbe Querstreifen, zwei schwarze Querdreiecke, zwei grüne Längsdreiecke) wir uns als deutsche Eroberer für unseren zurechtgewählten Polit-Käse vereinnahmt haben.
Statt Rasta-Locken, Reggae und Sonnenstrände (genauso wie eine verhängnisvolle parlamentarische Monarchie) popeln drei deutsche Parteien anhand ihrer Farbgebung eine sonnige Koalition zusammen, die am Ende sowieso mehr Schatten als Licht wirft. Stattdessen hätten wir doch auf die deutschen Tugenden und bei uns praktizierten Schwarz-Gelb-Grün-Farbgebung zurückgreifen können, das wäre ehrlicher und authentischer gewesen. Ein Blick in Richtung Mülltrennung hätte schließlich schon gereicht: Schwarz = Haushaltsmüll; Gelb = Kunststoffmüll; Grün = Biomüll! So einfach geht‘s – und schon hätten wir in Deutschland bald eine Müll-Koalition, die dann ihrem Namen alle Ehre machen darf, statt die Landesfarben eines Inselstaats zu missbrauchen.
Zum Glück haben wir ja noch die Musik, in die wir uns retten, in der wir aufgehen und mit der wir viel Spaß haben können. Musik, die aus dem „echten“ Jamaika kommt, wirklich etwas mit Reggae, Rasta, Sonne und Leidenschaft zu tun hat und mit der uns die fried-freundlich zusammenarbeitenden Musik-Experten und -Liebhaber von Bear Family Productions auch ohne Koalition und Zwangskompromiss retten können, während sich andere Politologen mit banalen Farbspielen statt mit echten Inhalten beschäftigen.
„Doing Our Thing – More Soul From Jamdown 1970-1982“ ist bereits die zweite Veröffentlichung von Cree Records aus dem Hause der Bärenfamilie, die in Form einer Doppel-LP (180g Vinyl) oder einer Digipak-CD mit eingeklebtem, dickem 32seitigen Booklet, in denen umfangreiche Linernotes von Steve Barrow & Noel Hawks sowie echt beachtens- und bewundernswerte Fotos von Dave Hendley enthalten sind, daherkommt und sich als unmittelbare Fortsetzung von „Sly & Robbie Present Taxi Gang In Disco Mix Style 1978-87“ versteht.
Auch diesmal heißt es also wieder, dass die besten jamaikanischen Musiker, Sänger, Produzenten und D.J.‘s sich amerikanische Soul-Nummern auswählen und dazu ihre ureigenen jamaikanischen Interpretationen darbieten.
Zusammengestellt wurden die Aufnahmen vom bekannten Reggae-Historiker Steve Barrow, der dabei die Absicht verfolgte, den immensen Einfluss von Ami-Soul- und Disco-Titeln auf die Musik aus Jamaika aufzuzeigen, wobei einige Versionen kaum noch das Original erkennen lassen, während andere wie die jAMaIkanische Fusion beider Musik-Stile erklingt, wobei das Instrumental „Travelling On“ von LLOYD CHARMERS ein sehr gutes Beispiel ist.
Dafür wird dann wiederum aus „Fly Robin Fly“, dem Disco-Kracher von SILVER CONVENTION, ein „Run Babylon Run“ von ROOTS CONVENTION oder aus SAM COOKEs „Nobody Knows You (When You‘re Down & Out)“ ein „Life Of A Millionaire“ von DAVE BARKER.
Die ersten drei Titel stammen alle von DAVE BARKER, der 1971 zu den ersten jamaikanischen Musikern gehörte, die es mit ihrer Musik bis in die internationalen Charts schafften.
Besonders spannend und ein großartiger Abschluss des Samplers ist der letzte Hit „Special Request To The Manhattans“ von PHILLIP FRAZER, der gleich zwei Erfolgstitel von THE MANHATTANS mit MADNESS‘ „One Step Beyond“-Rhythmus verbindet. Mit einem ganz ähnlichen Drive und viel Gebläse geht zuvor auch CEDRIC BROOKS auf seinem „South African Reggae“ zur Sache und verblüfft reibt man sich die Augen, wenn man liest, dass der Song schon aus dem Jahr 1974 stammt und im Grunde den MADNESS-Sound der britischen Ska-Band, die erst im Jahr 1976 gegründet wurde, vorwegnimmt. Wer allerdings weiß, dass der Ska jamaikanische Wurzeln hat, die bis in die anglo-amerikanischen Breiten reichen, den wundert diese Erkenntnis dann schon wieder nicht mehr. Und am Ende gilt, nicht nur Jamaika covert, sondern die Soul- und Reggae-Rhythmen entstanden seit den frühen Siebzigern in einer kreativen Wechselwirkung.
Die Freude beim Hören der amerikanischen Soul-Nummern in ihrer jamaikanischen Entsprechung ist jedenfalls pur, auch weil sie noch dazu in großartigem Sound erklingen.
Nimmt man sich dann noch dass dicke Büchlein zur Hand und liest die umfangreichen Geschichten hinter jedem einzelnen Song, den Musikern oder der jamaikanischen Musik-Szene der damaligen Zeit, dann gibt es neben der ansteckenden Musik auch noch die pure Musik-Historie zu genießen, die uns die Augen zu einem Land und seinen (musikalischen) Einwohnern öffnet, anstatt mit irgendwelchen symbolischen Farbspielereien einen unmöglichen, politischen Koalition-Zustand in Deutschland missbräuchlich „einzufärben“.
FAZIT: „Doing Our Thing – More Soul From Jamdown 1970-1982“ ist ein wunderbarer, karibischer Reggae-Sampler, auf dem die namhaftesten Musiker Jamaikas amerikanische Soul-Songs auf ihre ganz eigene, inseltypische Art covern und man vor lauter Glück seine Rastas fliegen lassen und eine dicke Tüte rauchen kann. Außerdem ist er die unmittelbare Fortsetzung von „Sly & Robbie Present Taxi Gang In Disco Mix Style 1978-87“, die sich Sammler natürlich nicht entgehen lassen dürfen, denn neben viel Musik gibt‘s hier in dem megafetten Booklet, welches in das Digipak eingeklebt ist bzw. der Doppel-LP als Begleitheft beiliegt, auch jede Menge an Information geboten.
PS: Und wo das Album von Freunden guten koalitionslosen Jamaika-Reggaes mit amerikanischen Wurzeln gekauft wird, ist ja eigentlich klar, genau hier mit einem Klick und nicht bei...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- DAVE BARKER Johnny Dollar (1970)
- DAVE BARKER Double Heavy (1970)
- DAVE BARKER Life Of A Millionaire (1970)
- LLOYD CHARMERS Travelling On (1971)
- GLEN ADAMS Do Your Thing (1973)
- ALTON ELLIS Too Late To Turn Back Now (1973)
- AUGUSTUS PABLO Too Late (1973)
- BB SEATON Thin Line Between Love & Hate (1973)
- CEDRIC BROOKS South African Reggae (1974)
- DILLINGER Cornbread, Earle & Me (1979)
- RICHARD ACE Supernatural Thing (1975)
- WILLIE LINDO Breezin‘ (1976)
- JUNIOR BYLES Ain‘t Too Proud To Beg (1976)
- ROOTS CONVENTION Run Babylon Run (1976)
- JOHN HOLT You‘ll Never Find Another Lover Like Mine (Extended) (1976)
- HORTENSE ELLIS Ain‘t That Loving You (1977)
- PHILLIP FRAZER Special Request To The Manhattans (1981)
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