Partner
Services
Statistiken
Wir
Manuel Schmid: Deine Liebe und mein Lied (Review)
Artist: | Manuel Schmid |
|
Album: | Deine Liebe und mein Lied |
|
Medium: | CD | |
Stil: | Legendäres aus der DDR und Gegenwärtiges vom STERN-COMBO-MEISSEN- und CYRIL-Sänger |
|
Label: | A&O Records/Edel | |
Spieldauer: | 75:26 | |
Erschienen: | 21.07.2017 | |
Website: | [Link] |
Es ist jedes Mal das gleiche Ost-West-Kuriosum.
Endlich bekommt man als Ex-Ossi, der kampferprobt mit der Faszination des Zwischen-den-Zeilen-Lesens großgeworden ist, ein Album, das an die deutschsprachige DDR-Rock-Pop-Prog-Vergangenheit erinnert, da liest man in einer „West“-Kritik zusammenfassend dazu, dass das alles etwas „antiquiert“ klingen würde. Und irgendwie hat man dann gleich wieder die Nase voll, denn das einzig Antiquierte an dieser Musik war, dass sie in einer Zeit entstand, in der Mauer und Zensur zwar die hohe Kunst „verklausulierten Textens“ von den Musikern erzwangen, die Kompositionen und Musik aber nie etwas von ihrer unglaublichen Faszination verloren haben. Die DDR schuf echte Evergreens, die ihr Dasein im allgemeinen Desinteresse gesamtdeutscher Musik-Befindlichkeiten fristen – und auf die wohl kaum jemand noch Bock hat, sie über DDR-Nischen hinaus zu entdecken.
Da muss dann schon mal so ein junger Bursche wie MANUEL SCHMID mit „Deine Liebe und mein Lied“ daherkommen, der als Fünfjähriger den Mauerfall erlebte und im „neuen“ Deutschland großgeworden ist, aber den die Musik seiner Eltern nie losließ, bis er selber als Musiker unmittelbare DDR-Erinnerungsgeschichte schrieb, nämlich als er als Sänger und Keyboarder bei der berühmtesten ostdeutschen Prog-Rock-Band (In der DDR hieß es übrigens Kunst-Rock!) STERN-COMBO MEISSEN einstieg. Mit in sein Live-Boot holte er dann gleich noch einen weiteren ehemaligen Musiker der Stern-Combo, MAREK ARNOLD, der die alten AMIGA- und neuen Schmid-Songs maßgeblich mit Saxofon und Klarinette bereichert.
MANUEL SCHMID verbindet bei dem am 19. November 2016 in der Geraer Commode am Steg, einer wunderschönen, sich sehr dem Ostrock widmenden Gaststätte, aufgenommenen Songs alte DDR-Klassiker – aber nicht die tausendfach gedudelten – mit eigenen, den Ost-Klassikern ganz ähnlichen deutschen Liedern. Mit seinem eigenen Stück „Worte sind wie Bilder“, das sich musikalisch und textlich in bester Ostrock-Tradition bewegt und dem MAREK ARNOLD mit seinem Sopransaxofon ein ganz besonderes Musik-Eigenleben einhaucht, eröffnet der Stern-Combo-Sänger sein Programm. Und nun beginnt die Reise durch die schönsten Momente ostdeutscher Rockmusik, deren mutige Besonderheit auch darin liegt, dass Schmid bewusst keinen Stern-Combo-Meissen-Titel ins Programm genommen hat, auch wenn gleich zwei Sterne auf der Commoden-Bühne leuchten.
Dafür aber ist die Auswahl der Ost-Stücke mehr als grandios gelungen, da sie in erster Linie auch die „gefährlichen“ Stücke dieser Zeit, die sich zwischen den Zeilen auf die Freiheit bezogen, die im Mauer-Staat DDR ja schon als verbotenes Wort galt, bezieht – beste Beispiele dafür sind KARATs „Albatros“ oder LIFTs „Nach Süden“, bei dem als besonderer Höhepunkt sogar das LIFT-Urgestein WOLFGANG SCHEFFLER den Platz hinter den Keyboards einnimmt. Genauso wie bei dem todtraurigen zweiten LIFT-Lied „Am Abend mancher Tage“, das dem tragischen Unfall-Tod zweier LIFT-Musiker (Gerhard Zachar und Henry Pacholski) bei einer Polen-Tournee im Jahr 1978 gewidmet ist, bei dem auch Scheffler mit dabei war: „Am Abend mancher Tage / Da stimmt die Welt nicht mehr / Irgendetwas ist zerbrochen / Wiegt so schwer / Und man kann das nicht begreifen / Will nichts mehr sehn / Und doch muss man weitergeh‘n.“
In die gleiche „todtraurige Kategorie“ fällt dann auch von SILLY „Asyl im Paradies“, ein Song, den TAMARA DANZ bereits im Angesicht des Todes, nachdem 1995 bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden war, sang: „Gib mir Asyl, hier im Paradies / Hier kann mir keiner was tun / Gib mir Asyl, hier im Paradies / Nur den Moment um mich auszuruh‘n.“
Aber auch der eigene Schmid-Song „Leben nur wieder Leben“ gehört als drittes Kunstwerk mit in diese Reihe. KURT DEMMLER schrieb den Text für dieses Lied, einer seiner letzten Texte, bevor der begnadete Liedermacher und Arzt sich nach schweren Vorwürfen wegen Kindsmissbrauch am frühen Morgen des 3. Februar 2009 in seiner Zelle der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit erhängte.
Dann wäre da eben auch das bereits angesprochenen Kuriosum, dass bei diesem Konzert den beiden anderen symphonischen DDR-Prog-Bands LIFT und ELECTRA, die gemeinsam mit der STERN-COMBO MEISSEN den SACHSENDREIER bildeten, gehuldigt wird, die Sterne aber außen vorbleiben. Das verdient Hochachtung, gerade weil der aktuelle STERN-COMBO-Sänger so nicht gemeinsam mit MAREK ARNOLD in den Verdacht der Selbstbeweihräucherung verfällt. Dafür aber dürfen wir aus der ELECTRA-Symphonie „Die Sixtinische Madonna“ den zweiten Satz „Das Bild“ hören, der zugleich einen gehörigen Seitenhieb in Richtung der Glaubens-Instrumentalisierer und Für-sich-Gott-in-Anspruch-Nehmer namens Religion enthält: „Kleinmut und Stolz, aus diesem Holz, schuf der Mensch sich am 6. Tag Gott!“
Eigentlich schade, dass trotz aller intensiver Musiknähe die Stern-Combo komplett fehlt. Denn wie schön wäre es doch gewesen, wenn vielleicht „Die Sage“, das vom erst vor kurzen verstorbenen STERN-COMBO MEISSEN-Gründer NORBERT JÄGER getextete Stück mit im Programm enthalten gewesen wäre, die sich hervorragend in das Konzept eingepasst hätte – und dann am besten gleich noch mit der ehemals in der DDR verbotenen letzten Strophe, die in dieser Form leider noch nicht das Licht der Musikwelt erblicken durfte, die aber noch im Jäger-Nachlass zu finden ist.
Auch hätte MANUEL SCHMID dann zugleich noch mit „Seelenlieder“ seine persönliches Musik-Gedenken an den verstorbenen REINHARD FißLER mit aufnehmen können.
Leider ist auch das Booklet zum Album, das im Grunde nur ein spärlicher, einseitiger Einleger geworden ist, nicht der Rede wert, dagegen sind es die musikalisch hervorragende Qualität, natürlich auch der ausgezeichnete Gesang und die fantastische Produktion, sogar von EROC gemastert, und die Auswahl der alten Stücke, aus Anlass des 70. Geburtstags des einzigen DDR-Rock-Platten-Labels AMIGA allemal, sodass neben den bereits erwähnten Bands (DDR-Sprech: Musik-Gruppen) auch Stücke von KARUSSELL („Wie ein Fischlein unterm Eis“), HOLGER BIEGE („Sagte mal ein Dichter“ und „Deine Liebe und mein Lied“), FRANZ BARTZSCH & 4PS („Die Nachtigall“), MANFRED KRUG („Sonntag“) und VERONIKA FISCHER („Zu groß der Hut“ und „Niemals mehr“) ihre ganz eigenständige Musikinterpretation durch MANUEL SCHMID und die ihn begleitenden Musiker erhalten.
Den Kreis des rundum gelungenen Konzerts schließen dann erst die Schmid-Eigenkomposition „Das Ende vom Lied“ und die ausschließlich solistisch gesungenen LIFT-Ballade „Sommernacht“.
Mögen diese Musik gerne alle nicht im Mauerland groß gewordene Musikfreunde doch als „antiquarisch“ bezeichnen, weil ihnen eben das Gefühl des Eingemauertsein und Zwischen-den-Zeilen-Hörens fehlt und bis heute nicht erschlossen hat, für diejenigen aber, die in der DDR sozialisiert worden und verzweifelt nach jedem kritischen Wort suchten, das sie fast ausschließlich in der Kunst, besonders der Musik und Literatur, aber auch Malerei und im Film, fanden, ist solch ein Konzert nicht nur ein nostalgischer Musik-Rückblick, auf ein verschwundenes Land, sondern auch die Erinnerung an etwas, das ihnen zeigte, dass man gerade mit Hilfe der Musik die unerträgliche Gefangenschaft etwas besser ertragen und sogar Hoffnung auf eine Freiheit in ferner Zukunft haben konnte. Auch wenn die Freiheit längst erkämpft wurde, so, wie sie sich heutzutage größtenteils darstellt, ist jedes Lied, das hier erklingt, noch genauso aktuell wie zu DDR-Zeiten. Man muss nur versuchen, zwischen den deutschen Zeilen zu lesen, statt sich mit solchen Banalitäten wie „Erst mal noch die Welt retten“ zu begnügen.
FAZIT: „Deine Liebe und mein Lied“ vom aktuellen STERN-COMBO MEISSEN- und CYRIL-Sänger MANUEL SCHMID, der gemeinsam mit einem weiteren Ex-Stern und Cyril-Kollegen, MAREK ARNOLD, live mit eigenen Liedern und, aus Anlass des 70. AMIGA-Geburtstags, DDR-Cover-Versionen von LIFT, ELECTRA, HOLGER BIEGE, KARAT, SILLY u.v.m. in der Commode am Steg in Gera auftrat, das noch dazu in ausgezeichneter Qualität aufgenommen wurde, ist eins der gelungensten Erinnerungskonzerte an eine Zeit und deren hervorragende Musik, die viel zu schnell in ihrer ganzen Intensität in Vergessenheit geriet.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Worte sind wie Bilder
- Nach Süden
- Sagte mal ein Dichter
- Nachtigall
- Zu groß der Hut
- Sonntag
- Glaube mir
- Leben nur wieder leben
- Niemals mehr
- Asyl im Paradies
- Albatros
- Das Bild
- Am Abend mancher Tage
- Deine Liebe und mein Lied
- Wie ein Fischlein unterm Eis
- Das Ende vom Lied
- Sommernacht
- Bass - Markus Dreßler
- Gesang - Manuel Schmid
- Gitarre - Markus Dreßler
- Keys - Manuel Schmid, Marek Arnold, Wolfgang Scheffler
- Schlagzeug - Ekkehard Dreßler
- Sonstige - Marek Arnold (Saxophon, Klarinette), Knut Bräuer (Saxophon)
- Seelenparadies (2016) - 12/15 Punkten
- Deine Liebe und mein Lied (2017) - 12/15 Punkten
-
keine Interviews
Kommentare | |
Robert
gepostet am: 24.01.2018 |
Manuel Schmid und Marek Arnold haben sich bei der Stern combo Meißen knapp verpasst, musizieren aber gemeinsam bei Cyril. Nun dieses Album. Worum es geht, hat Thoralf in der Review geschrieben. Nun, ich habe die ersten sieben Jahre meines Lebens in einem Land verbracht, wo der Honnecker Ceausescu hieß, hab daran aber keine Erinnerung mehr. Ich habe somit auch zu diesen Stücken keinen direkten Bezug, sprechen mich aber in ihrer Lyrik und Poesie durchaus an. Eine Reise in eine Vergangenheit, die nicht meine ist, ich aber das Gefühl habe, mich dadurch heranspüren zu können |